Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 22.12.2009, Az.: L 15 AS 864/09 B ER
Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens i.R.d. Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes; Vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 22.12.2009
- Aktenzeichen
- L 15 AS 864/09 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 33489
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:1222.L15AS864.09B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 15.06.2009 - AZ: S 9 AS 891/09 ER
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
- § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II
- Art. 24 Abs. 2 UBRL
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 15.06.2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 15.06.2009, mit der sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet worden ist, der Antragstellerin vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2009 zu gewähren.
Die 1970 geborene Antragstellerin ist litauische Staatsangehörige. Sie ist im Jahr 2001 (Angabe in einem Lebenslauf vom 06.10.2008) oder im Jahr 2005 (Angabe u.a. im vorliegenden Eilantrag vom 13.05.2009) in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und verfügt über eine mit Datum vom 25.04.2005 ausgestellte Bescheinigung gemäß § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU), die sie zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Ferner ist die Antragstellerin im Besitz einer unbefristeten "Arbeitsberechtigung-EU" vom 21.05.2008. Nach den vorliegenden Unterlagen (Gehaltsabrechnungen der Firma F. GmbH in G.) nahm die Antragstellerin in der Bundesrepublik erstmals am 01.11.2005 eine Erwerbstätigkeit auf. Diese geringfügige Beschäftigung übte sie bis zum 28.02.2006 aus. Nach ihren Angaben hat die Antragstellerin von August bis Oktober 2008 an einer Integrationsmaßnahme für Migrantinnen (EU-Projekt "Lernen, Integration und Arbeit für Frauen") teilgenommen und in der Zeit von Februar bis August 2009 einen Deutschkurs bei der Volkshochschule G. absolviert (vgl. auch vorgelegte Teilnahmebescheinigungen der VHS vom 13.03. und 27.04.2009). Seit dem 01.09.2009 nimmt die Antragstellerin an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (Arbeit mit behinderten Menschen) teil.
Im Mai 2008 stellte die Antragstellerin erstmals einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde sie nach ihren Angaben (vgl. Eilantrag vom 13.05.2009) von ihrem früheren Lebensgefährten unterhalten. Nachdem die Antragsgegnerin den Leistungsantrag mit Bescheid vom 26.06.2008 im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt) abgelehnt hatte, wurde sie mit Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Bremen vom 02.07.2008 (Az. S2 V 1892/08) im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vom 20.06. bis 30.11.2008 unter dem Vorbehalt der Rückforderung Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 70% der gesetzlichen Regelleistung einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen mit Beschluss vom 29.07.2008 (Az. S2 B 327/08) zurück. Zur Begründung führte das OVG aus, im Hinblick auf Zweifel an einer Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, die zu Lasten der Antragsgegnerin ausfalle.
Den Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerin für den Folgezeitraum ab dem 01.12.2008 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 ab. Hiergegen führt die Antragstellerin Klage vor dem SG Bremen (Az. H.). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde die Antragsgegnerin mit Beschluss des VG Bremen vom 15.12.2008 (Az. I.) verpflichtet, der Antragstellerin vom 01.12.2008 bis 31.05.2008 (gemeint wohl: 31.05.2009) unter dem Vorbehalt der Rückforderung Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 70% der gesetzlichen Regelleistung einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Den Weitergewährungsantrag der Antragstellerin vom 30.04.2009 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 07.05.2009 wiederum im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab. Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.05.2009 Widerspruch erhoben, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 13.05.2009 hat das SG Bremen die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.06.2009 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2009 vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu gewähren. Zur Begründung hat das SG auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 04.06.2009 (Az. C-22/08 und C-23-08) verwiesen. In diesem Urteil habe der EuGH ausgeführt, dass es angesichts der Einführung der Unionsbürgerschaft und der Auslegung, die das Recht der Unionsbürger auf Gleichbehandlung in der Rechtsprechung erfahren habe, nicht mehr möglich sei, eine finanzielle Leistung vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates erleichtern solle. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handele es sich - so das SG - jedoch gerade um finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland erleichtern sollten. Allerdings habe es der EuGH auch als legitim bezeichnet, dass ein Mitgliedsstaat eine solche Beihilfe erst gewähre, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitssuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt worden sei. Wenn das Bestehen einer erforderlichen tatsächlichen Verbindung zum Arbeitsmarkt des fraglichen Unionsstaates sich nach Auffassung des EuGH bereits daraus ergeben könne, dass der Arbeitsuchende während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedsstaat gesucht habe, so müsse das Bestehen einer solchen Verbindung erst Recht bejaht werden, wenn er auch schon tatsächlich als Arbeitnehmer in diesem Mitgliedsstaat beschäftigt gewesen sei. In Anbetracht dieser Rechtsprechung des EuGH gebiete es der Anwendungsvorrang des europäischen Rechts, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als Norm des nationalen Rechts europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass diese Bestimmung nicht auf Unionsbürger angewendet werden könne, die sich auf Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag berufen könnten und bei denen bereits das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland festzustellen sei. Da dies im Fall der Antragstellerin zu bejahen sei, habe sie Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2009, wobei im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens lediglich eine vorläufige Leistungsgewährung in Betracht komme.
Gegen den ihr am 16.06.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 16.07.2009 Beschwerde erhoben. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass der Leistungsanspruch der Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen sei. Die Antragstellerin sei lediglich in der Zeit von November 2005 bis Februar 2006 geringfügig beschäftigt gewesen, so dass ihre Eigenschaft als Erwerbstätige seit langem beendet sei. Ihr Aufenthaltsrecht ergebe sich nur noch aus dem Zweck der Arbeitssuche. Die im angefochtenen Beschluss geäußerten Zweifel an der Vereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Recht würden nicht geteilt. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 04.06.2009 die Gültigkeit des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) nicht in Frage gestellt. Der Aufnahmemitgliedstaat sei nach Auffassung des EuGH nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibe, und deren Familienangehörigen während des Zeitraums der Arbeitssuche einen Anspruch auf "Sozialhilfe" zu gewähren. Von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit werde die Antragstellerin durch die Ablehnung von Grundsicherungsleistungen nicht ausgeschlossen. Solche Leistungen könnten grundsätzlich nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) beansprucht werden. Der Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff. SGB II führe nicht zu einem erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt. Im Fall der Antragstellerin bestehe auch aufgrund der nur kurzzeitigen, geringfügigen Beschäftigung noch keine Verbindung mit dem deutschen Arbeitsmarkt.
Die Antragstellerin trägt vor, sie sei derzeit weiterhin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen. Sie habe sich bereits bei mehreren Firmen beworben und hoffe, bald nicht mehr von Leistungen der Antragsgegnerin abhängig zu sein. Auf Nachfrage des Berichterstatters hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie sich bei der Firma J. und bei einem Gemüseladen als Verkäuferin beworben habe. Sie könne allerdings keine Unterlagen über Bewerbungen vorlegen, da sie diese der Antragsgegnerin überreicht habe.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Für die Beschwerde der Antragsgegnerin liegt insbesondere auch ein Rechtsschutzbedürfnis vor, auch wenn sich der Regelungsgehalt der vom SG erlassenen einstweiligen Anordnung durch Zeitablauf erschöpft und die Antragsgegnerin die angeordneten Zahlungen auch tatsächlich erbracht hat (vgl. Bescheide vom 17.06.2009 und 14.10.2009). Denn die Antragsgegnerin hat ein Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Frage, ob sie zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet gewesen ist (vgl. zu dieser Problematik ausführlich: Senatsbeschluss vom 29.10.2009 - L 15 AS 327/09 B ER, veröffentlicht in [...]).
Die Beschwerde ist allerdings in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Beschluss ist, soweit die Antragsgegnerin durch diesen noch beschwert ist, im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich ausArt. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden. Der elementare Bedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage in einem solchen Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 19, 26 und vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09, Rn. 11, jeweils zitiert nach [...]).
Nach diesen Maßstäben hat das SG die Antragsgegnerin im Ergebnis zu Recht verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Im Hinblick auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 20.10.2009 geht der Senat davon aus, dass diese sich gegen den angefochtenen Beschluss nur noch insoweit wendet, als sie zur vorläufigen Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2009 verpflichtet worden ist. Auch wenn eine Arbeitsgelegenheit i.S.d. § 16d SGB II - um eine solche handelt es sich offenbar bei der von der Antragstellerin am 01.09.2009 aufgenommenen Tätigkeit - nach Satz 2 Halbsatz 2 dieser Vorschrift kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründet und damit möglicherweise nicht geeignet sind, für eine Unionsbürgerin den Status einer Arbeitnehmerin zu begründen, geht die Antragsgegnerin nach ihren Ausführungen im Hinblick auf die Arbeitsaufnahme am 01.09.2009 von einer geänderten Beurteilung des Leistungsanspruchs aus und stellt diesen für die Zeit ab dem 01.09.2009 nicht mehr in Frage. Demgemäß wendet sie sich nur noch dagegen, dass sie durch das SG verpflichtet worden ist, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bereits ab dem 01.06.2009 zu gewähren.
Für den danach noch entscheidungserheblichen Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2009 ist es entgegen der Auffassung des SG zweifelhaft, ob ein Anordnungsanspruch vorgelegen hat. Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II war die Antragstellerin von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach sind vom Leistungsanspruch nach dem SGB II Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Die Antragstellerin unterfällt dem genannten Ausschlusstatbestand. Ihr Aufenthaltsrecht hat sich in dem genannten Zeitraum allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative Freizügigkeitsgesetz/EU ergeben. Nach dieser Vorschrift sind Unionsbürger gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt, die sich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Die Antragstellerin hat sich in der Zeit vom 01.06. bis 31.08.2009 zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Sie ist arbeitslos gewesen und hat sich nach ihrem Vorbringen um eine Beschäftigung bemüht. Das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin ergab sich nicht aus einem Status als Arbeitnehmerin (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 1. Alternative Freizügigkeitsgesetz/EU). Soweit die Antragstellerin in der Zeit vom 01.11.2005 bis 28.02.2006 eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt hat, dürfte sie zwar trotz Geringfügigkeit dieser Tätigkeit Arbeitnehmerin im Sinne der genannten Vorschrift gewesen sein (vgl. zu diesem Begriff: EuGH, a.a.O., Rdnr. 26 ff.) Nach Aufgabe dieser Beschäftigung zum 28.02.2006 ist die Eigenschaft als Arbeitnehmerin jedoch allenfalls für einen Zeitraum von sechs Monaten aufrecht erhalten worden (vgl. Art. 7 Abs. 3c UBRL,§ 2 Abs. 3 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU). Spätestens seit dem 01.09.2006 ergab sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin danach allein aus dem Zweck der Arbeitssuche.
Die Vereinbarkeit des Ausschlusstatbestands des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Gemeinschaftsrecht ist auch nach der Entscheidung des EuGH vom 04.06.2009 umstritten geblieben (vgl. Senatsbeschluss vom 29.09.2009 - L 15 AS 905/09 B ER m.w.N., veröffentlicht in [...];Hessisches LSG, Beschluss vom 14.10.2009 - L 7 AS 166/09 B ER, [...]; Schreiber, info also 2009, S. 195 ff.; Piepenstock, jurisPR-SozR 23/2009 Anm. 1). In der genannten Entscheidung hat der EuGH allerdings die Gültigkeit des Art. 24 Abs. 2 UBRL nicht in Zweifel gezogen. Diese Bestimmung erlaubt es einem Mitgliedsstaat in Abgrenzung zu der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 23.03.2004, Az. C-138-02 - Collins -) ausdrücklich, andere Unionsbürger als Arbeitnehmer, Selbstständige oder Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, sowie deren Familienangehörige vom Anspruch auf "Sozialhilfe" auszunehmen. Von dieser Öffnungsklausel hat der deutsche Gesetzgeber mit der in Rede stehenden Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II für arbeitsuchende Ausländer Gebrauch gemacht (so auch ausdrücklich die Begründung zum Gesetzentwurf in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 15. Februar 2006, BT-Drucksache 16/688, S. 13). Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL sind, wie sich auch aus dem Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie ergibt, alle finanziellen Mittel, die der Existenzsicherung dienen. Nicht dazu zählen finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (EUGH, a.a.O., Rn. 45).
Es spricht nach Auffassung des Senats einiges dafür, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL anzusehen (vgl. ausführliche Begründung im o. g. Senatsbeschluss vom 29.09.2009). Diese Auffassung ist jüngst auch in der Literatur vertreten worden (Piepenstock, a.a.O.; Schreiber, a.a.O., letzterer allerdings mit dem Hinweis, dass diese Frage letztlich nicht relevant sei, da § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II dahingehend europarechtskonform zu reduzieren sei, dass Unionbürger nur erfasst würden, wenn sie vollziehbar ausreisepflichtig seien). Demgegenüber ist nach dem Beschluss des Hessischen LSG vom 14.10.2009 (L 7 AS 166/09 B ER, Rdnr. 31) nicht daran zu zweifeln, dass Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II der Eingliederung in den Arbeitsmarkt dienen, weil im Zusammenhang mit dem im SGB II zur Verfügung stehenden Aktivierungsinstrumentarium eindeutig zu erkennen sei, dass die Leistungen vorrangig darauf ausgerichtet seien. Wollte man dieser Auffassung folgen, käme es für den Leistungsanspruch der Antragstellerin maßgeblich darauf an, ob das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland festgestellt werden kann. Das Bestehen einer solchen Verbindung kann sich nach der Rechtsprechung des EuGH (a.a.O., Rdnr. 39) schon dann ergeben, wenn sich der Betroffene während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich um eine Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat bemüht hat. Ob diese Voraussetzung - wie das SG meint - bereits deswegen als erfüllt angesehen werden kann, weil die Antragstellerin in der Zeit von November 2005 bis Februar 2006 eine geringfügige Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt hat, erscheint zumindest zweifelhaft. Denn in dem nachfolgenden Zeitraum hat sie sich offenbar nicht um Arbeit bemüht. In einem in der Leistungsakte befindlichen Lebenslauf vom 06.10.2008 hat sie die Jahre 2007 und 2008 als "Familienphase" bezeichnet. Dieser Umstand spricht dafür, dass für die Frage des Vorliegens einer tatsächlichen Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt darauf abzustellen ist, ob die Antragstellerin in der Zeit seit ihrem erstmaligen Leistungsantrag vom Mai 2008 eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt gesucht hat. Diese Frage lässt sich nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht abschließend beantworten. Hinsichtlich der von der Antragstellerin angegebenen zwei Bewerbungen um eine Stelle als Verkäuferin hat sie keine Unterlagen vorlegen können. Insoweit besteht danach noch weiterer Klärungsbedarf.
Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass die Erfolgsaussichten für die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren offen sind. Hinsichtlich der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht bislang eine höchstrichterliche Klärung aus. Vor diesem Hintergrund können die Erfolgsaussichten in der Hauptsache auch nicht im Hinblick auf die dargestellte Rechtsauffassung des Senats zur Einordnung der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistungen im Sinne des § 24 Abs. 2 UBRL verneint werden. Denn im Hauptsacheverfahren müsste der Senat nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zulassen. Anders als in dem mit Senatsbeschluss vom 29.09.2009 entschiedenen Fall kann die Frage der Einordnung der Grundsicherungsleistungen hier auch nicht letztlich offen bleiben, da die Antragstellerin zumindest geltend gemacht hat, sich ernsthaft um Arbeit bemüht zu haben.
Die weitere Sachaufklärung muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Angesichts der Schwierigkeit der zu beantwortenden Rechtsfragen und des Umstandes, dass der noch streitbefangene Leistungszeitraum nur drei Monate beträgt, erscheint es sachgerecht, im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt - da Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums im Streit stehen - zugunsten der Antragstellerin aus.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.