Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 28.09.2006, Az.: 2 A 342/05

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
28.09.2006
Aktenzeichen
2 A 342/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44607
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2006:0928.2A342.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 19.03.2008 - AZ: 1 LA 84/07

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Baugenehmigung für eine Jagdhütte,

hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 2. Kammer -

auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2006

durch den Richter am Verwaltungsgericht Pump als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

  3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

  4. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Jagdhütte im Gebiet der Beigeladenen zu erteilen.

2

Unter dem 14. Juni 2004 stellte der Kläger einen Bauantrag für die Errichtung einer Jagdhütte im Außenbereich. Die Hütte sollte auf dem Flurstück 132/1 der Flur 3 der Gemarkung F. errichtet werden. Nach der Baubeschreibung sollte die Jagdhütte für die Dauer einer Jagd-Pachtperiode bis zum 31. März 2016 errichtet werden. Die Hütte sollte in den Abmessungen 4,5 m × 7 m in einfacher Holzrahmenbauweise mit Holzaußenbekleidung und einem flach geneigten Satteldach errichtet werden. Die Fußbodenkonstruktion sollte aus Holzbohlen mit einfacher Dielung oder Verlegeplatten bestehen. Die Dacheindeckung sollte mit Eternit-Wellplatten in braun folgen. Die Hütte sollte mit einem Aufenthaltsraum, einem Raum für Geräte bzw. Wildaufbewahrung und einer Kochstelle mit Schornsteinzug für Festbrennstoffe versehen werden. Sie sollte vom Weg Nr. 140 über eine unbefestigte Zuwegung direkt erreichbar sein. Die Jagdhütte sei zur ordnungsgemäßen Jagdausübung erforderlich, weil der Kläger etwa 85 km vom Jagdrevier entfernt wohne. Dies erfordere eine Unterkunftsmöglichkeit vor Ort, denn er sei zur intensiven Bejagung von Schwarzwild verpflichtet. Dazu müsse die Jagd auch bei Nacht und Mondschein durchgeführt werden. Zur Erfüllung dieser Abschussverpflichtung sei es notwendig, sich in den Vollmondphasen mehrere Tage und Nächte im Revier aufzuhalten. Eine Unterkunft in der Ortschaft sei nicht zumutbar. Das Revier grenze nicht an die nächste Ortschaft, sondern sei etwa 2 km davon entfernt. Das Mitführen von Waffen und Jagdhund, das nächtliche Kommen und Gehen sowie das Treffen und Absprechen von Mitjägern führe zwangsläufig zu erheblichen Störungen, die eine dauerhafte Unterkunft im Ort erschwerten oder unmöglich machten. Eine Möglichkeit zur sicheren Aufbewahrung von Waffen und Munition sei in Mietunterkünften nicht gewährleistet.

3

Die Beigeladene erklärte zu diesem Vorhaben ihr Einvernehmen.

4

Auf Nachfrage des Beklagten legte der Kläger Schreiben verschiedener Grundeigentümer aus Stapel vor, dass sie kein Grundstück für den Bau der Jagdhütte anzubieten hätten (Blatt 68 bis 72 der Beiakte A).

5

Mit Bescheid vom 20. Juni 2005 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Zur Begründung führte er aus, die vom Kläger geplante Jagdhütte sei nicht privilegiert, weil der Kläger aufgrund des ortsnahen Reviers nicht auf die Inanspruchnahme des Außenbereichs angewiesen sei. Die Funktion einer Jagdhütte könne ohne Erschwerung der Jagd auch eine Unterkunft in der nahegelegenen Ortschaft F. übernehmen. Darüber hinaus könne die geplante Jagdhütte ebenfalls in der Ortschaft F. errichtet werden, so dass der für die Bebauung vorgesehene Innenbereich unter Schonung des Außenbereichs in Anspruch genommen werde. Als sonstiges Vorhaben könne die Jagdhütte nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht zugelassen werden, da sie öffentliche Belange beeinträchtige. Der geplanten Baumaßnahme stünden Bedenken seitens des Naturschutzes entgegen. Geltend gemacht würden hier das Vogelschutzgebiet "Niedersächsische Mittelelbe" einschließlich dem Vorkommen avifaunistisch wertvoller Bereiche mit Vogelarten, die nach Anhang 1 der Vogelschutzrichtlinie eines besonderen Schutzes bedürften und als wertbestimmende Vogelarten in Anlage 3 des Biosphärenreservats-Gesetzes des o.g. Vogelschutzgebietes aufgezählt seien. Betroffen seien hier avifaunistisch wertvolle Bereiche mit landesweiter bzw. lokaler Bedeutung. Bemerkenswert seien hier z.B. das Vorkommen vom Ziegenmelker, Heidelerche und Mittelspecht als regelmäßige Brutvögel. Es werde davon ausgegangen, dass durch die Errichtung und Nutzung der Hütte andere, zusätzlich über die normale Jagdnutzung hinausgehende Störungen für die Tierwelt, hier insbesondere das Brutgeschehen seltener und störungsempfindlicher Arten, verursacht werde. Ferner sei das Gebiet im Gesetz über das Biosphärenreservat "Niedersächsische Elbtalaue" als Gebietsteil B. ausgewiesen. Der Gebietsteil B. sei wie ein Landschaftsschutzgebiet zu schützen. Diese Zuordnung erfordere ebenfalls eine sehr sorgfältige Prüfung mit sehr strengem Maßstab, ob hier öffentliche Belange beeinträchtigt würden. Die Errichtung einer Jagdhütte in diesem Gebiet stelle eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes (z.B. Brutgeschehen) und der Vielfalt, Eigenart oder Schönheit des Landschaftsbildes dar. Damit werde auch der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt. Ein durchschnittlich gebildeter Bürger empfinde z.B. bei einem Waldspazierung, der mit gewissen Erwartungshaltungen verbunden sei, Baulichkeiten im Wald als Beeinträchtigung. Die Jagdhütte liege an einem Weg, der zukünftig eine besondere Bedeutung für den Fremdenverkehr und die nahe Erholung haben werde. Eine Beeinträchtigung des Erholungswertes sei zu erwarten.

6

Am 1. Juli 2005 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, es sei ihm trotz eingehender Suche nicht gelungen, bis zum heutigen Tage eine halbwegs akzeptable, in der Nähe zum Jagdrevier liegende Unterkunft zu finden.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2005 wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen beide Bescheide zurück.

8

Am 5. Dezember 2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor, er sei in Stapel nicht ortsansässig, sondern von Beruf Vollerwerbslandwirt und betreibe in Stelle eine Hofstelle. Darüber hinaus habe er als Landwirt in der Gemarkung Stapel Ländereien von ca. 50 ha gepachtet und unterhalte diese dort. Er habe sich seit längerer Zeit bemüht, in der nahegelegenen Ortschaft Stapel eine Unterkunft zu erhalten, dieses jedoch vergeblich. Es sei ihm nicht möglich, nach Belieben zur Jagd anzufahren und dann alles quasi zu Fuß ins Revier zu tragen. Dies sei jagdlich nicht zumutbar.

9

Der Kläger beantragt,

  1. den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 20. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2005 zu verpflichten, ihm eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Jagdhütte zu erteilen.

10

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

11

Er trägt vor, es gebe eine Vielzahl von Beispielen im Amt Neuhaus, die belegten, dass Jäger eine ortsnahe Unterkunft z.B. in Bauwagen innerhalb der Ortslage gefunden hätten. Es sei wohl unbestritten, dass Jäger, die von ihrem Revier weiter entfernt wohnten, ihre Jagd trotzdem ordnungsgemäß ausübten.

12

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

13

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage hat keinen Erfolg.

15

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für die von ihm geplante Jagdhütte.

16

Die vom Kläger begehrte bauaufsichtliche Genehmigung ist nach § 75 Abs. 1 NBauO zu versagen, denn die geplante Baumaßnahme entspricht nicht dem öffentlichen Baurecht.

17

Die mangels Privilegierung nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Jagdhütte ist wegen Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig und somit nicht genehmigungsfähig.

18

1. Das Vorhaben ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Nach dieser Vorschrift im Außenbereich privilegiert ist ein Vorhaben, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll.

19

Zwar kann eine Jagdhütte wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung unter diese Vorschrift fallen, weil die Jagd zwangsläufig nur im Außenbereich möglich ist. Eine Jagdhütte ist aber dann nicht erforderlich, wenn der Jagdausübungsberechtigte im Jagdrevier oder in dessen Nähe wohnt, so dass er die Jagd von seinem Wohnort aus in angemessener Zeit erreichen kann. Sie ist ebenfalls nicht im Außenbereich erforderlich, wenn sich Ortschaften oder Bauernhöfe und dergleichen, in denen die Jäger vor oder nach der Jagdausübung sich aufhalten bzw. übernachten können, in zumutbarer Entfernung befinden oder wenn der Jagdpächter selbst in zumutbarer Entfernung vom Revier wohnt ( OVG Lüneburg, Urt.v. 22.12.1982 - 1 A 158/81 -, in juris; ebenso: Rieger in Schrödter, Komm. zum BauGB, 7. Aufl. 2006, § 35 Rdnr. 46; OVG Thüringen, Urt.v. 10.9.2003 - 1 KO 404/02 -, in juris). Auch in diesem Fall ist die Errichtung einer Jagdhütte als Übernachtungsmöglichkeit nur ausnahmsweise geboten. Im Hinblick darauf, dass eine vor oder nach der Jagd erforderliche Übernachtung zwar in zumutbarer Entfernung vom Jagdrevier, nicht aber zwingend im Jagdrevier selbst erfolgen muss, vermag der Wunsch des Jagdberechtigten nach einer derartigen Möglichkeit die Errichtung eines Gebäudes in dem von Bebauung grundsätzlich freizuhaltenden Außenbereich regelmäßig nicht zu rechtfertigen. Grundsätzlich muss sich der Jagdberechtigte entweder auf vorhandene Ü-bernachtungsmöglichkeiten in der näheren Umgebung (in Pensionen, Gasthöfen, auf Bauernhöfen, in einer Ferienwohnung, bei anderen Jagdberechtigten etc.) oder darauf verweisen lassen, dass er sich eine etwa notwendige Übernachtungsmöglichkeit innerhalb der bebauten Ortslage einer Gemeinde in zumutbarer Entfernung zu seinem Jagdrevier schafft. Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, dass dies dem Kläger nicht möglich wäre. Er hat lediglich die Erklärung verschiedener Grundeigentümer vorgelegt, dass sie kein Grundstück für seine Jagdhütte anzubieten hätten. Dies genügt jedoch nicht als Nachweis, dass ihm keinerlei Übernachtungsmöglichkeit in F. zur Verfügung steht. Das Revier befindet sich in unmittelbarer Nähe zu einer größeren Ortslage und zu den zwei großen Hofstellen "G." und "H.". Dass es innerhalb dieser Ortslage bzw. auf den beiden Höfen für den Kläger keinerlei Übernachtungsmöglichkeit gibt, hat er bislang nicht überzeugend nachgewiesen. Soweit der Kläger sich auf persönliche Differenzen mit Grundeigentümern beruft, vermag dies nicht zu einer Privilegierung seiner Jagdhütte zu führen. Vielmehr ist es ihm zuzumuten, sich nachhaltiger um eine Übernachtungsmöglichkeit zu bemühen und persönliche Abneigungen und Differenzen zurückzustellen.

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2. Die deshalb nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Hütte ist unzulässig, da sie öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Zum einen beeinträchtigt sie die natürliche Eigenart der Landschaft, da die Errichtung einer Hütte zu Wohnzwecken eine wesensfremde Bebauung der im Wesentlichen naturbelassenen Landschaft darstellt, die als Gebietsteil B. des Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue" wie ein Landschaftsschutzgebiet zu schützen ist.

21

Darüber hinaus ist, insbesondere durch die Vorbildwirkung für andere Jagdpächter, die ebenfalls an einer Jagdhütte im Wald interessiert sind und sich nach Angaben des Beklagten bislang alle im Hinblick auf das Biosphärenreservat anderweitig beholfen haben, mit einer unerwünschten Zersiedlung des Außenbereichs zu rechnen (vgl. § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB ).

22

Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten Bezug genommen, denen das Gericht nach § 117 Abs. 5 VwGO folgt.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

24

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO ).

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500 € festgesetzt.

Pump