Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 18.09.2006, Az.: 5 B 29/06
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 18.09.2006
- Aktenzeichen
- 5 B 29/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 44593
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2006:0918.5B29.06.0A
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein Bezirksschornsteinfegermeister auf Probe genügt den an ihn zu stellenden Anforderungen nicht, wenn er nach dem Gesamtbild seiner Geschäftsführung die ihm obliegenden Berufspflichten während des Probejahres nachhaltig verletzt und er sich damit als fachlich ungeeignet erwiesen hat.
- 2.
Fällt das Gesamtbild aufgrund der während des Probejahres festgestellten Mängel zu Lasten des Bezirksschornsteinfegermeisters aus, bedarf es keiner Verschiebung des Überprüfungstermins (Nachschau) oder einer Verlängerung der Probezeit.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage 5 A 175/06 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2006, mit dem dieser unter Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die Bestellung des Antragstellers als Bezirksschornsteinfeger auf Probe für den Kehrbezirk E., Sitz F., mit Ablauf des 31. Juli 2006 aufgehoben hat, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO "anzuordnen", hat keinen Erfolg.
Der vom Antragsteller gestellte Antrag auf "Anordnung" der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nach § 88 VwGO als Antrag auf "Wiederherstellung" auszulegen. Denn der Antragsgegner hat die Aufhebung der Bestellung auf Probe auf § 7 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen - SchfG - gestützt. Widersprüche und Klagen hiergegen haben - vorbehaltlich der Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO - gemäß § 80 Abs. 1 VwGO dem Grundsatz nach aufschiebende Wirkung. Lediglich - hier nicht gegebene - Maßnahmen nach § 11 Abs. 1 und 2 SchfG sind gemäß § 11 Abs. 4 SchfG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO bereits von Gesetzes wegen für sofort vollziehbar erklärt worden.
Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Im Bescheid ist dargelegt, dass im Hinblick auf die Feuersicherheit eine kontinuierliche und ordnungsgemäße Verwaltung des Kehrbezirkes zwingend erforderlich sei. Zudem könne dem zu bestellenden Nachfolger für die Verwaltung des Kehrbezirkes nicht zugemutet werden, dass seine Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache unwirksam bleibe. Damit besteht ein besonderes, d. h. über das allgemeine öffentliche Interesse am Erlass und Vollzug des Bescheides hinausgehendes Interesse, diesen Bescheid schon vor seiner Unanfechtbarkeit zu vollziehen und vollstrecken zu dürfen. Da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zudem nur ein formelles Begründungserfordernis statuiert, sind an den Inhalt der Begründung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides überwiegt das private Interesse des Antragsgegners, bis zum Abschluss des Klageverfahrens von dem Vollzug des Bescheides verschont zu bleiben. Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2006 rechtmäßig ist.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bestellung des Antragstellers auf Probe als Bezirksschornsteinfegermeister ist § 7 Abs. 1 Satz 4 SchfG. Hiernach ist die Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister auf Probe aufzuheben, wenn bei der nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchfG i. V. m. § 13 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen - SchfV - vorgeschriebenen Begutachtung des Kehrbezirks und der vom Bezirksschornsteinfegermeister zu führenden Aufzeichnungen festgestellt wird, dass dieser den an ihn zu stellenden Anforderungen nicht genügt. Den nach § 7 Abs. 1 SchfG an ihn zu stellenden Anforderungen genügt ein Bezirksschornsteinfegermeister dann nicht, wenn er nach dem Gesamtbild seiner Geschäftsführung die ihm nach dem Schornsteinfegergesetz und den dazu ergangenen Rechtsvorschriften obliegenden Berufspflichten während des Probejahres nachhaltig verletzt und er sich damit als fachlich ungeeignet erwiesen hat. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der ordnungsgemäßen Führung des Kehrbuches und der sonstigen schriftlichen Unterlagen maßgebliche Bedeutung zu. Daneben setzt eine ordnungsgemäße Verwaltung des Kehrbezirkes voraus, dass während des Probejahres auch die übrigen durch Gesetz oder Rechtsverordnung auferlegten Pflichten gewissenhaft erfüllt werden. Bei einem auf Probe arbeitenden Bezirksschornsteinfegermeister, der noch keinen Anspruch auf Bestandsschutz hat, ist der Rahmen der beruflichen Verfehlungen, die eine Aufhebung der Bestellung rechtfertigen, erheblich weiter zu ziehen als bei einem endgültig bestellten Bezirksschornsteinfegermeister (VGH Kassel, Urt. v. 20.3.1990 - 11 UE 3118/88 -, GewArch 1990, 283; VG München, Beschl. v. 27.2.2004 - M 16 SE 04.1151 -, juris).
Im vorliegenden Verfahren sprechen aufgrund des Gesamtbildes der Geschäftsführung des Antragstellers gewichtige Umstände dafür, dass sich die Aufhebung der probeweisen Bestellung im Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2006 als rechtmäßig erweisen wird. Wie sich aus der Stellungnahme des Bezirksschornsteinfegermeisters G. vom 13. September 2006 ergibt, haben sich bei der Überprüfung der Führung des Kehrbezirks und der erforderlichen Aufzeichnungen durch den Antragsteller für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis zum 31. Juli 2006 gravierende Mängel gezeigt. Bei der Überprüfung des Kehrbuches 2005 ist festgestellt worden, dass das erforderliche Fünftel durchzuführender Feuerstättenschau für den Zeitraum vom 1. August bis 31. Dezember 2005 nicht durchgeführt worden ist. Statt wie erforderlich 238 Gebäude hat der Antragsteller in diesem Zeitraum nur 100 Gebäude überprüft. Bei sechs Gebäuden hat der Antragsteller entweder gar keine Messungen und Abgasewegeüberprüfungen oder innerhalb der geforderten Fristen keine Nachmessungen durchgeführt. Bei vier Gebäuden hat der Antragsteller im Jahr 2006 die zur Sicherstellung der Brandsicherheit erforderlichen Kehrarbeiten nicht fristgerecht durchgeführt. Im Jahr 2006 hat er zudem keine Energieberatungen durchgeführt. Auch die Verwaltung und Rechnungslegung des Antragstellers ist in nicht unerheblichem Umfang zu beanstanden. So hat der Antragsteller bei mehreren Kunden falsche, zu hohe Gebühren für die geleisteten Arbeiten erhoben. Aus dem Umstand, dass der Antragsteller von der Bekanntgabe des Überprüfungstermins am 16. Juni 2006 im Zeitraum vom 17. Juni bis 31. Juli 2006 Rechnungen mit einem Gesamtvolumen von 45.367,30 EUR geschrieben hat, hiervon allein für den Zeitraum vom 11. bis 31. Juli 2006 in Höhe von 23.740,20 EUR und im Zeitraum seiner Krankschreibung vom 11. bis 23. Juli 2006 in Höhe von 9.864,41 EUR, kann nur der Schluss gezogen werden, dass seine Aufzeichnungen zum Überprüfungstag des 11. Juli 2006 nicht annähernd auf dem aktuellen Stand gewesen waren.
Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Verschiebung des auf den 11. Juli 2006 festgesetzten Überprüfungstermins. Die in § 7 Abs. 1 SchfG getroffene Regelung der probeweisen Bestellung macht es unvermeidlich, dass die Entscheidung über deren Aufhebung nur unter großem Zeitdruck fallen kann, ohne dass deshalb der Rechtsschutz des Betroffenen verkürzt werden darf. Grundsätzlich hat der auf Probe bestellte Bezirksschornsteinfegermeister einen Anspruch darauf, sich während der einjährigen Probezeit bewähren zu können. Daher kann die Begutachtung erst gegen Ende der Probezeit, hat aber nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchfG vor Ablauf der Probezeit zu erfolgen. Aus den Grundsätzen der Feuersicherheit ergibt sich weiterhin die Verpflichtung der Behörden, einen freien Kehrbezirk sofort zu besetzen (VG München, Beschl. v. 27.2.2004 - M 16 SE 04.1151 -, juris m. w. N.). Der Antragsgegner war daher im vorliegenden Fall zu einer raschen Entscheidung verpflichtet und ist dieser Verpflichtung mit der Bestellung des Beigeladenen auch nachgekommen. Einer Verschiebung des Überprüfungstermins oder gar eine Verlängerung der Probezeit des Antragstellers wegen seiner vorgetragenen Erkrankung war nicht gefordert. Die Verschiebung des Überprüfungstermins oder die Verlängerung der Probezeit kann dann in Betracht gezogen werden, wenn eine aussagefähige Begutachtung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchfG nach Ablauf der Probezeit nicht möglich ist. Im Fall des Antragstellers war eine derartige aussagefähige Begutachtung am Ende seiner Probezeit (sog. Nachschau) bereits aufgrund der festgestellten und oben angeführten erheblichen Mängel ohne die Durchführung einer derartigen Nachschau möglich und erforderlich. Bereits jeder erhebliche Verstoß gegen die Pflichten eines Bezirksschornsteinfegermeisters verpflichtet die Behörde zur Aufhebung der probeweisen Bestellung (VGH Mannheim, Urt. v. 28.8.1987 - 14 S 1527/86 -, Leitsatz in juris). Der Antragsteller hatte am Überprüfungstag des 11. Juli 2006 überdies gegenüber einem Mitglied des Überprüfungsausschusses telefonisch angegeben, seine Unterlagen seien noch nicht in Ordnung. Dabei ist zu Lasten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass er den Prüfern trotz mehrfacher Aufforderung nicht Zugang zu den Unterlagen gewährt hat, obwohl seine ständige Anwesenheit nicht erforderlich gewesen wäre. Die nunmehr vorgetragene Erkrankung ist mithin kein Grund gewesen, einen neuen Termin für eine Nachschau zu fordern. Hinzu kommt, dass der Antragsteller bereits in den Jahren 2003/2004 probeweise zum Bezirksschornsteinfegermeister eines anderen Kehrbezirkes bestellt worden war, diese Bestellung aber aufgrund schwerwiegender Mängel ebenfalls aufgehoben werden musste.
Die Kammer ist daher aufgrund des Gesamtbildes im Ergebnis mit dem Antragsgegner der Ansicht, dass die aufgeführten Mängel auch ohne eine tatsächlich durchgeführte Begutachtung nur den Schluss zulässt, dass der Antragsteller die ihm obliegenden Aufgaben nicht in vollem Umfang ordnungsgemäß ausgeführt hat und daher den an ihn gestellten Anforderungen nicht genügt.
Offen bleiben kann, ob der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bereits deshalb keinen Erfolg hat, weil sich der Regelungsgehalt des Bescheides des Antragsgegners vom 29. Juli 2005, mit der der Antragsteller mit Wirkung vom 1. August 2005 für die Dauer eines Jahres probeweise als Bezirksschornsteinfegermeister bestellt worden ist, nach Ablauf der Jahresfrist des § 7 Abs. 1 Satz 1 SchfG erledigt hat (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 8.4.1997 - 1 C 7.93 -, GewArch 1997, 484), mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung der Klage 5 A 1757/06 bereits deshalb nicht wiederhergestellt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2004 (NVwZ 2004, 1327) bringt die Kammer einen Streitwert in Höhe von 15.000 EUR in Ansatz (Ziffer II.54.2.1 und 14.1 des Streitwertkataloges), den sie im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des hier vorliegenden Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes halbiert (Ziffer I.1.5 des Streitwertkataloges).