Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 27.05.2004, Az.: 4 A 4062/02

Altfall; Diplom; Diplom-Jurist; Diplomgrad; Diplomierung; Diplomjurist; Diplomordnung; Ermessen; Hochschulgrad; Jurist; Nachdiplomierung; Niedersachsen; Stichtag; Stichtagsregelung; Termin; Terminwahl; Verleihung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
27.05.2004
Aktenzeichen
4 A 4062/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50982
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Anknüpfung einer Stichtagsregelung an einem vertretbaren Sachverhalt bei gleichzeitigem Verstoß gegen eine im konkreten Fall sachgerechte Terminwahl aufgrund eines redaktionellen Versehens ist unschädlich, wenn im konkreten Fall kein Personenkreis vorhanden ist, der gleichheitswichtig bevorteilt wird.

Tatbestand:

1

Die Beklagte verleiht durch ihre Juristische Fakultät den Hochschulgrad eines „Diplom-Juristen“. Ihr Fakultätsrat erließ hierzu am 7. Februar 2001 erstmals eine am 23. Mai 2001 vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur - MWK - genehmigte Ordnung zur Verleihung des Hochschulgrades „Diplom-Juristin“ oder „Diplom-Jurist“ (Amtl. Mitt. der Beklagten vom 1.7.2001, Nr. 7, S. 3, Anlage 3) - Diplomordnung a.F. -. Diese hat folgenden Inhalt:

2
„§ 1 Hochschulgrad
3

Die [Beklagte] verleiht durch ihre Juristische Fakultät den Hochschulgrad „Diplom-Juristin“ oder „Diplom-Jurist“ (Dipl.-Jur.) in der jeweils zutreffenden Sprachform. Darüber stellt die Universität eine Urkunde aus (Anlage [hier nicht wiedergegeben]).

4
§ 2  Berechtigte
5

Der Hochschulgrad gemäß § 1 wird auf Antrag der oder des Berechtigten verliehen. Berechtigt sind Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs „Rechtswissenschaft“ an der [Beklagten], die

6
a)   unmittelbar vor der Meldung zum Staatsexamen mindestens zwei Semester an der [Beklagten] studiert und
7
b)   einen Seminar- oder Wahlfachübungsschein im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 c) NJAG an der Juristischen Fakultät der [Beklagten] erworben und
8
c)   erfolgreich die erste juristische Staatsprüfung gemäß dem NJAG und der NJAVO abgelegt haben.
9

Sofern die oder der Berechtigte bereits anderweitig einen vergleichbaren Titel auf der Basis des ersten juristischen Staatsexamens erworben oder beantragt hat, ist die Verleihung des Titels ausgeschlossen.

10
§ 3  Verfahrensvorschriften
11

Der Antrag nach § 2 bedarf der Schriftform. Er ist unter Beifügung einer amtlich beglaubigten Fotokopie des Abschlusszeugnisses im Sinne des § 2 an die Dekanin bzw. den Dekan der Juristischen Fakultät der [Beklagten] zu richten. Dem Antrag ist die Versicherung an Eides statt beizufügen, dass sie oder er keinen solchen Antrag an einer anderen Fakultät gestellt hat.

12
§ 4  Inkrafttreten, Übergangsregelung
13

Diese Ordnung tritt nach ihrer Genehmigung durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur am Tag ihrer Bekanntgabe im Verkündungsblatt der [Beklagten] in Kraft.

14

Sie ist erstmals auf Absolventinnen und Absolventen anzuwenden, die nach dem 7. Februar 2001 (Beschlussfassung des Fakultätsrates) ihr erstes juristisches Examen absolviert haben.“

15

Am 14. November 2001 beschoss der Fakultätsrat eine neue Diplomordnung, die das MWK mit Erlass vom 16. Januar 2002 genehmigte (Amtl. Mitt. der Beklagten vom 12.2.2002, Nr. 3, S. 53) - Diplomordnung n.F. -. Diese lautet wie folgt:

16
„§ 1 Hochschulgrad
17
(1)  Die [Beklagte] verleiht durch ihre Juristische Fakultät auf Grund des erfolgreichen Studiums der Rechtswissenschaften den Hochschulgrad „Diplom-Juristin“ oder „Diplom-Jurist“ (Dipl.-Jur.) in der jeweils zutreffenden Sprachform.
18
(2)  Die Universität stellt über den Erwerb des Hochschulgrades eine Diplomurkunde aus (Anlage [hier nicht wiedergegeben]).
19
§ 2  Berechtigte
20
(1)  Der Hochschulgrad gemäß § 1 wird auf Antrag der oder des Berechtigten verliehen.
21
(2)  Berechtigt sind Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs „Rechtswissenschaft“ an der [Beklagten], die
22
a)   unmittelbar vor der Meldung zur ersten juristischen Staatsprüfung mindestens zwei Semester an der [Beklagten] studiert und
23
b)   einen Seminar- oder Wahlfachübungsschein gemäß der NJAO bzw. dem NJAG und der NJAVO in ihrer jeweils gültigen Fassung an der Juristischen Fakultät der [Beklagten] erworben und
24
c)   nach dem 27.01.1976 erfolgreich die erste juristische Staatsprüfung gemäß der NJAO bzw. dem NJAG und der NJAVO in ihrer gültigen Fassung abgelegt haben.
25
(3)  Die Verleihung des Titels ist ausgeschlossen, sofern die oder der Berechtigte bereits anderweitig einen vergleichbaren Titel auf der Basis der ersten juristischen Staatsprüfung erworben oder beantragt hat.
26
§ 3  Verfahrensvorschriften
27
(1)  Der Antrag auf Verleihung des Hochschulgrades ist schriftlich bei der Dekanin/dem Dekan der Juristischen Fakultät der [Beklagten] unter Verwendung eines im Dekanat erhältlichen Formulars zu stellen.
28
(2)  Dem Antrag sind in beglaubigter Fotokopie beizufügen
29
a)   zwei Immatrikulationsbescheinigungen sowie der Bescheid über die Zulassung zur ersten juristischen Staatsprüfung zum Nachweis der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 lit. a)
30
b)   ein Seminar- oder Wahlfachübungsschein gemäß der NJAO bzw. dem NJAG und der NJAVO in der jeweils gültigen Fassung zum Nachweis der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 lit. b)
31
c)   das Abschlusszeugnis der bestandenen ersten juristischen Staatsprüfung zum Nachweis der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 lit. c)
32

Dem Antrag ist zusätzlich eine Versicherung an Eides statt beizufügen, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller anderweitig keinen auf Grund der ersten juristischen Staatsprüfung verliehenen Hochschulgrad erworben oder beantragt hat.

33
(3)  Liegen die Voraussetzungen für die Verleihung des Hochschulgrades gemäß § 2 vor, so vollzieht die Dekanin oder der Dekan die Verleihung durch Aushändigung der Diplomurkunde. Vor Aushändigung der Diplomurkunde darf der Hochschulgrad nicht geführt werden.
34
(4)  Die Urkunden werden in der Regel in einer eigens dafür veranstalteten Abschlussfeier ausgehändigt, die einmal im Semester stattfindet. Eine Aushändigung außerhalb der Feier kann nur
35
a)   zeitnah zum Termin der Abschlussfeier oder
36
b)   bei Glaubhaftmachung dringender Gründe für die Notwendigkeit einer Titelführung vor dem in S. 1 oder S. 2 lit. a) genannten Zeitpunkt erfolgen.
37
(5)  Für die Verleihung des Hochschulgrades ist von den Antragstellerinnen und Antragstellern, die nicht Mitglieder oder Angehörige der Hochschule sind, eine Verwaltungsgebühr nach der Gebühren- und Entgeltordnung der [Beklagten] zu entrichten. Die Aushändigung der Urkunde erfolgt in diesem Fall nur gegen den Nachweis der Einzahlung der Verwaltungsgebühr. Etwas anderes gilt nur bei einem Nachweis der Immatrikulation an der [Beklagten] im Zeitpunkt der Antragstellung durch Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung.
38
(6)  Stellt sich nach der Verleihung des Hochschulgrades heraus, dass die Voraussetzungen für die Verleihung nicht vorgelegen haben oder wird die erste juristische Staatsprüfung nachträglich für nicht bestanden erklärt, so ist der Hochschulgrad zu entziehen.
39
§ 4  Inkrafttreten
40

Diese Ordnung tritt nach ihrer Genehmigung durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur am Tag nach der Bekanntgabe im Amtlichen Mitteilungsblatt der [Beklagten] in Kraft. Gleichzeitig tritt die am 23.05.2001 genehmigte und in den Amtlichen Mitteilungen der [Beklagten] vom 01.07.2001 (Nr.7) auf S. 3 (Anlage 3) veröffentlichte Ordnung zur Verleihung des Hochschulgrades „Diplom-Juristin“ oder „Diplom-Jurist“ an der [Beklagten] außer Kraft.“

41

Der 1949 geborene Kläger studierte vom Sommersemester 1971 bis zum Sommersemester 1975 an der Beklagten Rechtswissenschaften. Seine erfolgreiche Teilnahme an mehreren Seminaren ist durch Seminarscheine belegt. Am 27. Mai 1975 bestand er vor dem Landesjustizprüfungsamt bei dem Niedersächsischen Ministerium der Justiz die erste und am 17. Februar 1978 die zweite juristische Staatsprüfung. Von 1978 bis 2000 war er als Rechtsanwalt tätig, seit 1981 auch Notar und seit 1984 zudem ehrenamtliches Mitglied des Landesjustizprüfungsamtes. Nach eigenen Angaben beendete er im Jahr 2000 aus persönlichen Gründen seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar. Seitdem ist er nach seinem Vortrag als freier Unternehmensberater in der Wirtschaft tätig und vorwiegend mit juristischer Fortbildung und juristischer Projektierung befasst. Er führt die Bezeichnung „Assessor jur.“.

42

Mit einem am 4. Februar 2002 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger unter Beifügung der nach der Diplomordnung a.F. erforderlichen Nachweise, ihm den Hochschulgrad eines „Diplom-Juristen“ zu verleihen. Zugleich rügte er, dass § 4 Satz 2 der Diplomordnung a.F. mit seiner Beschränkung des Kreises der Berechtigten auf diejenigen Personen, die nach der Beschlussfassung des Fakultätsrates über den Erlass der Diplomordnung a.F. am 7. Februar 2001 ihr erstes juristisches Staatsexamen absolviert hätten, zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führe und deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Dies gelte auch für § 2 Abs. 2 lit. c) der während des Antragsverfahrens in Kraft getretenen Diplomordnung n.F., mit dem zwar der Personenkreis der Berechtigten erweitert worden sei, mit dem von der Beklagten gewählten neuen Zeitpunkt des 27. Januar 1976  jedoch ebenfalls ein sachlich nicht gerechtfertigter Zeitpunkt gewählt worden sei. Vielmehr dürfe der Kreis der Berechtigten nicht zeitlich eingegrenzt werden. Deshalb habe er Anspruch auf Verleihung des Hochschulgrades, auch wenn er sein erstes juristisches Staatsexamen bereits am 27. Mai 1975 absolviert habe.

43

Mit einem Bescheid vom 13. Februar 2002 lehnte die Dekanin der Juristischen Fakultät der Beklagten die Verleihung unter Hinweis auf die Fristbestimmung in § 2 Abs. 2 lit. c) der Diplomordnung n.F. ab.

44

Hiergegen erhob der Kläger unter dem 18. Februar 2002 Widerspruch mit der Begründung, dass die Dekanin der Juristischen Fakultät unzuständig sei. Zuständig sei die Universität. Dessen ungeachtet verstoße auch § 2 Abs. 2 lit. c) der Diplomordnung n.F. gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Wahl des Stichtages verstoße gegen das Willkürverbot. Er könne auch nicht darauf verwiesen werden, er sei berechtigt, die Bezeichnung „Assessor“ zu führen. Diese sei weniger Ausdruck für Qualifikation und eher Ausdruck einer Diskriminierung, weil sie im Beamtenrecht einen Berufsanfänger kennzeichne.

45

Den Widerspruch wies die Dekanin der Juristischen Fakultät der Beklagten mit einem Widerspruchsbescheid vom 15. März 2002 zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Stichtagsregelung an das Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes und damit an ein objektives Datum anknüpfe. Das Bundesgesetz habe zu diesem Zeitpunkt erstmals die Möglichkeit vorgesehen, ein Hochschuldiplom auch aufgrund einer bestandenen staatlichen oder kirchlichen Prüfung zu verleihen.

46

Mit seiner am 26. März 2002 beim Verwaltungsgericht Göttingen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Zur Begründung wird ausgeführt, dass er zunehmend in Wettbewerb mit den Diplom-Wirtschaftsjuristen der Fachhochschulen trete. Deshalb sei es ihm wichtig, den Hochschulgrad nachträglich verliehen zu erhalten. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Hochschulrahmengesetzes stelle keinen sachlich gerechtfertigten Anknüpfungspunkt für die Stichtagsregelung dar, sondern sei willkürlich gewählt, weil das Bundesgesetz die Möglichkeit der Verleihung von Diplomgraden nicht konstitutiv begründet, sondern lediglich eine bereits seit langem geführte Diskussion in Gesetzesform gegossen habe. Wenn die Beklagte schon „Altfälle“ nachdiplomiere, dann müsse sie die diese „Altfälle“ auch gleichbehandeln. § 2 Abs. 2 lit. c) der Diplomordnung n.F. der Beklagten verstoße auch deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Diplomordnung der Universität Hannover eine entsprechende Stichtagsregelung nicht enthalte.

47

Der Kläger beantragt,

48

den Bescheid der Dekanin der Juristischen Fakultät der Beklagten vom 13. Februar 2002 und deren Widerspruchsbescheid vom 15. März 2002 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihm durch ihre Juristische Fakultät den Hochschulgrad eines „Diplom-Juristen“ zu verleihen.

49

Die Beklagte beantragt,

50

die Klage abzuweisen.

51

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.

52

Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

53

Der Verpflichtungsklage muss der Erfolg versagt bleiben.

54

Die Entscheidung der Dekanin der Juristischen Fakultät der Beklagten, dem Kläger den Hochschulgrad eines „Diplom-Juristen“ nicht zu verleihen, ist nicht zu beanstanden. Die Dekanin war für diese Entscheidung zuständig (1), die den Regelungen der Diplomordnung ihrer Hochschule entspricht (2), die mit höherrangigem Recht vereinbar sind (3).

55

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs ist die Sach- und Rechtslage am Ende der mündlichen Verhandlung.

56

Die Vergabe inländischer Hochschulgrade ist in § 8 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes vom 24.6.2002 (Nds. GVBl. S. 286) in der Fassung vom 22.1.2004 (Nds. GVBl. 33) - NHG - geregelt. Nach § 8 Abs. 3 NHG können die niedersächsischen Hochschulen einen sogenannten „akzessorischen“ Diplomgrad auch aufgrund einer staatlichen Prüfung verleihen, wenn der Studiengang mit einer solchen Prüfung abgeschlossen wird. Eine entsprechende Vorschrift war erstmals als § 25 Abs. 2 Satz 1 in das Niedersächsische Hochschulgesetz vom 1.6.1978 (Nieders. GVBl. S. 473) aufgenommen worden.

57

Die niedersächsische Vorschrift beruht auf der bundesgesetzlichen Rahmenvorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 3 des Hochschulrahmengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 8.8.2002 (BGBl. I S. 3138) - HRG -, die als § 18 Satz 2 HRG in die Ursprungsfassung des Gesetzes aufgenommen worden war. Das Hochschulrahmengesetz in seiner Ursprungsfassung wurde am 26. Januar 1976 (einem Montag) vom Bundespräsidenten gemäß Art. 82 GG ausgefertigt, im Bundesgesetzblatt Teil I vom 29.1.1976 auf Seite 185 verkündet (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 2.4.1963, NJW 1963, S. 1444 [BVerfG 02.04.1963 - 2 BvL 22/60]) und trat gemäß § 83 HRG am 30. Januar 1976 in Kraft, d.h. mit Beginn des Tages des 30. Januar 1976 (vgl. RG, Urteil vom 7.12.1917, RGZ 91, S. 339). § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG gilt als Rahmenvorschrift gemäß § 72 Abs. 1 HRG im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht unmittelbar (BVerwG, Urteil vom 22.2.2002, NJW 2002, S. 2120; vgl. auch Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl., Rdnr. 76 und Zimmerling, DVBl. 2002, S. 985).

58

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage regelt die Beklagte die Einzelheiten der Verleihung des Diploms in ihrer Diplomordnung vom 14.11.2001 (Amtl. Mitt. der Beklagten vom 12.2.2002, Nr. 3, S. 53) - Diplomordnung n.F. -, die die Diplomordnung vom 7.2.2001 (Amtl. Mitt. der Beklagten vom 1.7.2001, Nr. 7, S. 3, Anlage 3) - Diplomordnung a.F. - abgelöst hat. Die Diplomordnung n.F. findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 76 Abs. 2, 77 Satz 2 Nr. 3, 80 Abs. 2 Halbsatz 1 Nr. 3 NHG in der Fassung vom 18.12.2001 (Nds. GVBl. S. 806) - NHG a.F. -. Sie gilt gemäß § 72 Abs. 1 Satz 3 NHG in der derzeit geltenden Fassung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2004 weiter und im Falle des Fehlens eines Anpassungsbedarfs an die Vorschriften des NHG in der Fassung vom 24.6.2002 auch darüber hinaus.

59
1.   Die Versagung der Diplomverleihung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Juristische Fakultät für diese Entscheidung unzuständig wäre. Zum Zeitpunkt des Ergehens der Widerspruchsentscheidung ergab sich ihre Zuständigkeit aus den §§ 105 Abs. 4 Satz 2, 104 Abs. 5 NHG a.F.. § 36 Abs. 2 NHG in der gegenwärtig geltenden Fassung ist keine abweichende Zuständigkeitsregelung zu entnehmen, zumal auch § 1 Abs. 1 der Diplomordnung n.F. - wie bereits vorstehend ausgeführt - fortgilt, der regelt, dass die Universität den Hochschulgrad durch ihre Juristische Fakultät verleiht. Für den Erlass des Bescheides vom 13. Februar 2002 war die Dekanin der Juristischen Fakultät gemäß § 107 NHG a.F. zuständig, zumal es sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt (vgl. Thieme, aaO, Rdnr. 1041) und § 3 Abs. 1 und 3 der Diplomordnung n.F. ihre Verfahrenszuständigkeit begründen. Da es sich bei der Verleihung des Diplomgrades gemäß § 77 Satz 2 Nr. 3 NHG a.F. um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handelt, war die Dekanin gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO auch zur Entscheidung über den Widerspruch des Klägers berufen.
60
2.   § 8 Abs. 3 NHG vermittelt keinen unmittelbaren Anspruch auf Diplomierung. Diese ist vielmehr in das Ermessen der Beklagten gestellt, die sich durch ihre Diplomordnung n.F. gebunden hat.
61
a.   Der Kläger ist mit seinem Begehren nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil er sein zweites juristische Staatsexamen bestanden hat und die Bezeichnung „Assessor“ führt, nachdem er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt beendet hat. Die Diplomordnung n.F. der Beklagten beinhaltet keinen Ausschluss der Assessoren von der Verleihung des Hochschulgrades „Diplom-Jurist“. Einen solchen Ausschlusstatbestand beinhaltet auch § 2 Abs. 3 Diplomordnung n.F. nicht. Denn dieser regelt lediglich, dass die Verleihung des Hochschulgrades ausgeschlossen ist, wenn der Antragsteller bereits anderweitig einen vergleichbaren Hochschulgrad auf der Basis der ersten juristischen Staatsprüfung erworben oder beantragt hat. Dies ist beim Kläger nicht der Fall.
62

63
b.   In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es sich bei den Regelungen über die Verleihung von Hochschulgraden typischerweise um zukunftsorientierte Regelungen handelt. Es ist deshalb nichts dafür ersichtlich, dass § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG und mithin auch die landesrechtliche Umsetzung in § 8 Abs. 3 NHG einen Auftrag der Hochschulen enthalten könnte, bei der Neueinführung eines Hochschulgrades dessen Verleihung auch an Personen zu erwägen, die - wie der Kläger - die Hochschule nach erfolgreichem Abschluss des Studiums vor langer Zeit - hier: bereits vor 29 Jahren - verlassen haben (BVerwG, aaO, S. 2121).
64

Gleichwohl hat sich die Beklagte auch zur (Nach-)Diplomierung von sogenannten „Altfällen“ entschlossen und mit ihrer Diplomordnung in der neuen Fassung ihren Absolventen, die ihr erstes juristisches Staatsexamen mit Erfolg nach dem 27. Januar 1976 abgelegt haben (§ 2 Abs. 2 lit. c Diplomordnung n.F.), im Falle der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen einen Anspruch auf Verleihung des Hochschulgrades zuerkannt. An dieser Stichtagsregelung hat die Beklagte jedoch den vom Kläger geltend gemachte Nachdiplomierungsanspruch scheitern lassen, weil er sein erstes juristisches Staatsexamen bereits am 27. Mai 1975 - mithin acht Monate vor dem Stichtag - bestanden hatte.

65
3.   § 2 Abs. 2 lit. c) der Diplomordnung n.F. ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
66

Der Ausschluss von Antragstellern, die am oder vor dem 27.1.1976 erfolgreich ihre erste juristische Staatsprüfung abgelegt haben, verstößt weder gegen Art. 12 Abs. 1 noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

67

Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG untersagen dem universitären Satzungsgeber, (Nach-)Diplomierungsbewerber durch differenzierende Bestimmungen bis an die Grenze evidenter Unsachlichkeit verschieden zu behandeln und durch eine solche Ungleichbehandlung die Berufschancen eines Teils der Antragsteller zu verschlechtern. Vielmehr ist der Satzungsgeber gehalten, die Chancengleichheit der Diplombewerber so weit wie irgend möglich sicherzustellen und dann, wenn bei Übergangsregelungen eine Verschiedenbehandlung unvermeidbar wird, jedenfalls übermäßige Benachteiligen zu vermeiden. Wird von Stichtagsregelungen Gebrauch gemacht, handelt es sich zwar um ein formales Kriterium, das mit gewissen Härten verbunden sein und den Betroffenen aus den verschiedensten Gründen fragwürdig erscheinen kann. Stichtagsregelungen sind jedoch als Regelungsinstrument kaum zu entbehren und deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings muss sich die Wahl des Stichtages am gegebenen Sachverhalt orientieren und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfassen; abgestufte Regelungen können geboten sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.12.1988, BVerfGE 79, S. 212 = NVwZ 1989, S. 645 mwN). Der Satzungsgeber muss seinen Spielraum bei der Ausgestaltung der Stichtagsregelung in sachgerechter Weise genutzt, die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt und eine sachlich begründete Entscheidung getroffen haben (Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 3 Rdnr. 32 mwN).

68

Die Anknüpfung der Stichtagsregelung an das Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes ist danach im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Klägers grundsätzlich sachgerecht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass sich der Diplomgrad des § 18 HRG auf die Abschlussprüfung des Studiums und damit des Erreichens des Studienziels nach § 7 HRG bezieht, wonach Lehre und Studium die Studierenden auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und sie insbesondere zu wissenschaftlicher Arbeit befähigt werden sollen. Der durch § 18 des Hochschulrahmengesetzes erstmals eingeführte einheitliche Diplomgrad als berufsqualifizierender Abschluss ist letztlich eine Konsequenz dieses gemeinsamen Studienziels und insoweit Ausdruck der im Hochschulbereich trotz aller Differenzierungen angestrebten Gemeinsamkeit und Gleichwertigkeit, die Ziel der Neuordnung des Hochschulwesens durch das Hochschulrahmengesetz gewesen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.12.1980, BVerfGE 55, S. 261 = NJW 1981, S. 911 [BVerfG 03.12.1980 - 1 BvR 409/80] mwN und Hailbronner/Geis/Karpen, HRG, § 18 Rdnr. 6). Wenn die Beklagte danach auf das Inkrafttreten der bundesrechtlichen Rahmenregelung für die Neuordnung des Hochschulrechts abgestellt hat, die die Landesgesetzgeber im Interesse der Herstellung von einheitlichen Hochschulgraden ermächtigt, auch ein „akzessorisches“ Diplom zu verleihen, so stellt dies eine sachgerechte Anknüpfung dar, die auch im Schrifttum befürwortet wird (vgl. Schlütter, AnwBl. 2003, S. 389, 392).

69

Das Hochschulrahmengesetz ist jedoch nicht - wie von der Beklagten ihrer Stichtagsregelung zugrundegelegt - am 27. Januar 1976 in Kraft getreten, sondern gemäß § 83 HRG erst am 30. Januar 1976. Der von der Beklagten gewählte 27. Januar 1976 oder auch - bei Auslegung der Worte „nach dem 27. Januar 1976“ - der 28. Januar 1976 kennzeichnen keine Zeitpunkte, die mit dem Hochschulrahmengesetz zu verbinden sind. Denn es wurde am 26. Januar 1976 vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 29. Januar 1976 im Bundesgesetzblatt verkündet. Das Datum des 27. Januar 1976 in § 2 Abs. 2 lit. c) der Diplomordnung n.F. entbehrt danach einer sachlichen Grundlage.

70

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass es sich um ein redaktionelles Versehen handelt. Dieses Versehen würde dann zu einer grundrechtswidrigen Ungleichbehandlung des Klägers führen, wenn Kandidaten der Universität J., die zwischen dem 27. (oder 28.) Januar 1976 und dem 29. Januar 1976 ihre erste juristische Staatsprüfung mit Erfolg abgelegt haben und die übrigen Voraussetzungen der Diplomordnung n.F. erfüllen, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verleihung des Hochschulgrades hätten, obwohl zum Zeitpunkt der Ablegung ihres Staatsexamens das Hochschulrahmengesetz noch nicht in Kraft getreten war. Insoweit würde diesem Personenkreis im Unterschied zum Kläger ein Anspruch eingeräumt, obgleich letzterer die gleichen Voraussetzungen erfüllt. Die Stichtagsregelung wäre dann von der Beklagten willkürlich mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gewählt (vgl. zur Teilnichtigkeit einer entsprechenden Ordnung: OVG Saarlouis, Beschluss vom 19.3.2004 - 3 N 6/03 - NJW 2004, Heft 19, S. XIV Ls). Nach Auskunft des Niedersächsischen Landesjustizprüfungsamtes vom 19. Mai 2004 haben jedoch zwischen dem 26. und 29. Januar 1976 keine Kandidaten die erste juristische Staatsprüfung mit Erfolg abgelegt, weil in dieser Zeit keine mündlichen Prüfungen stattgefunden haben, so dass es keinen Personenkreis ehemaliger Göttinger Studenten gibt, der gegenüber dem Kläger gleichheitswidrig bevorteilt würde. Hat es aber keine Absolventen der ersten juristischen Staatsprüfung im fraglichen Zeitraum gegeben, ist die Anknüpfung der Stichtagsregelung an einen vertretbaren Sachverhalt bei gleichzeitigem Verstoß gegen eine im konkreten Fall sachgerechte Terminwahl unschädlich.

71

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass im fraglichen Zeitraum möglicherweise an Justizprüfungsämtern anderer Bundesländer erste juristische Staatsprüfungen mit Erfolg abgelegt worden sind. Denn an zahlreichen Universitäten anderer Bundesländer wurden Diplomordnungen überhaupt noch nicht in Kraft gesetzt.

72

Der Kläger wird auch nicht gegenüber Diplombewerbern an der Universität Hannover benachteiligt. Zwar enthält § 2 Nr. 3 der vom MWK am 25. Oktober 2001 genehmigten Diplomordnung der Universität Hannover (Verkündungsblatt der Universität Hannover 01/2000 vom 14.1.2000) keine entsprechende Stichtagsregelung (s. im Internet: www.jura.uni-hannover.de/studium/?c=diplomordnung.php). Jedoch ist die Verleihung des entsprechenden Hochschulgrades an Bewerber wie den Kläger, die ihre erste juristische Staatsprüfung vor Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes abgelegt haben, an der Universität Hannover ausgeschlossen, weil der Fachbereich (vormals: die Fakultät) Rechtswissenschaften an der (früheren Technischen) Universität Hannover erst mit Gesetz vom 19.11.1973 (Nieders. GVBl. S. 457) errichtet worden ist und die damals eingerichtete Fakultät gemäß § 1 Abs. 3 des Errichtungsgesetzes sowie § 1 des Gesetzes über die einstufige Juristenausbildung vom 2.4.1974 (Nieders. GVBl. S. 214) zunächst nur Teilnehmer am Studiengang der einstufigen Juristenausbildung ausbildete. Die erfolgreiche Ablegung der ersten juristischen Staatsprüfung nach dem NJAG und der NJAVO im Nachgang zu einem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hannover vor Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes am 30. Januar 1976 war deshalb an der Universität Hannover nicht möglich. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger überhaupt auf eine Ungleichbehandlung gegenüber Absolventen anderer Universitäten berufen kann.

73

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

75

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708, 711 ZPO.

76

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil die Kammer der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob die Anknüpfung einer Stichtagsregelung an einen vertretbaren Sachverhalt bei gleichzeitigem Verstoß gegen eine im konkreten Fall sachgerechte Terminwahl aufgrund eines redaktionellen Versehens unschädlich ist, wenn im konkreten Fall kein Personenkreis vorhanden ist, der gleichheitswidrig bevorteilt wird.