Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.05.2004, Az.: 3 A 3382/02

Hinterbliebenenrente; Kürzung; Versorgung; Versorgungsausgleich

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
12.05.2004
Aktenzeichen
3 A 3382/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50625
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch eine Hinterbliebenenrente an den Witwer der geschiedenen Ehefrau lässt die Kürzung der Versorgungsbezüge (§ 57 Abs. 1 S. 2 BeamtVG / § 55 c Abs. 1 S. 2 SVG) unberührt (§ 4 Abs. 2 VAHRG)

Tatbestand:

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Der am ... geborene Kläger wurde als Berufssoldat mit Ablauf des 31. März 1994 in den Ruhestand versetzt. Er war mit Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 19. Dezember 1979 - 24 F 85/79 – (rechtskräftig seit dem 20.02.1980) von seiner ersten Ehefrau geschieden worden.

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Mit Bescheid vom 05. April 1994 setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers auf einen Ruhegehaltssatz von 75% fest. Unter dem 07. April 1994 beschied die Beklagte den Kläger, dass seine Versorgungsbezüge gemäß § 55 c Abs. 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) mit Wirkung vom 01. April 1994 der Kürzung aufgrund des im Rahmen des Scheidungsverfahrens durchgeführten Versorgungsausgleichs unterlägen. Der Kürzungsbetrag belaufe sich zur Zeit auf monatlich 491,68 DM. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens seien zu Lasten seiner Versorgungsanwartschaft und zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von damals 309,75 DM (bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30. April 1979) begründet worden. Ein Absehen von der Kürzung seiner Versorgungsbezüge komme nicht in Betracht, denn die Voraussetzungen des § 5 Versorgungsausgleichshärteregelungsgesetz (VAHRG) lägen nicht vor. Nach dieser Bestimmung werde die Versorgung des im Rahmen eines Versorgungsausgleichs Verpflichteten nicht gekürzt, solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten könne und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt habe oder nur deshalb nicht habe, weil der Verpflichtete zur Unterhaltsleistung wegen der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Kürzung seiner Versorgung außer Stande sei. Da der Kläger seiner geschiedenen Ehefrau gesetzlich nicht zum Unterhalt verpflichtet sei, komme ein Absehen von der Kürzung nicht in Betracht.

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Mit Schreiben vom 11. September 2001 nahm der Kläger Bezug darauf, dass seine geschiedene Ehefrau am 02. August 2001 verstorben war, und bat darum, die Kürzung seiner Versorgung wegen des Versorgungsausgleichs abzusetzen. Mit Schreiben vom 28. November 2001 wandte sich die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in der Versorgungsausgleichssache des Klägers und seiner geschiedenen Ehefrau an die Beklagte und führte aus, aus der Versicherung der geschiedenen Ehefrau des Klägers werde ab dem 01. September 2001 unter Berücksichtigung des im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechts laufend eine Hinterbliebenenrente an deren Witwer gezahlt. Eine Bestimmung des Grenzbetrages nach § 4 Abs. 2 VAHRG könne erst zum Ende des Leistungsbezugs (Wegfall der Hinterbliebenenrentenzahlung), erfolgen. Vom 01. Oktober 2000 bis zum 31. August 2001 sei zudem eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit an die geschiedene Ehefrau des Klägers gezahlt worden.

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Nachdem sich der Kläger unter dem 01. Dezember 2001 erneut gegen den Abzug wegen des Versorgungsausgleichs gewandt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 2002 den Antrag des Klägers auf Abwendung der Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 55 c SVG nach § 4 VAHRG ab und führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen für ein Abwenden der Kürzung nach § 4 Abs. 2 VAHRG nicht vorlägen, weil dem Witwer seiner geschiedenen Ehefrau seit September 2001 laufend eine Hinterbliebenenrente gezahlt werde. Da das Ende des Leistungsbezuges noch nicht eingetreten sei, könne zur Zeit nicht festgestellt werden, ob der Grenzbetrag überstiegen werde.

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Am 18. Februar 2002 legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, aus dem Versorgungsausgleich sei zunächst seine geschiedene Ehefrau berechtigt gewesen. Diese habe vor ihrem Tod jedoch keine Leistung aus dem Versorgungsausgleich bezogen. Deren Witwer werde seit dem 01. September 2001 eine Witwerrente gezahlt. Weil diesem Leistungen gewährt worden seien, die insgesamt zwei Rentenjahresbeträge nicht überstiegen, seien seine Versorgungsansprüche nicht zu kürzen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass er die Versorgungsbezüge bereits vor der Regelaltersgrenze beziehe. Hätte er bis zu dieser Altersgrenze weiter gearbeitet, wäre weder für seine geschiedene Ehefrau noch für deren Witwer ein Anspruch entstanden. Ihm dürfe der Vorruhestand nicht zum Nachteil gereichen.

6

Mit Schreiben vom 26. Februar 2002 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, ihr sei nicht bekannt, dass die Witwerrente nicht mehr gezahlt werde. Sie könne nicht nachvollziehen, weshalb der Grenzbetrag von zwei Jahresrentenbeträgen nicht überschritten werde. Die Übertragung der Rentenanwartschaften geschehe unabhängig davon, ob der Ausgleichsverpflichtete (der Kläger) danach noch erwerbstätig sei oder nicht. Seine Ehefrau habe zudem bereits seit dem 01. Oktober 2000 eine Rente bezogen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die geschiedene Ehefrau des Klägers habe vom 01. Oktober 2000 bis zum 31. August 2001 Erwerbungsunfähigkeitsrente erhalten. Seit dem 01. September 2001 werde unter Berücksichtigung des im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechts laufend eine Hinterbliebenenrente an ihren Witwer gezahlt. Eine Bestimmung des Grenzbetrages nach § 4 Abs. 2 VAHRG könne nach dem Gesetzestext erst zum Ende des Leistungsbezuges, d. h. dem Wegfall der Hinterbliebenenrentenzahlung, erfolgen. Zur Zeit seien die in § 4 VAHRG genannten Voraussetzungen nicht gegeben, weshalb seine Versorgungsbezüge weiter zu kürzen seien. Der Anspruch für seine geschiedene Ehefrau und deren Witwer wäre zudem auch dann entstanden, wenn er (der Kläger) bis zur Regelaltersgrenze im Dienst verblieben wäre, denn die Rentenanwartschaften seien bereits anlässlich der Scheidung übertragen worden. Das sei unabhängig davon geschehen, ob er als Ausgleichsverpflichteter danach noch erwerbstätig sei oder nicht.

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Der Kläger hat am 13. August 2002 Klage erhoben, zu deren Begründung er sich im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen bezieht. Ergänzend führt er aus, der Ausgleichsanspruch erlösche nach § 1587 e Abs. 2 BGB grundsätzlich mit dem Tode des Berechtigten. Seiner Auffassung nach habe seine geschiedene Ehefrau vor ihrem Tod keine Leistung aus dem Versorgungsausgleich bezogen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2002 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm ab dem 01. September 2001 nicht um den Versorgungsausgleich gekürzte Versorgungsbezüge zu gewähren sowie

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die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide. Ergänzend führt sie aus, die Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers werde nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass die geschiedene Ehefrau aufgrund ihres vorzeitigen Todes selbst zu keiner Zeit Leistungen aus dem Versorgungsausgleich erhalten habe. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 VAHRG unterbleibe die Kürzung der Versorgungsbezüge des Verpflichteten, wenn „aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt“ würden, die insgesamt zwei Jahresbeträge nicht überstiegen. Dabei sei unbeachtlich, ob der im Versorgungsausgleich benannte berechtigte geschiedene Ehegatte oder eine dritte Person Leistungen in dieser Weise erhalte. Gegenwärtig könne nicht abschließend entschieden werden, ob die Leistungsgewährung zwei Jahresbeträge übersteigen werde oder nicht.

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Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 20. April 2004 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird durch die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte im Übrigen sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, ihm nicht nach § 55 c Soldatenversorgungsgesetz (SVG) gekürzte Versorgungsbezüge zu gewähren. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2002 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

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Das Gericht stellt fest, dass es der Begründung des angefochtenen Bescheides folgt und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen dieser bereits im Tatbestand dargestellten Gründe insoweit von einer Begründung ab (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

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Das Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung. Insbesondere sind über die vom Bundesverfassungsgericht für notwendig, aber auch ausreichend gehaltenen Härteregelungen (vgl. Urt. v. 05.07.1989 - 1 BvL 11, 1053/87 und 556/88 -, BVerfGE 80, 297-315, zur Verfassungsmäßigkeit des inhaltsgleichen § 57 Abs. 1 S. 1 und 2 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG – i. V. m. § 4 Abs. 2 VAHRG) hinaus im Einzelfall des Klägers (Hinterbliebenenrente an den Witwer seiner geschiedenen Frau u. a. aus den vom Kläger im Wege des Versorgungsausgleich auf seine geschiedene Frau übertragenen Anwartschaften), von Verfassungs wegen keine weiteren Härteregelungen geboten.

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Die Voraussetzungen für eine Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge ab September 2001, die der Kläger mit seiner Mitteilung vom 11. September 2001 geltend gemacht hat, liegen aus den im Bescheid der Beklagten genannten Gründen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers hat seine geschiedene Ehefrau bereits durch Bezug ihrer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von Oktober 2000 bis Ablauf des Monats August 2001 eine Rente im Sinne von § 55 c Abs. 1 Satz 2 SVG erhalten. Denn Rente im Sinne des Rentenrechts ist jede Art von Rente, Altersruhegeld ebenso wie die zeitlich begrenzte Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente. Stellt der Wortlaut des Gesetzes auf den Rentenbezug schlechthin ab, kommt es entscheidend darauf an, dass überhaupt eine Rente gewährt wird, nicht dass sie auf Dauer gewährt wird (BVerwG, Urt. v. 28.04.1994 – 2 C 22.92 -, BVerwGE 95, 375 ff.). Damit sind der geschiedenen Ehefrau des Klägers bereits Leistungen aus dem durch Versorgungsausgleich erlangten Rentenanspruch gewährt worden.

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Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte auch nach dem Tod der geschiedenen Ehefrau des Klägers nicht verpflichtet, ihm nunmehr ungekürzte Versorgungsbezüge zu gewähren. Nach Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wird dem Witwer der geschiedenen Ehefrau des Klägers seit dem 1. September 2001 eine Hinterbliebenenrente gewährt, mithin eine Rente, die (auch) auf den seiner geschiedenen Ehefrau durch Versorgungsausgleich übertragenen früheren Versorgungsanwartschaften des Klägers beruht. Zu Recht berücksichtigt die Beklagte bei ihrer angefochtenen Entscheidung diese Rentenzahlung, denn § 4 Abs. 2 VAHRG stellt insoweit darauf ab, ob im Falle des Todes des Berechtigten aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt wurden oder werden, die den Grenzbetrag (2 Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors berechneten Vollrente wegen Alters aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten aus dem erworbenen Anrecht) nicht übersteigen, wobei die gewährten Leistungen auf die wegfallende Kürzung anzurechnen sind. Da - soweit ersichtlich - die Rentenleistungen weiter gewährt werden, kann in der Tat noch nicht festgestellt werden, dass dieser Grenzbetrag erreicht oder überschritten wird. Deshalb kommt eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge an den Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

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Nach dem insoweit unstreitigen Vorbringen der Beteiligten bestand seit der Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Ablauf des 31. März 1994 seinerseits keine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau. Demgemäß waren bereits mit Aufnahme der Gewährung der Versorgungsbezüge diese gemäß § 55 c SVG gekürzt. Wegen der fehlenden Unterhaltsverpflichtung kam die Gewährung einer ungekürzten Versorgung gemäß § 5 VAHRG an den Kläger nicht in Betracht.

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Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 1587 e BGB berufen. Nach Absatz 2 dieser Norm erlischt mit dem Tode des Berechtigten der Versorgungsausgleichsanspruch. Wie bereits der Wortlaut („Anspruch“) deutlich macht, betrifft diese Bestimmung lediglich die Fälle, in denen die Übertragung bzw. Begründung einer Anwaltschaft gemäß § 1587 b Absätze 1 und 2 BGB in Betracht kommt und noch nicht vollzogen ist (Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Auflage 2003, § 1587 e Rn. 7).

25

Zu Gunsten des Klägers streitet auch nicht das sog. Pensionistenprivileg (vgl. § 55 c Abs. 1 Satz 2 SVG; BVerwG, Urteil vom 28.04.1994, aaO., zum insoweit inhaltsgleichen § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG), denn den in § 55 c Abs. 1 Satz 1 SVG festgelegten Grundsatz der sofortigen und endgültigen Vollziehung des Versorgungsausgleichs hat der Gesetzgeber für den Fall durchbrochen, dass bei Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich bereits ein Anspruch des Ausgleichspflichtigen auf eine Versorgung besteht. Vorliegend war der Kläger zum Zeitpunkt der Vollziehung des Versorgungsausgleichs mit Rechtskraft seines Scheidungsurteils Anfang 1980 noch im aktiven Dienst. Erst mit Ablauf des 31. März 1994 wurde er in den Ruhestand versetzt.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO ist angesichts des Ausgangs des Verfahrens entbehrlich.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.