Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 11.07.2006, Az.: S 45 AS 290/05

Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein Bett und einen Kleiderschrank nach Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II); Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen für Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten

Bibliographie

Gericht
SG Oldenburg
Datum
11.07.2006
Aktenzeichen
S 45 AS 290/05
Entscheidungsform
Endurteil
Referenz
WKRS 2006, 35026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOLDBG:2006:0711.S45AS290.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 01.07.2009 - AZ: B 4 AS 77/08 R

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat die Kosten für die ersatzweise Beschaffung von Einrichtungsgegenständen, welche nach einem Umzug anfallen, durch seine Regelleistung gem. § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II abzudecken.

  2. 2.

    Nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II sind nur Leistungen für Erstausstattungen von Wohnungen einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst.

In dem Rechtsstreit
hat das Sozialgericht Oldenburg - 45. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2006
durch
die Richterin am Sozialgericht Lücking, sowie
die ehrenamtlichen Richter Herrn Raasch und Herrn Schamberg
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme der Kosten für ein Bett und einen Kleiderschrank.

2

Die im Jahre 1946 geborene Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Anlässlich des Umzugs in eine preisgünstigere Wohnung beantragte sie mit Schreiben vom 07. März 2005 die Übernahme der Kosten für verschiedene Einrichtungsgegenstände, u.a. für ein Bett und einen Kleiderschrank. Mit Bescheid vom 21. März 2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, es handele sich nicht um eine Erstausstattung für die Wohnung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Gemäß § 23 Abs. 1 SGB II bot er jedoch ein entsprechendes Darlehen an. Die Umzugskosten als solche übernahm der Beklagte. Gegen den Bescheid vom 21. März 2005 erhob die Klägerin am 14. April 2005 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2005 als unbegründet zurückwies. Hiergegen richtet sich die Klage vom 09. Mai 2005.

3

Die Klägerin trägt vor, die Gegenstände seien unbrauchbar gewesen. Sie seien nicht zuletzt durch den Umzug selbst schwer beschädigt worden und hätten entsorgt werden müssen. Ein Wiederaufbau in der neuen Wohnung sei unmöglich gewesen. Demzufolge handele es sich bei den hier in Rede stehenden Kosten für die Neuanschaffung eines Bettes und eines Kleiderschrankes um Umzugskosten im weitesten Sinne, die gemäß § 22 Abs. 3 SGB II zu übernehmen seien. Darüber hinaus verweist die Klägerin auf den Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Juli 2005 (L 3 AS 45/05 ER).

4

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 21. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für ein Bett und einen Kleiderschrank zu übernehmen.

5

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Er hält an dem Inhalt des angefochtenen Bescheides fest. Ergänzend trägt er vor, dass die Klägerin das angebotene Darlehen nicht in Anspruch genommen habe.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

9

Der Bescheid des Beklagten vom 21. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2005 ist rechtmäßig. Durch ihn ist die Klägerin nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Beklagte lehnt die begehrte Kostenerstattung zu Recht ab.

10

Der hier in Rede stehende Bedarf (Kosten für ein Bett und einen Kleiderschrank) ist durch die Regelleistung gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II abgedeckt. Danach umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Hierunter fallen auch die Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung von Einrichtungsgegenständen. Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Dementsprechend hat der Beklagte der Klägerin ein Darlehen angeboten, das diese nicht in Anspruch genommen hat. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist zugunsten der Klägerin nicht anwendbar. Danach sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um die Erstausstattung für eine Wohnung, sondern um die Ersatzbeschaffung von Gegenständen. Dass das Bett und der Kleiderschrank aus der bisherigen Wohnung nicht in die neue Wohnung haben transportiert werden können, sondern entsorgt werden mussten, steht dem nicht entgegen. Auch handelt es sich bei den hier streitigen Kosten nicht um Umzugskosten im Sinne des § 22 Abs. 3 SGB II. Gem. § 22 Abs. 3 Satz 1 können Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Zu den Umzugskosten gehören neben den Kosten für Packen und Transport des Hausrats auch die Kosten für eine wegen des Umzugs erforderliche Renovierung der alten oder der neuen Wohnung (Hauck/Noftz, SGB II § 22 Anm. 27). Auch Pauschalen für private Umzugshelfer, Benzinkosten oder Kosten für eventuell erforderliche Versicherungen können übernommen werden (Eicher/Spellbrink, SGB II § 22 Anm. 84). Diese Aufzählung verdeutlicht, dass Kosten für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen nicht unter den Begriff "Umzugskosten" subsumiert werden können; denn derartige Kosten fallen nur anlässlich des Umzugs an.

11

Der Hinweis der Klägerin auf den Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Juli 2005 geht fehl. Diesem Beschluss lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Säugling in eine Wohnung aufgenommen werden sollte. In einem solchen Fall unterfallen die Kosten für die Anschaffung eines Kinderbettes mit Matratze unstreitig dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Jener Sachverhalt ist dem vorliegenden indes nicht vergleichbar.

12

Nach alledem ist der Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht zu beanstanden. Die Klage ist daher abzuweisen.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Kammer hat gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Berufung zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Lücking