Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 29.06.2011, Az.: L 3 U 389/09
Schwere des Unfallereignisses muss bei Klärung der kausalen Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage Berücksichtigung finden; Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung bei einem Vorschaden; Verursachung durch ein besonders schweres Unfallereignis
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 29.06.2011
- Aktenzeichen
- L 3 U 389/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 23671
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0629.L3U389.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 05.11.2009 - AZ: S 3 U 164/08
Rechtsgrundlage
- § 8 Abs. 1 SGB VII
Redaktioneller Leitsatz
Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist für die Feststellung der wesentlichen Ursache zwar im Grundsatz darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Diese Sichtweise berücksichtigt jedoch nicht in ausreichender Weise die Schwere des Unfallereignisses. Denn ein Ereignis, das seiner Schwere nach geeignet gewesen wäre, sogar einen gesunden, nicht vorgeschädigten Körper in der konkret eingetretenen Weise zu schädigen, muss auch dann als wesentliche Mitursache angesehen werden, wenn eine erhebliche degenerative Schadensanlage vorgelegen hat. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 5. November 2009 und der Bescheid vom 10. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2008 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 11. August 2007 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte hat die Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.
Der 1950 geborene Kläger ist von Beruf selbstständiger Gastronom und nahm als solcher am 11. August 2007 am Heideblütenfest in F. teil. Am Ende der Veranstaltung verlud er zur Außenbewirtschaftung eingesetzte Gegenstände auf einen PKW-Anhänger. Dazu gehörte ein ca. 25 kg schwerer Sonnenschirm (mit Stahlrohr und Schirmdach von ca. 4 m Durchmesser), den er mit der linken Hand (bei gestrecktem linken Arm) in der Mitte hielt, während er das hintere Ende mit der rechten Hand hochdrückte, um den Schirm in eine Lücke neben einem bereits verladenen Gasgrill zu schieben. Nach den Angaben des Klägers im Berufungsverfahren geriet dabei das Vorderende des Schirms unter den nach unten offenen Grill, auf dem sich eine schwere gusseiserne Pfanne befunden habe. Beim Hochdrücken mit der rechten Hand sei der Schirm unter den Grill geschlagen und zurückgefedert. Der Kläger verspürte einem Stromschlag ähnliche Schmerzen im linken Ellenbogengelenk und begab sich am 13. August 2007 mit einem ausgeprägten Hämatom zu den Durchgangsärzten G. ua. Diese diagnostizierten eine distale Bizepssehnenruptur (Bericht vom 13. August 2007), der anschließend behandelnde Chirurg H. einen distalen Bizeps-sehnenausriss links (Bericht vom 17. Oktober 2007).
Der Bizepssehnenausriss wurde am 14. August 2007 im Krankenhaus I. operativ behandelt, wobei eine Reinsertion in Knochenschafttechnik durchgeführt wurde (Bericht des Chirurgen J. vom 14. August 2007). An dem während der Operation entnommenen Bizepssehnengewebe stellte der Pathologe Dr. K. hochgradige degenerative Veränderungen und Kalkeinlagerungen im Sinne einer sog Tendinosis calcarea fest. Nach Abschluss der Heilbehandlung sind beim Kläger reizlose Narben im Bereich des linken Ellenbogens, eine leichte Einschränkung der Unterarmwendung links sowie leichte belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des linken Ellenbogens verblieben.
Nachdem der beratende Arzt der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gaststätten (Rechtsvorgängerin der Beklagten, im Folgenden: BG) zum Ergebnis gekommen war, Histologie und Unfallhergang sprächen gegen einen ursächlichen Zusammenhang, lehnte die BG eine Entschädigung für das Ereignis vom 11. August 2007 mit Bescheid vom 10. Dezember 2007 ab. Der eingetretene Gesundheitsschaden sei nicht rechtlich wesentlich auf das äußere Ereignis zurückzuführen.
Zur Begründung seines hiergegen am 10. Januar 2008 eingelegten Widerspruchs berief sich der Kläger auf eine Stellungnahme des Chirurgen J. (vom 12. Februar 2008), wonach der Unfallhergang in der Lage gewesen sei, eine sonst intakte Sehne am knöchernen Ansatz ausreißen zu lassen. Der Chirurg Prof. Dr. L. vertrat in seinem von der BG eingeholten Zusammenhangsgutachten vom 1. Juli 2008 die Auffassung, es habe eine gezielte willentliche Kraftaufwendung vorgelegen, so dass ein Unfallmechanismus gefehlt habe, der in der Lage gewesen wäre, eine Verletzung der unbeschädigten Sehne herbeizuführen. Aus den histologisch festgestellten schwersten degenerativen Veränderungen lasse sich schließen, dass der Sehnenriss in absehbarer Zeit auch ohne das Ereignis vom 11. August 2007 unter den Bedingungen des alltäglichen Lebens zu erwarten gewesen wäre. Unter Bezugnahme hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2008 zurück.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21. November 2008 Klage erhoben, die am 25. November 2008 beim Sozialgericht (SG) Lüneburg eingegangen ist. Zur Begründung der Klage hat er die Auffassung vertreten, die vorliegenden Verletzungen und zurückgebliebenen Beeinträchtigungen seien allein auf den Vorfall vom 11. August 2007 zurückzuführen. Bei der Verladetätigkeit habe eine erhebliche Kraft auf seinen linken Arm eingewirkt, so dass auch bei einer gesunden Sehne ein Riss nicht auszuschließen gewesen sei. Die bereits vorhandene degenerative Veränderung der Sehne habe aus einem Bereich gestammt, der in der Kontinuität nicht durchtrennt gewesen sei.
Das SG hat ein Gutachten des Chirurgen Dr. M. vom 26. September 2009 eingeholt. Dieser ist im Wesentlichen zum Ergebnis gekommen, dass das Ereignis vom 11. August 2007 nicht mit Wahrscheinlichkeit für die Ruptur des Sehnenansatzes verantwortlich gewesen sei. Zur Verletzung sei es infolge der degenerativen Umbauveränderung und der zusätzlichen willentlichen Krafteinleitung bei Muskelspannung und Überlastung der vorgeschädigten Sehne gekommen.
Mit Urteil vom 5. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. M. ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass eine unfallbedingte Kausalität für die erlittene Bizepssehnenruptur nicht vorliege. Bereits der Unfallhergang sei nicht geeignet gewesen, eine Ruptur der Bizepssehne hervorzurufen; aus ihm sei ein überraschend von außen einwirkendes Ereignis nicht herzuleiten. Dagegen sei eine innere Ursache feststellbar, nämlich die hochgradig degenerativen Veränderungen mit Kalkeinlagerungen, die in dem bei der Operation gewonnenen Probematerial vorgefunden worden seien.
Gegen das ihm am 24. November 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Dezember 2009 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG sei der streitbefangene Vorfall mit einem Überraschungsmoment verbunden gewesen, weil er nicht damit gerechnet habe, dass eine so große Kraftanstrengung erforderlich gewesen sei, um den Sonnenschirm vom Grill zu lösen. Für die Ruptur sei der zu kurze Hebelarm und die fehlerhafte Einschätzung der aufzubringenden Kraft ursächlich gewesen. Der Beantwortung der Frage, welche der in Betracht kommenden Ursachen wesentlich gewesen sei, sei das erstinstanzliche Gericht ausgewichen, indem es auf eine "vollkommen kontrollierte Hebesituation" abgestellt habe. Wesentlich habe sich die besondere Hebelkraft des Schirmständers ausgewirkt.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 5. November 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2008 aufzuheben,
2. festzustellen, dass der Vorfall vom 11. August 2007 ein Arbeitsunfall gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beim Aufladen des Sonnenschirms habe der Kläger einen aktiven Halte- und Druckvorgang ausgeübt, so dass kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis erkennbar sei, wie es für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls erforderlich wäre. Gegen den unfallbedingten Riss der Sehne sprächen neben deutlichen degenerativen Veränderungen des Sehnengewebes auch hochgradige Veränderungen und Kalkeinlagerungen im Sinne einer Tendinosis calcarea.
Der Senat hat ein unfallchirurgisches Gutachten von Prof. Dr. N. vom 7. März 2011 eingeholt. Dieser ist zum Ergebnis gekommen, dass der Hergang vom 11. August 2007 geeignet gewesen sei, auch bei einem nicht vorgeschädigten Arm Gesundheitsstörungen der hier vorliegenden Art zu verursachen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Die als Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 iVm § 55 Abs 1 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Der Bescheid vom 10. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG war der Vorfall vom 11. August 2007 ein Arbeitsunfall.
Gemäß § 8 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach§§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach der zum Begriff des Arbeitsunfalls ergangenen ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; SozR 4-2700 § 8 Nr 17; SozR 4-2700 § 8 Nr 30 und Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 23/09 R - juris) ist für einen Arbeitsunfall im Regelfall erforderlich, dass ein Unfallereignis vorliegt (im Folgenden: 1.), dass (2.) die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang) und diese Verrichtung zu dem Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass (3.) das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).
1. Ein Unfall ist gemäß § 8 Abs 1 S 2 SGB VII ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Nach dieser Legaldefinition hat am 11. August 2007 ein Unfallereignis stattgefunden.
Der Senat sieht die im Berufungsverfahren vorgelegte Schilderung des Vorfalls vom 11. August 2007 als glaubhaft an, wonach das Vorderende des 25 kg schweren Schirms beim Hineinschieben in den LKW gegen einen Grill geschlagen und dabei zurückgefedert ist. Eine derart detaillierte Beschreibung ist zwar zeitnah nach dem 11. August 2007 nicht abgegeben worden. Die Vagheit der Angaben im Durchgangsarztbericht vom 13. August 2007 ("beim Beladen eines großen Sonnenschirms ") bzw in der Unfallanzeige vom 3. September 2007, ergänzt am 18. September 2007 ("beim Verladen eines Sonnenschirms in einen PKW-Anhänger ", Schirm musste "in Position gebracht werden ") zeigt aber, dass dem Kläger die Erforderlichkeit einer möglichst exakten Schilderung des Vorfalls nicht bewusst war. In der Widerspruchsbegründung (Angaben des behandelnden Arztes H. vom 12. Februar 2008) hat er aber bereits darauf hingewiesen, dass sich der Schirm "unerwartet verhakte". Die genauere Darlegung des Vorfalls im Schriftsatz vom 16. September 2010 führt diese Angaben weiter, illustriert sie mit Abbildungen vom Anhänger, dem Schirm und dem Grill und ergibt das Gesamtbild eines gut nachvollziehbaren Ablaufs der Ereignisse. Die Beklagte, die selbst eine eingehendere Befragung des Klägers im Widerspruchsverfahren nicht vorgenommen hat, ist dem im Übrigen auch nicht mit substantiierten Einwendungen entgegengetreten.
Das Unfallereignis hat demnach darin bestanden, dass das Gewicht des Sonnenschirms und zusätzlich der im Gasgrill liegende Widerstand auf den linken Arm des Klägers eingewirkt hat. Dieses Ereignis war auch zeitlich begrenzt, was bereits dann zu bejahen ist, wenn der entsprechende Vorgang längstens eine Arbeitsschicht andauert (BSGE 15, 41, 45 [BSG 25.08.1961 - 2 RU 106/59]; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: Juni 2011, § 8 SGB VII Rdnr. 11.3).
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG steht der Annahme eines Unfallereignisses nicht entgegen, dass der Kläger beim Einladen des Sonnenschirms eine willentliche Kraftanstrengung erbracht bzw ein von ihm gesteuertes Geschehen vorgelegen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG soll zwar dem Unfallbegriff immanent sein, dass die Einwirkung unfreiwillig ist (BSGE 61, 113, 115 [BSG 18.12.1986 - 4a RJ 9/86]; aA zB Ziegler in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 2. Aufl, § 8 Rn 157). Dieses Merkmal ist aber auch erfüllt, wenn das Handeln selbst gewollt war, sofern nur die Einwirkung ungewollt war (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 15; Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 8/06 R - juris). Dies ist hier anzunehmen, weil eine derart massive Krafteinwirkung auf den linken Arm vom Kläger nicht als Folge seiner Hebe- und Stützhaltung links mit begleitendem Steuern rechts vorausgesehen worden ist. Dies gilt um so mehr, wenn man zusätzlich den unvorhergesehenen Widerstand des schweren, zusätzlich mit einer gusseisernen Pfanne belasteten Gasgrills mit einbezieht.
2. Die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses - Verladen des Sonnenschirms - hat zu seiner Tätigkeit als Unternehmer in der Gastronomie gehört. Als solcher war er gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 43 Abs 1 Nr 1 der Satzung der BG (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) gesetzlich unfallversichert. Das - versicherte - Verladen des Sonnenschirms hat auch zu dem oa Unfallereignis geführt. Über diese Punkte besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
3. Schließlich liegen auch ein Erstschaden - der distale Bizepssehnenausriss links - und die (haftungsbegründende) Kausalität zwischen dieser Verletzung und dem Unfallereignis vor.
Die Kausalität ist dabei in zwei Stufen zu untersuchen (zum Folgenden vgl beispielhaft BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Zunächst ist nach der sogenannten Bedingungstheorie zu untersuchen, ob das Unfallereignis für den Schaden ursächlich im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne war, was für jedes Ereignis zu bejahen ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Dies muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen; die bloße Möglichkeit genügt nicht. Ist dies zu bejahen, liegen aber neben dem Unfallereignis andere Mitursachen für den Eintritt des Schadens vor - insbesondere: Vorerkrankungen oder schicksalhafte Schadensanlagen -, muss in einem zweiten Schritt wertend entschieden werden, ob das Unfallereignis die wesentliche Ursache für den Schadenseintritt gewesen ist (Theorie der wesentlichen Bedingung), was zu bejahen ist, wenn es wegen seiner besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat.
a) Die beim Aufladen des Sonnenschirms und dem Anstoßen des Schirms an den Gasgrill aufgetretene Krafteinwirkung auf den linken Arm des Klägers hat den Bizepssehnenriss im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne (mit)verursacht. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Sachverständigengutachten von Prof. Dr. N ... Die im Verwaltungsverfahren und in der ersten Instanz eingeholten Gutachten sind für die Klärung dieser Frage nicht verwertbar, weil die Sachverständigen sie mit begrifflichen Voraussetzungen des Unfallereignisses - "willentliche" Bewegung - und Gesichtspunkten vermengen, die erst bei der Wertentscheidung über die Wesentlichkeit der Ursache zum Tragen kommen. Ungeachtet seines nicht nachvollziehbaren Ergebnisses, das Ereignis vom 11. August 2007 sei noch nicht einmal eine Mitursache für die Sehnenruptur, bestätigt immerhin auch Dr. M. auf S 5 seines Gutachtens vom 26. September 2009, dass bei einem Vorgang der hier vorliegenden Art eine so erhebliche Kraft auf die Bizepssehne ausgeübt wird, dass der Übergangsbereich zwischen Muskel und Sehne überlastet wird und im eigentlichen Sehnengewebe zerreißt.
b) Als weitere Mitursache für die Sehnenverletzung sind - auch nach dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. N. - die ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Bizepssehne anzusehen, die vom Pathologen Dr. K. festgestellt worden sind. Aus rechtlichen Gründen kommt aber dem Unfallereignis demgegenüber eine so schwerwiegende Bedeutung zu, dass dieses als wesentliche Ursache angesehen werden muss.
Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist für die Feststellung der wesentlichen Ursache zwar im Grundsatz darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG SozR 2200 § 589 Nr 10; SozR 4-2700 § 8 Nr 15). Dies könnte auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. M. zu bejahen sein, der angenommen hat, dass auch unter alltäglichen Belastungen zeitnah eine entsprechende Gesundheitsstörung eingetreten wäre, weil die degenerativen Veränderungen soweit fortgeschritten gewesen seien, dass eine sogenannte rissbereite Sehne vorlag.
Diese Sichtweise berücksichtigt für den vorliegenden Fall jedoch nicht in ausreichender Weise die Schwere des Unfallereignisses (zur Bedeutung von Art und Ausmaß der unfallbedingten Einwirkung: BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17; SozR 4-2700 § 9 Nr 9). Denn ein Ereignis, das seiner Schwere nach geeignet gewesen wäre, sogar einen gesunden, nicht vorgeschädigten Körper in der konkret eingetretenen Weise zu schädigen, muss auch dann als wesentliche Mitursache angesehen werden, wenn eine erhebliche degenerative Schadensanlage vorgelegen hat (Fischer, BG 1977, 601 f; Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: April 2011, § 8 SGB VII, Rn 28; Ziegler aaO., § 8 Rdnr. 191). Anderenfalls läge bei gleichen Unfallereignissen eine Schlechterstellung von Versicherten, die (etwa wegen ihres fortgeschritteneren Alters) schicksalhafte Schadensanlagen aufweisen, gegenüber gesunden Versicherten vor. Dies widerspräche nicht nur dem Gleichbehandlungsgebot (Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG)), sondern auch dem Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, sozialen Schutz vor Gesundheitsgefahren des Arbeitslebens zu gewähren; dieser Schutz kommt jedem Versicherten zu, unabhängig von dem Gesundheitszustand, in dem er sich bei der versicherten Tätigkeit befindet (vgl nur Fischer aaO., S 603).
Das Ereignis vom 11. August 2007 war geeignet, auch eine nicht vorgeschädigte Bizepssehne zum Abreißen zu bringen. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. N. überzeugend dargelegt. Nach seinen Ausführungen war der linke Bizepsmuskel des Klägers beim Halten bzw Tragen des Sonnenschirmes mit der linken Hand bereits angespannt, als infolge des Anschlagens des Schirms an den Gasgrill plötzlich eine weitere Kraft auf die Muskulatur einwirkte. Dies steht mit den angeführten glaubhaften Angaben des Klägers vom Unfallhergang in Übereinstimmung. Sein Ergebnis, dass dieser Vorgang auch eine gesunde Bizepssehne hätte zum Reißen bringen können, hat der Sachverständige unter Hinweis auf unfallmedizinisches Schrifttum begründet. Im Einklang hiermit ist zB bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl, S 408) eine plötzliche, auf die vorgespannte Muskulatur einwirkende Kraft als geeigneter Unfallmechanismus für den Riss der kurzen körperfernen Bizepssehne angeführt.
Die auf die Gutachten von Prof. Dr. L. und Dr. M. gestützten Einwände der Beklagten überzeugen demgegenüber nicht. Wenn sie unter Bezugnahme auf Dr. M. darauf hinweist, der linke Arm sei nur unterstützend als "Hypomochlion" eingesetzt worden, übersieht sie, dass Dr. M. auf S 5 seines Gutachtens selbst dargelegt hatte, dass eine erhebliche Kraft auf die Bizepssehne des hebelnden Armes ausgeübt worden sei. Im Übrigen haben weder Prof. Dr. L. noch Dr. M. gewürdigt, dass infolge des Anschlagens des Schirmes an den schweren Gasgrill eine weitere Krafteinwirkung auf den vorbelasteten linken Arm eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.