Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.11.2010, Az.: 10 UF 222/10

Maßgebliches Recht für die Durchführung des Versorgungsausgleichs inÜbergangsfällen; Rechtsfolgen faktischen Nichtbetreibens des Verfahrens durch eine Partei

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.11.2010
Aktenzeichen
10 UF 222/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 27534
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:1110.10UF222.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 10.08.2010 - AZ: 609 F 5530/04

Fundstellen

  • FamFR 2011, 17
  • FamRZ 2011, 587-588
  • FuR 2011, 111-112
  • MDR 2011, 607-608

Amtlicher Leitsatz

Ein lediglich faktisches Nichtbetreiben des Verfahrens reicht nicht aus, um einen Wechsel des anzuwendenden materiellen und Verfahrensrechts gemäß Art. 111 Abs. 3 FGGRG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG herbeizuführen. Insofern ist vielmehr eine förmliche Anordnung der Aussetzung (etwa gemäß §§ 246 oder 614 ZPO, § 53c FGG, § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG oder § 52 Abs. 2 FamFG) oder des Ruhens des Verfahrens gemäß §§ 251, 251a ZPO erforderlich.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich im Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 10. August 2010 (II. des Urteilstenors) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.

Beschwerdewert: 2.000 €.

Entscheidungsgründe

1

I. Die Parteien sind Eheleute. Innerhalb der hier vom 1. August 1970 bis zum 30. November 2004 dauernden Ehezeit erwarb die Antragstellerin Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 108,26 €, der Antragsgegner ebensolche in Höhe von monatlich 55,89 € sowie darüber hinaus Anwartschaften auf berufsständische Versorgung bei der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen in Höhe von monatlich 209,22 €.

2

Mit Urteil vom 10. August 2010, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass es zu Lasten der berufsständischen Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners in Entgeltpunkte umzurechnende Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 78,43 € auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung begründete.

3

Gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich richtet sich die form und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragsgegners, mit der er sich (allein) dagegen wendet, dass zum Ausgleich seine Anwartschaften aus der berufsständischen Versorgung anstelle seiner Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung herangezogen wurden.

4

II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.

5

1. Für das vorliegende Versorgungsausgleichsverfahren ist angesichts des Umstandes, dass das Scheidungsverbundverfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurde und die erstinstanzliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch vor dem 1. September 2010 erging, weiterhin das bis dahin geltende Verfahrens und materielle Recht anzuwenden (Art. 111 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5, 112 Abs. 1 FGGRG, § 48 Abs. 1 und 3 VersAusglG). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das gesamte, seit 2004 anhängige Verbundverfahren nach dem auf Antrag der Antragstellerin aufgehobenen Verhandlungstermin vom 30. November 2007 bis Juni 2010 wegen schwebender Einigungsbemühungen um eine außergerichtliche Einigung bezüglich weiterer Scheidungsfolgen nicht betrieben wurde.

6

Ein derartiges lediglich faktisches Nichtbetreiben reicht indes nicht aus, um einen Wechsel des anzuwendenden materiellen und Verfahrensrechts gemäß Art. 111 Abs. 3 FGGRG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG herbeizuführen. vielmehr ist danach eine förmliche Anordnung der Aussetzung (etwa gemäß §§ 246 oder 614 ZPO, § 53c FGG, § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG oder § 52 Abs. 2 FamFG) oder des Ruhens des Verfahrens gemäß §§ 251, 251a ZPO erforderlich. Daran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch.

7

Soweit diesbezüglich vertreten wird, bereits ein bloßes Nichtbetreiben des Verfahrens über einen Zeitraum von sechs Monaten entsprechend § 7 Abs. 3 AktO führe zu einem Wechsel des anzuwendenden materiellen und Verfahrensrechts (KeidelEngelhardt, FamFG, Art. 111 FGGRG Rn. 6f.), kann dem nicht gefolgt werden. Die dieser Auffassung ersichtlich zugrundeliegende Fassung des Versorgungsausgleichsstrukturreformgesetzes (VAStrRefG) in Gestalt des Regierungsentwurfs (BTDrucks. 16/10144, S. 16, 86) hat im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens entscheidende Änderungen dahingehend erfahren, dass nunmehr sowohl in Art. 111 Abs. 3 FGGRG als auch in § 48 Abs. 2 VersAusglG für einen Wechsel des anzuwendenden Rechts im Interesse der Rechtsklarheit verlangt wird, dass das Verfahren vor seiner Wiederaufnahme durch eine formelle gerichtliche Entscheidung ausgesetzt oder zum Ruhen gebracht wurde (vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks. 16/10144, S. 127, und im Anschluss daran die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BTDrucks. 16/11903, S. 23, 57, 61f.). In dieser letzteren, engeren Fassung sind die Änderungen des FGGFG und desVersAusglG in Kraft getreten.

8

2. Nach dem danach maßgeblichen bisherigen Versorgungsausgleichsrecht hat das Amtsgericht den Wertausgleich zu Recht im Wege des analogen QuasiSplitting gemäß §§ 1 Abs. 3 VAHRG, 1587b Abs. 2 BGB zu Lasten der Anwartschaften des Antragsgegners auf berufsständische Versorgung bei der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen durchgeführt. Für einen Ausgleich im Wege der Übertragung von in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anwartschaften des Antragsgegners nach § 1587b Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 76, 125ff. SGB VI (Splitting) liegen die gesetzlichen Voraussetzungen hier nicht vor.

9

Eine Durchführung des Versorgungsausgleichs im Wege des Rentensplittings setzt gemäß § 1587b Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass die vom insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung die vom ausgleichsberechtigten Ehegatten in der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung und gegebenenfalls zusätzlich in der Beamtenversorgung erworbenen Anwartschaften übersteigen. Ist dies wie hier - nicht der Fall, ist ausschließlich ein (analoges) QuasiSplitting zu Lasten derübrigen Anwartschaften des ausgleichspflichtigen Ehegatten durchzuführen (BGH FamRZ 1986, 250. 2006, 541. PalandtBrudermüller,BGB68, § 1587b Rn. 13. Wick, Der Versorgungsausgleich2, Rn. 193, 203, 213). Es findet dann auch nicht teilweise ein Rentensplitting und ergänzend das QuasiSplitting statt (BGH FamRZ 2006, 471, Tz. 8. RGRKWick, BGB12, § 1587b Rn. 14. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht4, § 1587b Rn. 159).

10

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 49 Nr. 3 GKG, 97 Abs. 1 ZPO.