Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.11.2010, Az.: 10 UF 219/10
Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hinsichtlich einer Betriebsrente
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.11.2010
- Aktenzeichen
- 10 UF 219/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 30863
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:1122.10UF219.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 04.08.2010 - AZ: 620 F 6804/09
Rechtsgrundlagen
- § 18 VersAusglG
- § 20 VersAusglG
Fundstellen
- FamFR 2011, 110
- FamRZ 2011, 728-731
- NJW 2011, 1743-1745
Amtlicher Leitsatz
1. Ist im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Teilausgleichs nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG ein Anrecht des ausgleichsberechtigten Ehegatten verrechnet worden, so ist bei einem späteren schuldrechtlichen Restausgleich auch die schuldrechtliche Ausgleichsrente nach § 20 VersAusglG unter Berücksichtigung der Rente zu berechnen, die der Ausgleichsberechtigte aus dem seinerzeit verrechneten Anrecht bezieht.
2. Die schuldrechtliche Ausgleichsrente ist mit ihrem um den öffentlich-rechtlichen Teilausgleichsbetrag gekürzten Wert, aber vor Abzug der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge an der Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG zu messen.
3. Bezugszeitpunkt für den Vergleich des Ausgleichswerts mit der Bagatellgrenze ist bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung die Fälligkeit der Ausgleichsrente.
Tenor:
Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 4. August 2010 geändert und wie folgt gefasst:
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin von Januar bis Juni 2010 eine schuldrechtliche Ausgleichsrente von monatlich 364,75 € und ab Juli 2010 eine schuldrechtliche Ausgleichsrente von monatlich 364,37 € zu zahlen. Rückständige Beträge sind sofort fällig, künftige Beträge monatlich im Voraus.
Der Antragsgegner hat seine Versorgungsansprüche gegenüber der A. L. D. GmbH, die für die Zeit ab Rechtskraft dieser Entscheidung fällig werden, in Höhe der zu zahlenden Ausgleichsrente an die Antragstellerin abzutreten.
Die Gerichtskosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Beschwerdewert: 2.400 €. Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens wird in Änderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 17. August 2010 ebenfalls auf 2.400 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten schlossen am 29. Juni 1970 miteinander die Ehe und wurden auf den am 10. Mai 2003 zugestellten Antrag der Ehefrau durch Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 6. November 2003 (berichtigt mit Beschluss vom 20. November 2003) - sofort rechtskräftig - geschieden. Zusammen mit der Scheidung wurde der öffentlichrechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt. In Höhe der hälftigen Differenz zwischen den beiderseits erworbenen Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung wurden gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 268,88€, bezogen auf den 30. April 2003 als Ende der Ehezeit, vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen. Ferner wurden zum Ausgleich der beiderseitigen Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung - der Ehefrau bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), des Ehemannes bei der Firma A. L. D. GmbH - weitere gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 47,60€, ebenfalls bezogen auf den 30. April 2003, vom Ehemann auf die Ehefrau übertragen. Das Amtsgericht hatte zwar eine hälftige Differenz von monatlich 219,27 € zwischen den - jeweils gemäß § 1587 a Abs. 3 BGB a.F. dynamisierten - betrieblichen Anwartschaften ermittelt, den öffentlichrechtlichen Ausgleich nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG a.F. aber auf den nach dieser Vorschrift maßgeblichen Höchstbetrag beschränkt. Wegen des den Höchstbetrag überschreitenden Ausgleichsanspruchs wurde die Ehefrau auf einen späteren schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen.
Mit einem am 18. Dezember 2009 beim Amtsgericht eingegangenen und dem Ehemann im Januar 2010 zugegangenen Schriftsatz hat die Ehefrau ergänzende schuldrechtliche Ausgleichsansprüche im Hinblick auf die vom Ehemann seit dem 1. Mai 2008 von der A. L. D. GmbH bezogene Betriebsrente geltend gemacht. Der Ehemann hat die Auffassung vertreten, der Ehefrau stünden keine Ausgleichsansprüche mehr zu, weil die Eheleute am 5. November 2003 einen notariellen Vertrag geschlossen hätten, in dem sie unter IV § 2 übereinstimmend erklärt hätten, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt seien. Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2010 hat die Ehefrau ferner zum Ausdruck gebracht, sie wolle erreichen, dass der Versorgungsträger den ihr zustehenden Anteil an der Betriebsrente des Ehemannes direkt an sie überweise.
Das Amtsgericht hat (formularmäßig) eine Auskunft der A. L. D. GmbH über das vom Ehemann bei diesem früheren Arbeitgeber erworbene betriebliche Anrecht eingeholt und mit dem angefochtenen Beschluss "im Wege der internen Teilung" zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei dem genannten Betrieb zugunsten der Ehefrau "ein Anrecht in Höhe von 48.047,45 €" übertragen. Damit hat es offensichtlich lediglich eine Teilentscheidung treffen wollen. Wie sich aus den Gründen ergibt, war das Amtsgericht der Auffassung, dass der Ehefrau noch eine Beteiligung an der vom Ehemann in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zur Übertragung des Anrechts auf die Ehefrau bezogenen Betriebsrente zustehen würde, über die erst nach Einholung einer weiteren Auskunft des Versorgungsträgers würde entschieden werden können.
Dagegen richten sich die Beschwerden beider Beteiligten. Die Ehefrau ist der Auffassung, ihr stehe ein höherer Ausgleichsanspruch zu, wobei "im Gegenzug" die im Scheidungsurteil erfolgte Übertragung von gesetzlichen Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 47,60 € rückgängig zu machen sei. Der Ehemann meint, der schuldrechtliche Ausgleich sei vertraglich ausgeschlossen. Außerdem sei eine interne Teilung grundsätzlich im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht möglich.
II. Da das vorliegende Verfahren (durch den Antrag der Ehefrau vom 14. Dezember 2009) nach dem 31. August 2009 eingeleitet worden ist, finden das neue materielle Recht des Versorgungsausgleichs (Art. 23 Satz 1 VAStrRefG) und das neue Familienverfahrensrecht (Art. 112 Abs. 1 FGGRG) Anwendung. Die Beschwerden sind gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere form und fristgerecht eingelegt worden.
III. Beide Rechtsmittel sind insoweit begründet, als sie sich gegen die vom Amtsgericht gewählte Ausgleichsform der internen Teilung wenden, die nur beim Wertausgleich nach der Scheidung in Betracht kommt und die beteiligten Ehegatten zudem mit dem Abzug von Teilungskosten belasten würde. Die Beschwerden führen zu einer grundlegenden Änderung der angefochtenen Entscheidung, mit der das Verfahren zudem insgesamt erledigt werden kann. Das Rechtsmittel des Ehemannes ist unbegründet, soweit er sich gegen einen schuldrechtlichen Restausgleich überhaupt wendet.
1. Die Ehefrau hat mit ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz unzweifelhaft (ergänzende) schuldrechtliche Ausgleichsansprüche hinsichtlich des vom Ehemann erworbenen Anrechts aus betrieblicher Altersversorgung bei seinem früheren Arbeitgeber, der A. L. D. GmbH, geltend gemacht. Hierüber hat das Amtsgericht sachlich nicht entschieden. Es hat das betriebliche Anrecht vielmehr gemäß § 10 VersAusglG intern geteilt. Die interne Teilung ist indessen eine Form des - vom schuldrechtlichen Ausgleich grundlegend verschiedenen - Wertausgleichs bei der Scheidung. Das Gericht ist nicht befugt, abweichend von einem auf Durchführung des schuldrechtlichen Ausgleichs gerichteten Antrag einen öffentlichrechtlichen Wertausgleich vorzunehmen. Ein nach früherer Rechtslage rechtskräftig durchgeführter Wertausgleich kann nur in einem Abänderungsverfahren nach den §§ 51, 52 VersAusglG ergänzt oder abgeändert werden. Den dafür erforderlichen Verfahrensantrag (§ 51 Abs. 1 VersAusglG) hat die Ehefrau jedoch nicht gestellt. Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass die Abänderungsvoraussetzungen nach § 51 Abs. 1 und 2 VersAusglG erfüllt wären. Eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 VersAusglG (im Hinblick auf die im Scheidungsurteil erfolgte Umwertung des Anrechts) scheidet sogar ersichtlich aus, weil das betriebliche Anrecht des Ehemannes gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG a.F. teilweise öffentlichrechtlich ausgeglichen worden ist (§ 51 Abs. 4 VersAusglG).
Das Amtsgericht hat darüber hinaus unbeachtet gelassen, dass in die bei der Scheidung getroffene Entscheidung nicht nur das Anrecht des Ehemannes bei der A. L. D. GmbH, sondern - im Wege der Verrechnung - auch das Anrecht der Ehefrau bei der VBL einbezogen worden war.
Die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung ist daher aufgrund der Rechtsmittel beider Ehegatten zu ändern.
2. Aufgrund des von der Ehefrau gestellten Verfahrensantrags (§ 223 FamFG) ist ein ergänzender schuldrechtlicher Ausgleich des vom Ehemann erworbenen Anrechts auf Betriebsrente vorzunehmen.
a) Der Einwand des Ehemannes, ein schuldrechtlicher Restausgleich sei aufgrund der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 5. November 2003 ausgeschlossen, greift nicht durch. Denn in Abschnitt II § 4 dieses Vertrages, der noch vor dem Ausspruch der Scheidung abgeschlossen worden ist, haben die beteiligten Eheleute ausdrücklich festgehalten, dass der Versorgungsausgleich im anhängigen Scheidungsverfahren durchgeführt und eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich gerade nicht geschlossen werden sollte. Irgendeine Differenzierung zwischen öffentlichrechtlichem und schuldrechtlichem Versorgungsausgleich haben die Beteiligten nicht vorgenommen. Sie wussten auch bei Abschluss des Vertrages noch nicht, inwieweit das Amtsgericht einen öffentlichrechtlichen Ausgleich durchführen und inwieweit es einen schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten würde. Das Anrecht des Ehemannes aus betrieblicher Altersversorgung hätte neben dem Teilausgleich nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG auch weiter gehend noch durch eine Beitragszahlungsanordnung nach § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG in öffentlichrechtlicher Form ausgeglichen werden können. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Ehegatten trotz der einschränkungslosen Regelung unter II § 4 des Ehevertrages einen Verzicht auf einen Teil des der Ehefrau zustehenden Ausgleichs der Betriebsrente hätten vereinbaren wollen. Sie ergeben sich auch nicht aus der im Abschnitt IV des Vertrages unter "Sonstige Vereinbarungen" enthaltenen pauschalen Feststellung, dass mit Abschluss dieses Vertrages sämtliche wechselseitigen Ansprüche erledigt sein sollten. Im Übrigen hätte ein Verzicht auf einen Restausgleich (ggf. auch in Form der Beitragszahlung nach § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG) wohl auch der gerichtlichen Genehmigung nach § 1587 o Abs. 2 BGB a.F. bedurft, die laut Protokoll vom 6. November 2003 weder beantragt noch erteilt worden ist.
b) Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG kann die ausgleichsberechtigte Person, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die Fälligkeit eingetreten ist, von der ausgleichspflichtigen Person eine schuldrechtliche Ausgleichsrente verlangen, auf die der bereits durchgeführte öffentlichrechtliche Teilausgleich nach Maßgabe des § 53 VersAusglG anzurechnen ist.
aa) Die Fälligkeitsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 und 2 VersAusglG liegen vor. Der Ehemann bezieht die dem Versorgungsausgleich unterliegende Betriebsrente der Firma A. L. D. GmbH seit dem 1. Mai 2008. Der Ehefrau ist durch den vorgelegten Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 7. April 2010 rückwirkend ab November 2008 eine Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt worden. Außerdem hat sie seit November 2008 auch einen Anspruch auf Versorgungsleistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gegenüber der VBL.
bb) Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG hat die Ehefrau Anspruch auf eine schuldrechtliche Ausgleichsrente in Höhe des Ausgleichswerts der vom Ehemann bezogenen Betriebsrente. Der Ausgleichswert entspricht der Hälfte des auf die Ehezeit entfallenden Teils des Anrechts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG).
Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der A. L. D. GmbH beträgt die vom Ehemann bezogene Betriebsrente monatlich brutto 1.072,84€. Da die Versorgung auf einer Betriebszugehörigkeit vom 1. April 1987 bis zum 31. August 2000 beruht und damit in vollem Umfang in der Ehezeit (1. Juni 1970 bis 30. April 2003, § 3 Abs. 1 VersAusglG) erworben worden ist, steht der Ehefrau grundsätzlich die Hälfte dieser Betriebsrente zu.
cc) Bei Durchführung des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs ist indes mit dem betrieblichen Anrecht des Ehemannes das Anrecht der Ehefrau aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes verrechnet worden. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Anrecht der Ehefrau auch in den schuldrechtlichen Restausgleich einzubeziehen ist. Nach Auffassung des Senats ist diese Frage zu bejahen.
Nach früherem Recht waren bei der Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs Anrechte beider Ehegatten, die dieser Ausgleichsform unterlagen, miteinander zu verrechnen. eine schuldrechtliche Ausgleichsrente schuldete nur der Ehegatte, dessen auszugleichende Versorgung die des anderen Ehegatten überstieg, und zwar in Höhe der Hälfte des übersteigenden Betrages (§ 1587 g Abs. 1 S. 1 BGB a.F.). Auch Anrechte, die nur teilweise öffentlichrechtlich ausgeglichen worden waren, konnten im Rahmen des schuldrechtlichen Restausgleichs saldiert werden, wenn im konkreten Fall kein öffentlichrechtlicher Ausgleich stattfinden konnte (RGRK/Wick BGB 12. Aufl. § 1587 g Rn. 3, 14. Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl. § 1587 g Rn. 26. vgl. auch BGH FamRZ 1995, 157. 1999, 218).
§ 20 Abs. 1 VersAusglG sieht demgegenüber keine Verrechnung von wechselseitig bestehenden schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen beider Ehegatten mehr vor. Die Gesetzesbegründung gibt dafür keine Erklärung. Sie führt nur aus, die Norm passe den Inhalt der bisherigen §§ 1587 f, 1587 g BGB dem neuen Ausgleichssystem an (BTDrucks. 16/10144 S. 63). In der Literatur wird aus dem in § 1 VersAusglG zum Ausdruck kommenden Systemwechsel vom Gesamtausgleich zur isolierten Teilung jedes Anrechts gefolgert, dass dies auch für den schuldrechtlichen Ausgleich gelte. deshalb finde auch bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung keine Saldierung mehr statt, vielmehr schulde jeder Ehegatte dem anderen eine schuldrechtliche Ausgleichsrente (Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 4. FAKommFamR/Wick 4. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 30. Bergner Kommentar zum reformierten Versorgungsausgleich § 20 Anm. 11.6).
Diese Schlussfolgerung ist indes nicht zwingend. Die in § 1 VersAusglG vorgeschriebene Halbteilung sämtlicher in der Ehezeit erworbenen Anrechte schließt eine Verrechnung wechselseitig bestehender schuldrechtlicher Ansprüche im Rahmen eines von einem Ehegatten eingeleiteten Verfahrens nicht aus. Im Wertausgleich bei der Scheidung soll allerdings eine Saldierung unterbleiben, weil Anrechte aus verschiedenen Versorgungssystemen regelmäßig nicht vergleichbar sind und es deshalb an einer zur Saldierung geeigneten gemeinsamen Bemessungsgrundlage fehlt. Soweit beide Ehegatten gleichartige Anrechte bei demselben Versorgungsträger oder bei verschiedenen Versorgungsträgern, zwischen denen eine Verrechnungsvereinbarung besteht, erworben haben, besteht jedoch gemäß § 10 Abs. 2 VersAusglG die Möglichkeit, beim Vollzug des Wertausgleichs eine Verrechnung vorzunehmen. Auch im Rahmen der Bagatellprüfung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG sind die Ausgleichswerte gleichartiger Anrechte zu saldieren. Daraus folgern Borth (Versorgungsausgleich 5. Aufl. Rn. 669) und Holzwarth (Johannsen/Henrich aaO. § 20 VersAusglG Rn. 23), dass schuldrechtliche Ausgleichsansprüche miteinander verrechnet werden könnten, wenn beide Ehegatten gleichartige Anrechte auszugleichen haben. In der Tat gibt es keinen überzeugenden Grund, die beim Wertausgleich - wenn auch erst durch die Versorgungsträger - vorgesehene Verrechnung gleichartiger Anrechte nicht auch auf den schuldrechtlichen Ausgleich zu erstrecken. Bei der Durchführung des schuldrechtlichen Ausgleichs dürften aber sogar sämtliche Ausgleichsansprüche als "gleichartig" anzusehen sein, ohne dass es darauf ankommt, in welchem Versorgungssystem das auszugleichende Anrecht erworben worden ist (in diesem Sinne offenbar auch Ruland Versorgungsausgleich Rn. 657, der § 18 Abs. 1 VersAusglG auf alle Fälle erstreckt, in denen die Ehegatten gegenseitig Ansprüche auf eine Ausgleichsrente geltend machen). Im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich sind die strukturellen Unterschiede der Versorgungssysteme nämlich ohne Belang und hindern eine Saldierung nicht. Denn die wechselseitigen Ansprüche der Ehegatten gründen sich jeweils auf die vom anderen Ehegatten tatsächlich bezogenen Versorgungsleistungen und richten sich auf eine dem Ehezeitanteil der Versorgung entsprechende Beteiligung daran während der Rentenlaufzeit. Die Ansprüche sind jeweils auf (Renten) Leistungen gerichtet, die ihrem Gegenstand nach gleichartig und damit grundsätzlich auch aufrechenbar sind (§ 387 BGB). Deshalb dürfte es nicht nur der Gewährleistung des Halbteilungsgrundsatzes dienen, sondern auch zweckmäßig und verfahrensökonomisch sein, bei Geltendmachung schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche durch einen Ehegatten bereits von Amts wegen eine Verrechnung mit entsprechenden Ansprüchen des anderen Ehegatten vorzunehmen, soweit diese bekannt sind.
Die Frage bedarf hier allerdings in ihrer Allgemeinheit keiner abschließenden Beantwortung. Denn im vorliegenden Fall besteht noch die Besonderheit, dass über einen schuldrechtlichen Restausgleich zu entscheiden ist und bereits im Rahmen des öffentlichrechtlichen Teilausgleichs nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, der nach Maßgabe des § 53 VersAusglG anzurechnen ist, ein Anrecht der ausgleichsberechtigten Ehefrau verrechnet worden ist. Bei dieser Konstellation beruhte schon der öffentlichrechtliche Teilausgleich nicht ausschließlich auf dem vom Ehemann auszugleichenden betrieblichen Anrecht, sondern auf der (hälftigen) Wertdifferenz zwischen den von beiden Ehegatten erworbenen betrieblichen Anrechten. Es wäre nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt, den erfolgten Teilausgleich nunmehr ausschließlich auf den Ausgleichswert des vom Ehemann erworbenen Anrechts anzurechnen und den Ehemann auf schuldrechtliche Ausgleichsansprüche hinsichtlich der gesamten Zusatzversorgungsrente der Ehefrau zu verweisen. Es müssen vielmehr auch im Rahmen des schuldrechtlichen Restausgleichs wiederum die Ehezeitanteile (bzw. die Ausgleichswerte) beider Anrechte miteinander verrechnet werden, und der öffentlichrechtliche Teilausgleich ist sodann von der sich ergebenden Differenz in Abzug zu bringen.
Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der VBL erhält die Ehefrau eine Betriebsrente, deren Ehezeitanteil seit Juli 2009 monatlich 92,72€ brutto betrug und sich ab Juli 2010 auf 93,65 € brutto erhöhte.
Nach Verrechnung des von der Ehefrau erworbenen Anrechts verbleibt ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch der Ehefrau von monatlich (1.072,84 € - 92,72 € = 980,12 € : 2 =) 490,06 € bis Juni 2010 und von monatlich (1.072,84 € - 93,65 € = 979,19 € : 2 =) 489,60 € ab Juli 2010.
dd) Auf die ermittelten Ausgleichsansprüche ist der bei der Scheidung durchgeführte öffentlichrechtliche Teilausgleich von seinerzeit monatlich 47,60 €, bei dem es sich ebenfalls um einen Bruttobetrag handelt, anzurechnen. Dieser Teilausgleichsbetrag ist jedoch zunächst nach Maßgabe des § 53 VersAusglG - im Verhältnis des seit 1. Juli 2009 geltenden aktuellen Rentenwerts der gesetzlichen Rentenversicherung zum aktuellen Rentenwert bei Ehezeitende - wie folgt zu aktualisieren:
47,60 € x 27,20 : 25,86 = 50,07 €.
Es verbleiben Ausgleichsansprüche der Ehefrau von monatlich 439,99 € bis Juni 2010 und von monatlich 439,53 € ab Juli 2010.
c) Gemäß § 20 Abs. 1 S. 3 VersAusglG findet § 18 VersAusglG im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entsprechende Anwendung. Das bedeutet, dass auch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung nicht bestehen, wenn der Ausgleichswert eines auszugleichenden Anrechts oder die Differenz zwischen den Ausgleichswerten gleichartiger Anrechte beider Ehegatten (i.S. des § 18 Abs. 3 VersAusglG) geringfügig sind.
Die gesetzlichen Bestimmungen beantworten allerdings nicht die Frage, auf welchen Stichtag der Vergleich des im konkreten Fall maßgebenden Ausgleichswerts (bzw. der Ausgleichswertdifferenz) und der Bagatellgrenze zu beziehen ist. Im Wertausgleich bei der Scheidung kommt es auf das Ende der Ehezeit als den nach § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG maßgebenden Bewertungsstichtag an. Im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich wäre eine Rückbeziehung auf das Ende der Ehezeit jedoch oft nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Deshalb ist es sachgerecht und steht im Übrigen auch mit der nach § 5 Abs. 4 S. 2 VersAusglG gebotenen Aktualisierung des ehezeitlichen Werts in Einklang, vom Ausgleichswert bei Fälligkeit der Ausgleichsrente auszugehen und die nach§ 18 Abs. 3 VersAusglG maßgebende Bagatellgrenze auf denselben Zeitpunkt zu beziehen (FAKommFamR/Wick aaO. § 20 VersAusglG Rn. 34). Die Fälligkeit ist am 1. Januar 2010 eingetreten (siehe unten e). Da sich schuldrechtliche Ausgleichsansprüche auf eine Rente richten, beträgt die Bagatellgrenze 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV, das sind bezogen den 1. Januar 2010 monatlich 25,55 €.
Mit dieser Bagatellgrenze zu vergleichen ist nach Auffassung des Senats der Rentenanspruch, der sich für die Ehefrau bei Fälligkeit der Ausgleichsrente nach Abzug des öffentlichrechtlichen Teilausgleichsbetrags ergab. Dieser Anspruch überstieg mit monatlich 439,99 € die Bagatellgrenze deutlich. Die nach § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG zu berücksichtigenden Sozialversicherungsbeiträge (siehe unten d) sind bei der Prüfung der Bagatellgrenze außer Betracht zu lassen. Denn es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn sich diese Prüfung im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht ebenso wie im Wertausgleich bei der Scheidung auf die Bruttorente bezöge (FAKommFamR/Wick aaO. § 20 VersAusglG Rn. 33). Im Ergebnis würde sich jedoch nichts ändern, wenn man den sich nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ergebenden Anspruch als Vergleichsgröße im Rahmen des § 18 VersAusglG für maßgeblich hielte.
d) Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG sind die auf den Ausgleichswert entfallenden Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen. Wie sich aus der vom Versorgungsträger vorgelegten Rentenabrechnung ergibt, entrichtet der Ehemann Krankenversicherungsbeiträge von 14,9 % und Pflegeversicherungsbeiträge von 2,2 % der Bruttorente. Insgesamt sind das Abzüge von 17,1 %. Die Ausgleichswerte verringern sich daher um (439,99 € x 17,1 % =) 75,24 € auf 364,75 € bis Juni 2010 und um (439,53 € x 17,1 % =) 75,16 € auf 364,37 € ab Juli 2010. Die steuerliche Belastung der Betriebsrente bleibt auch im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich außer Betracht (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2010, 1668, 1670. ebenso schon zum früheren Recht OLG Celle FamRZ 1993, 208, 211. OLG Stuttgart FamRZ 2006, 1610, 1611).
e) Gemäß § 20 Abs. 3 VersAusglG i.V. mit den §§ 1585 b Abs. 2, 1613 Abs. 1 BGB steht der Ehefrau die schuldrechtliche Ausgleichsrente ab dem Ersten des Monats zu, in dem ihre Antragsschrift dem Ehemann zugegangen ist, d.h. ab 1. Januar 2010. Die Ausgleichsrente ist monatlich im Voraus zu entrichten (§ 20 Abs. 3 VersAusglG i.V. mit § 1585 Abs. 1 Satz 2 BGB).
3. Das Schreiben der Ehefrau vom 24. Februar 2010 ist dahin auszulegen, dass sie auch die Abtretung der Versorgungsansprüche des Ehemannes gegen die Firma A. L. D. GmbH in Höhe der Ausgleichsrente verlangt. Auch dieser Anspruch ist gemäß § 21 Abs. 1 VersAusglG begründet. Allerdings kann die Abtretung nur für künftige Ansprüche verlangt werden (§ 21 Abs. 2 VersAusglG), so dass der Ausspruch zur Abtretung auf die ab Rechtskraft dieser Entscheidung fälligen Monatsbeträge beschränkt werden muss. Mit Rechtskraft der Entscheidung des Senats gilt die Abtretungserklärung des Ehemannes als erfolgt (§ 95 Abs. 1 Nr. 5 FamFG). Die A. L. D. GmbH ist sodann verpflichtet, die Betriebsrente in Höhe der titulierten Ausgleichsrente an die Ehefrau zu zahlen. Die seit Januar 2010 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung aufgelaufenen Rückstände kann die Ehefrau nur gegen den Ehemann selbst geltend machen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG. Sie umfasst auch die Kosten der ersten Instanz. Es entspricht der Billigkeit, die Gerichtskosten insgesamt dem Ehemann aufzuerlegen, weil der Antrag der Ehefrau auf Durchführung des schuldrechtlichen Restausgleichs begründet war. Zwar hat auch das Rechtsmittel des Ehemannes insoweit Erfolg, als er sich gegen die Ausgleichsform der internen Teilung gewandt hat. Wenn sich das Rechtsschutzziel auf die Ausgleichsform beschränkt hätte, hätte jedoch wegen fehlerhafter Sachbehandlung durch das Amtsgericht von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren abgesehen werden können. Über das Hauptanliegen des Ehemannes, einen ergänzenden Ausgleich der Betriebsrente vollständig zu verhindern, hätte der Senat dagegen auch im Falle eines Ausspruchs des Amtsgerichts zum schuldrechtlichen Ausgleich entscheiden müssen. Da dieser Angriff des Ehemannes erfolglos geblieben ist, entspricht es der Billigkeit, ihm auch die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Sie geht von einem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen beider Beteiligten von rund (3 x 2.000 € =) 6.000 € aus und berücksichtigt, dass zwei Anrechte verfahrensgegenständlich waren und bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20 % des Dreimonatseinkommens zugrunde zu legen sind. Danach ist der Mindestwert von 1.000 € (§ 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG) deutlich überschritten. Der Senat hat außerdem von der ihm nach § 55 Abs. 3 FamGKG zustehenden Befugnis Gebrauch gemacht, den Verfahrenswert für die erste Instanz zu ändern.