Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.02.2005, Az.: 16 K 105/03

Anwendung der Durchschnittsbesteuerung; Unterhalten eines Gewerbebetriebes

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
10.02.2005
Aktenzeichen
16 K 105/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 11808
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0210.16K105.03.0A

Fundstelle

  • AUR 2006, 407-408 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Nach § 24 Abs. 2 Ziff. 2 UStG gelten als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb die Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören. Das Gesetz geht insoweit von einer Fiktion aus, die bezüglich der Tierhaltungsbetriebe allein darauf abstellt, ob der jeweilige Betrieb für die gehaltenen Tiere eine ausreichende Futtergrundlage bietet.

  2. 2.

    Für die Anwendung des § 24 UStG gibt es keine weiteren Voraussetzungen.

  3. 3.

    Für Tierhaltungsbetriebe ist die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG aufgrund der gesetzlichen Fiktion in § 24 Abs. 2 UStG daher stets anwendbar, wenn über eine ausreichende Futtergrundlage verfügt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb auf eigenem Grundbesitz. Die selbst bewirtschafteten Flächen machen ca. 32,7 ha aus. Eine in 1995 für die Jahre 1987 - 1991 durchgeführte Außenprüfung nahm an, dass der Kläger eine Landwirtschaft mit Pferdezucht unterhalte und stellte für die Umsatzsteuer fest, dass der Kläger zutreffend die Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG anwende. Auch eine in 1999 durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume 1996 - 1998 nahm an, dass der Kläger mit den Umsätzen aus seinem Betrieb der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG unterliege.

2

Eine vom September 1998 bis zum Januar 2001 durchgeführte Außenprüfung durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung Oldenburg nahm an, dass der Kläger statt einer Landwirtschaft eine intensive Ausbildung von Pferden zu Dressursportpferden unterhalte und damit einen Gewerbebetrieb. Zwar werde die zulässige Höchstgrenze der Vieheinheiten von 274 durch die vom Kläger gehaltenen Tiere nicht überschritten. Für das Wirtschaftsjahr 1995/1996 sei jedoch festzustellen, dass der Kläger insgesamt 61 Pferde verkauft habe, wovon 56 Pferde beim Einkauf 3 Jahre oder älter gewesen seien. Die durchschnittliche Verweildauer der Pferde im Betrieb des Klägers habe 14,4 Monate betragen. In den anderen Wirtschaftsjahren seien die Verhältnisse ähnlich gewesen. Damit sei anzunehmen, dass das Betätigungsfeld des Klägers hauptsächlich in der Weiterbildung von zugekauften Pferden zu hochwertigen Dressursportpferden gelegen habe. Diese Tätigkeit habe der Kläger und die von ihm angestellten Personen vorgenommen. Die Ausbildung angerittener Pferde zu Reit- und Turnierpferden sei eine gewerbliche Tätigkeit, die den Charakter der Landwirtschaft verlasse. Der Kläger könne deshalb seine Umsätze nicht nach § 24 UStG besteuern. Die Außenprüfung kam zum Ergebnis, dass für die Streitjahre der Kläger 141.864 DM für 1994 und 273.968 DM für 1995 schulde. Entsprechend diesem Ergebnis setzte der Beklagte mit erstmaligen Steuerbescheiden vom 20. August 2001 die Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage. Zur Begründung trägt der Kläger vor: Er erfülle die Kriterien eines Tierhaltungsbetriebes, dessen Tierbestände nach §§ 51, 51 a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehörten. Dies sei unstreitig. Daher könne er die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG in Anspruch nehmen, was er auch getan habe. Dass er eingekaufte Pferde zu Reitpferden aufziehe und dabei die Pferde durchschnittlich etwa 14 Monate im Betrieb halte, spreche nicht gegen die Anwendung des § 24 UStG. Es komme auch nicht darauf an, welche Sachmittel und welcher personelle Einsatz dafür erforderlich sei, um die Pferde zu Reitpferden auszubilden. Schließlich werde auf das Urteil des BFH vom 31.03.2004 I R 71/03, BStBl II 2004, 742 hingewiesen. Hiernach sei die Ausbildung von Pferden zu Renn- und Turnierpferden dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen, wenn der Betrieb eine ausreichende Futtergrundlage biete.

3

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1995 jeweils vom 20. August 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2003 aufzuheben.

4

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und führt zusätzlich aus, dass die vom Kläger zitierte BFH Entscheidung zum Ertragssteuerrecht ergangen sei. In seiner Einspruchsentscheidung hat der Beklagte ausgeführt, dass die Frage, ob ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vorliege, nach den Grundsätzen zu beurteilen sei, die bei der Abgrenzung für Zwecke der Einkommensteuer maßgebend sind. Der Bundesfinanzhof habe bei der Tierart Pferd in mehreren Urteilen zum Ausdruck gebracht, dass für die Annahme von land- und forstwirtschaftlichen Einkünften neben der ausreichenden Futtergrundlage hinzukommen müsse, dass die mit der Tierzucht und Tierhaltung verbundene Tätigkeit ihrer Art nach den Bereich der Land- und Forstwirtschaft nicht überschreiten dürfe. Die Ausbildung bereits angerittener Pferde habe keinen landwirtschaftlichen Charakter.

6

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und wegen der Feststellung der Außenprüfung wird Bezug genommen auf die Steuerakten und den in den Akten befindlichen Außenprüfungsbericht vom 14. März 2001.

7

Dem Gericht haben die für den Kläger beim Beklagten geführten Steuerakten vorgelegen.

Gründe

8

Die Klage ist begründet.

9

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind aufzuheben, weil der Kläger in zulässiger Weise seine Umsätze nach § 24 UStG versteuert und mithin keine Umsatzsteuer anfällt. Deshalb ist klarstellend für die Streitjahre die Steuer auf jeweils 0 DM zu setzen.

10

Nach § 24 Abs. 1 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung, wird die Umsatzsteuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze nach Durchschnittssätzen festgesetzt, die zur Folge haben, dass es für die unternehmerische Tätigkeit aus diesem Bereich im Regelfall zu keiner Zahllast für den Unternehmer kommt. Nach § 24 Abs. 2 Ziffer 2 UStG gelten als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb die Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51 a Bewertungsgesetz zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören. Bereits hieraus ergibt sich, dass das Gesetz von einer Fiktion ausgeht, die bezüglich der Tierhaltungsbetriebe allein darauf abstellt, ob der jeweilige Betrieb für die gehaltenen Tiere eine ausreichende Futtergrundlage bietet. Dies war im Streitfall gegeben. Denn der Kläger erzielte seine Umsätze aus der Veräußerung zuvor gehaltener Pferde, für die seine landwirtschaftlichen Flächen ausreichende Futtergrundlage bildeten. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

11

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes gibt es keine weitere Voraussetzung für die Anwendung der besonderen Besteuerungsform des § 24 UStG. Das Gesetz bietet nicht die Möglichkeit nach nicht definierten Charakter- oder Wesenseigenschaften eines Betriebes zu fragen und ihn danach der Landwirtschaft oder der Nichtlandwirtschaft zuzuordnen. Dies verbietet die im Gesetz enthaltene Fiktion.

12

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Frage nach welcher Besteuerungsform ein Unternehmer zu besteuern hat, von vornherein klar und eindeutig feststehen muss. Nur so kann der Unternehmer beispielsweise seiner Pflicht genügen in Rechnungen den zutreffenden Umsatzsteuerausweis vorzunehmen. Im Streitfall war der Kläger davon ausgegangen, dass er in den Streitjahren der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG unterlag. Hiervon war auch der Beklagte ausgegangen, wie die noch in 1995 durchgeführte Vorbetriebsprüfung und die Umsatzsteuersonderprüfung im Jahre 1999 zeigt.

13

Soweit der Beklagte noch unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung die Einheitlichkeit der zu entscheidenden Frage zwischen Ertragssteuerrecht und Umsatzsteuerrecht betrachtet, ist anzumerken, dass es keinen ertragssteuerlichen Vorrang gibt und die Frage nach der Besteuerungsform allein aus dem Umsatzsteuergesetz herzuleiten ist. Andererseits ist zu bedenken, dass die klägerseits zitierte Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 31.03.2004 zur Ertragssteuer ergangen ist und vom erkennenden Gericht inhaltlich auch für zutreffend gehalten wird.

14

Nach allem war der Klage im Ergebnis stattzugeben und die Umsatzsteuer für die Streitjahre auf jeweils 0 DM zu setzen.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

16

Ein Grund zur Zulassung der Revision nach § 115 FGO sieht das Gericht nicht.