Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.02.2005, Az.: 3 K 679/04
Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf von GmbH-Anteilen; Voraussetzungen für das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung; Bestimmung der Beteiligung nach der in jedem abgeschlossenen Veranlagungszeitraum geltenden Beteiligungsgrenze; Verfassungsmäßigkeit der Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.02.2005
- Aktenzeichen
- 3 K 679/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 13038
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0214.3K679.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- FG Baden-Württemberg - 19.03.2002 - AZ: 1 K 63/00
- FG Nürnberg - 15.09.2003 - AZ: IV 229/02
- FG Nürnberg - 25.09.2003 - AZ: IV 229/2002
- nachfolgend
- BFH - 01.03.2005 - AZ: VIII R 25/02
- BFH - 01.03.2005 - AZ: VIII R 92/03
- BFH - 10.08.2005 - AZ: VIII R 22/05
- BVerfG - 07.07.2010 - AZ: 2 BvR 748/05
- BVerfG - 07.07.2010 - AZ: 2 BvR 753/05
- BFH - 25.11.2010 - AZ: IX R 47/10
- BVerfG - 17.02.2011 - AZ: 2 BvR 753/05
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs. 1 S. 1 EStG
- § 17 Abs. 2 S. 1 EStG
Fundstelle
- EFG 2005, 1041-1043 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 2001
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Tatbestandsmerkmal der "wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten 5 Jahre" für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum gesondert zu bestimmen ist.
- 2.
Der Gewinn aus der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils ist eine gewerbliche Einkunft. Er entsteht, sobald das rechtliche oder jedenfalls das wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil auf den Veräußerer übergeht.
- 3.
Die Erfassung von Wertsteigerungen vor Erreichen der Wesentlichkeitsgrenze einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG ist verfassungsgemäß.
- 4.
Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sind grundsätzlich die tatsächlichen Anschaffungskosten und nicht der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Eintritts der Steuerverhaftung zu Grunde zu legen. Erfasst wird regelmäßig der gesamte Wertzuwachs zwischen Anschaffung und Veräußerung. Zu berücksichtigen ist auch jener Wertzuwachs, der sich im Privatvermögen zu einer Zeit gebildet hat, als der Anteilsinhaber noch nicht wesentlich beteiligt war.
- 5.
Die Änderung des § 17 Abs. 1 S. 4 EStG durch das StEntlG zielte darauf, Wachstum und Beschäftigung durch Stärkung der Investitionskraft der Unternehmen zu verbessern und die Binnennachfrage nachhaltig zu beleben, Arbeitnehmer und Familien spürbar zu entlasten, mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen und das deutsche Steuerrecht zu vereinfachen.
- 6.
§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG betrifft einen Anwendungsfall der hinsichtlich Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich unbedenklichen sog. tatbestandlichen Rückanknüpfung. Diese ist von der verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung abzugrenzen und erfasst nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm.
- 7.
Die Eigentumsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 GG ist durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten wie die Einkommensteuer nur ausnahmsweise betroffen, wenn die Geldleistungspflichten den Steuerpflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist die Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf von GmbH-Anteilen an der A-GmbH, an der der Kläger zum Zeitpunkt der Veräußerung mit 24,02 % beteiligt war.
Der Kläger war seit dem 20.04.1993 am Stammkapital der A-GmbH mit 24,02 % beteiligt. Der Kläger hat seine Anteile am 23. Juli 2001 für 100.000 DM veräußert. Unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten i. H. v. 48.224 DM ermittelte das Finanzamt einen Veräußerungsgewinn i. H. v. 51.776 DM.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Der Kläger ist der Rechtsansicht, dass die rückwirkende Senkung der Beteiligungsgrenze für eine wesentliche Beteiligung im Jahr 1999 von 25/100 auf 10/100 als verfassungswidrig anzusehen sei. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) bewusst von vertrauensschützenden Übergangsregelungen abgesehen, obwohl er in die Dispositionen des Steuerpflichtigen für bereits abgelaufene Kalenderjahr eingegriffen habe. Nach Ansicht des Klägers hätte eine vertrauensschützende Übergangsregelung geschaffen werden müssen. Dieses gelte insbesondere für § 17 EStG auch, da es dadurch zu einer rückwirkenden Erfassung der stillen Reserven komme, die in den vergangenen, bereits abgeschlossenen Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 1998 (Geltung der 25 %-Grenze) nicht steuerbefangen gewesen seien. Damit werde der Steuerpflichtige materiell belastet.
Die rückbezogene Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze ändere damit die Rechtsfolgelage abgeschlossener Veranlagungszeiträume nachträglich. Wer in der Vergangenheit darauf geachtet habe, keine wesentlich Beteiligung zu halten, sei mit seinem Vertrauen auf eine schon für abgeschlossene Veranlagungzeiträume geltende Rechtslage enttäuscht. Seiner Disposition, die sich nach ihrem materiellen Gehalt als das Halten einer nicht steuerbefangenen Beteiligung darstelle, werde rückwirkend die Rechtsgrundlage entzogen. Die nachträgliche Änderung der steuerlichen Rechtsfolgelage sei daher als echte Rückwirkung zu betrachten. Die Ansammlung stiller, nicht steuerverstrickter Reserven in abgeschlossenen Veranlagungszeiträumen genieße in dieser steuerrechtlichen Qualifikation folglich verfassungsrechtlichen Schutz vor gesetzgeberischenÄnderungen. Auf die bereits abgeschlossenen Veranlagungszeiträume würden im vorliegenden Fall stille Reserven von 47.776 DM entfallen (wegen der Berechnung wird Bezug genommen auf die Klageschrift vom 30.08.2004, dort Seite 4). Dieser fiktive Gewinn sei, weil vor dem 01.01.1999 entstanden, nicht steuerbar. Der verbleibende Gewinn i. H. v. 4.000 DM (51.776 DM abzüglich 47.776 DM) liege unter dem Freibetrag von 4.800 DM, sodass Steuern vom Einkommen auf die erzielten Gewinne nicht zu entrichten seien.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 29. April 2004 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 12. August 2004 die Einkommensteuer auf DM 25.893 herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.
Die für das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung erforderliche Beteiligungsquote sei durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2001 von bislang 25 % auf 10 % abgesenkt worden. Die Änderung des Einkommensteuergesetzes sei mit Wirkung vom 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Damit sei vom Gesetzgeber eine Übergangsregelung ausdrücklich nicht geschaffen worden. Vielmehr solle nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Gesetzesänderung die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 zur Steuerpflicht führen. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liege nicht vor. Der die im Jahr 2001 entstehende Steuerpflicht auslösende Sachverhalt der Veräußerung der Anteile sei erst nach der Verabschiedung der Gesetzesänderung im Jahr 1999 verwirklicht worden. Bei der Gesetzesänderung handele es sich somit um eine tatbestandliche Rückanknüpfung, die nicht den zeitlichen, sondern lediglich den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes betreffe. Verfassungsrechtlich sei diese tatbestandliche Rückanknüpfung nicht zu beanstanden. Auch die durch den Ansatz der historischen Anschaffungskosten entstehenden Folgen seien vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt.
Beide Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erteilt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat zutreffend den im Jahr 2001 entstandenen Veräußerungsgewinn nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) erfasst. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen.
Gem. § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung ist eine wesentliche Beteiligung gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als 1/4 unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. In der für den streitigen Veranlagungszeitraum 1999 geltenden Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2001 vom 24. März 1999 gilt bereits eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung von mindestens 10 v. H. als wesentliche Beteiligung. Nach der zu § 17 Abs. 1 EStG in der bis 1998 geltenden Fassung wird eine wesentliche Beteiligung bereits dann angenommen, wenn die (damals geltenden Beteiligungshöhe von mehr als 25 v. H) zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Veräußerung erreicht oder überschritten worden ist (BFH-Beschluss vom 18. Januar 1999 VIII B 80/98, BStBl. II 1999, 486; BFH-Urteil vom 20. April 1999 VIII R 58/97, BStBl. II 1999, 650). Nach überwiegender Auffassung in der Finanzrechtsprechung (Finanzgericht Baden Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2000, 9 V 85/00 EFG, 2001, 292; Finanzgericht Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juli 2001, 7 V 3499/01, EFG 2001, 1216; Finanzgericht München, Beschluss vom 11. Februar 2002, 13 V 3920/01 EFG 2002, 556; Finanzgericht Münster, Urteil vom 31. März 2001, 8 K 7113/01, EFG 2004, 1616) enthält das Merkmal der wesentlichen Beteiligung "innerhalb der letzten 5 Jahre" einen Rückbezug auf die Beteiligungsverhältnisse der letzten 5 Jahre und wirkt damit auf abgeschlossene Jahre zurück. Dieses Tatbestandsmerkmal soll wegen der verschärften Besteuerung des Gesetzgebers durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2001 vom 24. März 1999 in der Weise ausgelegt werden, dass die Frage der wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten 5 Jahre für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum der 5 Jahre vor der Veräußerung nach der in diesen Veranlagungszeiträumen jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen sei.
Das Gericht folgt dieser aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen Auslegung, weil nur dadurch gewährleistet wird, dass die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der wesentlichen Beteiligung sich nicht nachträglich belastend verändert. Das Tatbestandsmerkmal der "wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten 5 Jahre" in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist deshalb für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltende Beteiligungsgrenze zu bestimmen. Nur dieser Auffassung berücksichtigt in ausreichendem Maße, dass durch dieses Tatbestandsmerkmal in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. der neuen Wesentlichkeitsgrenze von 10 v. H. in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG nach dem Steuerentlastungsgesetz vom 24. März 1999 für die Veranlagungszeiträume vor 1999 die Qualifikation einer Beteiligung als wesentliche Beteiligung auch dann noch nachträglich belastend verändert wird, wenn die Beteiligung im Jahre 1999 verkauft wurde, sie aber durch die bis dahin geltende Regelung des § 17 Abs. 1 EStG nicht steuerverstrickt war.
Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Tatbestandsmerkmal der "wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten 5 Jahre" für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum gesondert zu bestimmen ist.
Danach lag eine wesentliche Beteiligung des Klägers bis zum abgeschlossenen Veranlagungszeitraum 1998 nicht vor, da er in dieser Zeit Anteile von weniger als 25 v. H. gehalten hat. Zum Zeitpunkt der Veräußerung im Veranlagungszeitraum 2001 allerdings, nachdem die Grenze der wesentlichen Beteilung auf 10 v. H. herabgesetzt worden war, hat er diese Grenze mit Anteilen i. H. v. 24,02 v. H. überschritten.
Das der Gesetzgeber dabei die Wesentlichkeitsgrenze ab dem Veranlagungszeitraum 1999 auf 10 v. H. herabgesetzt hat, begegnet keinen verfassungsrechtliche Bedenken. Zumindest für Verkäufer von Unternehmensbeteiligungen nach Beschluss des Steuerentlastungsgesetzes im Bundestag am 04.03.1999 stehen Vertrauensschutzgesichtspunkte der Neufassung nicht entgegen.
Im Einzelnen:
Die erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 geltende Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG 1999 in der Fassung des StEntlG, nach der eine wesentliche Beteiligung bereits vorliegt, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 v.H. beteiligt war, führt nicht zu einer Verletzung von Grundrechten des Klägers. Die Besteuerung der Veräußerung von Anteilen, die bis zur Gesetzesänderung nicht steuerverhaftet waren, und damit die steuerliche Erfassung von Wertzuwächsen, die am 31.12.1998 bereits vorhanden, aber noch nicht realisiert waren, entsprechen verfassungsrechtlichen Vorgaben, wenn - wie im Streitfall - die Anteilsveräußerung erst nach der Verkündung der Gesetzesänderung wirksam geworden ist.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind u.a. Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Eine wesentliche Beteiligung ist nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG 1999 gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 v.H. unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Nach § 52 Abs. 1 EStG 1999 gilt diese Fassung des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG 1999 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999. Obwohl in der Zeit davor eine wesentliche Beteiligung voraussetzte, dass der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der bis 31.12.1998 geltenden Fassung), hat der Gesetzgeber keine Übergangsregelung für die Anteile vorgesehen, die durch die Gesetzesänderung steuerverstrickt wurden.
Der Antragsteller war unstreitig am 01.01.1999 zu mehr als 10 v.H. an der GmbH beteiligt. Der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils gehört daher zu seinen gewerblichen Einkünften. Er entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in dem Zeitpunkt, in dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil auf den Veräußerer übergeht (vgl. BFH-Urteile vom 2. Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl. II 1985, 428 und vom 21. Oktober 1999 I R 43,44/98, BFHE 190,377, BStBl. II 2000, 424 zu II 3). Erst zu diesem Zeitpunkt disponiert der Anteilseigner steuererheblich über seine Anteile. Im Streitfall gingen rechtliches und wirtschaftliches Eigentum des Klägers an dem Anteil im Jahr 2001 auf den Erwerber über.
Die rückwirkende Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze entspricht verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Erfassung von Wertsteigerungen vor Erreichen der Wesentlichkeitsgrenze einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG verfassungsgemäß (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Januar 1999 VIII B 80/98, BFHE 187, 565, BFH/NV 1999, 872 m.w.N.). Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG sind grundsätzlich die tatsächlichen Anschaffungskosten und nicht der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Eintritts der Steuerverhaftung zu Grunde zu legen. § 17 Abs. 2 EStG erfasst in der Regel den gesamten Wertzuwachs zwischen Anschaffung und Veräußerung und damit auch den Wertzuwachs, der sich im Privatvermögen zu einer Zeit gebildet hat, als der Anteilsinhaber noch nicht wesentlich beteiligt war (BFH-Urteil vom 19. März 1996 VIII R 15/94, BFHE 180, 146, BStBl. II 1996, 312). Die Rechtsprechung des BFH betrifft hauptsächlich Sachverhaltsgestaltungen, in denen eigene Dispositionen des Steuerpflichtigen (z.B. Zukauf weiterer Anteile, Zuzug aus dem Ausland) dazu geführt haben, dass seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft als eine wesentliche im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG einzustufen war.
Im Streitfall ist zwar die wesentliche Beteiligung nicht durch ein Handeln des Antragstellers, sondern durch die mit Wirkung ab 01.01.1999 geltende Gesetzesänderung entstanden. Dies rechtfertigt aber keine unterschiedliche steuerliche Behandlung.
Das StEntlG hatte das Ziel, Wachstum und Beschäftigung durch Stärkung der Investitionskraft der Unternehmen zu verbessern und die Binnennachfrage nachhaltig zu beleben, Arbeitnehmer und Familien spürbar zu entlasten, mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen und das deutsche Steuerrecht zu vereinfachen. Bereits im Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 09.11.1998 war vorgesehen, die Vorschrift des§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG neu zu fassen und eine wesentliche Beteiligung anzunehmen, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 v.H. unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (BT-Drucks. 14/23, S. 22). Die Herabsetzung sollte der Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage dienen (BT-Drucks. 14/23, S. 252). Weiter ist dort angeführt:
"Im Interesse einer einheitlichen Beteiligungsgrenze wird zusammen mit § 9 Nr. 2a GewStG und § 26 Abs. 2 KStG auf genau und nicht mehr als einem Zehntel abgestellt. Die Regelung dient ferner der Missbrauchsbegrenzung. Der Anwendungsbereich des zum Zwecke der Eindämmung des Missbrauchs geschaffenen § 50c Abs. 11 EStG, der vielfach deshalb Kritik erfährt, weil er die steuerlichen Folgen bei dem Erwerber und nicht bei dem Veräußerer einer Beteiligung ansetzt, wird dabei zurückgedrängt.
Die neue Beteiligungsgrenze gilt für alle Veräußerungen ab dem Veranlagungszeitraum 1999. Es bestehen dabei keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass dabei auch solche Wertzuwächse der Besteuerung im Veräußerungsfalle unterliegen, die bis zur Änderung des Gesetzes nicht steuerverhaftet gewesen sind. Von einer gesonderten Feststellung des als Anschaffungskosten geltenden gemeinen Werts der Beteiligungen, die infolge der Gesetzesänderung in die Steuerverhaftung gelangen, zum 01.01.1999 wird abgesehen. Ein derartiges Bewertungsverfahren für diese Anteile würde zu einem unzumutbaren Aufwand sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung führen. Ein derartiges Feststellungsverfahren wäre sehr streitanfällig und würde zu langwierigen Rechtsbehelfsverfahren führen. Des WeiterenDes weiteren wäre die Schlechterstellung einer solchen Beteiligung, die von ursprünglich unter 10 v.H. auf mindestens 10 v.H. ansteigt mit der Folge, dass damit auch - wie auch schon bei der geltenden Rechtslage - die zuvor angesammelten Wertzuwächse steuerverstrickt sind, nicht zu rechtfertigen sein."
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.01.1999 ist sowohl die geänderte Fassung des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG 1999 als auch die Begründung hierzu übernommen worden (BT-Drucks 14/265 S. 12, 179). Der Bundestag hat das StEntlG am 04.03.1999 beschlossen (vgl. Amtliches Protokoll zur 25. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, dem 04. März 1999). Der Bundesrat hat dem Gesetz am 19.03.1999 zugestimmt (vgl. Vogt Deutsches Steuerrecht -DStR- 1999, 1596, 1597). Es wurde am 31.03.1999 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat hinsichtlich der Änderungen des Einkommensteuergesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1999 in Kraft (BGBl. I 1999, 402).
Eine Rechtsnorm entfaltet Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 72, 200, 241, BStBl. II 1986, 628, 641). Der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm bestimmt, in welchem Zeitpunkt die Rechtsfolgen einer gesetzlichen Regelung eintreten sollen. Grundsätzlich erlaubt die Verfassung nur ein belastendes Gesetz, dessen Rechtsfolgen für einen frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (Rückbewirkung von Rechtsfolgen, "echte" Rückwirkung), ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG-Urteil vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67). Der von einem Gesetz Betroffene muss grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, dass er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird (vgl. BVerfG BVerfGE 72, 200, 242, 254 ). Dieser Schutz des Vertrauens in den Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage findet seinen verfassungsrechtlichen Grund vorrangig in den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl. BVerfG BVerfGE 97, 67 m.w.N.).
Demgegenüber betrifft die tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte" Rückwirkung) nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfG BVerfGE 97, 67 m.w.N.). Diese Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, berühren vorrangig die Grundrechte und unterliegen weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfG BVerfGE 97, 67 m.w.N.). Für das Einkommensteuerrecht kommen je nach Art der betroffenen Einkünfte und der Wege, auf denen sie erzielt worden sind, namentlich Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und 2 sowie Art. 2 Abs. 1 GG als betroffene Rechte in Betracht (vgl. BVerfG BVerfGE 72, 200, 242 f, 253 f).
Da die Steuerpflicht im Regelfall erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, also mit Ablauf des Kalenderjahres eintritt (§ 25 Abs. 1 EStG), sind die vom BVerfG entwickelten Grundsätze zur tatbestandlichen Rückanknüpfung anzuwenden, wenn nicht schon der gesamte gesetzliche Steuertatbestand vor In-Kraft-Treten des Gesetzes verwirklicht worden ist (vgl. BVerfG BVerfGE 97, 67).
Im Streitfall ist von einer tatbestandlichen Rückanknüpfung auszugehen. Das StEntlG ist am 04.03.1999 vom Bundestag beschlossen worden und am 31.03.1999 in Kraft getreten. Die Rechtsfolge der geänderten Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG 1999 -Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns bei einer Beteiligung von 10 v.H. gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG 1999- trat erst während des bei Verkündung der Norm laufenden Veranlagungszeitraums 1999 ein. Denn die Neuregelung betrifft nur Anteile an Kapitalgesellschaften, die in der Zeit ab Beginn des Veranlagungszeitraums 1999 veräußert werden.
Beim In-Kraft-TretenInkrafttreten der Gesetzesänderung war die Veräußerung durch den Antragsteller - wie oben bereits ausgeführt - noch nicht wirksam. Der Steuertatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist vielmehr erst nach dem 31.03.1999 verwirklicht worden. Abzustellen ist insoweit nicht auf den Abschluss des notariellen Vertrags vom 11.03.1999, sondern auf denÜbergang des wirtschaftlichen Eigentums an dem Teilgeschäftsanteil, der frühestens im April 1999 erfolgte.
Die Absenkung der für das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung erforderlichen Beteiligungsquote führt insoweit zu einer Rückanknüpfung, als die Einkommensteuerbarkeit auf alle Beteiligungen im Umfang zwischen 10 v.H. und 25 v.H. erstreckt wird. (Schneider in Kirchhof/Söhn, EStG § 17 Rdnr. A 259, B 160). Die geänderte Wesentlichkeitsgrenze gilt nicht nur für 1999 neu erworbene Beteiligungen, sondern auch für die am 31.12.1998 bereits vorhandenen Anteile an Kapitalgesellschaften. Auf GrundAufgrund der Neuregelung ändert sich die Rechtsfolgenlage bei einem Verkauf für diejenigen Beteiligungen, die bis zur Gesetzesänderung nicht steuerverhaftet waren, insoweit, als Substanzwertsteigerungen, die in vergangenen Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 1998 entstanden sind und nach der damaligen für sie geltenden Gesetzeslage nicht einkommensteuerbar waren, nunmehr steuerlich als Gewinn aus Gewerbebetrieb erfasst werden (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2002 I K 63/00 EFG 2002, 701 m.w.N.; Schneider in Kirchhof/Söhn, EStG § 17 Rdnr. B 160). Die Steuerpflichtigen, die in der Vergangenheit davon ausgehen konnten, mit einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft von 10 v.H. bis 25 v.H. keine wesentliche Beteiligung zu halten und damit die Anteile ohne Ansatz eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 1 EStG veräußern zu können, werden im Fall einer Veräußerung der Anteile durch die Neuregelung erheblich belastet. Dies gilt auch für den Kläger, der mit den Geschäftsanteilen von 20 v.H. nach der bis einschließlich 1998 geltenden Gesetzeslage nicht wesentlich an der GmbH beteiligt war und mit der Gesetzesänderung zum 01.01.1999 eine wesentliche Beteiligung hielt.
Die tatbestandliche Rückanknüpfung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Grundrechte des Antragstellers werden hierdurch auch nicht in Verbindung mit allgemeinen Grundsätzen verletzt.
Die Erfassung bisher nicht steuerverhafteter Wertzuwächse der Anteile als steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn verstößt nicht gegen Artikel 14 Abs. 1 GG.
Diese Vorschrift gewährleistet das Recht, Sach- und Geldeigentum zu besitzen, zu nutzen, es zu verwalten und darüber zu verfügen; eine allgemeine Wertgarantie vermögenswerter Rechtspositionen kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2002, 831). Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Vermögen auch nicht gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten; diese lassen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes grundsätzlich unberührt, es sei denn, dass die Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und eine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG HFR 2002, 831 m.w.N.).
Damit begegnet die Anwendung des § 17 EStG n. V. für die Veräußerung der Beteiligung im Jahr 2001 keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.
Das Gericht hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Zur ZeitZur Zeit sind bei dem Bundesfinanzhof verschiedene Verfahren wegen der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 17 EStG 1999 anhängig.