Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.02.2005, Az.: 6 K 306/01
Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein Gästehaus; Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen dienende Einrichtungen; Vorliegen einer Einrichtung des Steuerpflichtigen im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) bei Betreiben der Einrichtung auf Grund eines Nutzungsverhältnisses; Auslegung des Begriffs "Ort des Betriebes"
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 17.02.2005
- Aktenzeichen
- 6 K 306/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 12307
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0217.6K306.01.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 03.08.2005 - AZ: I B 44/05
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG
- § 8 Abs. 1 KStG
- § 4 Abs. 4 EStG
Fundstellen
- EFG 2005, 1261-1262 (Volltext mit amtl. LS)
- INF 2005, 405
- NZG 2005, VI Heft 11 (Kurzinformation)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein Gästehaus.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und betreibt in X einen Handel mit ... . Am Stammkapital der Klägerin sind Herr A zu 80 v.H. und Frau B zu 20 v.H. beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin ist Herr A.
Im Jahre 1994 baute der Gesellschafter/Geschäftsführer im ca. 12 Kilometer entfernten Y ein so genanntes "Gästehaus" und vermietete dieses mit schriftlichem Vertrag vom 01.10.1994 für mtl. .... DM zzgl. Umsatzsteuer an die Klägerin. In dem Gebäude mit einer Wohnfläche von ca. 91 qm befinden sich im Erdgeschoss neben einem Wohn-/Esszimmer eine Küche sowie eine Toilette und im Obergeschoss drei Wohn/Schlafräume sowie ein Badezimmer. Im Keller befindet sich neben der Heizungsanlage ein größerer Abstellraum. Wegen der Einzelheiten wird auf die Grundrisszeichnungen verwiesen (Bl. 68 - 70 Auszug aus Bp-Arbeitsakte des Eigentümers und Gesellschafter Geschäftsf. A). Für Miete und Nebenkosten machte die Klägerin in den Jahren 1994 - 1997 folgende Beträge als Betriebsausgaben geltend:
1994: x.xxx,xx DM
1995: xx.xxx,xx DM
1996: xx.xxx,xx DM
1997: xx.xxx,xx DM.
Im Jahre 1999 fand bei der Klägerin eine Aussenprüfung statt. Der Betriebsprüfer des Beklagten kürzte die Betriebsausgaben in den Jahren 1994 - 1997 um die Aufwendungen für das Gästehaus mit der Begründung, dass es sich um ein nicht am Ort des Betriebes gelegenes Gästehaus handele. Entsprechend den Feststellungen der Aussenprüfung erließ der Beklagte mit Datum vom 06.03.2000 geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer 1994 - 1997 und die ges. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1994 bis 31.12.1997.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2000 Einspruch ein. Zur Begründung verwies die Klägerin darauf, dass das Gästehaus neben der Unterbringung von Geschäftskunden der Präsentation und dem Verkauf von exklusiven ...artikeln diene. Es sei keine Einrichtung der GmbH, sondern eine Betriebsstätte des Gesellschafters A. Damit befinde sich das Gästehaus auch innerhalb des Ortes des Betriebes des Steuerpflichtigen. Der Beklagte wies den Einspruch mit der Begründung zurück, dass es sich bei dem Gästehaus um eine Einrichtung der Klägerin handele, da sie es auf Grund eines Mietvertrages nutze. Es handele sich auch nicht um eine Betriebsstätte der Klägerin, da die betriebliche Nutzung im Rahmen von einzelnen ...präsentationen hierfür nicht ausreichend sei. Das Gästehaus diene vielmehr in erster Linie zur Beherbergung von Geschäftsfreunden, sodass es sich um ein Gästehaus im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG handele. Dieses befinde sich jedoch nicht am Ort des Betriebes, da das Gästehaus in Y nicht in der selben politischen Gemeinde wie der Betriebssitz der Klägerin gelegen sei. Bei Y handele es sich auch nicht um eine Vorortgemeinde und gehöre weder räumlich noch verkehrstechnisch zum Betriebsort der Klägerin.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren verfolgt die Klägerin mit der vorliegenden Klage ihr Begehren weiter, die Aufwendungen für das Gästehaus als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren. Ergänzend bringt die Klägerin vor, das Gästehaus in Y werde von prominenten Kunden genutzt, die nicht in der Öffentlichkeit bedient werden könnten. Dabei würden Geschäfte von erheblicher Bedeutung abgewickelt. Auf Grund dieser Nutzung handele es sich bei dem Grundstück nicht um ein Gästehaus im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG. Weiter verweist die Klägerin darauf, dieÜbernachtungsmöglichkeiten am Ort des Betriebes direkt seien nicht ausreichend gewesen. Daher habe sich durch das Gästehaus die Möglichkeit geboten, den Kundenservice weiter auszubauen. Erst durch das Gästehaus seien Übernachtungen in der Nähe des Betriebes der Klägerin möglich geworden. Das Gästehaus werde von prominenten Kunden, die eine weitere Anfahrtstrecke zurücklegen müssten, gut genutzt. Auch habe man dadurch, dass auswärtige Kunden das Gästehaus nutzten, strapaziöse Geschäftsreisen des Geschäftsführers der Klägerin verringern können. Insgesamt habe durch die Einrichtung des Gästehauses der Umsatz erheblich gesteigert werden können. Man habe in dem Gästehaus auch Ausstellungen mit verschiedenen Firmen veranstalten wollen. Dies sei jedoch an zu hohen Versicherungssummen gescheitert.
Die Klägerin beantragt,
die Körperschaftsteuerbescheide 1994 - 1997 sowie die Bescheide über die ges. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG auf den 31.12.1994 - 31.12.1997 jeweils vom 06.03.2000 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 15.03.2001 zu ändern und die Körperschaftsteuer dahingehend anderweitig festzusetzen und die Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG festzustellen, dass für das Jahr 1994 weitere Betriebsausgaben in Höhe von x.xxx DM, für das Jahr 1995 in Höhe von xx.xxx,xx DM, für das Jahr 1996 in Höhe von xx.xxx,xx DM und für das Jahr 1997 in Höhe von xx.xxx,xx DM anerkannt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren. Ergänzend führt der Beklagte aus, in dem Zeitraum 1994 - 1997 seien in dem Gästehaus keine ...artikel präsentiert worden. Lediglich 1998 habe ein Sommerfest in dem Objekt stattgefunden, auf dem auch ...artikel präsentiert worden seien. Dies rechtfertige jedoch nicht die Annahme einer Betriebsstätte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 31.01. sowie 16.03.2000 (Bl. 2 ff., 6 ff. Rb-Akte) und vom 01.10.2001 (Bl. 11 ff. FG-A) sowie vom 03.12.2002 (Bl. 17 ff. FG-A) verwiesen.
Hinsichtlich der Ausführungen des Beklagten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 15.03.2001 (Bl. 41 ff. Rb-Akte) sowie auf die Schriftsätze vom 15.11.2001 (Bl. 13 ff. FG-A) und vom 10.01.2003 (Bl. 20 FG-A) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht die Betriebsausgaben um die Aufwendungen für das in Y gelegene Gästehaus gekürzt. Bei den Aufwendungen für das Gästehaus handelt es sich um nicht abzugsfähige Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG für ein außerhalb des Ortes des Betriebes des Steuerpflichtigen belegenes Gästehaus.
Zwar handelt es sich bei den Aufwendungen für das Gästehaus gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 4 EStG um Betriebsausgaben der Klägerin, soweit dieses zur Unterbringung von Geschäftskunden genutzt wird. Allerdings sind diese Aufwendungen nach der gesetzlichen Regelung des § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG nicht abzugsfähig. Danach sind Aufwendungen für Einrichtungen eines Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sich diese Einrichtungen außerhalb des Ortes eines Betriebes des Steuerpflichtigen befinden. Dies ist hier der Fall.
Bei dem von der Klägerin in den Streitjahren 1994 - 1997 genutzten Gästehaus handelt es sich um eine Einrichtung der Klägerin. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass sich das Gästehaus im Eigentum des Gesellschafters A befindet. Eine Einrichtung des Steuerpflichtigen im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG liegt nicht nur dann vor, wenn es im Eigentum des Steuerpflichtigen steht, sondern auch dann, wenn die Einrichtung auf Grund eines Nutzungsverhältnisses betrieben wird (Adamik in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz, § 4 EStG, Nr. 1275), so wie vorliegend die Nutzung durch die Klägerin auf Grund eines Mietvertrages.
Das Gästehaus dient auch der Beherbergung von Personen, die nicht Arbeitnehmer der Klägerin sind. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin wird das Gästehaus zur Unterbringung von auswärtigen Kunden genutzt, die eine weite Anreise haben. An der Beurteilung als Gästehaus im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG ändert auch der Vortrag der Klägerin nichts, dass dort auch ... präsentiert und prominente Kunden untergebracht würden, die in der Öffentlichkeit in dieser Form nicht bedient werden könnten. Die von der Klägerin vorgelegten Grundrisszeichnungen zeigen ein kleineres Gebäude mit dem Zuschnitt eines Einfamilienhauses. Es enthält keine Verkaufs- oder Werkräume, sondern Wohn- und Schlafräume, die auch der vorgetragenen Nutzung als Gästehaus entsprechen. An der Qualifikation als Gästehaus ändert auch der Umstand nichts, dass dort gelegentlich auch Geschäftsabschlüsse getätigt werden. Der Unterhaltung eines Gästehauses ist immanent, dass bei der Unterbringung von Geschäftsfreunden oder Kunden in dem Gästehaus auch betriebliche Belange berührt werden, insbesondere Geschäftsabschlüsse in privaterem Rahmen getätigt werden können. Das Schaffen einer angenehmen Atmosphäre ist gerade Sinn und Zweck eines Gästehauses.
Allerdings handelt es sich um ein Gästehaus, dass nicht am Ort des Betriebes der Klägerin gelegen ist. Die Aufwendungen für das Gästehaus in Y sind, soweit sie durch die Unterbringung von Kunden und Geschäftsfreunden entstanden sind, zwar grundsätzlich betrieblich veranlasst, aber gem. § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG auf Grund der räumlichen Trennung vom Betrieb der Klägerin nicht abzugsfähig. Bei dem Begriff des Ortes des Betriebes handelt es sich um einen auslegungsfähigen Begriff (BFH-Urteil vom 9. April 1968 I 156/65, BStBl. II 1968, S. 603, 605, BFHE 92, 476). Dabei wird der Ort des Betriebes grundsätzlich durch die Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinde bestimmt (BFH-Urteil vom 9. April 1968 I 156/65, BStBl. II 1968, S. 603, 605, BFHE 92, 476; Adamik in Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., Rd.-Nr. 1258; Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 4 EStG, Rd.-Nr. 338). Ziel der Vorschrift ist es, diejenigen Aufwendungen, die zur Spesensphäre gehören, gering zu halten, weil die Unterbringung von Geschäftsfreunden in Einrichtungen, die in größerer Entfernung und in landschaftlich reizvoller Umgebung liegen, nicht rein betrieblich veranlasst sind, sondern auch der Erholung dienen (Adamik, a.a.O., Rd.-Nr. 1251). Ohne Bedeutung für die Auslegung dieses Begriffs ist der Umstand, ob am Ort des Betriebes eine ausreichende Zahl von Hotelunterkünften zur Verfügung steht. Der Ort des Betriebes ist enger gefasst als der Begriff des Einzugsgebietes (FG Karlsruhe, Urteil vom 28. April 1965 II 165/64, EFG 1965, 319). An dieser Auffassung hält auch der erkennende Senat fest. Allerdings gebietet der Begriff des Ortes des Betriebes kein starre Beschränkung auf eine politische Gemeinde. Zur Vermeidung von Härten erscheint es daher gerechtfertigt, bei der Auslegung des Begriffes des Ortes des Betriebes über den den Grenzverlauf zwischen verschiedenen politischen Gemeinden hinwegzusehen (BFH-Urteil vom 9. April 1968 I 156/65, BStBl. II 1968, S. 603, 605, BFHE 92, 476). Dies kommt in Betracht, wenn der Belegenheitsort des Betriebes und der Ort des Gästehauses räumlich und verkehrstechnisch eine Einheit bilden oder es sich um ein anerkanntes Wohngebiet einer Vorortgemeinde handelt.
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Bereits die räumliche Entfernung von etwa 12 Kilometern spricht gegen die Annahme eines einheitlichen Gebietes. Auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Übersichtsplan wird ersichtlich, dass bereits der XY-See selbst eine tatsächliche geografische Trennung von X und Y vornimmt. Während das Westufer, welches im Bereich der Gemeinde X liegt, wenig erschlossen ist, befindet sich am Ostufer eine nahezu durchgehende geschlossene Bebauung. Über die Landstraße L ..., die von X nach Y führt, sind von X aus 3 kleine Ortschaften zu durchqueren. Es gibt keine gewachsene Ortsverbindung, die evtl. durch die politischen Gemeindegrenzen getrennt wäre. Letztlich spricht gegen eine Einheit der beiden Gemeinden auch, dass keine direkte Verbindung im Rahmen des öffentlichen Verkehrsnetzes besteht. Nach der Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn, bei der auch alle übrigen öffentlichen Verkehrsmittel berücksichtigt worden sind, beträgt die kürzeste Fahrtzeit für die 12 km lange Strecke zwischen X und Y 1.56 Std., wobei erhebliche Umwege zurück zu legen sind und mehrfaches Umsteigen erforderlich ist.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse befinden sich X und Y daher weder innerhalb derselben Gemeinde noch bilden sie räumlich und verkehrstechnisch eine Einheit, sodass das Gästehaus nicht am Ort des Betriebes der Klägerin belegen ist.
Das Gästehaus selbst bildet auch keinen Ort des Betriebes. Wie bereits ausgeführt, weist das Gebäude Wohn- und Schlafräume, dagegen jedoch keine betrieblichen Einrichtungen im engeren Sinne auf. Auch durch die betriebliche Nutzung zur Unterbringung von Kunden oder Geschäftsfreunden wird das Gebäude nicht zu einer Betriebsstätte in der Weise, dass sich das Gebäude allein durch seine betriebliche Nutzung als Unterkunft für Geschäftspartner an einem - nämlich durch das Gästehaus erst begründeten - Ort des Betriebes befände. Dies liefe dem Sinn und Zweck der Regelung des § 6 Abs. 5 Nr. 4 EStG zu wider.
Die Aufwendungen für das Gästehaus sind daher gem. § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.