Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.12.2011, Az.: 10 W 27/11
Kriterien zur Bestimmung der Hofeigenschaft einer landwirtschaftlichen Besitzung nach § 1 HöfeO; Anforderungen an den Wirtschaftswert bei vorhandener aktiver Bewirtschaftung eines Hofes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 22.12.2011
- Aktenzeichen
- 10 W 27/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 34036
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2011:1222.10W27.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Vechta - 16.09.2011 - AZ: 2 Lw 211/10
Rechtsgrundlagen
- § 1 HöfeO
- § 8 HöfeVfO
Fundstellen
- AUR 2012, 101-102
- ZEV 2012, 7
Amtlicher Leitsatz
1. Für die Hofeigenschaft einer landwirtschaftlichen Besitzung mit einem vorhandenen aktiven landwirtschaftlichen Betrieb kommt es allein auf die Voraussetzungen des § 1 HöfeO und den danach erforderlichen Mindestwirtschaftswert an. Die Kriterien und Maßstäbe, die im Falle aufgegebener Bewirtschaftung bei Prüfung eines Wegfalls der Hofeigenschaft außerhalb des Grundbuchs und einer dabei relevanten Prüfung eines Wiederanspannens heranzuziehen sind, sind hier nicht relevant.
2. Dementsprechend scheidet ein Löschungsersuchen des Landwirtschaftsgerichts hinsichtlich des Hofvermerks von Amts wegen nach § 8 HöfeVfO wegen angeblich mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bei aktiv betriebener Landwirtschaft aus, wenn der nach § 1 HöfeO erforderliche Mindestwirtschaftswert weiterhin gegeben ist.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Vechta vom 16.9.2011 geändert.
Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Grundbesitz des Antragstellers, eingetragen im Grundbuch von ... Blatt ... nebst zugehöriger Grundstücke und sonstiger Rechte um einen Hof im Sinne der HöfeO handelt.
Gerichtskosten (Gerichtsgebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren und auch für die erste Instanz wird auf 27.916 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Alleineigentümer des im Rubrum genannten Grundbesitzes zur Größe von jetzt 11,6141 ha, der mit Hofvermerk im Grundbuch von ... Blatt ... eingetragen ist. Er betreibt auf seinem Grundbesitz im Nebenerwerb Landwirtschaft.
Nachdem das Landwirtschaftsgericht angekündigt hatte, den Hofvermerk von Amts wegen zu löschen, wenn nicht bis zum 30.11.2010 ein Antrag auf Feststellung der Hofeigenschaft beim Landwirtschaftsgericht gestellt wird, hat der Antragsteller einen entsprechenden Feststellungsantrag auf Feststellung der Hofeigenschaft gestellt.
Nach Einholung von gutachterlichen Stellungnahmen der Landwirtschaftskammer, die sich unter anderem mit der Ertragssituation der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Antragstellers auseinandersetzen, hat das Landwirtschaftsgericht den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Es ist dabei davon ausgegangen, dass kein Hof im Sinne der HöfeO vorhanden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des dabei vom Landwirtschaftsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts und der Begründung dieser Entscheidung wird auf den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Vechta vom 16.9.2011 Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde.
Das Landwirtschaftsgericht hat eine Abhilfeentscheidung nicht getroffen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist nach §§ 9 LwVG, 58 Abs. 1 FamFG zulässig und begründet.
Dass das Landwirtschaftsgericht hier hinsichtlich der Beschwerde eine Entscheidung über eine Abhilfe getroffen hat, ist nicht ersichtlich. Da die Abhilfeentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts jedoch nicht notwendige Sachentscheidungsvoraussetzung für eine Beschwerdeentscheidung ist (vgl. SchulteBunert/Weinreich/Unger, § 68 FamFG Rn. 20), hat der Senat von einer Nachholung der Abhilfeentscheidung abgesehen und sogleich in der Sache über die Beschwerde entschieden.
Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet.
Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist gemäß § 11 Abs. 1 lit. a) HöfeVfO zulässig. Das dafür erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich hier daraus, dass das Landwirtschaftsgericht in der Verfügung vom 20.11.2010 eine Löschung des Hofvermerks von Amts wegen in Aussicht gestellt und dazu nach § 8 Abs. 1 HöfeVfO dem Eigentümer eine Frist für einen entsprechenden Feststellungsantrag gesetzt hat. Dem Hofeigentümer kann dann ein berechtigtes Interesse, durch einen entsprechenden Feststellungsantrag eine von ihm nicht gewollte Löschung des Hofvermerks von Amts wegen und die damit verbundenen Rechtsfolgen zu verhindern, nicht abgesprochen werden.
Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist auch begründet.
Der landwirtschaftliche Grundbesitz des Antragstellers ist (weiterhin) Hof im Sinne der HöfeO.
Unter welchen Voraussetzungen ein Hof im Sinne der HöfeO anzunehmen ist, wird durch § 1 HöfeO bestimmt. Im vorliegenden Fall spricht nicht nur die Vermutung des § 5 HöfeVfO für einen Hof im Sinne der HöfeO, es liegen ersichtlich auch sämtliche der in § 1 HöfeO genannten Voraussetzungen für einen Hof vor.
Es ist eine landwirtschaftliche Besitzung vorhanden.
Dafür ist außer landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücksflächen auch ein landwirtschaftlicher Betrieb erforderlich, dessen konkrete Größe und konkreter Umfang - neben einem sogleich noch zu behandelnden Wirtschaftswert der Besitzung - vom Gesetz nicht vorgegeben wird (vgl. zum Begriff Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 9. Aufl., § 1 HöfeO Rn. 7 ff.).
Nach den Angaben des Antragstellers und auch nach den vom Landwirtschaftsgericht zugrunde gelegten Feststellungen ist ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Wirklichkeit vorhanden, wenn auch in einem bescheidenen Umfang. Nach dem Vorbringen des Antragstellers wird der landwirtschaftliche Betrieb nur im Nebenerwerb ausgeübt, was jedoch ausreicht.
Es ist weiterhin - wie von § 1 HöfeO gefordert - auch eine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle vorhanden. Davon wird auch in der vom Landwirtschaftsgericht eingeholten gutachterlichen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 17.3.2011 (vgl. dort S. 3) sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 15.6.2011 (dort S. 1) ausgegangen. Dies dürfte danach nicht zweifelhaft sein.
Auch die nach der HöfeO erforderliche abstrakte Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Besitzung, die nach dem Wirtschaftswert bemessen wird, ist bei der landwirtschaftlichen Besitzung des Antragstellers erreicht. Nach der eingeholten Auskunft des Finanzamts Vechta vom 12.7.2010 liegt der Wirtschaftswert eindeutig über 5000 € (dem für die Hofeigenschaft maßgebenden Mindestwert).
Danach liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Hof im Sinne der HöfeO vor.
Auf die vom Landwirtschaftsgericht vorgenommene Prüfung der Leistungsfähigkeit des vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebs und die Rentabilität der vom Antragsteller entfalteten betrieblichen Aktivitäten kommt es nicht an. Für eine Überprüfung der Leistungsfähigkeit vorhandener aktiver landwirtschaftlicher Betriebe auf landwirtschaftlichen Besitzungen, die alle Voraussetzungen des § 1 HöfeO erfüllen, und einen Entzug der Hofeigenschaft bei Verneinung entsprechender Leistungsfähigkeit fehlt die gesetzliche Grundlage. Der Gesetzgeber hat in § 1 HöfeO selbst definiert, von welchen Voraussetzungen die Hofeigenschaft abhängig ist. Bei Vorhandensein sämtlicher dieser Merkmale aus § 1 HöfeO kann die Hofeigenschaft nicht verneint werden. Dass der Gesetzgeber sich damit zufrieden gegeben hat, die Mindestleistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Besitzung durch Anknüpfung an den Wirtschaftswert abstrakt festzuschreiben, muss hier vom Rechtsanwender akzeptiert werden.
Der hier vorliegende Sachverhalt darf nicht - was nach der Argumentation des Landwirtschaftsgerichts aber nahe liegt - verwechselt werden mit den Fallgestaltungen, die mehrfach Gegenstand von Entscheidungen der Landwirtschaftsgerichte und auch des Senats gewesen sind und die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine landwirtschaftliche Besitzung mit einem aktiven landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr vorlag und damit ggf. ein Wegfall der Hofeigenschaft außerhalb des Grundbuchs in Betracht kam, weil durch Einstellung des landwirtschaftlichen Betriebs eine landwirtschaftliche Betriebseinheit als entsprechende Organisationseinheit real nicht mehr vorhanden war (vgl. z.B. BGH RdL 2000, 49. AgrarR 1995, 235. BGHZ 84, 78, 83. OLG Hamm AgrarR 1999, 311, 312. 2003, 356, 357. OLG Celle RdL 2005, 179, 180. Senat AUR 2006, 143). In diesen Fällen einer aktuell nicht (mehr) vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebseinheit kommt es für den Fortbestand einer landwirtschaftlichen Besitzung (und damit der Hofeigenschaft) darauf an, ob nach den konkreten Umständen des Falles die Betriebseinheit nur zeitweilig nicht vorhanden oder ob sie auf Dauer entfallen ist. Bei dieser Frage ist dann regelmäßig von Bedeutung, ob ein ´Wiederanspannen´, d.h. eine Wiedereinrichtung eines hinreichend leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebs unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Erwägungen zu erwarten ist und dies aus den Erträgen eines solchen wieder aufgenommenen landwirtschaftlichen Betriebs finanziert werden kann.
Im vorliegenden Fall eines real vorhandenen, im Nebenerwerb bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebs mit einem Wirtschaftswert von über 5000 € kommt es darauf jedoch nicht an.
Der Senat sieht auch keinen Anlass und keine überzeugenden Gründe, die Prüfungsmaßstäbe für ein nach wirtschaftlichen Kriterien zu erwartendes ´Wiederanspannen´ eines zur Zeit nicht mehr vorhandenen Betriebs auf aktive landwirtschaftliche Betriebe anzuwenden und den Fortbestand der Hofeigenschaft von weiteren, nicht aus § 1 HöfeO abgeleiteten Voraussetzungen abhängig zu machen.
Dem Feststellungsantrag des Antragstellers ist danach unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 42 Abs. 2, 44 Abs.1, 45 Abs. 1 S. 1 LwVG.
Da hier das Landwirtschaftsgericht durch sein Vorgehen der angekündigten Löschung des Hofvermerks das vorliegende Antragsverfahren ohne hinreichenden Grund veranlasst und damit auch die Kosten der sachverständigen Stellungnahmen der Landwirtschaftskammer veranlasst hat, ist es sachgerecht, den Antragsteller nicht mit den Kosten des Verfahrens zu belasten, sondern von der Möglichkeit des § 42 Abs. 1 LwVG Gebrauch zu machen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts richtet sich nach §§ 19 lit. a HöfeVfO, 30 KostO.
Anzusetzen ist dabei nur ein Bruchteil des nach § 19 Abs. 4 KostO zu ermittelnden Hofeswerts (des vierfachen Einheitswerts), da es hier lediglich um eine hoferbrechtlich relevante Vorfrage, nicht aber um eine Hoferbschaft oder eine sonstige auf den gesamten Hof bezogene Streitigkeit geht (vgl. dazu Steffen/Ernst, HöfeO, 3. Aufl., § 19 HöfeVfO Rn. 4, 8).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 9 LwVG, 70 Abs. 2 FamFG sind hier - auch unabhängig von der Frage einer hier vorliegenden Beschwer eines Beteiligten - nicht ersichtlich.