Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.12.2011, Az.: 11 UF 168/11
Notwendigkeit der Behandlung eines Antrags zum nachehelichen Unterhalt als Folgesache i.R.d. Verbundes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.12.2011
- Aktenzeichen
- 11 UF 168/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 31401
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2011:1216.11UF168.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Bad Iburg - 01.08.2011 - AZ: 5 F 761/10 S
Rechtsgrundlagen
- § 137 Abs. 2 FamFG
- § 142 Abs. 1 FamFG
Fundstellen
- FPR 2012, 7
- FamFR 2012, 91
- FamRB 2012, 117-118
- FamRZ 2012, 656
- FuR 2012, 208-209
- NJW 2012, 8
- NJW-RR 2012, 647-648
In der Familiensache betreffend Ehescheidung, Unterhalt und Versorgungsausgleich Beteiligte: 1. M... M..., . G..., Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin R...K..., . O..., 2. T... M..., geb. H..., B..., Antragsteller und Beschwerdegegner, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte B... . B..., 3. L...,D... 4. D..., B hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 2.12.2011 am 16.12.2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Amtsgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 1.8.2011 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Iburg aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung sowie Herstellung des Verbundes an das Amtsgericht - Familiengericht Bad Iburg, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden hat, zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.) Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Scheidung ihrer Ehe, da das Amtsgericht den von ihr eingereichten Antrag zum nachehelichen Unterhalt nicht als Folgesache im Rahmen des Verbundes behandelt habe.
Nachdem das Amtsgericht am 1.7.2011 Termin zur mündlichen Verhandlung in der Ehesache auf den 1.8.2011 bestimmt hatte, ist die Ladung der Vertreterin der Antragsgegnerin am 11.7.2011 zugegangen. Mit am 15.7.2011 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin beantragt, ihr Verfahrenskostenhilfe für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistung von nachehelichem Unterhalt zu bewilligen. Im Termin vom 1.8.2011 hat das Amtsgericht auf seine Rechtsansicht zur Frage der Anhängigkeit von Folgesachen hingewiesen und mit dem noch am selben Tag verkündeten Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden sowie den Versorgungsausgleich durchgeführt. Eine Befassung mit dem den Unterhalt betreffenden Antrag hat es abgelehnt, weil es hierfür an der erforderlichen Anhängigkeit der Folgesache fehle.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erstrebt. Sie meint, es sei ausreichend innerhalb der Frist des § 137 Abs. 2 FamFG Verfahrenskostenhilfe für eine Folgesache zu beantragen.
II.) Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht. Denn der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Unterhaltsanspruch gehört als Folgesache in den Verbund (§ 137 Abs. 2 Ziffer 2 FamF), so dass über ihn und das Scheidungsbegehren einheitlich zu entscheiden gewesen wäre (§ 142 Abs. 1 FamFG), weshalb die angefochtene Entscheidung eine unzulässige Teilentscheidung darstellt, die gemäߧ§ 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 Ziffer 7 ZPO ihre Aufhebung rechtfertigt.
Ob die rechtzeitige Einreichung eines Verfahrenskostenhilfeantrages zur Wahrung der Frist des § 137 Abs. 2 FamFG ausreichend ist, ist in der Literatur umstritten (ablehnend z.B. Keidel/Weber, FamFG, 17. Aufl., § 137 Rn. 16; zustimmend z.B. Prütting/Helms. FamFG, 2. Aufl., § 137 Rn. 50, jeweils mit weiteren Nachweisen). In der Rechtsprechung scheint sich dagegen die Auffassung durchzusetzen, dass die genannte Frist durch fristgerechte Einreichung eines formal ordnungsgemäßen Verfahrenskostenhilfeantrages gewahrt ist (vgl. OLG Bamberg FamFR 2011, 164; OLG Hamm vom 17.10.2011 zum AZ 6 UF 144/11).
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der isolierte Verfahrenskostenhilfeantrag schon zur Anhängigkeit der Folgesache im Sinne des § 137 Abs. 2 FamFG führt. Die Anhängigkeit tritt im Verfahren betreffend eine Ehe- oder Familienstreitsache im Allgemeinen erst ein, wenn ein anwaltlicher Schriftsatz, mit dem der Anspruch verfolgt wird, beim Gericht eingegangen ist. Das ist bei einem isolierten Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen solchen Antrag noch nicht der Fall (so z.B.: Keuter NJW 2009, 276 [OLG Koblenz 29.05.2008 - 7 UF 812/07]). Die Vorschrift des § 137 FamFG ist jedoch auslegungsbedürftig. Insbesondere ist sie an höherrangigem Recht zu messen.
Die Norm dient ausweislich des in der Gesetzesbegründung erkennbar gewordenen Willens des Gesetzgebers einerseits dazu, Verzögerungen durch missbräuchliches Anhängigmachen von Scheidungsfolgesachen erst im Termin zur mündlichen Verhandlung zu verhindern (BT-Drs 16/6308 S. 374). Da eine Vorbereitung des Gerichts auf den Termin dann nicht mehr möglich war, wenn Folgeanträge erst sehr kurzfristig gestellt wurden, führte dies zumeist zu Verzögerungen, denen entgegen gewirkt werden sollte.
Andererseits gilt das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung bedürftiger und nicht bedürftiger Beteiligter. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die verfahrensmäßige Situation von bedürftigen Beteiligten derjenigen, die in der Lage sind, die Verfahrenskosten selbst zu tragen, weitgehend anzupassen (BVerfGE 78, 104 [BVerfG 26.04.1988 - 1 BvL 84/86]).
Würde die Einreichung eines Verfahrenskostenhilfeantrages vor Ablauf der Frist des § 137 Abs. 2 FamFG nicht ausreichen, um das Begehren im Verbund mit der Ehesache geltend machen zu können, würde die bedürftige Partei jedoch erheblich schlechter gestellt, als die nicht bedürftige. Denn sie wäre gehalten, ihren Antrag weit vorher zu stellen, um eine Entscheidung des Gerichts über den Verfahrenskostenhilfeantrag zu bewirken, wobei dieses seinerseits in der Lage wäre, die Herstellung des Verbundes durch schnellere oder weniger zügige Erledigung zu steuern.
Da es aber keinen sachlichen Grund für einer derartige Benachteiligung bedürftiger Beteiligter gibt und der genannte Zweck der Norm eine derartig unterschiedliche Behandlung gleichfalls nicht gebietet, weil das Gericht den Verfahrenskostenhilfeantrag in seine Vorbereitung auf den Termin ebenso einbeziehen kann wie den Antrag in der Hauptsache selbst, ist die Norm in verfassungskonformer Auslegung dahin zu verstehen, dass das Anhängigmachen eines formal ordnungsgemäßen Verfahrenskostenhilfeantrages zur Wahrung der Frist des § 137 Abs. 2 FamFG ausreichend ist.
Weil die Frist somit unter Berücksichtigung des Eingangs des Antrages am 15.7.2011 gewahrt ist, und weil der Verfahrenskostenhilfeantrag auch formal ordnungsgemäß ist, hätte das Amtsgericht gegebenenfalls nach Vertagung (vgl. Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl., § 137 Rn. 50) auch über den nachehelichen Unterhalt entscheiden müssen, weshalb die angefochtene Entscheidung aufzuheben und zur Wiederherstellung des Verbundes an das Amtsgericht zurückzuverweisen war.
Eine Kostenentscheidung für die Beschwerdeinstanz konnte noch nicht getroffen werden, so dass diese durch das Amtsgericht nachzuholen sein wird.
Da die angesprochene Rechtsfrage noch nicht abschließend geklärt ist und die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, war gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG die Rechtsbeschwerde zuzulassen.