Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.10.1994, Az.: 7 W 37/94
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.10.1994
- Aktenzeichen
- 7 W 37/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 25353
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1994:1021.7W37.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 04.05.1994 - AZ: 2 O 98/94
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 04.05.1994 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen,
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt bis 7. 500 DM.
Tatbestand:
I.
Die Antragstellerin begehrt Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs im Wege der Stufenklage, zunächst zur Verurteilung des Antragsgegners zur Wertermittlung und. Auskunft.
Die am 02.07.1912 geb. Antragstellerin war verheiratet mit dem am 23.09.1973 verstorbenen . Aus dieser Ehe sind der am 23.06.1950 geborene Antragsgegner sowie drei Töchter hervorgegangen.
Der Erblasser war Eigentümer eines 96,44 ha großen Hofes in . eingetragen im Grundbuch von . Band . Blatt . Am 09.02.1953 wurde er gezwungen, den Hof zu verlassen. Die Besitzung wurde in eine LPG eingegliedert und 1955 in Staatseigentum der damaligen DDR überführt.
Der Erblasser war zudem Eigentümer eines 22,94.49 ha großen Ehegattenhofes, eingetragen im Grundbuch von . Band . Blatt ., bezüglich dessen die Antragstellerin gemäß gemeinschaftlichen Erbscheins und Hoffolgezeugnisses des AG Holzminden vom 07.01.1974 Hofesvorerbin wurde und den sie im Wege vorweggenommener Erbfolge gemäß notarieller Urkunde vom 20.05.1986 an den Antragsgegner übertrug, nachdem die drei Töchter durch notarielle Erklärungen vom 11.07.1985 auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtet hatten. Die Antragstellerin erhielt ein Altenteil ausgesetzt.
Hinsichtlich des hoffreien Vermögens wies der vorgenannte Erbschein vom 07.01.1974 die Antragstellerin als Erbin zu 1/2, die vier Kinder als Erben zu je 1/8 aus.
1989 fand sich ein handschriftliches "Testament" des Erblassers, mit dem er dem Antragsgegner seinen in . gelegenen Hof als alleinigen Erben überschrieb. Daraufhin beantragte der Antragsgegner die Einziehung des Erbscheins vom 07.01.1974 mit dem Antrag, einen neuen Erbschein des Inhalts zu erteilen, daß er alleiniger Erbe des hoffreien Vermögens seines Vaters geworden sei. Am 05.12.1990 wurde diesem Antrag entsprochen.
Gemäß Bescheid des Landratsamtes . vom 10.05.1991 erhielt der Antragsgegner in Ausführung des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen den in . gelegenen Hof nahezu vollständig (96.29.38 ha) rückübertragen.
Die Antragstellerin machte nunmehr Pflichtteilsansprüche gegen ihren Sohn geltend, die dieser jedoch zurückwies. Die Antragstellerin stellte daraufhin Prozeßkostenhilfeantrag für eine entsprechende Feststellungsklage. Die beantragte Prozeßkostenhilfe wurde ihr zunächst vom Landgericht Hildesheim (Az. 2 O 434/91) versagt. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde wurde durch Beschluß des Senates vom 01.07.1992 (Az. 7 W 16/92) zurückgewiesen mit der Begründung, daß ihr ein einfacherer Weg als die Feststellungsklage zur Erreichung ihres Ziels zur Verfügung stehe, nämlich ihren Auskunfts- und Pflichtteilsanspruch im Wege der Stufenklage zu verfolgen.
Aufgrund der Entscheidung des Senats einigten sich die Parteien schließlich auf einen Sachverständigen zur Erstellung eines Wertgutachtens, das am 22.05.1993 im Auftrag des Antragsgegners erstellt wurde. Der Sachverständige . ermittelte für den Bewertungsstichtag 23.03.1973 (richtigt: 23.09.1973) einen Gesamtwert von 207.692 Ost-Mark, wobei er den seinerzeit bestehenden beschränkten Grundstücksmarkt der ehemaligen DDR zugrundelegte.
Die Antragstellerin war mit diesem Gutachten nicht einverstanden und forderte ihren Sohn auf, ein Gutachten auf, der Basis des Immobilienmarktes in der alten Bundesrepublik mit Rückrechnung auf den Todestag des Erblassers erstellen zu lassen. Der Antragsgegner lehnte dies ab.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, das Gutachten . sei als Grundlage zur Ermittlung der Höhe ihres Pflichtteilsanspruchs unbrauchbar und erfülle daher ihren Wertermittlungsanspruch nicht. Der Sachverständige habe fehlsam lediglich eine Wertermittlungsmethode zugrunde gelegt, die zudem nach der Rechtsprechung des BGH überhaupt nicht in Betracht komme.
Der Antragsgegner hat gemeint, Pflichtteilsansprüche seiner Mutter seien ohnehin verjährt. Hilfsweise hat er sich darauf berufen, durch das Gutachten . ihren Wertermittlungsanspruch erfüllt zu haben. Weiter hilfsweise hat er sich darauf berufen, daß die Antragstellerin das Inventar des Ehegattenhofes verkauft und den Erlös für sich vereinnahmt habe.
Das Landgericht hat die beantragte Prozeßkostenhilfe versagt und dies damit begründet, daß der Antragsgegner mit dem Sachverständigengutachten . den Wertermittlungsanspruch der Antragstellerin erfüllt habe, denn Zweck der Auskunft sei die Offenlegung der Berechnungsfaktoren. Dies sei geschehen. Die Antragstellerin sei in der Lage, anhand dieser Faktoren unter Anwendung einer anderen Berechnungsmethode die Höhe ihres Pflichtteilsanspruchs zu errechnen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Im Beschwerdeverfahren wiederholen beide Seiten ihre Standpunkte.
Gründe
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die von ihr beantragte Prozeßkostenhilfe zu Recht wegen mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung versagt.
Der Antragstellerin steht ein nicht verjährter Pflichtteilsanspruch gegen den Antragsgegner sowie der Vorgeschaltete Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 BGB grundsätzlich zu. Letzterer ist jedoch von dem Antragsgegner durch Vorlage des Sachverständigengutachtens . erfüllt worden. Die Antragstellerin ist aufgrund dieses Gutachtens in der Lage, ihre Pflichtteilsansprüche der Höhe nach zu beziffern.
1. Die Antragstellerin ist gemäß § 23.03 Abs. 1 BGB pflichtteilsberechtigt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auf den vorliegenden Fall nicht das Recht der ehemaligen DDR gemäß den §§ 364 ff. ZGB anzuwenden. Der Fall ist vielmehr aufgrund des BGB zu entscheiden, denn der Erbfall trat bereits 1973 ein, also vor Inkrafttreten des DDR-ZGB am 01.01.1976. Eine Spaltung des Nachlasses dahin, daß der im Gebiet der früheren DDR gelegene Nachlaß dem dortigen Zivilgesetzbuch unterworfen wäre, ist damit nicht eingetreten.
2. Der Pflichtteilsanspruch der Antragstellerin ist auch nicht verjährt. Der Senat hat in seiner Beschwerdeentscheidung in dem Verfahren zwischen den Parteien 7 W 1.6/9.2 vom 01.07.1992 bereits ausgeführt, daß die Verjährung möglicher Pflichtteilsansprüche in entsprechender Anwendung des Rechtsgedanken des § 203 Abs. 2 BGB zumindest bis zum 3. Oktober 1990, der deutschen Wiedervereinigung, aufgrund der vormaligen politischen Verhältnisse auf dem Gebiet der ehemaligen DDR als gehemmt anzusehen ist, da Erbansprüche aufgrund der damaligen politischen Situation faktisch nicht durchsetzbar waren. Von dieser Auffassung abzuweichen, besteht kein Anlaß.
Nach dem 03.10.1990 wurde die Verjährung zunächst zwar nicht durch das Vorverfahren 2 O 434/91 LG Hildesheim unterbrochen, da Prozeßkostenhilfe in diesem Verfahren nicht bewilligt wurde, die Verjährung war jedoch vom 13.12.1991 bis 01.07.1992 gehemmt.
Zusätzlich ist die Verjährung vor Einleitung des vorliegenden Verfahrens unterbrochen worden gemäß § 208 BGB, denn der Antragsgegner hat den Auskunftsanspruch der Antragstellerin grundsätzlich anerkannt. Ein solches Anerkenntnis liegt in der Regel schon in der Beauftragung eines Sachverständigen mit der Wertermittlung und Übermittlung dieses Gutachtens an den Gegner (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1411 [BGH 10.06.1987 - IVa ZR 14/86]; BGH NJW 1975, 1409 [BGH 14.05.1975 - IV ZR 19/74] f). Ein derartiges Anerkenntnis ergibt sich aber auch eindeutig aus dem Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 06.04.1993 in dem Verfahren 2 O 434/91 LG Hildesheim (Bl. 97 d. BA), und zwar aus der dort gewählten Formulierung: "Insoweit ist auch der Antragsgegner nur auskunftspflichtig".
3. Der Wertermittlungsanspruch der Antragstellerin ist durch das Sachverständigengutachten . vom 22.05.1993 erfüllt.
Der BGH hat zwar in seiner Entscheidung in NJW 1993, 2176 f. [BGH 23.06.1993 - IV ZR 205/92] ausgeführt, daß für die Berechnung des Pflichtteils bei Rückerstattung eines Grundstücks dessen Wert in Geld im Zeitpunkt der Wiedererlangung des Eigentums zu schätzen und dieser Betrag unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Geldwert im Zeitpunkt des Erbfalls zurückzurechnen ist. Insoweit weicht die von dem Sachverständigen . angewandte Berechnungsmethode von den Vorgaben des BGH ab. Dies ist jedoch unschädlich. Bei Meinungsvielfalt über den zutreffenden Bewertungsansatz für eine Wertermittlung, die im übrigen zum Zeitpunkt der Erstattung des Sachverständigengutachens . bezüglich in der ehemaligen DDR gelegene Grundstücke so noch nicht bestand, erfüllt ein Gutachten den Anspruch des Berechtigten nur dann nicht, wenn es sich bei der Wertermittlung auf eine ganz bestimmte Methode beschränkt und dabei der Sachverständige die einschlägigen Befundtatsachen nur nach Maßgabe der von ihm bevorzugten Methode feststellt (OLG München NJW-RR 1988, 390 ff [OLG München 15.01.1988 - 14 U 572/87]). Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Sachverständigengutachten . versetzt die Antragstellerin ohne weiteres in die Lage, mittels einer anderen Berechnungsmethode die vermeintliche Höhe ihres Pflichtteilsanspruchs zu errechnen. Der Sachverständige hat die vorhandenen Ländereien dezidiert nach Größe aufgeführt, nach Nutzungsart und Bodenqualität im einzelnen beschriebenen sowie die Gebäude aufgelistet, Alter und Bauqualität im einzelnen erläutert pp und seinem Gutachten die notwendigen Unterlagen (Lagepläne, Lichtbilder pp.) beigefügt. Anhand dieser Daten des Gutachtens kann die Antragstellerin ohne besonderen Aufwand eigene Berechnungen anstellen bzw. anstellen lassen, welchen Wert die Besitzung zum Zeitpunkt der Rückführung nach dem Vermögensgesetz an den Antragsgegner hatte und auch anhand der bekannten Indexzahlen eine Rückrechnung auf den 23.09.1973 vornehmen. Hierzu bedarf es nicht einmal zwingend der Hinzuziehung eines eigenen Sachverständigen. Die Steigerungszahlen des Lebenserhaltungsindexes sind allgemein zugänglich. Die Quadratmeterpreise für landwirtschaftlich genutzte Flächen können bei den zuständigen öffentlichen Stellen erfragt werden. Auch für die Berechnung des Wertes von bebauten Grundstücken gibt es allgemein zugängliche Quellen.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.