Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 01.07.1992, Az.: 7 W 16/92

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.07.1992
Aktenzeichen
7 W 16/92
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 23331
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1992:0701.7W16.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 23.01.1992 - AZ: 2 O 434/91

Fundstelle

  • FamRZ 1993, 1497-1498 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht . den Richter am Oberlandesgericht . sowie den Richter am Amtsgericht . am 1. Juli 1992 beschlossen:

Tenor:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 23. Januar 1992 wird nach einem Beschwerdewert von bis zu 3. 600 DM zurückgewiesen.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klägerin allerdings hinsichtlich des hoffreien Vermögens ihres am 23. März 1973 in . verstorbenen Ehemannes, des Landwirtes . gegenüber dem Antragsgegner pflichtteilsberechtigt (§ 2303 Abs. 1 BGB).

3

Durch das Testament ihres verstorbenen Ehemannes vom 1. Juni 1970 wurde die Antragstellerin nämlich von der Erbfolge an dem im Grundbuch von . Blatt 165 bis 167 eingetragenen hoffreien landwirtschaftlichen Grundbesitz zur Größe von 96.44.23 ha ausgeschlossen. Die als "Testament" bezeichnete handschriftliche Verfügung des Erblassers vom 1. Juni 1970 stellt sich nicht lediglich als Vermächtnis i. S. von § 2087 Abs. 2 BGB dar, auch wenn sie nur die Zuwendung des Hofes in . an den Antragsgegner beinhaltet. Diese Vorschrift enthält lediglich eine allgemeine, widerlegbare Auslegungsregel. Es entspricht dabei gefestigter Rechtsprechung, daß das Wertverhältnis eines zugewendeten Einzelgegenstandes zum Nachlaß für eine Erbeinsetzung sprechen kann, insbesondere wenn ein Grundstück seinem Wert nach einen wesentlichen Teil des Nachlasses bildet, spricht dies für Erbeinsetzung (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 49. Aufl. § 2087 Anm. 2 b m.w.N.).

4

Bereits angesichts der Größe des landwirtschaftlichen Anwesens in . ist somit davon auszugehen, daß dieses einen ganz wesentlichen Teil des Nachlasses bildete und somit seitens des Erblassers eine Erbeinsetzung gewollt war, wie auch bereits der letztwilligen Verfügung selbst zu entnehmen ist, die der Erblasser ausdrücklich als Testament bezeichnet hat.

5

Diese Wertung hat auch das Landwirtschaftsgericht Holzminden in seinem Beschluß vom 5. Dezember 1990 (7 LwH 44/73) vorgenommen.

6

Da die Antragstellerin durch das Testament vom 1. Juni 1970 von der Erbfolge bzgl. des Grundbesitzes in . ausgeschlossen worden ist, bestehen gemäß § 2303 Abs. 1 BGB dem Grunde nach Pflichtteilsansprüche gegenüber dem Antragsgegner als durch das Testament allein Begünstigtem.

7

2. Diese sind entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht verjährt.

8

In entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 203 Abs. 2 BGB ist die Verjährung möglicher Pflichtteilsansprüche zumindest bis zum 3. Oktober 1990, der deutschen Wiedervereinigung, aufgrund der vormaligen politischen Verhältnisse auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nämlich als gehemmt anzusehen (vgl. Soergel-Walter, BGB, 12. Aufl. § 203 Rdnr. 5 m.w.N.), da Erbansprüche aufgrund der damaligen politischen Situation fraktisch nicht durchsetzbar waren.

9

3. Pflichtteilsansprüchen der Antragstellerin steht schließlich auch nicht der Umstand entgegen, daß dem Antragsgegner das Eigentum am landwirtschaftlichen Grundbesitz seines Vaters durch Bescheid des Landratsamts . vom 10. Mai 1991 gemäß § 3 Vermögensgesetz übertragen wurde.

10

Gemäß § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB ist für die Pflichtteilsberechnung auf den Bestand und den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls abzustellen. Zwar wurde der Grundbesitz des Erblassers in . bereits im Jahre 1955 in der ehemaligen DDR in sogenanntes Volkseigentum übergeführt, so daß die Eigentums Stellung des Erblassers in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 2313 BGB lediglich als aufschiebend bedingtes Recht anzusehen ist.

11

Im Falle des Bedingungseintritts hat dann allerdings eine der veränderten Rechtslage entsprechende Ausgleichung gemäß § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB zu erfolgen. Die Verabschiedung des Vermögensgesetzes stellt ein von den Beteiligten nicht abhängendes Ereignis dar, von dem der Erbe ebenso wie im Fall des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung nicht einseitig profitieren kann. Sofern sich die Pflichtteilsberechtigung aus § 2303 BGB ergibt, folgt hieraus ein nachträglicher Ausgleichsanspruch aus der entsprechenden Anwendung des § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB (vgl. Wasmuth, DNotZ 92, 3, 16, 17).

12

4. Für den angekündigten Feststellungsantrag fehlt der Antragstellerin jedoch das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

13

Dieses ist regelmäßig zu verneinen, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen, insbesondere dann, wenn eine Klage auf fällige Leistung möglich ist (vgl. Thomas-Putzo ZPO, 15. Aufl. § 256 Anm. 5 d).

14

Gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB steht der Antragstellerin gegenüber ihrem Sohn als auskunftspflichtigem Erben jedoch zunächst ein Anspruch dahingehend zu, daß dieser den Wert des Nachlaßgegenstandes zu ermitteln und der Antragstellerin mitzuteilen hat.

15

Diese Wertermittlung wird nicht einfach sein, zumal auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Todesfalles abzustellen und darüber hinaus zu berücksichtigen sein wird, daß der Grundbesitz im Jahre 1970 enteignet war und sich die Rechtsstellung des Erblassers seinerzeit somit lediglich als aufschiebend bedingtes Recht darstellte. Sie ist jedoch -; zumindest mit Hilfe eines Sachverständigen -; dem Antragsgegner möglich, da auch Urkunden noch aus der Nachkriegszeit vorhanden sind, so etwa der Auszug aus dem Liegenschaftsbuch des Katasteramtes . vom 9. Februar 1946.

16

Der Antragstellerin steht somit der -; einfachere -; Weg zur Verfügung, ihren Auskunfts- und Pflichtteilsanspruch im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) zu verfolgen und hierdurch zugleich auch die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs zu unterbrechen (vgl. Palandt-Edenhofer BGB, 49. Aufl. § 2314 Anm. 3).

17

Auch für den Hilfsantrag konnte der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden, da ihre Angaben zum Hofeswert bislang ersichtlich reine Mutmaßungen darstellen, die keine Entscheidungsgrundlage für einen Zahlungsanspruch darstellen können.