Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 01.02.2000, Az.: 12 UF 189/99
Unterhalt; Kindesunterhalt; Unterhaltsanspruch; Selbstbehalt; Mutter; Nichtehelich; Nichteheliches Kind
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 01.02.2000
- Aktenzeichen
- 12 UF 189/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21326
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2000:0201.12UF189.99.0A
Rechtsgrundlage
- § 1615 S. 1 BGB
Fundstellen
- FamRZ 2000, 1522 (red. Leitsatz)
- NJW-RR 2000, 1249 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2000, 169-170
Amtlicher Leitsatz
Zur Höhe des Selbstbehalts bei Unterhaltsansprüchen der Mutter eines nichtehelichen Kindes.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 24. September 1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts Familiengericht Meppen teilweise geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2. ab 1. 7. 1999 bis längstens zum 28. 2. 2002 monatlichen Unterhalt in Höhe von 650 DM jeweils im voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monat zu zahlen, die bis einschließlich Januar 2000 geschuldeten Beträge an die Gemeinde T. . . , ab Februar 2000 laufend an die Klägerin zu 2. . Im übrigen wird die Klage der Klägerin zu 2. abgewiesen.
Die Klägerin zu 2. trägt 1/6 der Gerichtskosten erster Instanz und 1/6 der erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Der Beklagte trägt 5/6 der erstinstanzlichen Gerichtskosten und 3/4 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. erster Instanz sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. voll. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin zu 2. auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: Gebührenstufe bis 2. 000 DM.
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1. hat den Beklagten auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen , die Klägerin zu 2. nimmt ihn als den Erzeuger ihrer am 2. 2. 1999 geborenen Tochter, der früheren Klägerin zu 1. , ebenfalls auf Unterhalt in Anspruch. Der Beklagte hat ab 1. 4. 1999 laufend monatlich 249 DM Unterhalt für die Klägerin zu 1. gezahlt und sich nach Rechtshängigkeit in vollstreckbarer Urkunde des Landkreises E. . . vom 9. 6. 1999 (272/1999) verpflichtet, für diese ab 1. 7. 1999 Unterhalt in Höhe von 107, 1 % des jeweiligen Regelbetrages abzüglich der Hälfte des Kindergeldes zu zahlen. Die Klägerin zu 1. und der Beklagte haben den Rechtsstreit daraufhin übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Die Klägerin zu 2. hat ein weiteres, 1993 geborenes nichteheliches Kind. Sie war fünf Jahre lang mit dem Beklagten eng befreundet. Sie ist seit Oktober 1997 arbeitslos und hat bis einschließlich März 1999 Arbeitslosengeld erhalten. Der Beklagte hat ab Oktober 1998 den elterlichen Hof zur Größe von rund 30 ha gepachtet, den er selbständig bewirtschaftet.
Die Klägerin zu 2. hat ausgeführt: Sie habe den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 8. Februar 1999 vergeblich zur Unterhaltszahlung aufgefordert. Von ihr könne wegen der Betreuung der Klägerin zu 1. eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden. Ab April 1999 habe sie keine eigenen Einkünfte mehr. Der Beklagte erziele Einkünfte aus der Bewirtschaftung des Hofes und aus einer Nebentätigkeit als "Hähnchenfänger".
Die Klägerin zu 2. hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie ab 31. 3. 1999 fortlaufend bis längstens zum 1. 4. 2002 monatlichen Unterhalt in Höhe von 650 DM im voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage der Klägerin zu 2. abzuweisen.
Er hat ausgeführt: Die Klägerin zu 2. müsse sich das Arbeitslosengeld und das Erziehungsgeld auf ihren Anspruch anrechnen lassen. Er sei nicht leistungsfähig. In der Zeit von Oktober 1998 bis einschließlich Juni 1999 habe er einen Verlust von gut 31. 000 DM erlitten. Die Kartoffelernte sei durch Nässe im wesentlichen vernichtet worden und die Erzeugerpreise für Schweine und Rindfleisch und die Milchpreise seien rückläufig gewesen. Er erziele keine Nebeneinkünfte, da er durch die Bewirtschaftung des Hofes voll ausgelastet sei. Er könne den Hof, der seit mehreren Generationen in der Familie sei, den sein Vater aus Altersgründen nicht mehr bewirtschaften könne und den er langfristig gepachtet habe, nicht aufgeben. Er werde im Haushalt seiner Eltern mitverköstigt. Als landwirtschaftlicher Arbeiter könne er allenfalls 1. 800 DM netto monatlich verdienen.
Das AmtsgerichtFamiliengericht Meppen hat den Beklagten durch das am 24. September 1999 verkündete Urteil zur Zahlung "rückständigen" Unterhalts für die Klägerin zu 2. in Höhe von 3. 900 DM für die Zeit vom 1. 4. 1999 bis 30. 9. 1999 an die Gemeinde T. . . und laufenden Unterhalts in Höhe von monatlich 650 DM ab 1. 10. 1999 an die Klägerin zu 2. jeweils im voraus bis zum 3. Werktag eines Monats verurteilt. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner form und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er führt ergänzend aus: Im Wirtschaftsjahr 1999/2000 zeichne sich eine leichte Besserung ab. Er führt ergänzend dazu aus, weshalb er sich entschlossen habe, den väterlichen Hof zu übernehmen. Er macht geltend, daß er bei Abschluß des Pachtvertrages noch nichts von der Schwangerschaft der Klägerin zu 2. gewußt habe und die Beziehung bereits im Juli 1998 beendet worden sei. Es sei ihm schon wegen der erheblichen Hofschulden, welche er übernommen habe, nicht möglich gewesen, die Klägerin zu 2. aus Darlehen zu unterhalten; eine weitere Verschuldung sei nicht zumutbar gewesen.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil dahin zu ändern, daß er verurteilt wird, an die Klägerin zu 2. für die Zeit vom 1. 7. 1999 bis längstens zum 28. 2. 2002 monatlich im voraus spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Monats Unterhalt in Höhe von 650 DM zu zahlen, und zwar die bis zum 31. 1. 2000 geschuldeten Beträge an die Gemeinde T. . . als Sozialhilfeträger, den laufenden Unterhalt ab Februar 2000 an die Klägerin zu 2.
Die Klägerin zu 2. beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die bis zum 31. 1. 2000 DM geschuldeten Beträge an das Sozialamt der Gemeinde T. . . zu zahlen sind.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie tritt der Berufung entgegen.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Der Klägerin zu 2. bzw. der Gemeinde T. . . im Umfange des Anspruchsüberganges gemäß § 91 Abs. 2 BSHG steht gegen den Beklagten nur für den mit der Berufung nicht angegriffenen Zeitraum vom 1. Juli 1999 bis längstens zum 28. Februar 2002 ein Anspruch auf Unterhalt gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Denn der Beklagte hatte vom Antritt der Pacht im Oktober 1998 bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 1998/1999 mit dem Monat Juni 1999 ein so geringes Einkommen, daß er unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen - u. a. der Unterhaltspflicht gegenüber der gemäß §§ 1615 l Abs. 3 Satz 3, 1609 BGB vorrangigen Klägerin zu 1. gegenüber - bis einschließlich Juni 1999 außerstande war, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts, der gegenüber dem Anspruch aus § 1615 l BGB mindestens 1. 800 DM beträgt ( vgl. Palandt/Diederichsen, 59. Aufl. , § 1615 l BGB Rn. 13) der Klägerin zu 2. Unterhalt zu gewähren. Das ergibt sich aus der vorgelegten Gewinn und Verlustrechnung des Beklagten für diesen Zeitraum, selbst wenn man diese unterhaltsrechtlich um Abschreibungsbeträge bereinigt, und aus den mit der Berufung vorgelegten Nachweisen über seine sonstigen Schuldverpflichtungen, . Daß der Beklagte im Herbst 1998 erhebliche Ernteausfälle hatte, ist ohne weiteres glaubhaft, da die extremen Witterungsbedingungen im Jahre 1998 gerichtsbekannt sind. Er war der Klägerin zu 2. somit für die Monate April bis einschließlich Juni 1999 daher mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig (§ 1603 Abs. 1 BGB).
Der Beklagte kann unter den gegebenen Umständen nicht darauf verwiesen werden, daß er hätte Kredite aufnehmen müssen, um der Klägerin zu 2. Unterhalt leisten zu können. Ebensowenig kann ihm angesonnen werden, den erst ab Oktober 1998 pachtweise langfristig übernommenen elterlichen Hof aufzugeben und in abhängiger Stellung in der Landwirtschaft tätig zu sein. Schon im Hinblick darauf, daß er unstreitig zu dem Zeitpunkt, als er den Pachtvertrag abschloß, von der Schwangerschaft der Klägerin zu 2. und den auf ihn zukommenden Unterhaltsverpflichtungen noch nichts wußte, war er nicht etwa wie ein Familienvater, der sich selbständig macht, dazu verpflichtet, den Schritt in die Selbständigkeit unterhaltsrechtlich durch Kredite zu überbrücken. Ihm war schon gar nicht im Hinblick auf seine Unterhaltsverpflichtung der Klägerin zu 2. gegenüber gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB zuzumuten, von der Bewirtschaftung des gepachteten elterlichen Hofes Abstand zu nehmen und eine Tätigkeit in abhängiger Stellung zu übernehmen, um ein für die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung ausreichendes Einkommen zu erzielen, zumal die Unterhaltsverpflichtung aus § 1615 l BGB nicht derjenigen gegenüber dem Ehegatten oder dem geschiedenen Ehegatten, die auf der ehelichen Solidarität beruht, gleichzuachten ist.
Der Beklagte war schließlich auch nicht verpflichtet, neben der ihn voll in Anspruch nehmenden Bewirtschaftung des Hofes einer Nebenbeschäftigung nachzugehen, um seiner Unterhaltsverpflichtung der Klägerin zu 2. gegenüber genügen zu können.
Die Berufung ist auch begründet, soweit das erstinstanzliche Gericht den Unterhaltsanspruch - bei richtiger Auslegung des in der mündlichen Verhandlung vom 10. 9. 1999 gestellten Klageantrages über diesen hinausgehend zeitlich unbefristet über die Dreijahresfrist des § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB hinaus zuerkannt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen.