Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 10.02.2000, Az.: 8 U 187/99

Haftung des alleinigen Gesellschafters einer GmbH für den von der GmbH geschuldeten Restwerklohn aufgrund des Vorliegens einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung; Erbringung der Werkleistung auf einem dem Gesellschafter gehörenden Grundstück; Auftreten der GmbH als Werkauftraggeber zur Vermeidung direkter vertraglicher Beziehungen zwischen dem Werkunternehmer und dem Gesellschafter; Wiederbelebung einer im Liquidationsstadium befindlichen GmbH zur Minderung der Haftungsrisiken gegenüber dem Werkunternehmer; Versuch einer Haftungsabschirmung des Gesellschafters durch die Wiederbelebung einer GmbH

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
10.02.2000
Aktenzeichen
8 U 187/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 32096
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2000:0210.8U187.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 30.07.1999 - AZ: 4 O 653/97

Fundstellen

  • DStZ 2000, 427 (Kurzinformation)
  • GmbHR 2000, 720 (amtl. Leitsatz)
  • IBR 2000, 530
  • NZG 2000, 555-558
  • OLGReport Gerichtsort 2000, 171-174

In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2000
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 30. Juli 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Juli 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 611.800,00 DM nebst 4% Zinsen auf 409.400,00 DM seit dem 14. März 1996 und auf 202.400,00 DM seit dem 26. März 1996 zu zahlen.

Im übrigen bleiben Klage und Widerklage abgewiesen.

Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zu der Herausgabe von Bürgschaftsurkunden fordert.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Beklagte.

Der Kläger trägt vorab die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Landgerichts Leipzig entstandenen Mehrkosten.

Die Kosten der ersten Instanz im übrigen tragen der Kläger zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5; die außergeichtlichen Auslagen der Streithelferin in der ersten Instanz tragen der Kläger zu 1/4 und diese selbst zu 3/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 800.00,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt für den Beklagten 60.000,00 DM, für den Kläger übersteigt er diesen Betrag nicht.

Tatbestand

1

Der Kläger, der ein Ingenieur- und Planungsbüro betreibt, und die Firma S... B... GmbH (im folgenden: GmbH), deren alleiniger Gesellschafter der Beklagte war, schlossen am 17. Mai 1995 einen Generalübernehmervertrag, durch den sich der Kläger verpflichtete, den Neubau eines S...-L... schlüsselfertig und funktionstüchtig zu einem Festpreis von 3,52 Mio. DM zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer herzustellen. Den Generalübernehmervertrag hat der Beklagte unter Beifügung eines Stempels der GmbH unterschrieben; alleinige Geschäftsführerin der GmbH war zu diesem Zeitpunkt Frau D... S..., die Ehefrau des Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der GmbH wird auf die Vertragsurkunde Bezug genommen. Der Beklagte wurde am 7. September 1995 als Eigentümer des zu bebauenden Grundstücks in M... im Grundbuch eingetragen; er hat das Grundstück am 12. Dezember 1995 nach Errichtung des Bauwerks veräußert.

2

Der Kläger hat das Bauvorhaben erstellt; der vereinbarte Festpreis ist bis auf den mit der Klage geltend gemachten Restbetrag von 611.800,00 DM gezahlt. Die GmbH, die frühere Beklagte zu 1) dieses Rechtsstreits, ist durch das am 26. Februar 1997 verkündete rechtskräftige Teil- und Schlußurteil des Landgerichts Leipzig zur Zahlung des Betrages von 611.800,00 DM zzgl. Zinsen an den Kläger verurteilt worden. Wegen der Einzelheiten von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

3

Der Kläger nimmt den Beklagten für die Verbindlichkeiten der GmbH im Wege des Haftungsdurchgriffs, der Haftung im GmbH-Konzern, der materiellen Unterkapitalisierung sowie aufgrund Delikts in Anspruch. Er behauptet, der Beklagte als Bauherr habe die GmbH im Vertragsverhältnis zu dem Kläger nur deshalb zwischengeschaltet, um rechtsmißbräuchlich Haftungsrisiken zu verringern. Die GmbH, die - unstreitig - nur ein haftendes Kapital von 50.000,00 DM aufwies, habe nicht über die Mittel verfügt, die Leistungen des Klägers und anderer Architekten und Bauhandwerker zu bezahlen; diese Mittel seien ihr ausschließlich vom Kläger zwecks Weiterleitung an ihre Gläubiger zur Verfügung gestellt worden. Die GmbH sei in die von dem Beklagten beherrschte "Firmengruppe S..." eingegliedert gewesen. Das mißbräuchliche Vorgehen des Beklagten belege weiter der Umstand, daß er - wie wiederum unstreitig ist - mit Vertrag vom 26. Februar 1996 seinen Geschäftsanteil zum Kaufpreis von 1,00 DM an Herrn Reno U... veräußert habe. Dieser sei zum neuen Geschäftsführer berufen worden, habe den Sitz der Gesellschaft von S... nach T... verlegt und deren Namen in S... T...- und S... GmbH geändert. Die am 5. November 1996 beantragte Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens ist durch Beschluß des Amtsgerichts Magdeburg vom 29. September 1997 (Aktenzeichen: 37 N 767/96) mangels Masse abgelehnt worden, die GmbH ist sodann wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden.

4

Mit der Klage verlangt der Kläger die Bezahlung des restlichen Pauschalfestpreises gemäß der Rechnung vom 17. Mai 1995 über 207.000,00 DM und der Schlußrechnung vom 14. Februar 1996 über 404.800,00 DM, weiterhin die Vergütung von Mehrleistungen in Höhe von 225.308,90 DM gemäß Rechnung vom 8. März 1996.

5

Der Kläger hat zunächst Klage vor dem Landgericht Leipzig erhoben. Das die Klage gegen den Beklagten abweisende Teilurteil des Landgerichts Leipzig vom 30. Oktober 1996 ist durch Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. April 1997 aufgehoben worden, der Rechtsstreit ist an das örtlich zuständige Landgericht Aurich verwiesen worden.

6

Der Kläger hat Frau D... S... mit Schriftsatz vom 24. Juni 1998 den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit in erster Instanz auf Seiten des Beklagten beigetreten.

7

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, an ihn 837.108,90 DM zzgl. 10% Zinsen aus 207.000,00 DM seit dem 14. März 1996 und aus 630.108,90 DM seit dem 26. März 1996 zu zahlen,

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, das Bauvorhaben Wohn- und Geschäftshaus M..., ..., abzunehmen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

  1. 1.

    die Klage abzuweisen,

  2. 2.

    im Wege der Widerklage den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 378.159,50 DM nebst 4% Zinsen deit dem 19. Februar 1999 zu zahlen.

9

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

10

Die Streithelferin hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte hat eine persönliche Haftung in Abrede gestellt. Vertragliche Beziehungen zwischen ihm und dem Kläger bestünden nicht; die Voraussetzungen der von dem Kläger genannten Anspruchsgrundlagen seien nicht gegeben. Es fehle weiter am subjektiven Tatbestand.

12

Der Beklagte behauptet, die Bauleistungen des Klägers seien bislang nicht abgenommen worden. Das Bauwerk weise zahlreiche vom Kläger zu vertretende Mängel auf; wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 22. Februar 1999 und das im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Aurich vom 19. Februar 1999 vorgelegte Gutachten über Baumängel und Bauschäden Bezug genommen. Der Beklagte beruft sich wegen dieser Mängel auf ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Klageforderung; er behauptet, die GmbH habe ihm ihre Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Kläger im November 1995 abgetreten.

13

Weiter hat der Beklagte geltend gemacht, daß von der Werklohnforderung des Klägers gemäß § 5 Nr. 8 des Generalübernehmervertrages ein 5%iger Gewährleistungseinbehalt abzuziehen sei. Zwar habe der Kläger den Sicherheitseinbehalt gegenüber der GmbH durch Vorlage von Bürgschaften abgelöst; die Bürgschaftsurkunden entsprächen jedoch nicht den vertraglichen Vereinbarungen.

14

Der Kläger sei nicht berechtigt, Mehrleistungen abzurechnen.

15

Hilfsweise hat der Beklagte gegenüber der Klageforderung mit einem Betrag von 378.159,50 DM aufgerechnet. Der Kläger sei bei zwei weiteren Bauvorhaben, nämlich der Erstellung von Einkaufszentren in N...-S... und in S..., für ihn tätig gewesen. Diese Bauwerke wiesen Mängel in erheblichem Umfang auf, wofür der Kläger wegen der Verletzung der ihm obliegenden Pflicht zur Objektüberwachung hafte. Die Mängelbeseitigungskosten seien mit insgesamt 405.759,50 DM zu beziffern; abzusetzen sei eine Restwerklohnforderung des Klägers von 27.600,00 DM.

16

Wegen dieser Forderung hat der Beklagte außerdem Widerklage erhoben.

17

Der Kläger hat demgegenüber behauptet, seine Werkleistung beim Bauvorhaben in M... sei abgenommen worden. Das Vorhandensein von Mängeln hat er bestritten, ebenso die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen seitens der GmbH an den Kläger. Der Beklagte sei weiterhin nicht aktivlegitimiert, Mängelbeseitigungsansprüche aus den Bauvorhaben in N....-S... und S... geltend zu machen. Mängel seien auch dort nicht vorhanden, jedenfalls seien sie auf Ausführungsfehler, nicht aber auf Fehler bei der Bauaufsicht zurückzuführen.

18

Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen mit ihrem am 30. Juli 1999 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, den Beklagten zur Zahlung von 409.400,00 DM nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage und die Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat den Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Haftungsdurchgriffs für verpflichtet gehalten, den restlichen Festpreis an den Kläger zu zahlen, hat ihm aber zugebilligt, einen Betrag von 202.400,00 DM entsprechend dem Generalübernehmervertrag als Sicherheit einzubehalten. Gegenrechte des Beklagten hat das Landgericht im übrigen verneint.

19

Gegen dieses ihm am 6. August 1999 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 2. September 1999 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 4. Oktober 1999, einem Montag, begründet. Der Kläger, dem das angefochtene Urteil am 9. August 1999 zugestellt worden ist, hat am 9. September 1999 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach entsprechender Fristverlängerung am 9. November 1999 begründet.

20

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von 409.400,00 DM nebst Zinsen. Er macht geltend, die Voraussetzungen der vom Landgericht bejahten Durchgriffshaftung lägen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht vor. Ein Fall der Haftung im GmbH-Konzern sei ebensowenig gegeben.

21

Hilfsweise rechnet der Beklagte mit den Gegenforderungen aus den Bauvorhaben N...-S... und S... auf. Er behauptet, er persönlich, nicht die GmbH sei Vertragspartner des Klägers hinsichtlich dieser Bauvorhaben. Wegen der Einzelheiten des geltend gemachten Mängelbeseitigungsanspruchs wird auf Seite 16 - 27 der Berufungsbegründung Bezug genommen.

22

Schließlich beruft sich der Kläger weiterhin hilfsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf Mängel an dem Bauvorhaben in M.... Zum Beweis seiner Aktivlegitimation hat er die Ablichtung einer Abtretungsvereinbarung vom 15. November 1995 zwischen der von seiner Ehefrau vertretenen GmbH und ihm selbst vorgelegt. Wegen der Einzelheiten von Mängeln und Sanierungsaufwand wird auf Seite 28 - 37 der Berufungsbegründung Bezug genommen.

23

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

24

Der Beklagte beantragt,

  1. 1.

    die Berufung des Beklagten zurückzuweisen,

  2. 2.

    das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 202.400,00 DM nebst 10% Zinsen seit dem 14. März 1996 sowie 10% Zinsen auf die bereits vom Landgericht zuerkannten Beträge zu zahlen.

  3. 3.

    Den Beklagten im Wege der Klageerweiterung zu verurteilen, folgende Bürgschaftsurkunden herauszugeben:

    • Bürgschaft der V... O... e.G. vom 29.02.1996 über 4.456,32 DM.

    • Bürgschaft der K... L...-Z... vom 20.02.1996 über 9.513,13 DM.

    • Bürgschaft der V... O...e.G. vom 05.02.1966 über 7.996,93 DM.

    • Bürgschaft der K... B... vom 23.01.1996 über 15.068,81 DM.

    • Bürgschaft der R... H... e.G. vom 04.01.1996 über 3.916,39 DM.

    • Bürgschaft der W...-V... vom 08.12.1995 über 14.087,50 DM.

    • Bürgschaft der V... B... e.G. vom 08.03.1996 über 15.000,00 DM.

    • Bürgschaft der V...-Versicherung vom 05.09.1995 über 69.821,29 DM

      (Bürgschein).

    • Bürgschaft der D... B... AG, Filiale B... vom 23.04.1996 über 7.600,00 DM.

    • Bürgschaft der V...-V... vom 20.03.1996 über 20.638,00 DM (Bürgschein).

    • Bürgschaft der K... B... vom 19.03.1996 über 5.292,91 DM.

25

Der Beklagte beantragt,

  1. 1.

    die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

  2. 2.

    die Klage abzuweisen, soweit die Herausgabe der Bürgschaftsurkunden gefordert wird.

26

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Zusätzlich beruft er sich darauf, daß die Haftung des Beklagten auch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen folge. Der Beklagte habe das Bauvorhaben mit Kreditmitteln finanziert, diese aber nicht zweckgemäß zum Ausgleich der Bauforderungen verwandt. Die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen aus dem Bauvorhaben in M... seitens der GmbH an den Beklagten bestreitet er, ebenso die inhaltliche Richtigkeit der von dem Beklagten vorgelegten Ablichtung der Abtretungsvereinbarung.

27

Mit seiner eigenen Berufung verfolgt er die Auszahlung des Gewährleistungseinbehaltes. Er verweist darauf, daß die GmbH die Bürgschaften unbeanstandet entgegengenommen habe und daß sie inzwischen rechtskräftig zur Zahlung des Sicherheitseinbehaltes verurteilt worden sei. Weder die GmbH noch der Kläger seien zudem berechtigt, sowohl die Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes wie auch die Herausgabe der Bürgschaften zu verweigern. Deswegen habe er der GmbH und dem Beklagten eine Nachfrist gemäß § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B gesetzt, die fruchtlos verstrichen sei.

28

Hinsichtlich des Zinsanspruchs verweist der Kläger auf die von ihm vorgelegten Zinsbescheinigungen.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Parteien sind zulässig; in der Sache hat jedoch nur die Berufung des Klägers überwiegend Erfolg, diejenige des Beklagten ist nicht begründet.

31

I.

Berufung des Beklagten

32

1.)

Die Haftung des Beklagten für den dem Kläger von der GmbH geschuldeten Restwerklohn von 611.800,00 DM folgt aus § 826 BGB.

33

Die Rechtsprechung (vgl. BGH WM 1979, 229, 230; NJW-RR 1988, 1181, 1182 [BGH 25.04.1988 - II ZR 175/87]; WM 1996, 587, 528; vgl. weiter Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung 1998, § 826 Rdnr. 320; H.P. Westermann Jura 1980, 532 ff; OLG Karlsruhe WM 1978, 962, 965 ff) wendet § 826 BGB unter anderem auf die Fallgruppe an, daß Bauhandwerker oder Architekten ihre Werkleistungen auf Grundstücken erbringen, die den Gesellschaftern der auftraggebenden GmbH persönlich und nicht der Gesellschaft gehören. Diese Konstellation hat nämlich zur Folge, daß die Gesellschaftsgläubiger nicht auf die von ihnen geschaffenen Werte zugreifen können; sie ist zumeist dadurch gekennzeichnet, daß die Gesellschafter sich einseitig die Vorteile der Werkleistung zunutze machen, nicht aber die korrespondierende Verantwortung tragen. Regelmäßig ist die daran beteiligte GmbH hinsichtlich der Haftungsmasse so ausgestaltet, daß die einseitige Verfolgung der Interessen der Gesellschafter unmittelbar zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger ausschlägt. Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

Der Verstoß gegen die guten Sitten ergibt sich dabei aus den folgenden anhand des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat festgestellten Umständen:

35

Die GmbH ist deshalb als Auftraggeber des Klägers oder weiterer Bauhandwerker aufgetreten, um direkte vertragliche Beziehungen zwischen dem Beklagten bzw. der aus ihm und seiner Ehefrau bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts einerseits sowie Architekten und Bauhandwerkern andererseits nicht entstehen zu lassen. Dies folgt aus der Aussage des Betriebswirts R...-P... L..., der seit dem 1. Juli 1993 als "Bevollmächtigter für Unternehmensleitungsangelegenheiten" für den Beklagten tätig war. Diese Maßnahme hatte, so der Zeuge L... - ihren Grund darin, daß die bisherige Vorgehensweise, nämlich die Bauaufträge im Namen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder des Beklagten zu vergeben, zu risikoreich erschien. So sollte etwa durch die Zwischenschaltung der GmbH verhindert werden, daß Bauhandwerker - sofern ihr Werklohn nicht oder nur zum Teil bezahlt wurde - den Weiterverkauf der Grundstücke, aus dem der Beklagte als Grundstückseigentümer Gewinn zog, durch Eintragung von Sicherungshypotheken blockierten. Gleichzeitig konnten durch die Zwischenschaltung der GmbH, wie der Beklagte schriftsätzlich durchaus eingeräumt hat, seine Haftungsrisiken Gläubigern gegenüber gemindert werden.

36

Zu diesem Zweck hat der Beklagte eine Gesellschaft seiner Unternehmensgruppe, die ihre werbende Tätigkeit beendet hatte und sich offenbar noch im Liquidationsstadium befand, nämlich die Firma M... T...- und S... GmbH, wiederbelebt. Der Zeuge L... hat diesbezüglich von einem "Mantel" einer Gesellschaft gesprochen. Diese 1992 entstandene GmbH hatte spätestens Anfang 1994 ihre werbende Tätigkeit eingestellt; die Eintragung in der Handwerksrolle war gelöscht (Handelsregisterakte HRB 9378 AG Magdeburg, Bl. 18). Die Gesellschaft wurde nunmehr unter Änderung des Firmennamens, des Unternehmensgegenstandes und der Vertretungsverhältnisse in die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Beklagten und den bei seinen Bauvorhaben tätigen Architekten- und Bauhandwerkern eingeschaltet. Bestätigt werden die Angaben des Zeugen L... nicht nur durch den Inhalt der Handelsregisterakten, sondern auch durch die Aussage des Straßenbaumeisters U..., der bekundet hat, er sei bei der Firma M... T...- und S... im Februar 1994 ausgeschieden, nachdem diese Firma ihre Tätigkeit eingestellt hatte.

37

Die jetzt als "S... B... GmbH" firmierende Gesellschaft, deren Alleingesellschafter nach wie vor der Beklagte war, war mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM materiell erheblich unterkapitalisiert. Allein das Auftragsvolumen des Bauvorhabens M... betrug ausweislich des Generalübernehmervertrags mit dem Kläger 3.520.000,00 DM. Danach besteht ohne weiteres ein objektives Mißverhältnis zwischen erforderlichem und tatsächlichem Haftungskapital. Ein dem Gläubigerzugriff unterliegender Haftungsfonds war in nennenswertem Umfang nicht vorhanden. Den nach Art und Umfang der angestrebten und tatsächlichen Geschäftstätigkeit bestehenden mittel- oder langfristigen Finanzbedarf konnte sie selbst nicht decken; sie war davon abhängig, daß der Beklagte, ihr Alleingesellschafter, in dessen Interesse sie tätig war, ihr die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellte.

38

Die GmbH war organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in die geschäftliche Tätigkeit der aus mehreren anderen Gesellschaften bestehenden Unternehmensgruppe des Beklagten eingegliedert. Sie hatte keine eigenen Geschäftsräume und - bis auf gelegentlich einige Bauarbeiter - keine Mitarbeiter. Die Geschäftstätigkeit führten der Beklagten selbst und sein Bevollmächtigter L.... Dieser hat als Zeuge bekundet, die Geschäftsführerin der GmbH, die Ehefrau des Beklagten, habe mit der Geschäftstätigkeit der GmbH und insbesondere dem Generalübernehmervertrag mit dem Kläger nichts zu tun gehabt. Das stimmt überein mit der Aussage der Zeugin S...; sie hat bestätigt, mit den Aufgaben der Geschäftsführung der GmbH nicht befaßt gewesen zu sein.

39

Was die Tätigkeit der GmbH im Interesse des Beklagten anbetraf, so bestanden, wie der Zeuge L... bekundet hat, lediglich mündliche Vereinbarungen. Für das Bauvorhaben M... konnte er eine schriftliche Fixierung von Vereinbarungen sicher in Abrede stellen; hinsichtlich der anderen von der GmbH betreuten Bauvorhaben konnte er sich an schriftliche Verträge nicht erinnern. Es liegt auf der Hand, daß dies die Rechtsverfolgung und die Zwangsvollstreckung seitens der Gläubiger der GmbH wesentlich erschwert; die Pfändung etwa von Forderungen der GmbH gegen den Kläger wurde dadurch vereitelt. Auch eine Inanspruchnahme des Beklagten unter dem Gesichtspunkt eigenkapitalersetzender Gesellschafterhilfen wurde durch diese Handhabung wesentlich erschwert. Schließlich hatte es der Beklagte mangels schriftlich fixierter Vereinbarungen und mangels einer aktiv tätigen und die Interessen der Gesellschaft wahrnehmenden Geschäftsführung in der Hand, den Umfang seiner Verpflichtungen gegenüber der GmbH und die von ihm an sie zu leistenden Zahlungen selbst zu bestimmen. Die Liquidität der GmbH war von seinen Zahlungen abhängig.

40

Auf eine nachhaltige eigene Gewinnerzielung war die Baubetreuungs GmbH ersichtlich nicht angelegt; bei ihr liefen letztlich die Gelder lediglich durch. Auch das ergibt sich aus der Aussage des Zeugen L.... Eigentümer der von der GmbH zu bebauenden Objekte waren der Beklagte bzw. die S... GbR. Der Beklagte persönlich besorgte die für die Finanzierung der Bauvorhaben notwendigen Mittel per Kreditaufnahme. Die Kreditmittel wurden ihm persönlich zur Verfügung gestellt. Hatte die GmbH eine Rechnung zu bezahlen, so wurden die dem Beklagten zur Verfügung stehenden Kreditmittel auf ein Konto der GmbH umgebucht, damit diese die Forderung ausgleichen konnte. Auf diesem Wege hatte es der Beklagte in der Hand, die GmbH in die Lage zu versetzen, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen oder auch nicht.

41

Der Beklagte oder die S... GbR waren, wie ausgeführt, Eigentümer der von dem Kläger und anderen Bauhandwerkern aufgrund der Vereinbarungen mit der GmbH zu bebauenden Grundstücke. Die Zwischenschaltung der GmbH gab ihm die Möglichkeit, die durch die Bauleistungen in ihrem Wert erheblich gesteigerten Grundstücke gewinnbringend zu veräußern, und zwar ohne Rücksicht auf offene Werklohnforderungen, was mit der Zwischenschaltung der GmbH auch ausdrücklich bezweckt war. Gleichzeitig verschaffte ihm die Ausstattung der GmbH mit einem absolut unzureichenden Haftungsfonds die Möglichkeit, diese bei Bedarf zu liquidieren oder in Konkurs bzw. Gesamtvollstreckung geraten zu lassen. Infolge der nur zur GmbH bestehenden vertraglichen Beziehungen der Architekten und Handwerker war er dadurch - jedenfalls zunächst - gegen Haftungsrisiken abgeschirmt. Der Gewinn aus der Veräußerung der bebauten Grundstücke verblieb bei ihm; die GmbH hatte daran keinen Anteil.

42

Daß der Beklagte mit der Zwischenschaltung der GmbH derartige Vorteile zu erlangen beabsichtigte, zeigt die Art und Weise der Veräußerung der Gesellschaft und deren anschließende Insolvenz. Die Gründe dafür hat der Zeuge L... in aller Deutlichkeit offengelegt. Es ging darum, sich der Forderungen insbesondere des Klägers, aber auch anderer Gläubiger der GmbH (insgesamt etwa 1,8 Mio. DM) zu entledigen. Der Zeuge und der Beklagte haben sich, um sich Klarheit über die Höhe der Verbindlichkeiten zu verschaffen, die offene Postenliste der GmbH ausdrucken lassen. Daß diese Angabe des Zeugen, wie das Landgericht nicht verkannt hat, kritisch zu würdigen sind, weil er selbst in diese Machenschaften verstrickt war und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ihn ebenso wie gegen den Beklagten laufen oder gelaufen sind, liegt auf der Hand; vor dem Hintergrund der sonstigen unbestrittenen oder bewiesenen Umstände erscheinen seine Angaben aber ohne weiteres als plausibel und richtig und fügen sich zu einem geschlossenen Bild.

43

Die nachfolgenden Geschehnisse bezüglich der Veräußerung der GmbH bestätigen dies. Der Beklagte hat seinen Geschäftsanteil an der GmbH für den symbolischen Kaufpreis von 1,00 DM an den Straßenbaumeister U..., einen früheren Mitarbeiter, veräußert. Sie hat ihren Namen geändert und ihren Sitz nach T... verlegt. Das kann nur so gedeutet werden, daß den Gläubigern der GmbH ihre Rechtsverfolgung erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht werden sollte. Die GmbH ist alsbald in die Gesamtvollstreckung geraten (Konkursakte 37 N 767/96 AG Magdeburg), weil die von dem Beklagten versprochenen Aufträge ausblieben. Sie ist sodann wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden und war für ihre Gläubiger als Schuldnerin nicht mehr greifbar. Geschäftsunterlagen oder Handelsbücher sind dem neuen Gesellschafter/Geschäftsführer der GmbH nicht übergeben worden, wie die Zeugen L... und U... übereinstimmend bekundet haben. Der nunmehrige Gesellschafter/Geschäftsführer ist weiterhin über die genaue Höhe der Verbindlichkeiten im Unklaren gelassen worden. Sogar den vorliegenden Rechtsstreit hat der Beklagte, nachdem die Klage der GmbH noch unter ihrer Adresse in S... zugestellt worden war, unter Ausschluß des neuen Vertretungsorgans geführt; der Geschäftsführer U... hat, wie er bei seiner Vernehmung bekundet hat, von dem zunächst auch gegen die GmbH geführten Rechtsstreit nichts erfahren.

44

Diese Umstände insgesamt rechtfertigen, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im einzelnen erörtert, die Feststellung, daß die GmbH nur der Haftungsabschirmung des Beklagten diente; es sollte verhindert werden, daß der Kläger und andere Gläubiger der GmbH auf die von ihnen auf dem Grundstück des Alleingesellschafters der GmbH, des Beklagten, geschaffenen Werte zugreifen konnten. Der Beklagte seinerseits verschaffte sich dadurch die Möglichkeit, sich einseitig die Vorteile der Werkleistungen zunutze zu machen, ohne die damit korrespondierende Verantwortung tragen und ohne selbst für die Bezahlung der Werklohnforderungen haften zu müssen. Die Beziehungen zwischen ihm und der Baubetreuungs GmbH hatte er zu diesem Zweck so ausgestaltet, daß er es in der Hand hatte, die Gläubiger der GmbH jedenfalls teilweise mit ihren Forderungen ausfallen zu lassen.

45

Der subjektive Tatbestand des § 826 BGB ist ebenfalls gegeben.

46

In subjektiver Hinsicht erfordert die Haftung aus § 826 BGB nach ständiger Rechtsprechung die Kenntnis der tatsächlichen, das Sittenwidrigkeitsurteil prägenden Umstände und das Bewußtsein, daß das Handeln den schädlichen Erfolg haben wird. Nicht erforderlich ist das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit. Von besonderer Bedeutung ist, daß bedingter Vorsatz genügt; gefordert wird also nur, daß der Täter die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes ernsthaft für möglich hält und sich mit ihr abfindet, die Schädigung also zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. Staudinger/Oechsler, a.a.O., § 826 Rdnr. 61 ff; Münch.Komm./Mertens, 3. Aufl., § 826 Rdnr. 59 ff; Palandt/Thomas, BGB, 59. Aufl., § 826 Rdnr. 9 ff; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anhang § 30 Rdnr. 41 f; Scholz/Emmerich, GmbHG, 8. Auflage, § 13 Rdnr. 91). Die Zwischenschaltung einer GmbH im wesentlichen zu Zwecken der Haftungsabschirmung läßt ohne weiteres auf entsprechende Absichten schließen; die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat dies für den hier zu entscheidenden Fall bestätigt. Der Beweis des bedingten Vorsatzes kann nach der Rechtsprechung zudem durch den Nachweis geführt werden, daß bei dem Täter ein solcher Grad an Leichtfertigkeit vorgelegen hat, daß dieser eine Schädigung der anderen Seite in Kauf genommen haben muß und daß er - nach einer gängigen Formel - vor den die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen geradezu die Augen verschlossen hat (Staudinger/Öchsler, a.a.O., § 826 Rdnr. 96 ff). Die bereits beschriebene Vorgehensweise des Beklagten hat mindestens indizierende Wirkung für den so definierten Schädigungsvorsatz, die festgestellten äußeren Umständen rechtfertigen ohne weiteres den Schluß auf den Schädigungsvorsatz.

47

2.)

Die anderen vom Landgericht geprüften und von den Parteien erörterten Anspruchsgrundlagen greifen hingegen nicht ein.

48

Das gilt zunächst für das Institut der Durchgriffshaftung, auf die das Landgericht letztlich die Verurteilung des Beklagten gestützt hat. Anerkannt ist insoweit, daß der Gläubiger der juristischen Person ausnahmsweise berechtigt sein kann, deren Gesellschafter im Wege des Durchgriffs in Anspruch zu nehmen, wenn die Rechtsform der juristischen Person mißbräuchlich verwendet wird oder die Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., Einf. vor § 21 Rdnr. 12; § 242 Rdnr. 73). Bei der Anwendung dieser Grundsätze verfogt die Rechtsprechung aber eine ausgesprochen restriktive Tendenz (vgl. Scholz/Emmerich, a.a.O., § 13 Rdnr. 77, 87, 91). Eine der Fallgruppen (vgl. dazu die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, a.a.O.), die die Rechtsprechung in Ausnahmefällen für die Durchgriffshaftung genügen läßt, liegt hier nicht vor. Die Unterkapitalisierung allein reicht nicht aus (vgl. BGHZ 31, 258, 268 ff) [BGH 14.12.1959 - II ZR 187/57], ebensowenig die hier zweifellos vorhandene finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Gesellschaft in den Alleingesellschafter. Von dem Hervorrufen des Rechtsscheins persönlicher Haftung oder einer Vermögensvermischung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter kann ebensowenig die Rede sein.

49

Die Grundsätze der Haftung im GmbH-Konzern, die das Landgericht neben denjenigen der Durchgriffshaftung angewandt hat, greifen ebenfalls nicht ein. Die Voraussetzungen dieser Haftung ergeben sich aus der "TBB-Entscheidung" (BGHZ 122, 123, 126 ff) [BGH 29.03.1992 - II ZR 265/91], mit der der Bundesgerichtshof seine frühere - noch vom Landgericht zugrundegelegte - Rechtsprechung geändert und präzisiert hat. Haftungstatbestand ist nicht die dauernde und umfassende Ausübung der Leitungsmacht, sondern der Umstand, daß der die GmbH beherrschende Unternehmensgesellschafter die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübt, die keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt, ohne daß sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelausgleichmaßnahmen kompensieren ließe (BGH, a.a.O.). Zwar mag hier eine Konzernierung vorliegen, weil die GmbH zweifellos in die von dem Beklagten (und seiner Ehefrau) beherrschte Unternehmensgruppe eingegliedert war. Anerkannt ist weiter, daß auch eine natürliche Person beherrschender Gesellschafter einer GmbH sein kann. Jedenfalls aber fehlt es an infolge der Dichte der Einflußnahme des herrschenden Unternehmens unübersichtlich gewordenen Verhältnissen, die dazu führen, daß sich einzelne schädigende Eingriffe nicht mehr isolieren lassen. Nur in solchen Fällen reichen nämlich die sonstigen Haftungsnormen des Gesellschaftsrecht und des allgemeinen bürgerlichen Rechts als Schutzinstrumente nicht aus. Im vorliegenden Fall geht es letztlich nur darum, daß der Beklagte ab einem gewissen Zeitpunkt, anders als er es zuvor getan hatte, der GmbH nicht mehr die Mittel zur Bezahlung der Restwerklohnforderung des Klägers zur Verfügung gestellt hat. Das ist ohne weiteres einzelausgleichsfähig.

50

Eine Haftung wegen qualifizierter materieller Unterkapitalisierung, auf die das Landgericht wohl ebenfalls abstellen will, ist nur im Schrifttum, nicht aber in der Rechtsprechung als Haftungsinstrument anerkannt. Der Bundesgerichtshof lehnt eine solche Haftung in ständiger Rechtsprechung ab (zuletzt GmbHR 1999, 911 ff [BGH 28.06.1999 - II ZR 272/98]).

51

Dahinstehen kann, ob der Beklagte auch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen (GSB) als Schutzgesetz haftet. In tatsächlicher Hinsicht hat der Kläger dazu erst in seiner Berufungserwiderung vorgetragen; er ist mangels Kenntnis der dafür maßgeblichen Umstände und mangels Darlegung seitens des Beklagten naturgemäß im wesentlichen auf Vermutungen angewiesen. Allerdings ergibt sich aus dem Vorbringen der Parteien, daß der Beklagte selbst, nicht die - allein kaum kreditwürdige - GmbH, für die Finanzierung des Bauvorhabens gesorgt hat; es ist nicht auszuschließen, daß er die Kreditmittel als Baugeld empfangen, aber nicht in voller Höhe an die GmbH oder die Bauhandwerker weitergeleitet hat. Für das Eingreifen des GSB kommt es weiter nicht auf vertragliche Beziehungen zwischen den Beteiligten an, sondern nur auf die Entgegennahme von Baugeld und dessen zweckwidrige Verwendung. Zu der vom Kläger behaupteten grundpfandlichen Absicherung sind Feststellungen derzeit nicht möglich. Da der Beklagte bereits aus § 826 BGB schadensersatzpflichtig ist, kann dies auch offenbleiben.

52

3.)

Gegenüber dem danach bestehenden Schadensersatzanspruch des Klägers greift die von dem Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aufgrund einer angeblichen Verletzung der Pflicht zur Objektüberwachung bei den Bauvorhaben N...-S... und S... nicht durch.

53

a.)

Der Beklagte ist nicht berechtigt, Schadensersatzansprüche aus § 635 BGB betreffend das Bauvorhaben N...-S... geltend zu machen.

54

Ein Vertragsverhältnis besteht insoweit zwischen dem Kläger einerseits und dem Beklagten und seiner Ehefrau als Gesellschafter bürgerlichen Rechts andererseits. Das folgt aus der Vertragsurkunde vom 1. August 1994. Zwar ist eingangs des Ingenieurleistungsvertrages der "Investor M... S..." als Vertragspartner genannt; weiter unten heißt es jedoch, daß die Rechnungslegung an "M... und D... S... GbR" erfolgt. Unterschrieben hat der Beklagte für die "S... GbR". Dies kann im Wege der Auslegung nur dahin gedeutet werden, daß die aus dem Beklagten und seiner Ehefrau bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts Vertragspartner des Klägers sein wollte; der Kläger hat diesen Vertrag als - vertretungsberechtigter - Gesellschafter für die GbR geschlossen. Schadensersatzansprüche aus diesem Vertrag könnte er deshalb nur geltend machen, wenn ihn die GbR bzw. seine Ehefrau als Mitgesellschafterin dazu ermächtigt hätte oder ihm diese Ansprüche von der GbR abgetreten worden wären. Dazu trägt der Kläger nicht vor.

55

Im übrigen ist ein Schadensersatzanspruch auch nicht schlüssig vorgetragen.

56

Der Beklagte macht geltend, daß das Bauvorhaben verschiedene Mängel aufweise. Da der Kläger bei diesem Bauvorhaben nur Architekten- bzw. Ingenieurleistungen erbracht hat, wäre er dafür nur verantwortlich, wenn er die Objektüberwachung mangelhaft wahrgenommen hätte. Inhalt und Umfang dieser Pflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Handwerkliche Selbstverständlichkeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, muß er nicht überwachen; lediglich die Ausführung wichtiger Bauabschnitte, von denen das Gelingen des ganzen Werkes abhängt, oder schwieriger bzw. gefährlicher Arbeiten hat er persönlich oder durch einen erprobten Erfüllungsgehilfen zu beobachten und zu überprüfen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl., Rdnr. 1498 ff). Zu diesen Umständen des Einzelfalls fehlt hinreichendes Vorbringen des Beklagten. Er beschränkt sich im wesentlichen darauf, die Mängel aufzulisten und Rechtsansichten zum Umfang der Bauaufsichtspflicht des Architekten vorzutragen. Die Mängelliste läßt weiterhin nicht erkennen, daß es hier um wichtige Bauabschnitte bzw. gefährliche oder schwierige Arbeiten geht oder daß unzuverlässige oder ungeeignete Bauhandwerker tätig waren.

57

Der Beschreibung des Leistungsumfangs läßt sich schließlich entnehmen, daß der Kläger das Bauvorhaben offenbar nur teilweise als Architekt betreut hat. Der Vertragsgegenstand wird nämlich dahingehend beschrieben, daß der Kläger "zur Fertigstellung der Baumaßnahme die Baumaßnahme verordnet und die Investition 100%ig gesichert" habe. Ihm ist also, wie auch die Höhe dss vereinbarten Honorars von 120.000,00 DM zeigt, nicht die Vollarchitektur übertragen worden; offenbar hat er dieses Vorhaben nur zu Ende geführt. Dann aber hätte der Beklagte zunächst einmal darzulegen, daß die angeblichen Mängel zu einer Zeit entstanden sind, als der Kläger schon für die Bauaufsicht verantwortlich war.

58

b.)

Schadensersatzansprüche hinsichtlich des Bauvorhaben S... bestehen ebenfalls nicht.

59

Zwar ist unstreitig, daß insoweit vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestehen. Der Beklagte will den Kläger mit der Objektüberwachung betraut haben. Der Kläger hat dazu ausgeführt, er habe lediglich als Architekt Aufgaben der Baubetreuung wahrgenommen. Einen schriftlichen Vertrag gibt es nicht; der genaue Inhalt und Umfang der Leistungspflicht des Klägers müssen deshalb offen bleiben. Aus dem mit Urteil des Senats vom 29. Januar 1998 entschiedenen Rechtsstreit (Aktenzeichen 8 U 147/97) zwischen dem Beklagten und dem Gesamtverwalter der Fa. S...-A... H... GmbH ist dem Senat bekannt, daß der Kläger bei diesem Bauvorhaben als Bauleiter für den Beklagten tätig war, nachdem der bisherige Generalunternehmer in die Insolvenz geraten war.

60

Hinsichtlich behaupteter Pflichtverletzungen des Klägers gilt im wesentlichen das bereits zum Bauvorhaben N...-S... Ausgeführte. Es geht um Ausführungsfehler, nicht aber um Pflichtverstöße des Klägers als bauleitenden Architekten bei der Bauaufsicht. Für die Kosten der nachträglichen Anbringung einer Ringdrainage haften der Kläger ohnehin nicht; denn eine solche war nicht geplant. Die Planung des Bauvorhabens oblag nicht dem Kläger. Planungsfehler aber können dem Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Objektüberwachungspflicht angelastet werden. Unklar ist wiederum, ob die Mängel zu einem Zeitpunkt verursacht worden sind, als der Kläger mit dem Bauvorhaben befaßt war.

61

4.)

Gegenüber der Werklohnforderung des Klägers für das Bauvorhaben M... steht dem Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Vorhandenseins von Mängeln nicht zu.

62

Zwar sind Gegenrechte, die dem Schuldner, hier der GmbH, zustehen, bei der Ermittlung der Höhe des Schadens zu berücksichtigen; die Höhe des Schadens ist bei einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB um eventuelle Gegenansprüche zu verringern, ein Zurückbehaltungsrecht wäre zu berücksichtigen. Voraussetzung dafür ist aber, daß das Gegenrecht dem Schuldner, also der GmbH, wirklich zusteht und von diesem geltend gemacht werden kann. Daran fehlt es hier.

63

Der Beklagte beruft sich umfangreich auf Mängel des Bauvorhabens M.... Da der Kläger ausweislich des Generalübernehmervertrages vom 17. Mai 1995 die schlüsselfertige und funktionstüchtige Herstellung des Bauvorhabens schuldete, hätte er unabhängig davon, daß er die Bauleistungen durch Nachunternehmer erbringen lassen hat, für sämtliche Mängel einzustehen. Mängelbeseitigungsansprüche der GmbH als Vertragspartnerin des Klägers sind auch noch nicht erloschen. Es ist dem Parteivorbringen nicht zu entnehmen, daß die GmbH per Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vorgegangen ist. Der Beklagte - soweit es auf ihn ankommt - hat ebenfalls noch keine wirksame Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ausgesprochen.

64

Der Umstand, daß die GmbH mit Urteil des Landgerichts Leipzig vom 26. Februar 1997 zur Zahlung von 611.800,00 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist, dürfte allein auch nicht ausreichen, um einen entsprechenden Schaden des Klägers zu begründen. Denn die Mängel sind offenbar erst später zu Tage getreten. Das Gutachten der Fa. T... GmbH, auf das sich der Beklagte wegen der Mängel beruft, datiert vom 7. Januar 1999; ihm ist zu entnehmen, daß die Mängelerscheinungen erst im Laufe des Jahres 1998 aufgetreten sind. Die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, sind damit erst nach dem Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, auf die die GmbH verurteilt worden ist, entstanden; die GmbH wäre nicht gehindert, gegebenenfalls Vollstreckungsgegenklage zu erheben.

65

Das Zurückbehaltungsrecht kann damit weiterhin ausgeübt werden, allerdings nicht durch den Beklagten. Vertragspartner des Klägers ist die GmbH, nicht er persönlich. Mängelbeseitigungs- und Gewährleistungsansprüche aus diesem Bauvertrag stehen deshalb der GmbH zu. Berechtigt wäre der Beklagte nur, wenn die GmbH derartige Ansprüche an ihn abgetreten hätte. Das kann nicht festgestellt werden.

66

Der Beklagte beruft sich dafür auf die mit der Berufungsbegründung vorgelegte Ablichtung einer Abtretungsvereinbarung vom 15. November 1995 zwischen ihm und der durch seine Ehefrau vertretenen GmbH. Weiteren Beweis tritt er nicht an. Der Kläger äußert demgegenüber den Verdacht, daß dieses Schriftstück nachträglich gefertigt worden ist.

67

Mit der Vorlage dieser Ablichtung kann, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, weder der Beweis für das Vorhandensein einer solchen Urkunde noch der Beweis für ihren materiellen Inhalt geführt werden. Weiter fällt auf, daß hier Ansprüche aus einem Generalübernehmervertrag vom 12. Mai 1995 abgetreten werden; der Vertrag bezüglich des Bauvorhabens M... datiert aber vom 17. Mai 1995. Ob dies für den von dem Kläger geäußerten Manipulationsverdacht spricht, mag dahinstehen. Jedenfalls haben die Parteien in dem fraglichen Zeitraum bei mehreren Bauvorhaben zusammengearbeitet, so daß nicht auszuschließen ist, daß die Abtretung Ansprüche aus einem anderen Vertrag betrifft. Die Vereinbarung nennt zudem das Bauvorhaben nicht.

68

Die GmbH selbst, die inzwischen offenbar erloschen und nicht mehr handlungsfähig ist, hat Mängelbeseitigungsansprüche oder ein Zurückbehaltungsrecht nicht ausgeübt. Dann aber sind derartige Rechte schadensersatzrechtlich insgesamt unerheblich.

69

II.

Berufung des Klägers

70

1.)

Das Landgericht hat die Klage in Höhe von 202.400,00 DM zu Unrecht als - derzeit - unbegründet abgewiesen. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß die Restwerklohnforderung des Klägers in dieser Höhe nicht fällig ist, weil die der GmbH von dem Kläger zur Verfügung gestellten Gewährleistungsbürgschaften weder den vertraglichen Vereinbarungen noch § 17 Nr. 4 VOB/B entsprechen.

71

Diese Einwendung ist dem Beklagten schon deshalb abgeschnitten, weil die GmbH und frühere Beklagte zu 1) durch das Teil- und Schlußurteil des Landgerichts Leipzig vom 26. Februar 1997 auch insoweit zur Zahlung verurteilt worden ist. Das muß der Beklagte unter Schadensersatzgesichtspunkten gegen sich gelten lassen. Der Schaden des Klägers besteht in dem Betrag, den er von der früheren Beklagten zu 1) nicht erlangen kann. Die Frage eines Sicherheitseinbehaltes war, wie aus Tatbestand und Entscheidungsgründen des rechtskräftig Urteils hervorgeht, Gegenstand der mündlichen Verhandlung, auf die das Teil- und Schlußurteil ergangen ist. Das Landgericht hat sich in den Entscheidungsgründen mit der Frage des Sicherheitseinbehalt auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Restwerklohnforderung des Klägers auch in dieser Höhe fällig ist. Die frühere Beklagte zu 1) hat dieses Urteil nicht durch Einlegung von Rechtsmitteln bekämpft. Dadurch ist dem Beklagten die Berufung auf die fehlende Fälligkeit dieses Teils der Klageforderung verwehrt.

72

Der Kläger hat im übrigen der GmbH mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1996 eine Nachfrist gemäß § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B gesetzt, die fruchtlos verstrichen ist. Das berechtigt den Kläger, die Auszahlung des einbehaltenen Betrages zu fordern, ohne selbst Sicherheit leisten zu müssen.

73

2.)

Der im Wege der Klageerweiterung von dem Kläger verfolgte Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkundenbesteht hingegen nicht.

74

Herausgabeansprüche könnten sich allenfalls aufgrund Deliktes ergeben. Vertragliche Herausgabeansprüche bestehen gegenüber dem Beklagten nicht; ebensowenig besteht ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zwischen den Parteien. Es fehlt auch am Besitz des Beklagten. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte die Bürgschaftsurkunden in Besitz hat; dieser macht geltend, sie befänden sich bei dem "Liquidator der GmbH". Der Kläger hat die Bürgschaftsurkunden mit Schreiben vom 22. März 1996 nicht dem Beklagten, sondern der GmbH, der allein auch die Rechte daraus zustehen, übersandt. Mangels Beweisangebotes des Klägers kann nicht festgestellt werden, daß der Beklagte im Besitz der Bürgschaftsurkunden ist.

75

(Bl. I 114 f).; gesetzliche, denn

76

3.)

Das Landgericht hat dem Kläger auf die zuerkannte Restwerklohnforderung nur den gesetzlichen Zinssatz zugesprochen. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg.

77

Der Beklagte hat einen höheren als den gesetzlichen Zinssatz bestritten. Die Zinsbescheinigung der Volksbank B... bestätigt dem Kläger nur, daß er bei Überziehung seines Kontokorrentkontos Sollzinsen von 10,5% zzgl. 4,5% Überziehungszins zu zahlen hat. Über die tatsächliche Inanspruchnahme von Kredit und deren Höhe schweigt die Bestätigung. Eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung des Zinsschaden durch den Senat (§ 287 ZPO) fehlt. Die GmbH ist ebenfalls nur zur Zahlung des gesetzlichen Zinssatzes verurteilt worden.

78

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1und 2, 101 Abs. 1, 281 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.