Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.01.2000, Az.: 1 U 142/99

Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Unterlassungsverfügung bei erneuter Begehung eines Wettbewerbsverstoßes und Möglichkeit der Geltendmachung einer Vertragsstrafe; Irreführende Werbung wegen Verstoßes der Preisauszeichnung gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung; Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung als sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.01.2000
Aktenzeichen
1 U 142/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 32036
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2000:0127.1U142.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 29.07.1999 - AZ: 15 O 1034/99

Fundstellen

  • CI 2000, 189
  • MMR 2000, 428-429
  • NJW-RR 2000, 1143-1144 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2000, 349-350
  • ZUM-RD 2001, 354-356

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat
der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2000
durch
die Richter ... und ... sowie
die Richterin
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Oldenburg vom 29. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten der Berufung.

Gründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

2

Die Berufung ist unbegründet. Die angefochtene Verurteilung des Verfügungsbeklagten war und ist sachlich gerechtfertigt.

3

1.

Der Verfügungsantrag ist nicht schon deswegen unzulässig, weil der Verfügungsbeklagte am 29. Januar 1999 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat.

4

Hat der Beklagte den von seiner Unterlassungserklärung erfassten Wettbewerbsverstoß erneut begangen, entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch. Die Möglichkeit, die Vertragsstrafe geltend zu machen, nimmt dem verletzten Konkurrenten nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Unterlassungsverfügung. Das gilt - entgegen der Ansicht des Verfügungsbeklagten - allgemein und nicht nur beschränkt auf die Fälle, in denen die Parteien darum streiten, ob der neue Vorwurf einen im Kern gleichen Wettbewerbsverstoß betrifft (vgl. BGH GRUR 1980, 241, 242; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Einl. UWG Rn. 293 a).

5

2.

Ohne Erfolg wendet sich der Verfügungsbeklagte gegen die wettbewerbsrechtliche Beurteilung seiner Werbung.

6

Dazu hat er geltend gemacht, die beanstandete Werbung sei nicht irreführend i.S.d. § 3 UWG, weil der Bruttoendpreis ebenfalls und überdies in gleicher Weise wie der Nettopreis farblich gegenüber dem Kontext herausgestellt mitgeteilt wurde und deshalb bei dem durchschnittlichen Verbraucher ein Irrtum über den Endpreis nicht erweckt werden könne.

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Das ist schon deshalb nicht besonders überzeugend, weil im deutschen Rechtskreis nicht auf einen durchschnittlich informierten Adressaten der Werbebotschaft abzustellen ist, sondern auf einen flüchtigen Durchschnittsleser. Im Ergebnis mag diese Frage jedoch dahingestellt bleiben.

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Auf die Frage einer Irreführung i.S.d. § 3 UWG kommt es nämlich nicht entscheidend an. Denn die beanstandete Preisauszeichnung verstößt jedenfalls gegen die Regeln der Preisangabenverordnung (PAngV), wonach der Anbieter von Waren und Leistungen dem Letztverbraucher nicht nur die Endpreise (also insbes. incl. MwSt.) mitteilen muss (§ 1 Abs.1 Satz 1 PAngV), sondern diese Endpreise bei einer Aufgliederung (hier in Netto- und Bruttopreis) zudem hervorzuheben hat (§ 1 Abs.6 Satz 2 PAngV). Eine solche notwendige Hervorhebung weist die beanstandete Anzeige nicht auf. Im Gegenteil ist es gerade der Nettopreis, der bei erstem flüchtigen Hinsehen ins Auge fällt und das Interesse des Lesers erweckt.

9

Der Verstoß gegen die grundsätzlich wertneutralen Vorschriften der PAngV ist allerdings nur dann sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG, wenn damit objektiv ein Vorsprung im Wettbewerb angestrebt wird (vgl. BGH GRUR 1974, 281 - "Clipper"-; 1979, 553 - "Luxus-Ferienhäuser"; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Anhang 2 V zu § 3 UWG, Rn. 17). Der im Streitfall maßgebliche wettbewerbliche Vorsprung, der mit der unzulässigen Preisangabe erzielt werden kann, liegt darin, dass sich die Interessenten zunächst einmal diesem auf den ersten Blick günstigen Angebot zuwenden. Selbst bei einer Wahrnehmung der hinzuzurechnenden MwSt und des in Klammern gesetzten End-Bruttopreises kann bei dem Leser immer noch die wettbewerbsrelevante Auffassung erweckt werden, dass bei den Angeboten Dritter, die allein mit Endpreisen werben, noch die MwSt hinzuzurechnen ist.

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In subjektiver Hinsicht wird ein bewusstes und planmäßiges Hinwegsetzen über die Vorschriften der PAngV zum Zweck der Erlangung eines Wettbewerbsvorteils verlangt. Dazu ist es allerdings nicht erforderlich, dass sich der Werbende der vorgeschriebenen Verleitungswirkung bewusst war. Es genügt vielmehr die Kenntnis des Werbenden von den Tatumständen, die bei objektiver Würdigung die Sittenwidrigkeit begründen (BGH GRUR 1979, 553, 554). Auf eine Unkenntnis der maßgebenden Vorschriften kann er sich ebenso wenig berufen wie auf eine fehlerhafte rechtliche Auslegung BGH GRUR 1994, 222).

11

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. So gingen zum einen dem Verfügungsantrag mehrere Verstöße gegen die PAngV voraus. Der Verfügungsbeklagte hat - zum Nachweis mangelhafter Kontrolle des Home-Pages sogleich zu 3. - selbst nach der vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung vom 29. Januar 1999 nicht alles ihm Zumutbare getan, um weitere Verstöße zu verhindern. Darüber hinaus indiziert die Verteidigung seiner Rechtsposition in der Berufungsbegründung eine erneute Begehungsgefahr in der Hinsicht, dass er erneut Preisangaben der beanstandeten Art verwenden könnte (vgl. OLG Frankfurt WRP 1999, 455, 456).

12

3.

In tatsächliche Hinsicht hing das Ergebnis dieses Rechtsstreits im Wesentlichen davon ab, ob der Verfügungsbeklagte in wettbewerbsrechtlich verantwortlicher Weise gegen das Verbot der Aufrechterhaltung des von der Verfügungsklägerin beanstandeten Home-Pages im Internet verstoßen hat. Dazu ist vorab klarzustellen, dass eine solche - z.B. Unterlassungsansprüche auslösenden - Verantwortlichkeit nicht nur durch einen Mitwirkungsakt bei der Ingangsetzung der Werbung bzw. der aktiven Förderung einer Aufrechterhaltung begründet werden kann, sondern auch und insbesondere bei der Inanspruchnahme Dritter durch das Unterlassen gebotener Kontrollen.

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Wenigstens letzteres begründet den im Streitfall dem Verfügungsbeklagten zu machenden Vorwurf. Denn nach dem Sach- und Streitstand zum Schluss der Berufungsverhandlung hat die Verfügungsklägerin glaubhaft gemacht, also den Senat mit dem für einstweiligen Rechtsschutz ausreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass trotz der von dem Verfügungsbeklagten bei seinem Provider am 28.08.1998 in Auftrag gegebenen Änderungen seiner Werbeanzeigen gleichwohl noch am 25.03.1999 eine für Internetbenutzer zugängliche Werbung der beanstandeten Art vorhanden war. Nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts kann nicht ernsthaft angezweifelt werden, dass der den Verfügungsantrag veranlassende Ausdruck tatsächlich am 25.03.1999 erfolgte. Der Senat geht zugleich davon aus, dass die Ende März 1999 gegebene Verfügbarkeit des diskriminierten Textes für Internetbenutzer auch nicht darauf beruhte, dass der beanstandete Text im Computer der Verfügungsklägerin über die sog. Cache - Funktion zunächst gespeichert und dann wiederaufgerufen worden ist. Denn der Computer war hinsichtlich der Internetoptionen auf "neuere Version der gespeicherten Seite suchen" und "bei jedem Start von Internetexplorer" eingestellt, sodass jeweils die aktuell beim Server eingespeicherte Seite gezeigt wurde. Dies folgt aus den eidesstattlichen Versicherungen S. und A.H. vom 04.01.2000. Dem steht nicht entgegen dass der Verfügungsbeklagte an Eides statt versichert hat, am 28.08.1998 die Firma T.R. GmbH mit den erforderlichen Änderungen beauftragt zu haben. Denn der Verfügungsbeklagte hat abgesehen davon, dass die zur Glaubhaftmachung angekündigte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers H. der T.R. GmbH nicht vorgelegt worden ist, nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, überprüft, ob sein Auftrag ausgeführt worden ist. Demzufolge ist der Senat im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens davon überzeugt, dass bis zum 25.03.1999 eine Löschung der diskriminierten Daten nicht erfolgt war. Soweit es trotz erfolgreich durchgeführter Korrektur zum erneuten Auftauchen der alten Fassungen beim Abruf durch einen Internet-Nutzer kommen kann, weil eine im Proxy-Speicher beim Server abgelegte alte Fassung angezeigt wird, ist dies im vorliegenden Fall nach der Auffassung des Senats sehr wenig wahrscheinlich. Denn die vom Verfügungsbeklagten behauptete Änderung der Internetseiten soll am 30.09.1998 durchgeführt worden seien und Server aktualisieren ihre abgespeicherten Seiten im Regelfall in kurzen Abständen und nicht über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten nicht.

14

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO. Weitere prozessuale Nebenentscheidungen waren nicht zu treffen, weil diese Entscheidung mit ihrer Verkündung Rechtskraft erlangt (§ 545 Abs.2 ZPO).