Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 10.02.2000, Az.: 8 U 211/99

Abgetretenes Wandlungsrecht des Leasingnehmers bei Vorliegen von erheblichen Mängeln am Fahrzeug; Anspruch auf Nutzungsersatz bei Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
10.02.2000
Aktenzeichen
8 U 211/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 31985
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2000:0210.8U211.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 02.09.1999 - AZ: 7 O 345/98

Fundstelle

  • DAR 2000, 219-220 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im übrigen das am 02. September 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Firma B...-A...-L...-Gesellschaft mbH, ..., 50.449,- DM nebst 4% Zinsen seit dem 04. September 1998 Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Mercedes Benz, Typ C 250 Turbodiesel, T-Limousine, Fahrgestell-Nr. WDB 2... 1 F 6..., amtliches Kennzeichen N...-D ..., zu zahlen.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, daß die Beklagte sich mit der Rücknahme des vorgenannten PKWs im Verzug befindet.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 2/7 und die Beklagte zu 5/7.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine Partei 60.000,- DM.

Tatbestand

1

Der Kläger leaste am 27.08.1997 bei der Firma B...-A...-L...-Gesellschaft mbH den erstmals am 02.09.1997 zugelassenen Pkw Mercedes C 250 Turbodiesel mit der Fahrgestell-Nr. W... 2... 1 F .... Der Kaufpreis des Fahrzeugs betrug 70.449,- DM. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma B... für das Leasing von Fahrzeugen sind sämtliche Ansprüche auf Gewährleistung aus dem Kaufvertrag über das Fahrzeug sowie sämtliche Garantieansprüche an den Leasingnehmer abgetreten. Dieser ist gem. Ziff. XIII. A) 1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Falle der Wandlung verpflichtet, die Rückzahlung des Kaufpreises an den Leasinggeber zu verlangen.

2

Der Kläger begehrt die Wandlung. Er hat vorgetragen:

3

Die Kontrollbeleuchtung beim Verschließen des Fahrzeugs per Fernbedienung funktioniere nicht. Das Fahrzeug habe bei nasser Straße zu hohe Wind- und Abrollgeräusche. Die Beleuchtung des Handrades zur Regulierung der Innentemperatur reagiere nur zeitverzögert. Das Kontrolllicht der Handbremse funktioniere gar nicht und beim Lösen der Handbremse sei kein "Klackgeräusch" zu hören. Ab einer Geschwindigkeit von ca. 140 km/h träten Pfeifgeräusche auf. Die vordere rechte Tür schließe nicht korrekt.

4

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Firma B...-A...-L...-Gesellschaft mbH, vertreten durch die Geschäftsführer W... H... und A... M..., ..., 70.449,00 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Mercedes Benz, Typ C 250 Turbodiesel, T-Limousine, Fahrgestell-Nr. W... 2... 1F ..., amtl. Kennzeichen N...-D ...;

  2. 2.

    festzustellen, daß die Beklagte sich mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten PKW in Verzug befindet.

5

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie hat vorgetragen:

7

Sie habe mit der Firma B... kein Wandlungsrecht vereinbart, das diese an ihre Leasingnehmer hätte abtreten können. Im übrigen lägen keine Mängel vor. Bei den Beanstandungen handele es sich nicht um Mängel. Der behauptete Mangel der rechten Tür sei, sofern er denn bestehe, durch einen Unfall des Klägers vom 27.05.1998 entstanden.

8

Der Einzelrichter der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat nach Beweiserhebung mit seinem am 02. September 1999 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen, weil der Kläger keine erheblichen Mängel des Fahrzeugs bewiesen haben.

9

Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung des Klägers, mit der er ergänzend ausführt:

10

Nach dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen D... stehe fest, daß das am 02. September 1997 gelieferte fabrikneue Fahrzeug mit Fehlern behaftet sei, durch die der Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch nicht nur unerheblich gemindert sei. Die unter Abschnitt VII Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen - Neufahrzeug-Verkaufbedingungen - (im folgenden "NFVB") zwischen der Beklagten und der Firma B...-A...-L... GmbH vereinbarte Gewährleistungsfrist von einem Jahr gelte gem. Abschnitt VII Nr. 5 NFVB aufgrund der Abtretung der Gewährleistungsansprüche auch zwischen den Parteien des Rechtstreits.

11

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Firma B...-A...-L...-Gesellschaft mbH, ..., 70.449,00 DM nebst 4% Zinsen seit Prozeßzinsen zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Mercedes Benz, Typ C 250 Turbodiesel, T-Limousine, Fahrgestell-Nr. WDB 2... 1 F 6..., amtliches Kennzeichen N...-D ...;

  2. 2.

    festzustellen, daß die Beklagte sich mit der Rücknahme des vorgenannten PKW in Verzug befindet.

12

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, macht sich den Inhalt des angefochtenen Urteils zu eigen und meint, die Angriffe des Klägers gegen das Gutachten des Sachverständigen D... seien unbegründet.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Berufung des Klägers führt in der Sache zum Erfolg.

16

Die Beklagte ist gemäß den §§ 462, 459 Abs. 1, 467 Satz 1, 346, 348, 398 BGB verpflichtet, den um die Nutzungsvergütung von 20.000 DM gekürzten Kaufpreis an die Leasinggeberin zurückzuzahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Mercedes, C 250 Turbodiesel T-Limousine.

17

Das Fahrzeug weist einen Fehler auf, der über eine unerhebliche Minderung seines Wertes und seiner Tauglichkeit hinausgeht. Entgegen der Auffassung des Landgerichts setzt die Wandlung nach vergeblichen Nachbesserungsversuchen keinen "erheblichen" Mangel voraus. Denn nur eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nach § 459 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Betracht. Ein normaler Mangel wie vorliegend erfüllt die Voraussetzungen für eine Wandlung.

18

Für die Frage der Fehlerfreiheit im Sinne von Abschnitt VII Nr. 1 Satz 1 NFVB ist maßgeblich der Entwicklungsstand aller nach allgemeiner Zweckbestimmung in dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Kraftfahrzeuge und nicht - wovon der Sachverständige und der Einzelrichter offenbar ausgegangen sind - der Standard der Serie, aus der das beanstandete Fahrzeug stammt (OLG Köln VersR 1993, 888 [OLG Köln 01.02.1993 - 12 U 52/92]; VersR 1992, 584; VersR 1995, 420; OLG Oldenburg DAR 1995, 161 f. [OLG Oldenburg 11.01.1995 - 11 U 47/94]; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1211 [OLG Düsseldorf 23.02.1996 - 22 U 202/95])

19

Unstreitig wies der Pkw von Anfang an Mängel auf, die zahlreiche Werkstattaufenthalte notwendig werden ließen: Zunächst konnte das Heckklappenschloß mit Hilfe der Zentralverriegelung nicht geöffnet werden. Dieser Fehler wurde von der Firma B... nachgebessert. Eine weitere Nachbesserung wurde erforderlich, weil sich die Heckklappe selbständig während der Fahrt öffnete. Weil die Heckklappe nicht mittig eingepaßt worden war, drang bei Regen Wasser in den Ladebereich / Kofferraum ein. Das führte zu einem erneuten Werkstattaufenthalt. Die Heckklappe wurde versetzt. Dafür traten Wind-, Abroll- und Regengeräusche von der rechten Seite der Kofferraumklappe her auf.

20

Nach den Feststellungen des Sachverständigen D... ist als Mangel bestehen geblieben, daß die Funkfernbedienung nicht vertragsgemäß funktioniert. Nach dem Verschließen des Fahrzeugs durch die Funkfernbedienung wird der Verriegelungsvorgang nicht durch dreimaliges Blinken der Blinkleuchten optisch bestätigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist hierin nicht lediglich eine unbedeutende Komforteinbuße und völlig überflüssige Nebensächlichkeit zu erblicken. Der Sachverständige D... hat unmißverständlich erklärt, das Ausbleiben der Verriegelungsbestätigung stelle einen Mangel in der Tauglichkeit dar, weil bei einem Verriegelungsvorgang nicht ohne weiteres festgestellt werden könne, ob das Funksignal vom Fahrzeug empfangen und der Verriegelungsvorgang ausgeführt worden sei.

21

Vergeblich macht die Beklagte geltend, diesbezüglich nicht zur Nachbesserung aufgefordert worden zu sein. Der Kläger hatte seiner Leasinggeberin ergänzend zu den bereits genannten Mängeln mit Schreiben vom 20. Februar 1998 mitgeteilt, beim Abschließen des Fahrzeuges mittels Fernbedienung erfolge keine Kontrollbestätigung durch die Lichtanlage des Fahrzeuges. Dieses Schreiben hat die Leasinggeberin nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers am 06. Mai 1998 an die Beklagte weitergeleitet. Im Anschluß daran hat die Beklagte mit ihrem Antwortschreiben vom 04. Juni 1998 den Zustand des Fahrzeugs für technisch einwandfrei erklärt, soweit nicht der am 27. Mai 1998 eingetretene Unfallschaden betroffen war, und das geltend gemachte Wandlungsbegehren als unbegründet zurückgewiesen. Nach dieser Erklärung war der Kläger nicht mehr gehalten, die Beklagte zur Nachbesserung aufzufordern. Im Bestreiten des Vorhandenseins von Mängeln steckt die Weigerung zur Nachbesserung.

22

Das Wandlungsbegehren war im Zeitpunkt der Erhebung der Klage am 04. September 1998 auch nicht verjährt. Die nach Abschnitt VII Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 der Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen der Beklagten bestehende einjährige Verjährungsfrist seit Auslieferung des Pkws Ende August 1997 - deren Lauf überdies während der Prüfung des Mangels zwischen dem 06. Mai und 04. Juni 1998 für vier Wochen entsprechend § 639 Abs. 2 BGB gehemmt war - war bereits gemäß den §§ 209 Abs. 1 BGB, 270 Abs. 3 ZPO durch die Klageeinreichung am 21. August 1998 rechtzeitig unterbrochen.

23

Unabhängig davon, daß der Kläger vorliegend das Wandlungsrecht seiner Leasinggeberin aus abgetretenem Recht geltend macht, sind die erfolgten Nutzungen des Fahrzeugs gemäß den §§ 467 Satz 1, 347 Satz 2, 327 Satz 2, 988 BGB zu vergüten. Nach den Angaben des Klägers im Senatstermin am 20. Januar 2000 hatte das Fahrzeug bereits 70.365 km gelaufen. Bei einer geschätzten Gesamtkilometerleistung von 250.000 ist der Pkw bereits zu knapp 3/10 verbraucht. Dies rechtfertigt einen anteiligen Abzug von gerundet 20.000,- DM vom Kaufpreis. Demgegenüber führt der Unfallschaden - an dem den Kläger unstreitig kein Verschulden trifft - zu keinem weiteren Abzug. Bei den Reparaturkosten von knapp 4.800,- DM handelt es sich im Verhältnis zum Gesamtwert des Fahrzeugs eher um einen kleinen Unfall, bei dem nicht ersichtlich wird, daß trotz fachgerecht durchgeführter Reparatur ein Minderwert verblieben ist.

24

Da die Beklagte sich weigert, das Fahrzeug zurückzunehmen, war festzustellen, daß sie sich mit der Rücknahme des PKWs im Annahmeverzug befindet.

25

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.