Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 24.02.2000, Az.: 11 WF 96/99
Rangverhältnis der Unterhaltsansprüche der geschiedenen und der neuen Ehefrau bei Erwerbsunfähigkeit beider Ehefrauen wegen Alters und Krankheit bei jeweils langer Ehedauer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 24.02.2000
- Aktenzeichen
- 11 WF 96/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 32037
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2000:0224.11WF96.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osnabrück - 14.04.1999 - AZ: 8 F 68/99
Rechtsgrundlage
- § 1572 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- FamRZ 2001, 483 (amtl. Leitsatz)
- FuR 2001, 79-80
- OLGReport Gerichtsort 2000, 191
In der Familiensache
...
hat der 11.Zivilsenat - 3.Senat für Familiensachen- des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 24.Februar 2000
durch
die unterzeichnenden Richter
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers vom 28.05.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 14.04.1999 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn es fehlt an der erforderlichen Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, denn im Ergebnis kann eine wesentliche Veränderung der Umstände, die für eine Abänderung des bestehenden Titels erforderlich ist, nicht festgestellt werden. Nach dem bisherigen Parteivortrag ist vielmehr davon auszugehen, daß allenfalls eine Abänderung des bestehenden Titels von der bisher ausgeurteilten Höhe von monatlich DM 732,- auf monatlich DM 672,- in Betracht käme. Insoweit wird jedoch die Wesentlichkeitsgrenze von rund zehn Prozent nicht gewahrt, so daß deswegen im Ergebnis eine Abänderung des bestehenden Titels ausscheidet.
Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf der Grundlage der Auffassung, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten, der ersten Ehefrau, weiterhin Vorrang genießt gegenüber dem Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau des Antragstellers. Der Senat hält vielmehr auch bei der hier vorliegenden Konstellation (beiderseitige Erwerbsunfähigkeit beider Ehefrauen wegen Alters und Krankheit und beiderseits lange Ehedauer) den Vorrang der geschiedenen Ehefrau für verfassungsgemäß, weil der nach langjähriger Ehe geschiedene Ehegatte, der seinen nachehelichen Unterhaltsanspruch zudem auf Krankheit gemäß § 1572 Abs. 1 BGB stützt, in besonderer Weise schutzwürdig ist. Für den - hier nicht vorliegenden - Fall beiderseitiger Erwerbsunfähigkeit beider Ehefrauen wegen beiderseits vorliegender Kindesbetreuung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG FamRZ 84,346) den Vorrang des bedürftigen geschiedenen Ehegatten bereits bestätigt. Das gleiche muß aber auch gelten, wenn beide unterhaltsrechtlich konkurrierenden Ehefrauen aus anderen Gründen in gleichwertiger Weise erwerbsunfähig sind. Denn es ist stets zu berücksichtigen, daß die neue Ehefrau des Klägers bereits bei Eingehung der Ehe mit dem Kläger von den bestehenden Unterhaltsverpflichtungen des Klägers gegenüber der geschiedenen Ehefrau Kenntnis hatte. Die Eheleute wußten schon bei Eingehung der neuen Ehe, mit welcher Hypothek die neue Ehe belastet ist. Unter diesen Umständen ist es keinesfalls willkürlich, wenn der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund dem früheren Ehegatten den besseren Rang einräumt als dem neuen (so Brühl/Göppinger, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, Rz 1554).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen und ausgehend von dem Vorrang des geschiedenen Ehegatten vor der neuen Ehefrau ergibt sich aufgrund der geänderten Einkommensverhältnisse der Parteien keine wesentliche Veränderung, die eine Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels rechtfertigt. Auf seiten des Antragstellers ist nunmehr nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben von einem Gesamtrenteneinkommen von DM 2.322,65 monatlich (Altersrente DM 1.803,89 zuzüglich einer Betriebsrente von monatlich DM 518,76) auszugehen. Die Beklagte bezieht - ebenfalls unstreitig - inzwischen eine erhöhte Rente in Höhe von monatlich DM 913,16. Die Differenz des beiderseitigen Renteneinkommens beträgt somit DM 1.409,49, so daß sich bei der gebotenen Halbteilung ein Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich DM 704,75 ergäbe. Eine Unterhaltszahlung des Antragstellers in dieser Höhe würde aber dazu führen, daß der von beiden Parteien einverständlich zugrunde gelegte Selbstbehaltsbetrag von monatlich DM 1.650,- nicht mehr gewahrt wäre. Deshalb kommt eine Unterhaltsverpflichtung allenfalls in Höhe des den Selbstbehaltsbetrag übersteigenden Differenzbetrages von monatlich DM 672,65 (DM 2.322,65 abzüglich DM 1.650,-) in Betracht. Eine Reduzierung des 1987 titulierten Unterhaltsanspruchs scheidet dann aber wegen des Nichterreichens der Wesentlichkeitsgrenze im Ergebnis völlig aus. Für eine Heraufsetzung des Selbstbehaltsbetrages des Klägers auf monatlich DM 1.800,- aus Billigkeitserwägungen, was der Kläger hilfsweise geltend macht, sieht der Senat keinen Anlaß.