Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 15.02.2000, Az.: 5 U 165/99

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.02.2000
Aktenzeichen
5 U 165/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35326
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2000:0215.5U165.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - AZ: 10 O 308/98

Tenor:

  1. für Recht erkannt:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. Juli 1999 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 11.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. August 1998 zu zahlen.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der ambulanten Operation vom 28. November 1997 zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin zu 3/10 und die Beklagten zu 7/10. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 1/3 und den Beklagten zu 2/3 auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Wert der Beschwer beider Parteien liegt unter 60.000,- DM.

    Entscheidungsgründe

Tatbestand:

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

2

Die nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Klägerin steht neben dem zuerkannten materiellen Schadensersatz in Höhe von 1.000,- DM gem. §§ 823, 847, 89, 31 BGB ein Schmerzensgeld von 10.000,- DM zu; ihr Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden ist ebenfalls begründet.

3

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind dem Beklagten zu 1) bei der Behandlung der Klägerin am 28. November 1997 in zweifacher Hinsicht Fehler unterlaufen. Zum einen ist mangels entsprechender Dokumentation davon auszugehen, dass das bipolare Koagulationsgerät vor der Operation nicht auf den richtigen Betriebsmodus für den geplanten Eingriff überprüft worden ist, so dass eine Programmierung des Geräts "auf Kontakt" unbemerkt blieb. Zum anderen hat der Beklagte zu 1) das Instrument nicht - wie nach dem Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S.../Dr. B... erforderlich - unter ständiger Aufrechterhaltung des Blickkontaktes in den Bauchraum eingeführt und benutzt. Dadurch ist es zu einer unbeabsichtigten und ungewollten Koagulation und in deren Folge zu einer Dünndarmperforation gekommen, die am 6. Dezember 1997 notfallmäßig operiert werden musste.

4

Der Senat hält jedoch das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld mit 5.000,- DM für zu niedrig bemessen. Zwar liegen entgegen der Auffassung der Berufung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um besonders gravierende Behandlungsfehler handelt, die für den immateriellen Schadensausgleich erhöhend zu berücksichtigen wären. Allein die unstreitigen Folgen der verursachten Darmperforation erfordern aber eine deutlich höhere Entschädigung. Die Klägerin litt infolge der am 6. Dezember 1997 aufgetretenen Peritonitis mehrere Stunden lang unter starken kolikartigen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Sie ist dann am Abend als Notfall unter Vollnarkose operiert worden. Unabhängig von der Frage, ob eine akute Lebensgefahr bestand, war das für sie eine - auch psychisch - äußerst belastende Situation. Bei der Operation musste ihr Unterbauch bis zum Bauchnabel hin eröffnet werden, so dass insoweit eine Narbe zurückgeblieben ist, die zumindest eine kosmetische Beeinträchtigung darstellt. Als weitere Belastung ist schließlich zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin neun Tage in stationärer Behandlung befand und in der Folgezeit über einen Monat in der Ausübung ihrer Tätigkeiten erheblich eingeschränkt war. All dies rechtfertigt nach Auffassung des Senats ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,- DM. Dieser Betrag entspricht der Rechtsprechung des Senats (VersR 1996, 894 [OLG Oldenburg 11.04.1995 - 5 U 196/94]) und anderer Gerichte (OLG Koblenz Red R 2000, 37) in vergleichbaren Fällen.

5

Daneben war ihrem Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden zu entsprechen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen besteht die eben nicht entfernt liegende Möglichkeit, dass es aufgrund der Peritonitis zu Verwachsungen im Bauchraum kommt, die zu Folgebeeinträchtigungen bis hin zu einer therapiebedürftigen Erkrankung führen können. Eine darüber hinausgehende Wahrscheinlichkeit, dass derartige Spätfolgen tatsächlich eintreten, ist für die Zuerkennung des Anspruchs nicht erforderlich (vgl. BGH NJW 1998, 160 [BGH 15.07.1997 - VI ZR 184/96]; NJW-RR 1989, 1367; Senat in MDR 1996, 265).

6

Auf die Berufung der Klägerin war daher das angefochtene Urteil wie aus dem Tenor ersichtlich zu ändern. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711, 713 und 546 Abs. 2 ZPO.