Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 31.01.2007, Az.: 1 A 213/05
Amt; Beamter; Beihilfe; Beihilfeberechtigung; Beihilfefähigkeit; Empfehlung; Grippeschutzimpfung; Impfung; Schutzimpfung; STIKO; STIKO-Empfehlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 31.01.2007
- Aktenzeichen
- 1 A 213/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71804
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs 3 BhV
- § 5 Abs 1 BhV
- § 87c BG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine Grippeschutzimpfung ist beihilfefähig, wenn sie iSv von § 5 Abs. 1 BhV notwendig ist, das heißt, wenn sie "amtlich empfohlen" ist.
2. "Amtlich empfohlen" ist eine Grippeschutzimpfung, wenn sie den Empfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO-Empfehlungen) entspricht.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Beihilfe zu den Kosten einer Grippeschutzimpfung seiner Ehefrau.
Er ist als niedersächsischer Kommunalbeamter dem Grunde nach beihilfeberechtigt. Seine 1965 geborene Ehefrau ist über ihn als berücksichtigungsfähige Angehörige ebenfalls dem Grunde nach beihilfeberechtigt und zwar zu einem Bemessungssatz von 70 %.
Mit Antrag vom 8. April 2005 beantragte der Kläger u.a. die Gewährung einer Beihilfe zu den mit Rechnung des Arztes vom 30. März 2005 neben anderen geltend gemachten Kosten einer Grippeschutzimpfung in Höhe von 17,70 EUR.
Das beklagte Amt lehnte die Beihilfefähigkeit dieser Grippeschutzimpfung mit Bescheid vom 12. April 2005 ab. Die in „Anlage 1 zu § 10 Abs. 3 BhV“ genannten Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen des Impfstoffes für die Grippeschutzimpfung lägen nicht vor.
Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein mit der Begründung, in einem Artikel in der Landeszeitung vom 5./6. Februar 2005 habe der Leiter des Kreisgesundheitsamtes zur Schutzimpfung geraten, weil sich Anzeichen für den Beginn einer Grippewelle ergeben hätten. In einem weiteren Artikel der Landeszeitung vom 10. Februar 2005 sei von einer Grippewelle in Deutschland berichtet worden. Die Impfung sei daher sachgerecht und erforderlich gewesen. Aufgrund dieser offiziellen Warnung in der Landeszeitung seien die Kosten für den Impfstoff zu übernehmen.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2005 erläuterte das beklagte Amt die Regelungen zur Beihilfefähigkeit von Grippeschutzimpfungen und stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine Beihilfegewährung nicht vorlägen. Das Drohen einer Epidemie sei dem Zeitungsbericht nicht zu entnehmen.
Den aufrechterhaltenen Widerspruch wies das beklagte Amt mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2005 zurück. Darin führte es im Wesentlichen aus: Nach § 10 Abs. 3 BhV seien zwar Aufwendungen für Schutzimpfungen mit Ausnahme solcher, die aus Anlass einer privaten Reise außerhalb der Europäischen Union erfolgten, grundsätzlich beihilfefähig. Dies gelte aber nur dann, wenn sie gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV notwendig seien. Die Beurteilung der Notwendigkeit von Schutzimpfungen im Sinne von § 5 BhV sei anhand der Empfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) vorzunehmen. Nach diesen Empfehlungen sei die Schutzimpfung nicht notwendig gewesen. Eine intensive Epidemie habe nicht gedroht. Eine solche werde auch durch die vorgelegten Zeitungsberichte nicht belegt.
Am 5. Juli 2005 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, nach § 10 Abs. 3 BhV seien Aufwendungen für amtlich empfohlene Schutzimpfungen beihilfefähig. Die Erklärungen des Leiters des Kreisgesundheitsamtes in der Landeszeitung vom 5./.6. Februar 2005 stellten eine derartige amtliche Empfehlung dar.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des beklagten Amtes vom 12. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2005 aufzuheben und das beklagte Amt zu verpflichten, ihm zu den Kosten der Grippeschutzimpfung seiner Ehefrau ein Beihilfebetrag in Höhe von 12,39 EUR zu gewähren.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt es die Ausführungen aus seinem Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann über die Klage gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Beihilfe zu den geltend gemachten Aufwendungen der Grippeschutzimpfung seiner Ehefrau im Februar 2005. Der Bescheid des beklagten Amtes vom 12. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2005 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers ist § 87 c NBG i.V.m. mit der zur Zeit der Entstehung der Aufwendungen (März 2005) geltenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheit-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen in der Fassung vom 1. November 2001 (GMBl. S. 919), zuletzt geändert durch die allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379) - BhV - . Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 17.6.2004 - 2 C 50.02 -, ZBR 2005, 42 = DVBl. 2004, 1420) genügen diese Beihilfevorschriften als Verwaltungsvorschriften zwar nicht (mehr) den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehaltes, da die wesentlichen Entscheidungen über Leistungen an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber zu treffen habe. Dies gilt auch, soweit die Beihilfevorschriften des Bundes - wie hier - durch Landesrecht inkorporiert worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 - 2 C 30.03 - ZBR 2005, 168). Trotz dieses Defizits normativer Regelungen ist aber hiernach für eine - nicht näher bestimmte - Übergangszeit von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen.
Nach § 10 Abs. 3 BhV sind Aufwendungen für amtlich empfohlene Schutzimpfungen beihilfefähig, ausgenommen sind Impfungen aus Anlass privater Reisen in Gebiete außerhalb der Europäischen Union. Eine Schutzimpfung ist nach § 2 Nr. 9 des Infektionsschutzgesetztes die Verabreichung eines Impfstoffes, die die Patientin oder den Patienten vor einer übertragbaren Krankheit schützen soll. Wie alle Aufwendungen für Krankheiten setzt auch eine Erstattung von Kosten für Schutzimpfungen nach § 5 Abs. 1 BhV voraus, dass sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Das Erfordernis der grundsätzlichen Notwendigkeit der Schutzimpfung ergibt sich seit dem 1. Januar 2004 unmittelbar aus § 10 Abs. 3 BhV, wenn dort seitdem „amtlich empfohlene“ Schutzimpfungen als beihilfefähig bezeichnet werden. Amtlich empfohlen ist eine Schutzimpfung in diesem Sinne, wenn sie den Empfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO-Empfehlungen) entsprechen. (vgl. Topka/Möhle, Loseblattkommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Stand: Oktober 2006, § 10 Abs. 3 Anmerkung 3).
Das beklagte Amt hat hier zu Recht die Aufwendungen für die Grippeschutzimpfung der Ehefrau nicht als beihilfefähig anerkannt, da nach den Empfehlungen der STIKO die Indikation für eine derartige Schutzimpfung bei der Ehefrau im Februar 2005 nicht vorgelegen haben. Zur Begründung nimmt das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen des beklagten Amtes in dem Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2005 Bezug, denen es folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist auszuführen: Nach den STIKO-Empfehlungen wäre für die Ehefrau des Klägers, die im Februar 2005 weder das 60. Lebensjahr vollendet hatte, noch einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung bei einer Grippe infolge eines Grundleidens unterlag, noch Bewohnerin eines Pflegeheimes war, eine Grippeschutzimpfung nur indiziert gewesen, wenn eine intensive Epidemie aufgrund von Erfahrungen in anderen Ländern drohte oder nach deutlicher Antigendrift bzw. einer Antigenshift zu erwarten war, der Impfstoff die neue Variante enthielt und eine dementsprechende Empfehlung der Gesundheitsbehörden vorgelegen hätte. Diese Voraussetzungen lagen nicht vor.
Den vom Kläger vorgelegten Zeitungsartikeln lässt sich eine drohende intensive Grippeepidemie nicht entnehmen. Es ist nur von einer allgemeinen Grippewelle die Rede, bei der nicht einmal vorhergesagt werden konnte, ob sie stark oder normal sein würde. Dass die Zeitung den Leiter des Kreisgesundheitsamtes dahingehend „zitiert“, dass dieser zu einer Schutzimpfung rate, und dieser Rat ganz undifferenziert erfolgte, genügt in keiner Weise den Anforderungen der STIKO-Empfehlungen. Es handelt sich hier um einen allgemeinen Zeitungsartikel, in dem unter Berufung auf den Leiter des Kreisgesundheitsamtes zu Grippeschutzimpfungen geraten wird ohne dass hieraus eine amtliche Empfehlung deutlich wird und schon gar nicht der Hinweis darauf, dass eine Epidemie droht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.