Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 08.01.2007, Az.: 1 B 1/07
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 08.01.2007
- Aktenzeichen
- 1 B 1/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 62153
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2007:0108.1B1.07.0A
Gründe
Dem Antragsteller geht es um die (vorläufige) Feststellung, dass er eine Weisung der Antragsgegnerin, seinen Dienst zum 8. Januar 2007 wieder aufzunehmen, nicht zu befolgen brauche.
Er ist - 1947 geboren - nach einer Ausbildung zum grad. Ingenieur für Schiffsbetriebstechnik und mehrjähriger Tätigkeit bei der Handelsmarine seit September 1979 im Niedersächsischen Schuldienst mit den Fächern Metalltechnik und Sport bei Berufsbildenden Schulen (zunächst in B., dann in C.) tätig. Mit Wirkung vom 1. Februar 1980 wurde er zum Studienrat ernannt.
Seit August 2005 ist der Antragsteller durchgängig arbeitsunfähig krank geschrieben, so dass seine Dienstfähigkeit amtsärztlich überprüft wurde. In seiner Stellungnahme vom 11. Januar 2006 führte der Amtsarzt u.a. aus, eine dauernde Dienstunfähigkeit iSv § 54 NBG liege nicht vor, aber erforderlich sei"eine stationäre Reha-Maßnahme in einem psychotherapeutisch spezialisierten Klinikum für die Dauer von 4-6 Wochen, anschließend sehr wahrscheinlich Fortsetzung der ambulanten Psychotherapie."
Der Amtsarzt erwartete so eine "deutliche Verbesserung resp. Wiederherstellung der Dienstfähigkeit" binnen 3-5 Monaten nach Durchführung der Reha-Maßnahme. Zu einer entsprechenden Reha-Maßnahme kam es nicht. Vielmehr nahm der Amtsarzt auf die Bitte der Antragsgegnerin hin nochmals - nach Einschaltung von Fachärzten (vgl. Gutachten vom 20. November 2006) - am 29. November 2006 Stellung und gelangte zu der Auffassung, eine Dienstunfähigkeit des Antragstellers sei zwar nicht anzunehmen, aber der Patient sei "krank geschrieben, beamtenrechtlich ´dienstunfähiǵ." Weiterhin führt er aus:
"Wenn denn keine körperlich-seelische Erkrankung die Wiederaufnahme der Arbeit verhindert, so sind andere Gründe maßgeblich. Diese wiederum dürften einer Psychotherapie zugänglich sein; empfohlen wird eine stationäre Heilbehandlung."
Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller daraufhin mit ihrer angegriffenen Verfügung vom 5. Dezember 2006 auf, den Dienst an den BBS C. am 8. Januar 2007 wieder aufzunehmen und kündigte an, eine weitere Abwesenheit als unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst zu werten und den Verlust der Dienstbezüge iSv § 9 BBesG festzustellen.
Der zulässige Antrag hat als Vorsitzendenentscheidung (§ 123 Abs. 2 S. 3 iVm § 80 Abs. 8 VwGO) einstweilen Erfolg.
1. Der Antrag richtet sich nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO, da die dienstliche Weisung, seinen Dienst anzutreten, mangels regelnder Außenwirkung kein Verwaltungsakt ist:
"Anders als die Anordnung zur amtsärztlichen Untersuchung, die eine die körperliche und persönliche Integrität des Beamten berührende Rechtspflicht erstmals begründet (vgl. OVG Koblenz, NVwZ-RR 1990, 154), ist die Weisung zum Dienstantritt ihrem objektiven Sinngehalt nach lediglich darauf gerichtet, den Beamten an seine unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Dienstpflichten zu erinnern. Sie ist daher keine Regelung, die sich auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen richtet."- OVG Koblenz, NVwZ-RR 2003, S. 223 -
2. Die Sache ist dringlich im Sinne der §§ 123 Abs. 2 S. 3, 80 Abs. 8 VwGO. Denn dem Antragsteller kann das Risiko, sich mit jedem Tag, an dem er die Weisung seines Dienstherrn nicht befolgt, ggf. eines disziplinarrechtlich relevanten Fernbleibens vom Dienst schuldig zu machen, dessen sich die Antragsgegnerin berühmt, und daneben auch einen Verlust von Dienstbezügen zu riskieren, nicht länger aufgebürdet werden. Zugleich ist damit auch ein Sicherungsgrund gegeben.
3. Erfolg hat der Antrag einstweilen deshalb, weil einander widersprechende medizinische Feststellungen und gutachterliche Stellungnahmen vorliegen, so dass eine endgültige Klärung der Frage, ob die Weisung der Antragsgegnerin letztlich in der Sache berechtigt ist, erst in einem Verfahren der Hauptsache wird erfolgen können.
Allerdings enthält die gutachterliche Stellungnahme des Priv.-Doz. Dr. D. vom 20. November 2006 u.a. nachfolgende Feststellung:
"Das Ausmaß der Ängste und der depressiven Symptome begründen allerdings keine eigenständige diagnostische Klassifikation, insbesondere nicht einer ´progedienten Depressioń. Vielmehr stehen sie im Zusammenhang mit der somatischen Störung und gehen in diesem Krankheitsbild auf"(Bl. 17 GA Rs)
Weiter heißt es in diesem Gutachten:
"Bei dem Probanden sind einzelne dieser Fähigkeiten persönlichkeitsakzentuiert und konflikt- bzw. motivationsbedingt beeinträchtigt, dass daraus ein krankheits- und behandlungswertiger Zustand resultiert, dessen Ausmaß jedoch keine Dienstunfähigkeit begründet."(S. 17/18 GA).
Schließlich wird konstatiert:
"Zur Intensivierung des Behandlungsprozesses ist ein möglichst sechswöchiges vollstationäres Heilverfahren zu empfehlen".
"Prinzipiell sind psychosomatische Rehabilitationskliniken geeignet, vorzugsweise solche mit speziellen Behandlungskonzepten für Lehrer (z.B. "Burn-out", "Arbeitsplatzkonflikte")."(S. 18 GA Rs).
Unter diesen Umständen dürfte auch ein Sicherungsanspruch iSv § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO gegeben sein. Denn es erscheint derzeit - auch unter Berücksichtigung der abweichenden Stellungnahmen des Amtsarztes und des zugezogenen Fachgutachters - hinreichend wahrscheinlich, dass ein jedenfalls schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst hier nicht vorliegt, der Antragsteller vielmehr seiner Gesunderhaltungspflicht (als sekundärer Dienstpflicht) nachzukommen sucht. Der Antragsteller bleibt seinem Dienst aufgrund medizinisch begründeter Beeinträchtigungen fern (vgl. das gen. Gutachten v. 20.11.06), so dass ein sein Fernbleiben rechtfertigender Hinderungsgrund solange noch gegeben sein dürfte, wie eine medizinisch feststellbare Beschwerdebesserung und Gesundung nicht erreicht ist.
Hierfür spricht derzeit auch § 54 Abs. 1 S. 2 NBG iVm der Stellungnahme des Amtsarztes vom 11. Januar 2006 unter der Voraussetzung und Annahme, dass von einer 6-wöchigen Reha-Maßnahme und einer "Wiederherstellung" der Dienstfähigkeit binnen erst rd. 5 Monaten ausgegangen wird:
Als dienstunfähig kann der Beamte auch dann angesehen werden, wenn er wegen Krankheit innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird.
Hierbei wäre zudem ein Begriff der "Dienstunfähigkeit" zu berücksichtigen, wie er vom Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 41, 75 = DVBl. 73, 515 = ZBR 73, 81 angenommen worden ist:
"Es hat die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ausschließlich in Anwendung des § 37 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 54 NBG geprüft und seiner rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts eine zutreffende Definition des Begriffs der Dienstunfähigkeit als Ausgangspunkt vorangestellt. Auch der Teil der Urteilsbegründung, der der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den Begriff der Dienstunfähigkeit gewidmet ist, bietet keinerlei Anhaltspunkte für die Ansicht der Revision. Gegenteiliges kann - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus geschlossen werden, daß das Berufungsgericht u.a. unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt hat, Lehrkräfte seien für dauernd dienstunfähig anzusehen, wenn die gegebenen Umstände die Befürchtung rechtfertigten, ihre weitere Beschäftigung könne zu schweren Nachteilen für die schulische Ausbildung und menschliche Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder führen. Das Berufungsgericht hat damit lediglich den nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. das bereits erwähnte Urteil vom 17. Oktober 1966) für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit maßgebenden Gesichtspunkt der Auswirkungen der gesundheitlichen Verhältnisse des Beamten auf den Dienstbetrieb angesprochen und dabei zutreffend auf die Dienstaufgaben eines Lehrers abgestellt."