Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.02.2010, Az.: 2 A 5587/08

Aktenänderung; Beamter; Geschlecht; Geschlechtsumwandlung; Name; Namensänderung; Personalakte; Personalaktenänderung; Transsexualität; Transsexueller; Urkunde; Vorname

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.02.2010
Aktenzeichen
2 A 5587/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 48048
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Beamter, der auf der Grundlage des Transsexuellengesetzes seinen Vornamen geändert hat, kann nicht verlangen, dass die Personalakte umgeschrieben wird und die in der Personalakte enthaltenen Urkunden an die Namensänderung angepasst werden.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wurde am 12.05.1949 mit männlichem Geschlecht geboren. Mit Wirkung vom 01.09.1978 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in den niedersächsischen Landesschuldienst eingestellt. Mit Urkunde vom 26.01.1979 wurde sie mit Wirkung vom 01.12.1979 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Die Ernennung zur Realschullehrerin erfolgte am B.. Seit dem 01.08.2004 ist sie an der Realschule C. in D. beschäftigt.

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Mit Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 17.03.2008 (1 UR III 27/07) wurde der Vorname der Klägerin gemäß § 1 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz-TSG) von "E. " in "F. " geändert.

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Mit Schreiben vom 19.03.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Neuausstellung folgender Dokumente mit ihrem geänderten Namen:

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- Urkunde über die 2. staatl. Lehramtsprüfung vom G.

5

- Urkunde über die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit vom H.

6

- Urkunde über die Ernennung zur Realschullehrerin vom B.

7

- Urkunde über 25jährige gewissenhafte Pflichterfüllung vom I..

8

Mit Schreiben vom 30.06.2008 verlangte die Klägerin erneut von dem Beklagten die Änderung der genannten Urkunde und berief sich u. a. darauf, dass eine transsexuelle Person nach § 5 TSG vor einer grundlosen Aufdeckung der von ihr geführten Namen geschützt werde.

9

Mit Schreiben vom 22.09.2008 lehnte die Beklagte eine Änderung der angeführten Unterlagen ab. Der Umstand, dass die Klägerin nicht mehr einen männlichen, sondern einen weiblichen Vornamen führe, gebe ihr nicht den Anspruch auf nachträgliche Korrektur von Dokumenten, die vor der Namensänderung ausgestellt worden seien. Das gelte jedenfalls dann, wenn nicht zu besorgen sei, dass die Klägerin Nachteile erleiden würde, die nicht auf andere Weise vermieden werden könnten. So liege der Fall hier. Bei der hier vorliegenden "kleinen Lösung" im Sinne des Transsexuellengesetzes seien die Rechtswirkungen in § 5 TSG festgehalten. Das Verbot, den alten Vornamen zu offenbaren, werde eingeschränkt durch den Vorbehalt, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses das Offenbaren erforderten oder ein rechtliches Interesse dafür glaubhaft gemacht werde. Das Offenbarungsverbot verlange nicht, dass abgeschlossene Verwaltungsvorgänge der Vergangenheit umgeschrieben werden müssten. Es gebe auch keine Handhabe dafür, dass mit konstitutiver Wirkung ausgesprochene Rechtsakte nachträglich korrigiert werden könnten. Mit der Änderung der genannten Urkunden werde der von der Klägerin gewünschte Zweck auch gar nicht erreicht. Die Personalakte der Klägerin enthalte eine Fülle von Unterlagen, in denen sie mit ihren früheren Vornamen angeführt sei. Bis zum Zeitpunkt der Namensänderung weise die Akte rund 600 Blatt auf. Sicherlich würde im Falle einer innerhalb des öffentlichen Dienstes abgegebenen Bewerbung einer Beamtin/eines Beamten nach einer Namensänderung diese bei Einsichtname in die Personalakte offenbar. Die durch die beamtenrechtlichen Regelungen festgeschrieben oder ihr immanenten Gründsätze (Vollständigkeit der Personalakte, erhöhte Verbindlichkeit konstitutiver Akte) rechtfertigten das Durchbrechen des Offenbarungsverbotes nach § 5 Abs. 1 TSG, nicht minder aber auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität. Das bis in alle Einzelheiten gehende Umschreiben der Personalakte wäre mit einem immensen Verwaltungsaufwand verbunden. § 5 TSG bezwecke nicht, dass das zurückliegende Leben allein als eines einer Person mit jetzigen Namen erscheine. Mit der Vorschrift solle gewährleistet werden, dass Nachteile für Betroffene vermieden werden würden, die bei verständiger Rücksichtnahme auf ihre Interessen vermeidbar seien. Denkbar sei, dass dabei auch übliche Verwaltungsabläufe in pragmatischer Weise geändert werde könnten. Das vorsorgliche Umschreiben von Dokumenten von hohem Nachweiswert könne nicht der richtige Weg sein.

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Am 07.1.2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor:

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Gem. § 5 Abs. 1 TSG dürften nach rechtskräftiger Änderung des Vornamens die zur Zeit der Entscheidung geführten Vornamen nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, es werde ein besonderes öffentliches Interesse glaubhaft gemacht. Vorliegend sei ein derartiges Interesse nicht ersichtlich. Der Schutz des Persönlichkeitsrechtes überwiege damit. Eine Offenbarung des ursprünglichen Vornamens habe für sie eine Offenbarung ihrer höchstpersönlichen Lebensumstände zur Folge. Dieser Umstand stehe im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber verfolgten Absicht. Es wäre eine Offenbarung zu besorgen, sofern sie sich beispielweise zu einem Wechsel ihres Arbeitsplatzes in die Verwaltung entscheiden sollte. Deshalb sei eine entsprechende Änderung der Urkunden vorzunehmen. Das habe bereits das LAG Hamm in einem Urteil vom 17.12.1998 (4 SA 1337/98) entschieden. Danach habe ein Transsexueller mit der Vornamensänderung Anspruch auf Neuausstellung von Zweitschriften sowie Erstexemplaren seiner Zeugnisse auf den neuen Vornamen und die neue Geschlechtszugehörigkeit. Dies gelte sowohl gegenüber Arbeitgebern als auch gegenüber staatlichen Institutionen. Es widerspreche dem Schutzzweck des Transsexuellengesetzes und Art. 2 Abs. 1 GG, wenn durch die Verweigerung des Arbeitgebers, einem transsexuellen Arbeitnehmer ein für sein Fortkommen wichtiges Dokument über seine Arbeitstätigkeit zu erstellen, der betroffene Arbeitnehmer bei Bewerbungen oder ähnlichen Gelegenheiten gehalten wäre, die Lücke in der Dokumentation seiner beruflichen Laufbahn durch Vorlage eines Originalzeugnisses oder durch Erklärung eines anderen Namens auf einer Beamtenurkunde zu schließen und damit seine Transsexualität selbst zu offenbaren. Dies wäre auch dann bereits der Fall, wenn die Personakte an die Versorgungsfestsetzungsstelle weitergeleitet werden würde, soweit es um die Berechnung von Pensionsansprüchen gehe. Die ihr nach § 5 TSG zustehende lückenlose Dokumentation ihrer beruflichen Laufbahn können nur durch Vorlage von Originalurkunden gewährleistet werden, die mit den Ursprungsdaten zu versehen seien. Könnten nämliche die entsprechenden Urkunden nicht mit den ursprünglichen Daten vorgelegt werden, müsste sie sich ggf. hinsichtlich der Vorlage der Urkunden mit geänderten Daten über ihre Transsexualität offenbaren. Dies aber habe der Gesetzgeber verhindern wollen. Es reiche also nicht aus, wenn ihr die in Rede stehenden Urkunden mit geänderten Vornamen unter aktuellem Datum ausgestellt würden.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 22.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die

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- Urkunde des 2. Staatsexamens vom G.,

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- Ernennungsurkunde zur Realschullehrerin vom B.,

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- Urkunde über die Verbeamtung auf Lebenszeit vom H.,

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- Urkunde über die 25jährige gewissenhafte Pflichterfüllung im öffentlichen Dienst vom J.

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auf ihren geänderten Namen zu ändern und auch den sich aus der Änderung in einen weiblichen Namen ergebenen Änderungen hinsichtlich des Geschlechts Rechnung zu tragen, Zug um Zug gegen Herausgabe der Originalurkunden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie halte daran fest, dass das Begehr der Klägerin mit den gesetzlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen sei. Sie sei aber damit einverstanden, der Klägerin in urkundlicher Form zu bescheinigen, dass sie zur Realschullehrerin und Beamtin auf Lebenszeit ernannt worden sei, die 2. Staatsprüfung bestanden habe und aus Anlass des 25jährigen Dienstjubiläums geehrt worden ist, wobei die Daten der jeweiligen Ereignisse angeführt würden und die Beurkundung unter aktuellem Datum erfolge.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Personalakte der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, weil die Beklagte über die Änderung der in Rede stehenden Urkunden durch Verwaltungsakt entscheidet. Die Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.09.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf "Anpassung" der über sie geführten Personalakte bezüglich der in Rede stehenden Urkunden an ihren 2008 geänderten Namen.

24

Einen Anspruch auf Änderung der Urkunden gewährt § 5 Abs. 1 TSG nicht. Auch wenn mit der Klägerin anzunehmen ist, dass die Personalakte mit ihrem derzeitigen Inhalt die Geschlechtsumwandlung der Klägerin und ihre damit verbundene Namensänderung offenbart, so ist dies von ihr hinzunehmen, weil nach der Vorschrift die Offenbarung ausnahmsweise zulässig ist, wenn die Beklagte ein überwiegendes rechtliches Interesse für sich in Anspruch nehmen kann, die Personalakte mit den bisherigen Inhalt weiter zu führen. Das ist hier der Fall.

25

Nach § 50 Satz 1 BeamtStG ist für jede Beamtin und jeden Beamten eine Personalakte zu führen. Die Personalakte ist Grundlage und Voraussetzung für den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Beamten und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit einer effizienten Personalverwaltung und - wirtschaft. Beide Zwecke erfordern, dass die Personalakte vollständig und richtig ist (vgl. BVerwGE 50, 301 ff.). Der Grundsatz der Vollständigkeit besagt, dass die Personalakte ein möglichst vollständiges Bild von der Persönlichkeit des Beamten geben und ein zutreffendes Bild der Entstehung und Entwicklung des Dienstverhältnisses als historischem Geschehensablauf vermitteln soll (vgl. Kümmel, Beamtenrecht, § 101a NBG Rdnr. 5 und 6). Personalakten sind deshalb nach dem Grundsatz der Offenheit und Richtigkeit (Wahrheit) zu führen. Dem Zweck der Personalakte, ein zutreffendes und objektives Bild über die Persönlichkeit des Beamten und seine dienstliche Laufbahn zu liefern, würde es zuwiderlaufen, wenn die von der Klägerin genannten Urkunden mit Originaldatum aus der Akte entfernt und mit dem ursprünglichen Datum der Akte wieder hinzugefügt würden. Die Personalakte wäre dann nicht mehr vollständig und richtig, weil am H. nicht die Lehrerin K., sondern der Lehrer L. zum Beamten auf Lebenszeit ernannt worden ist, weil am B. Herr L. zum Realschullehrer ernannt worden ist, Herr L. auch das 2. Staatsexamen am G. bestanden hat und weil auch ihm eine Urkunde über 25jährige gewissenhafte Pflichterfüllung im öffentlichen Dienst ausgestellt worden ist, nicht aber einer Person weiblichen Geschlechts mit Namen K..

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Im Übrigen ist die Beklagte auch deshalb nicht verpflichtet, die in Rede stehenden Urkunden unter dem Originaldatum und mit dem neuen weiblichen Vornamen der Klägerin neu auszustellen, weil die Klägerin auf diese Weise nicht erreichen kann, dass ihre Namens- bzw. Geschlechtsumwandlung bei Einsichtnahme in ihre Personalakte verborgen bleibt. Die Personalakte der Klägerin enthält eine Vielzahl von Unterlagen, in denen sie mit ihrem früheren Vornamen bezeichnet wird. Darunter befinden sich auch Dokumente wie ärztliche Atteste, Gerichtsentscheidungen und anwaltliche Schriftsätze, die die Beklagte gar nicht ausgestellt hat und zu deren Änderung sie nicht befugt ist. Es wäre damit nicht möglich und die Klägerin hat dies auch nicht beantragt, sämtliche Spuren aus der Personalakte zu entfernen, die auf die frühere Identität der Klägerin hinweisen. Ein Austausch sämtlicher Dokumente wäre im Übrigen mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden und würde schließlich dem Zweck der Personalakte, die Entwicklung des Beamtenverhältnisses von seiner Begründung bis zum Ruhestand nachvollziehbar darzustellen, nicht mehr gerecht werden.

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Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Denn der ihr gegenüber der Klägerin obliegenden Fürsorgepflicht ist die Beklagte dadurch nachgekommen, das sie der Klägerin angeboten hat, ihr in urkundlicher Form zu bescheinigen, dass sie zur Realschullehrerin und Beamtin auf Lebenszeit ernannt worden ist, die 2. Staatsprüfung bestanden hat und aus Anlass des 25jährigen Dienstjubiläum geehrt worden ist, allerdings unter dem aktuellem Datum. Mit diesem Angebot ist die Beklagte der Klägerin weit entgegengekommen. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Anpassung ihrer Personalakte bzw. der darin enthaltenen Urkunden an ihren neuen Vornamen lässt sich auch aus der Fürsorgepflicht nicht herleiten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.