Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 18.02.2010, Az.: 1 A 4998/08

Ausschlussfrist; Ehrenamt; Entschädigung; Gemeinderat; Gemeinderatssitzung; kommunale Vertretung; Ratsmitglied; Ratssitzung; Sitzung; Verdienstausfall

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
18.02.2010
Aktenzeichen
1 A 4998/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 47850
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verdienstausfallentschädigung für seine Tätigkeit als Ratsmitglied.

2

Der Kläger ist seit Herbst 2006 Mitglied des Rates der Beklagten. Er ist beruflich tätig als Rechtsanwalt und Notar in eigener Kanzlei. Am 17.09.2008 stellte er einen Antrag auf Ersatz von Verdienstausfall für die Teilnahme an Rats-, Fraktions- und Ausschusssitzungen im Zeitraum vom 16.04.2007 bis 10.12.2007. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die in § 7 der Satzung über die Entschädigung der Mitglieder kommunaler Vertretungen, der Ehrenbeamten und der sonstigen ehrenamtlich Tätigen in der Stadt Neustadt am Rübenberge vom 07.07.1994 (veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis Hannover, S. 347) in der Fassung der 6. Änderungssatzung vom 01.04.2004 (veröffentlicht im Amtsblatt für die Region Hannover, S. 114) festgelegte Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Verdienstausfall versäumt. Hiernach seien Anträge auf Zahlung von Verdienstausfall spätestens zwei Monate nach Quartalsende einzureichen.

3

Der Kläger hat am 13.10.2008 Klage erhoben. Er trägt vor, er sei seitens der Beklagten bei Aufnahme seiner Tätigkeit als Ratsmitglied nicht auf die Möglichkeit und die Modalitäten einer Abrechnung von Verdienstausfall hingewiesen worden. Auch ein Hinweis auf die bestehende Satzungsregelung sei ihm gegenüber nicht erfolgt. Sein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall ergebe sich aus § 39 Abs. 5 NGO. Die Satzungsbefugnis in § 39 Abs. 5 NGO enthalte keine Ermächtigung, Ausschlussfristen oder vom Gesetz abweichende Verjährungsfristen festzusetzen. Unklar sei, was die Beklagte mit einer "Verfristung" des Anspruchs meine. Die von der Beklagten erlassene Regelung könne jedenfalls nicht dazu führen, dass der Anspruch auf Verdienstausfall mit Fristablauf abweichend von der gesetzlichen Verjährungsfrist entfalle. Für eine derartige Regelung hätte es einer gesetzlichen Grundlage bedurft. Überdies könne § 7 Abs. 3 der Satzung eine solche Rechtsfolge im Gegensatz zu seinem Abs. 1, der ausdrücklich von einem „Entfallen? des Anspruchs spreche, nicht entnommen werden. Der Zweck der Regelung liege offensichtlich allein darin, unnötigen Verwaltungsaufwand durch häufigere Antragstellung zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund lasse sich - auch im Wege der Auslegung - nicht annehmen, dass der Anspruch entfallen bzw. ausgeschlossen sein solle. Auch die Beklagte selbst sehe die Frist nicht als Ausschlussfrist an. So habe sie hinsichtlich des Sitzungsgelds und des Verdienstausfalls für zwei Bauausschusssitzungen im 3. Quartal 2008 die Abrechnung insgesamt auf den Abrechnungstermin für das nächste Quartal verschoben und insoweit auf die Einhaltung der Frist verzichtet.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.10.2008 zu verpflichten, ihm eine Verdienstausfallentschädigung gemäß Antrag vom 17.09.2008 zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor, die Fristbestimmung in der Satzung sei nur dann sinnvoll, wenn ihre Nichteinhaltung dazu führe, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden könne. Die Satzungsbestimmung sei insoweit eindeutig. Die Regelung sei angesichts der abrechnungstechnischen und haushaltsrechtlichen Probleme in der Vergangenheit notwendig. Insoweit nimmt sie Bezug auf die Begründung der Beschlussdrucksache Nr. 68/04 (Bl. 23 d. Beiakte). Hinsichtlich der nachgeholten Abrechnung zweier Sitzungstermine im 3. Quartal 2008 führt die Beklagte aus, die beiden Ausschusssitzungstermine hätten in der Abrechnung für das 3. Quartal gefehlt. Der Sachbearbeiter habe daher aus praktischen Gründen entschieden, die Bearbeitung zusammen mit der nächsten Quartalsabrechnung vorzunehmen und sich bereit erklärt, die diesbezüglichen Anträge auf Verdienstausfall noch bis zum Ablauf der für das 4. Quartal geltenden Frist entgegenzunehmen. Dieses Vorgehen ändere nichts daran, dass die Frist grundsätzlich einzuhalten sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung zu (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

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Ein Anspruch des Klägers nach § 39 Abs. 5 Satz 5 NGO ist gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 der Satzung über die Entschädigung der Mitglieder kommunaler Vertretungen, der Ehrenbeamten und der sonstigen ehrenamtlich Tätigen in der Stadt Neustadt a.Rbge. vom 07. Juli 1994 in der Fassung des 6. Nachtrages vom 01. April 2004 ausgeschlossen. Hiernach sind Anträge auf Zahlung von Verdienstausfall spätestens 2 Monate nach Quartalsende einzureichen. Diese Frist ist unstreitig für sämtliche von dem Kläger geltend gemachte Ansprüche abgelaufen.

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Die von dem Kläger erhobenen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzungsregelung sind unbegründet.

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Die Beklagte ist aufgrund § 6 Abs. 1 NGO ermächtigt, im eigenen Wirkungskreis Regelungen durch Satzung zu treffen. § 6 Abs. 1 NGO gibt den Städten und Gemeinden das Recht, im Rahmen der Gesetze ihre eigenen Angelegenheiten selbst durch Satzung zu regeln. Die kommunale Satzungsbefugnis umfasst nach Auffassung der Kammer auch die Festlegung von Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen der Ratsmitglieder gegen die Gemeinde aus der NGO. Denn zu den eigenen Angelegenheiten der Gemeinde zählen auch die Rechtsbeziehungen zwischen Gemeinde und Ratsmitgliedern.

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Die Satzungsbefugnis für die im Streit stehende Regelung folgt damit bereits aus § 6 Abs. 1 NGO und nicht - wie der Kläger meint - aus § 39 Abs. 5 NGO. Die Beklagte hat § 6 NGO (neben anderen Vorschriften) in ihrer Satzung auch als Ermächtigungsgrundlage angegeben. In § 39 Abs. 5 NGO wird die kommunale Satzungsbefugnis nicht erst eingeräumt, sondern vorausgesetzt und konkretisiert. Satz 2 der genannten Vorschrift macht insoweit zusätzliche Vorgaben für die Ausübung des satzungsgeberischen Ermessens hinsichtlich der Festlegung von Höchstbeträgen für Auslagen, Aufwendungsersatz und Verdienstausfall. Daraus lässt sich nicht im Umkehrschluss folgern, der Beklagten stehe nur insoweit eine Satzungsbefugnis zu, als der betreffende Regelungsgegenstand in § 39 Abs. 5 Satz 5 NGO genannt sei. Vielmehr ist die Beklagte zum Erlass weitergehender Regelungen, auch hinsichtlich der Geltendmachung von Verdienstausfall durch Ratsmitglieder, aufgrund der allgemeinen Satzungsermächtigung in § 6 Abs. 1 NGO berechtigt.

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Die Beklagte hat auch in zulässiger Weise von ihrer Satzungsbefugnis Gebrauch gemacht.

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Den Charakter der von der Beklagten festgelegten Frist hält das Gericht im Gegensatz zu dem Kläger nicht für zweifelhaft. Durch die Formulierung: „Die Anträge … sind vierteljährlich spätestens zwei Monate nach Quartalsende einzureichen.“ wird nach Auffassung des Gerichts hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass danach eingehende Anträge nicht mehr bearbeitet werden, und damit eine spätere Geltendmachung von Verdienstausfall ausgeschlossen sein soll. Damit hat die Beklagte in § 7 Abs. 3 der Satzung eine Ausschlussfrist bestimmt. Dies entspricht den mitgeteilten Absichten der Beklagten als Satzungsgeberin und der in der Beschlussdrucksache Nr. 68/04 angegebenen Begründung. Denn zur Beschleunigung und Vereinheitlichung des Abrechnungsverfahrens wäre eine Frist, deren Versäumung ohne Konsequenzen bliebe, kaum geeignet, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Aus der seitens des Klägers gerügten Abweichung der Formulierung in § 7 Abs. 3 von der Formulierung in Abs. 1, wonach der Anspruch bei unentschuldigtem Fernbleiben von Sitzungen entfalle, ergibt sich für das Gericht keine andere Einschätzung. Soweit der Satzungsgeber in Abs. 3 im Gegensatz zu Abs. 1 nicht vom „Entfallen? des Anspruchs spricht, mag dies auch darin seinen Grund haben, dass das Bestehen des Anspruchs auf Verdienstausfall im Rahmen der Antragsbearbeitung noch geprüft werden muss. Es ist insoweit nachvollziehbar, vom Entfallen eines Anspruchs dann nicht zu sprechen, wenn sein Bestehen noch nicht feststeht. Auch aus der großzügigen Handhabung der Frist in einem vom Kläger angeführten Einzelfall folgt nichts anderes. Die Tatsache, dass die Beklagte in einem Einzelfall, dessen genaue Hintergründe dem Gericht nicht bekannt sind, von der Einhaltung der Frist abgesehen hat, stellt weder den grundsätzlichen Charakter der Frist in Frage noch kann der Kläger für sich beanspruchen, dass ihm deswegen stets eine längere Frist eingeräumt wird. Aus einer einmaligen abweichenden Handhabung ergibt sich nämlich noch keine derartige Selbstbindung der Verwaltung.

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Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet es auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass mit der Bestimmung einer Ausschlussfrist die Geltendmachung eines Anspruchs bereits vor Eintritt der Verjährung ausgeschlossen wird. Hierin liegt insbesondere kein Verstoß gegen höherrangige gesetzliche Vorschriften, wie § 195 BGB. Das Recht unterscheidet allgemein zwischen Ausschlussfristen und Verjährungsfristen (vgl. hierzu nur Münchener Kommentar, BGB, Abschnitt 5, Verjährung, Vorbemerkung, Rn. 10 m.w.Nachw.). Die Tatsache, dass die Verjährung erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, steht der Bestimmung einer kürzeren Ausschlussfrist generell, und hier durch den Satzungsgeber, nicht entgegen. Vielmehr ist es gerade kennzeichnend für Ausschlussfristen, dass sie kürzer bemessen sind als Verjährungsfristen. Sie dienen damit besonders der Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (vgl. hierzu Münchener Kommentar, aaO.), und zwar bereits vor Eintritt der Verjährung. Die Rechtsfolge, dass der Ablauf einer Ausschlussfrist den materiellrechtlichen Ausschluss eines - mitunter gesetzlich geregelten - Anspruchs nach sich zieht, ist auch in anderen Rechtsbereichen anerkannt. Von den Betroffenen ist diese Rechtsfolge regelmäßig hinzunehmen. Dies gilt vorliegend in besonderer Weise, weil die Regelung von den betroffenen Ratsmitgliedern selbst mehrheitlich beschlossen wurde.

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Die Regelung ist auch verhältnismäßig. Das Interesse der Beklagten an einer zügigen Abrechnung von Verdienstausfall ist insbesondere unter haushaltsrechtlichen Aspekten anzuerkennen. Entgegen der Annahme des Klägers zielt die Regelung nicht darauf ab, unnötigen Verwaltungsaufwand durch häufigere Antragstellung zu vermeiden. Sie dient ausweislich der in der Beschlussdrucksache angegebenen Begründung dem Zweck, eine zügige und regelmäßige Abrechnung des Verdienstausfalls, gekoppelt an die Abrechnung der Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder, zu gewährleisten. Zur Erreichung dieses Zwecks ist die Fristbestimmung geeignet, weil sie die gleichzeitige Abrechnung sämtlicher Ansprüche, die sich auf bestimmte Sitzungstermine beziehen, ermöglicht. Die Rechtsfolge des Anspruchsausschlusses ist generell auch erforderlich, da die Einhaltung der Frist ansonsten nicht hinreichend sichergestellt wäre und die angestrebte gebündelte Abrechnung erschwert würde.

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Der Einwand des Klägers, er sei auf die Modalitäten der Geltendmachung von Verdienstausfall nicht hingewiesen worden, greift nicht durch. Von einem Ratsmitglied, das überdies Rechtsanwalt und Notar ist, kann erwartet werden, dass es sich selbst nach den Modalitäten der Geltendmachung der im Gesetz geregelten Verdienstausfallsentschädigung erkundigt. Aufgrund öffentlicher Bekanntmachung der Satzung im Amtsblatt für die Region Hannover sowie Veröffentlichung auf der Internetseite der Beklagten war der Inhalt der Satzung dem Kläger auch ohne Weiteres zugänglich. Der Kläger muss daher die sich aus der Satzung ergebende Rechtsfolge des Anspruchsausschlusses gegen sich gelten lassen.

21

Die Frage, ob dem Kläger in der Sache ein Anspruch auf Verdienstausfall zusteht, muss im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden, da ein etwaiger Anspruch jedenfalls an der Ausschlussfrist scheitert.

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Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Nachteilsausgleich gem. § 39 Abs. 5 Satz 8 i.V.m. Satz 6 NGO zu, für den nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 der Satzung keine Ausschlussfrist gilt. Insoweit wird auf die Gründe der Entscheidung der Kammer vom selben Tag im Verfahren 1 A 235/09 zwischen denselben Beteiligten verwiesen.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.