Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 10.06.2020, Az.: 6 A 1008/19
Cash; Cash-Flow III; Dürre 2018; Dürrebeihilfe; Dürrehilfe; Dürrehilfsprogramm 2018; nichtlandwirtschaftliche Einkünfte
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 10.06.2020
- Aktenzeichen
- 6 A 1008/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 42159
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2020:0610.6A1008.19.00
Amtlicher Leitsatz
Dürrehilfe: Ermessensreduktion auf Null bei fehlerhafter Berechnung des Cashflow III. Tilgungsleistungen, die keine Umschuldungen sind, sind bei der Ermittlung des Cashflow III zu berücksichtigen. Die Berechnung des Cashflow III 1. Stufe ist nicht ermessensfehlerhaft
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms 2018.
Der Kläger ist verheiratet. Er betreibt als Einzelunternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb in H. mit Ackerbau und Viehhaltung. Der Kläger verfügte im Jahr 2018 über 185,65 ha Ackerland. Davon bewirtschaftete er 27,4 ha mit Marktfrüchten und 158,25 ha mit selbstverbrauchtem Grundfutter.
Am 30.11.2018 beantragte der Kläger schriftlich eine Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms 2018 und bezifferte den Schaden in Höhe von insgesamt 60.996,94 Euro. Der Kläger gab einen Cashflow III 1. Stufe in Höhe von 48.982,62 Euro und einen Cashflow III 2. Stufe in Höhe von 18.816,62 Euro an. Er legte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 bis 2016 sowie Jahresabschlüsse für die Wirtschaftsjahre 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017 vor.
Mit Bescheid vom 26.06.2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms ab. Sie begründete dies damit, dass die Voraussetzungen nicht eingehalten worden seien. Der gemäß den Nummern 5.1 und 5.3 der Bund-Länder Verwaltungsvereinbarung errechnete Schaden müsse nach der Nummer 4.2. der Bund-Länder Verwaltungsvereinbarung größer sein als der durchschnittliche Cashflow III im vorangegangenen Dreijahreszeitraum. Bei der Ermittlung des Cashflow III seien die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte miteinzubeziehen. Der Cashflow III sei größer als der ermittelte Schaden. Anhand der Unterlagen sei ein Schaden in Höhe von 61.007,06 Euro und Cashflow III in Höhe von 65.648,62 Euro ermittelt worden.
Der Kläger hat am 25.07.2019 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor: Die Beklagte habe gegen die Bund-Länder Vereinbarung gehandelt, obwohl sie das Berechnungsschema zur Ermittlung des Cashflow III in der Anlage 4 zu Nummer 4.2 der Bund-Länder Vereinbarung verwende. Aus der Tabelle sei ersichtlich, dass Tilgungen in Abzug zu bringen seien. Die Beklagte habe bei der Prüfung des Antrages für das Wirtschaftsjahr 2015/2016 Tilgungleistungen von insgesamt 93.105,52 Euro gewinnmindernd in Abzug gebracht. Tatsächlich habe der Kläger in diesem Wirtschaftsjahr aber insgesamt 143.103,52 Euro an Tilgungsleistungen erbracht. Dies ergebe sich aus dem Jahresabschluss 2015/2016, insbesondere aus der Übersicht über die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten.
Er habe den Betrieb am 01.07.2015 von seinem Vater übernommen. Ausweislich einer Rechnung der Firma I. GmbH vom 23.06.2015 sei ein neuer Milchtank angeschafft worden. Die Rechnung in Höhe von 68.064,43 Euro sei noch auf seinen Vater ausgestellt worden. Bei dem Darlehen, das auf dem Konto A. gebucht sei, handele es sich um einen Kredit bei der Sparkasse, welcher zur Anschaffung dieses neuen Milchtanks aufgenommen worden sei. Dieses sei am 15.07.2015 ausgezahlt worden. Das Datum der Auszahlung ergebe sich aus dem Jahreskontoauszug vom 31.12.2015. Zudem sei dort der Zweck "Kauf Milchtank" angegeben. Einen Tag nach der Auszahlung habe er die Rechnung der Firma I. gezahlt. Die Abbuchung ergebe sich aus dem Kontoauszug des Betriebskontos.
Am 30.09.2015 habe der Kläger mit seiner Mutter einen Darlehensvertrag über 60.000 Euro geschlossen. Dieser habe der Überbrückung von Liquiditätsengpässen gedient. Bis auf 10.000 Euro habe er diesen Kredit innerhalb des Wirtschaftsjahres 2015/2016 zurückgezahlt. Hierfür habe er eine Übersicht erstellt. Eine Umschuldung habe nicht stattgefunden, denn das Darlehen bei der Sparkasse sei ausgezahlt worden, bevor er den Darlehensvertrag mit seiner Mutter geschlossen habe.
Bei Berücksichtigung aller Tilgungsleistungen im Wirtschaftsjahr 2015/2016 ergebe sich ein Cashflow III, der niedriger als der ermittelte Dürreschaden von 61.007,08 sei. Die übrigen Fördervoraussetzungen lägen vor und dem Kläger sei die Dürrehilfe zu bewilligen.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 26.06.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfeprogramms 2018 in Höhe von 25.364,69 Euro zu bewilligen und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert: Nach der Nummer 4.2 der Bund-Länder Vereinbarung liege eine Existenzgefährdung vor, wenn der errechnete Schaden größer sei als der durchschnittliche Cashflow III im vorangegangenen Dreijahreszeitraum. Zur Ermittlung des Cashflow III sei das Berechnungsschema der Tabelle 4 der Anlage zur Bund-Länder Vereinbarung zu verwenden. Die Verwendung dieses Schemas sei im gesamten Verfahren Dürrehilfe einheitlich angewandt worden. Um dies sicherzustellen, hätten die Antragsteller die dafür vorgesehenen Antragsunterlagen verwenden müssen. Zur Ermittlung des Cashflow III würden entweder die Daten aus den vorzulegenden Buchabschlüssen der Wirtschaftsjahre 2014/2015 bis 2016/2017 oder aus der Einnahme-Überschussrechnung für diesen Zeitraum übernommen. Aus diesen Unterlagen würden auch die erfassten Werte der Einlagen und Entnahmen zur Lebenshaltung mitberücksichtigt. Würden in den vorgenannten Unterlagen diese Einlagen und Entnahmen nicht umfassend erfasst, könnten sie auch nicht berücksichtigt werden. Bei fehlenden oder unvollständigen Angaben zu den Einlagen und Entnahmen hätte die Beklagte auch keine standardisierten Lebenshaltungsaufwendungen anerkannt. Liege keine Buchführung vor, könnten die fehlenden Werte auch nicht berücksichtigt werden. Die buchhalterischen oder steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten habe der Kläger sich selbst zuzuschreiben, z. B. die Möglichkeit einer Tilgungsaussetzung. Eine von den Angaben in den Buchabschlüssen abweichende Berechnung des Cashflow III habe die Beklagte nicht vorgenommen und einheitlich nicht akzeptiert.
Laut Jahresabschluss 2015/2016 sei das Privat-Darlehen "J." (K.) mit 50.000 Euro getilgt worden. Gleichzeitig sei ein Darlehen eines Kreditinstitutes "L." über 50.000 Euro (M.) neu aufgenommen worden. Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass es sich bei den 50.000 Euro um eine Umschuldung von "Privat" auf das Kreditinstitut gehandelt habe. Im Rahmen der Berechnung des Cashflow III könnten Tilgungen, die im Rahmen einer Umschuldung vorgenommen worden seien, nicht mitberücksichtigt werden. Daher sei eine entsprechende Korrektur vorgenommen worden und es ergebe sich ein Cashflow III von 65.648,62 Euro, der über dem Schaden von 61.007,06 Euro liege.
Die Ausführungen des Klägers im Klageverfahren führten zu keiner anderen Beurteilung. Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen habe der Kläger nicht bis zum 30.11.2018 vorgelegt. Es handele sich dabei um eine Ausschlussfrist für die Abgabe des Antrages nebst Unterlagen. Dies sei in der Nummer 8.1. des Durchführungserlasses geregelt. Es fehlten bei dem Jahresabschluss 2015/2016 die Seiten 13 bis 20 und unter anderem auch der Anlagenspiegel dieses Jahresabschlusses. Es sei für die Beklagte daher mangels Unterlagen nicht offensichtlich gewesen, ob ein Zusammenhang beider Darlehen bestehe. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen erst im Klageverfahren Unterlagen vorgelegt würden, die auf die Besonderheiten der Darlehensaufnahmen und Tilgungen hinwiesen. Insgesamt könne sie sich auf die genaue Erfassung der Verbindlichkeiten in der Übersicht "Verbindlichkeiten gg. Kreditinstituten" nicht verlassen, da diese in dem Buchabschluss 2015/2016 nicht vollständig aufgeführt worden sei.
Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, wann und wie eine Hofübergabe stattgefunden haben solle. Die vorgelegten Unterlagen bezögen sich allesamt auf den Vater des Klägers.
Im Übrigen sehe die Beklagte das Darlehen der Mutter des Klägers in Höhe von 50.000 Euro als Kontokorrentkredit an, weil die Rückzahlung in beliebigen Beträgen zu beliebigen Zeitpunkten erfolgt sei. Dies sei mit der Rückzahlung einer geduldeten Überziehung eines laufenden Kontos bei einem Kreditinstitut vergleichbar.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte 001) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Kläger hat seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung der Höhe nach konkretisiert. In dieser Fassung ist die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet.
Die Ablehnung der Bewilligung einer Dürrebeihilfe mit Bescheid der Beklagten vom 26.06.2019 ist rechtswidrig und der Kläger im Sinne des § 113 Absatz 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm eine Dürrebeihilfe in Höhe von 25.364,69 Euro bewilligt.
Die Dürrebeihilfe 2018 ist gesetzlich nicht geregelt, sondern erfolgt auf der Grundlage der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erlassenen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse vom 26.08.2015 - Rahmenrichtlinie (RRL) - (BAnz AT 31.08.2015 B4). Diese Richtlinie ist der Europäischen Kommission als Beihilferegelung notifiziert worden. Auf dieser Rahmenrichtlinie beruhen die Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind, vom 08.10.2018 und vom 18.04.2019 (VV). In diesen Verwaltungsvereinbarungen heißt es, dass die deutsche Rahmenrichtlinie auf die "vorliegende" Vereinbarung jeweils "vollumfänglich" Anwendung finde, es sei denn, dass die Vereinbarung strengere Bestimmungen enthalte. Für die Höhe der Dürrebeihilfe ist Nummer 6 der Verwaltungsvereinbarung vom 18. April 2019 als strengere Vorschrift gegenüber der Rahmenrichtlinie maßgeblich. Nach Nummer 6.2 der Rahmenrichtlinie beträgt die Höhe der Zuwendungen bei widrigen Witterungsverhältnissen, wie hier, höchstens 80 Prozent des Gesamtschadens, in aus naturbedingten Gründen benachteiligten Gebieten im Sinn von Artikel 31 und 32 der Verordnung Nummer 1305/2013 "des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005" höchstens 90 Prozent. Nach Nummer 6.1 der Verwaltungsvereinbarung vom 18.04.2019 beträgt die "Bruttobeihilfeintensität der gewährten Billigkeitsleistung" dagegen nur bis zu 50 Prozent des maßgeblichen Schadensbetrags. Nach dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) vom 23.08.2019 ist die Billigkeitsleistung endgültig auf höchstens 41,57664 Prozent festgelegt worden.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Bewilligung der Dürrebeihilfe in der beantragten Höhe von 25.364,69 Euro. Daran ändert es nichts, dass die Dürrebeihilfe eine freiwillige Leistung ist, über die die jeweilige Bewilligungsstelle nach Antragstellung aufgrund pflichtgemäßen Ermessens und nach Maßgabe der Rahmenrichtlinie und, soweit diese strenger sind, der Verwaltungsvereinbarungen entscheidet. Auch der Umstand, dass die Gewährung der Zuwendung unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel steht (Nummer 1.2 RRL), ändert am Anspruch des Klägers nichts. Denn das Ermessen, das der Beklagten bei ihrer Entscheidung zusteht, ist auf Null reduziert.
Dass die Beklagte im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens zur Berechnung des Schadens und des Cashflow III Nummer 4.1, 4.2, 5.1 und 5.2 VV sowie Nummer 5.3 des Durchführungserlasses zur Gewährung von Billigkeitsleistungen zur Bewältigung von Dürreschäden 2018 in landwirtschaftlichen Unternehmen aus Niedersachsen und Bremen des ML vom 01.11.2018 herangezogen hat, ist nicht zu beanstanden. Allerdings ist die konkrete Anwendung durch die Beklagte nicht fehlerfrei erfolgt. Die von ihr vorgenommene Berechnung des Cashflow III ist willkürlich erfolgt. Denn die Beklagte hat einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt.
Nach Nummer 4.1 VV können in der Existenz gefährdete Unternehmen gefördert werden, die im Sinne des Anhanges I der Verordnung (EU) Nr. 702/2014 "der Kommission vom 25.06.2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Arten von Beihilfen im Agrar- und Forstsektor und in ländlichen Gebieten mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union" Kleinstunternehmen, kleine Unternehmen oder mittlere Unternehmen sind und deren Geschäftstätigkeit die Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse einschließlich Imkerei und Wanderschäferei umfasst. Nach Nummer 4.2 VV liegt eine Existenzgefährdung vor, wenn nach Inanspruchnahme anderer Fördermittel die Weiterbewirtschaftung bis zum nächsten Wirtschaftsjahr nicht gewährleistet ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der gemäß Nummer 5.1 und 5.2 VV errechnete Schaden größer ist als der durchschnittliche Cashflow III im vorangegangenen Dreijahreszeitraum. Das Unternehmen des Klägers ein in seiner Existenz gefährdetes Unternehmen in diesem Sinne gewesen. Denn der nach Nummer 5.1 und 5.2 VV zu ermittelte Schaden von 61.007,06 Euro, der zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, übersteigt den Cashflow III. Diese Bestimmungen sind anzuwenden, weil sie strenger sind als die Anspruchsvoraussetzungen in den Nummern 1 und 4 der Rahmenrichtlinie.
Cashflow ist die Finanzkraft eines Unternehmens, mit der es Geldvermögen bilden und Investitionen finanzieren kann, also der Einnahmeüberschuss. Er kann zum Beispiel aus dem Jahresabschluss ermittelt werden und ist: Unternehmenseinnahmen minus Unternehmensausgaben plus Einlagen minus Entnahmen (Alsing, Lexikon Landwirtschaft, 3. Auflage München 1995, Artikel "cash-flow", S. 112). Nach der Nummer 4.2. zweiter Absatz der VV verwenden die Länder zur Ermittlung des Cashflow III das Berechnungsschema der Tabelle 4 der Anlage zu der VV vom 18.04.2019. Diese gliedert sich wie folgt:
Bereinigter Gewinn (Ordentliches Ergebnis) = Gewinn (steuerlich) - außerordentliche Erträge - zeitraumfremde Erträge + außerordentliche Aufwendungen + zeitraumfremde Aufwendungen | |
---|---|
Abschreibungen | (+) |
Cashflow I | (=) |
Entnahmen (bzw. bei jur. Personen Einstellungen in Rücklagen, Ausschüttungen) | (-) |
Einlagen (bzw. bei jur. Personen Entnahme aus Rücklagen) | (+) |
Cashflow II | (=) |
Tilgungsleistungen | (-) |
Cashflow III | (=) |
In dem Durchführungserlass des ML zur Gewährung von Billigkeitsleistungen zur Bewältigung von Dürreschäden 2018 in landwirtschaftlichen Unternehmen aus Niedersachsen und Bremen vom 01.11.2018 wird unter Nummer 3.2 ausgeführt:
"Zur Ermittlung des Cash-Flow III ist das in den Antragsunterlagen enthaltene Berechnungsschema zu verwenden. Zu Einkünften aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Betriebszweigen zählen die positiven wie negativen Einkünfte.
Von einer Existenzgefährdung wird ausgegangen, wenn der Schaden größer ist als der Durchschnitts-cash-Flow III in den vergangenen drei Jahren (VV 4.2, vgl. Anlage zur Bund-Länder-Verwaltungsvereinbarung).
Es erfolgt eine zweistufige Betrachtung beider cash-flow-Fassungen. Vorrangig werden Betriebe unterstützt, die nach cash flow III (BW) bedürftig sind. Für die zweite Gruppe steht eine spätere und bei Mittelknappheit saldierte Auszahlung an. [...]"
In dem Durchführungserlass des ML zur Gewährung von Billigkeitsleistungen zur Bewältigung von Dürreschäden 2018 in landwirtschaftlichen Unternehmen aus Niedersachsen und Bremen vom 14.12.2018 wird ausgeführt:
"Bei der Betrachtung des cash flow III sind auch die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte einzubeziehen, d.h. auch diese müssen zur Vermeidung einer existenzbedrohenden Situation einbezogen werden. Die im Antrag angelegte 2. Stufe, bei der außerlandwirtschaftliche Einkünfte nicht berücksichtigt werden, kommt demnach zunächst nicht zur Anwendung."
In einem weiteren Schreiben des ML an die Beklagte vom 29.05.2019 heißt es:
"Bei der Feststellung einer Existenzbedrohung (der Schaden ist größer als der cash flow III im Durchschnitt der letzten drei Jahre), sind die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte zur Vermeidung einer existenzbedrohenden Situation einzubeziehen."
In dem Merkblatt zur Dürrehilfe 2018 Niedersachsen/Bremen (S. 5 f.) beschreibt die Beklagte den Cashflow folgendermaßen:
"Der Cash Flow gibt den von einem Unternehmen erzielten Geldzufluss während eines Wirtschaftsjahres an. Er ist die Differenz zwischen den geldwerten Zuflüssen, die einem Unternehmen zukommen, sowie den geldwerten Abflüssen des Unternehmens. Der Cash Flow ist eine Größe, die Veränderungen der Liquidität über einen Zeitraum misst. Zur Berechnung sind die o.a. Jahresabschlüsse und Einkommensbescheide einzureichen bzw. die steuerlichen Buchführungsunterlagen.
- Cash Flow III 1. Stufe: hier werden Einlagen/Einkünfte in der Berechnung mitberücksichtigt. Betriebe, bei denen der ermittelte Schaden über diesem Wert liegt, werden vorrangig bearbeitet.
- Cash Flow III 2. Stufe hier werden nur die sonstigen Einlagen in der Berechnung berücksichtig. Der ermittelte Schaden muss über diesen Wert liegen, damit eine Existenzgefährdung vorliegt."
Dies zugrunde gelegt, ist es erst einmal nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte auf einen Durchschnitt des Cashflow III aus drei vorangegangenen Jahren abstellt. Zwar ist es zutreffend, dass dieser Wert nicht den Überschuss darstellt, der zur Zeit der Dürre dem Schaden gegenüberstand. Das Gericht sieht es gleichwohl als sachgerecht an, den Durchschnitt aus den vorangegangenen drei Jahren zu wählen. Diese Vorgehensweise dient einer Verwaltungsabwicklung nach einem Maßstab, den alle Antragsteller zumutbar erfüllen können. Die Werte der drei vorangegangenen Jahre stehen in einem zeitlichen Zusammenhang zum Schadensjahr, der so eng ist, dass von ihnen noch eine angemessene Aussagekraft erwartet werden kann. Den Durchschnitt aus drei Jahren heranzuziehen, gewährleistet eine größere Einzelfallgerechtigkeit, weil bei nur ein oder zwei Bezugsjahren das Risiko größer wäre, dass die Werte "Ausreißer" wiedergeben, die für die wirtschaftliche Lage des Betriebs nicht repräsentativ sind. Die Beklagte hat erklärt, dass die letzten drei Jahre gewählt worden seien, damit alle Antragsteller die Buchabschlüsse vorliegen haben konnten. Damit habe eine zuverlässige Datenbasis geschaffen werden sollen, die allen Antragstellern zur Verfügung stand und mit der plausibel nachvollziehbar und transparent zu einem Ergebnis gekommen werden konnte.
Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte bei der Berechnung des Cashflow III ausschließlich die 1. Stufe zugrunde gelegt hat und dabei - im Gegensatz zur 2. Stufe - nichtlandwirtschaftliche Einkünfte berücksichtigt. Die Beklagte hat erklärt, dass sie bei der Prüfung, ob eine Billigkeitsleistung zu gewähren ist, bei allen Anträgen einheitlich auf den Cashflow IIII 1. Stufe abgestellt hat. Gerade weil es keine allgemein anerkannte Definition für die Berechnung des Cashflow III gibt und die Tabelle 4 der Anlage zur Verwaltungsvereinbarung keine konkreteren Vorgaben macht, obliegt es der Beklagten, im Rahmen ihres Ermessens zu entscheiden, ob sie nichtlandwirtschaftliche Einnahmen einbezieht. Hierbei hat sie sich an die Vorgaben des ML gehalten. Denn nach den Durchführungserlassen des ML vom 14.12.2018 und vom 29.05.2019 sind nichtlandwirtschaftliche Einkünfte bei der Ermittlung des Cashflow III einzubeziehen. Eine Unsachlichkeit bei diesem Kriterium vermag das Gericht nicht festzustellen. Deswegen ist es auch unerheblich, dass die Beklagte den Cashflow III 1. Stufe - dem Durchführungserlass des ML vom 14.12.2018 folgend - zunächst als Kriterium herangezogen hat, in welcher Reihenfolge Anträge zu bearbeiten und Bewilligungen bzw. Auszahlungen vorzunehmen sind. Hieraus folgt nicht, dass die Beklagte auch den Cashflow III 2. Stufe ihrer Prüfung zum Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen zugrunde zu legen hatte. Dies ist ihr aufgrund der Vorgaben in dem Durchführungserlass des ML vom 29.05.2019 auch untersagt worden. Dass dies ermessensfehlerhaft ist, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte nach eigenen Angaben einheitlich bei allen Antragstellern auf den Cashflow III 1. Stufe abgestellt, so auch bei dem Kläger. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in anderen Fällen auch auf den Cashflow III 2. Stufe abgestellt hätte.
Auf die Frage, ob bei der Ermittlung des Cashflow III 1. Stufe auch die nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte des Ehegatten einbezogen werden dürfen (vgl. VG Stade, Urteil vom 24.06.2020 - 6 A 994/19 - juris Rn. 37), muss hier nicht eingegangen werden, weil sich dies im Ergebnis nicht auswirkt. Denn es kann sich kein Cashflow mehr ergeben, der den Schaden übersteigt, wenn die Tilgungsleistung von 50 000 Euro wie zwingend geboten berücksichtigt wird.
Die Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, es sich vorliegend um eine Umschuldung handelte und dass deswegen die Tilgungsleistungen des Klägers im Wirtschaftsjahr 2015/2016 in Höhe von 50.000 Euro nicht in Abzug zu bringen sind. Unter Berücksichtigung dieser Tilgung ergibt sich - wie vom Kläger im Antrag angegeben - ein Cashflow III 1. Stufe von 48.982,62 Euro, der niedriger als der Schaden von 61.007,07 Euro ist.
Die Beklagte hat anhand der vom Kläger mit dem Antrag eingereichten Unterlagen angenommen, dass der Kläger eine Summe von 50.000 Euro nicht getilgt, sondern lediglich umgeschuldet habe, weil er im Wirtschaftsjahr 2015/2016 ein Privatdarlehen in Höhe von 50.000 Euro abgezahlt und in derselben Höhe bei der Sparkasse aufgenommen habe. Unabhängig davon, ob die Annahme der Beklagten, dass Umschuldungen bei der Ermittlung des Cashflow III nicht zu berücksichtigen seien, ermessensfehlerhaft wäre, lag eine solche hier nicht vor. Der Kläger hat ein Darlehen in Höhe von 50.000 Euro getilgt. Dies ist bei der Ermittlung des Cashflow mindernd zu berücksichtigen. Insoweit ist das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft erläutert, dass er in dem Wirtschaftsjahr 2015/2016 ein Darlehen in Höhe von 60.000 Euro bei seiner Mutter, Frau J., aufgenommen hatte, um Liquiditätsengpässe in seinem Betrieb zu überbrücken und dieses in Höhe von 50.000 Euro im selben Wirtschaftsjahr zurückgezahlt hatte. Dabei handelte es sich nicht um einen privaten Kredit des Klägers, sondern um einen betrieblichen Kredit bei einer Privatperson, dessen Tilgung grundsätzlich im Rahmen der Ermittlung des Cashflow III nach der von der Beklagten genutzten Tabelle zu berücksichtigen ist. Denn es kann bei einem betrieblich bedingten Kredit keinen Unterschied machen, ob dieser bei einer Privatperson oder der Bank aufgenommen wird. Weshalb der Kläger diesen betrieblichen Kredit aufgenommen hat und die Frage, ob er seine Liquiditätsengpässe nicht durch Überziehung seines Betriebskontos hätte überbrücken können, sind wiederum Fragen, die für die Frage, ob dem Kläger Dürrehilfe zu gewähren ist, nicht von Belang sind. Die Darlehensaufnahme in Höhe von 60.000 Euro und die Rückzahlung des überwiegenden Teils in Höhe von 50.000 Euro werden durch die Angaben in der Übersicht "Verbindlichkeiten gg. Kreditinstituten in dem Jahresabschluss 2015/2016 belegt. Auf die weiteren vom Kläger eingereichten Unterlagen im Klageverfahren kommt es diesbezüglich nicht an.
Der Kläger erläuterte im Klageverfahren, dass das Darlehen bei der Sparkasse in Höhe von 50.000 Euro wiederum der Finanzierung eines neuen Milchtanks diente. Ausweislich der Übersicht "Verbindlichkeiten gg. Kreditinstituten" in dem Jahresabschluss 2015/2016 nahm der Kläger im selben Wirtschaftsjahr einen weiteren Kredit in Höhe von 50.000 Euro bei der Sparkasse auf, den in diesem Wirtschaftsjahr noch nicht zurückzahlte. Die von der Beklagten allein aufgrund dieser Übersicht aufgestellte Vermutung, dass es sich um eine Umschuldung gehandelt habe, ist schon deswegen nicht vollständig nachvollziehbar, weil der Kläger dann nur einen Teil des Darlehens umgeschuldet hätte und nicht das gesamte Darlehen. Jedenfalls hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft erklärt, dass das Darlehen bei der Sparkasse nur dazu gedient habe, den neuen Milchtank zu finanzieren, den sein Vater, von dem er den Hof übernommen hatte, zuvor noch angeschafft habe. Dass die von dem Kläger im Klageverfahren vorgelegte Rechnung auf seinen Vater ausgestellt worden war, ändert an der Glaubhaftigkeit nichts und ist aufgrund der Hofübernahme auch irrelevant, weil der Kläger damit in die Rechte und Pflichten des Vaters eingetreten ist. Dieses Darlehen ist auch nachweislich zur Bezahlung des Kaufpreises für den Milchtank verwendet worden. Dies hat der Kläger durch Vorlage von Kontoauszügen belegt.
Der Umstand, dass der Kläger die Rechnung über den Milchtank und die Kontoauszüge erst im Klageverfahren vorgelegt hat, führt nicht dazu, dass die Ablehnung seines Antrages auf Gewährung einer Dürrebeihilfe rechtmäßig ist. Daran ändert es nichts, dass Anträge auf Bewilligung der Dürrebeihilfe bis zum 30.11.2018 eingereicht worden sein müssen und Änderungsanträge unzulässig sind (Nummer 8.1 Satz 1 und Satz 3 Durchführungserlass). Dass die Beklagte die Antragsfrist als Ausschlussfrist handhabt, ist zwar nicht zu beanstanden, weil es sonst sowohl zu einem erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Aktualisierung der Unterlagen und Entscheidungen käme, als auch zu einer ungerechten Bevorzugung von Antragstellern, die ihre Unterlagen erst nach Ablauf der Frist vollständig oder richtig einreichen (VG Stade, Urteil vom 30.07.2020 - 6 A 925/19 - juris, Rn. 42). Das Gericht ist aber der Auffassung, dass das Ende der Antragsfrist am 30.11.2018 der Berücksichtigung von Angaben nicht entgegensteht, wenn es sich nur um Erläuterungen zu den Angaben handelt, die bereits im Antrag enthalten waren (VG Stade, Urteil vom 24. Mai 2020 - 6 A 1098/19, juris Rn. 34). So liegt es hier hinsichtlich der Anschaffung des Milchtanks. Denn aus dem Anlagenspiegel des Jahresabschlusses 2016/2017 ist ersichtlich, dass zum 30.06.2016 - und damit im vorherigen Wirtschaftsjahr und dem Jahr, in dem das Darlehen bei der Sparkasse aufgenommen worden war - ein neuer Milchtank für über 50.000 Euro angeschafft worden war. Diese Unterlage lag der Beklagten am 30.11.2018 vor. Auf den zutreffenden Einwand der Beklagten, dass aber der Anlagenspiegel des Jahresabschlusses 2015/2016 nicht vorlag, kommt es deswegen nicht an. Die Rechnung über den Milchtank, die der Kläger im Klageverfahren vorgelegt hatte, bestätigt nur einmal mehr, dass ein neuer Milchtank angeschafft worden war und lässt bereits deswegen Zweifel an der von der Beklagten aufgestellten Vermutung der Umschuldung aufkommen. Aufgrund der zum 30.11.2020 vorgelegten Unterlagen hätte die Beklagte weitere Ermittlungen anstellen müssen. Jedenfalls aber hätte die Beklagte nicht ohne weitere Ermittlungen die Vermutung aufstellen dürfen, dass es sich um eine Umschuldung handele. Dass sie weitere Ermittlungen unterlassen hat, begründet die Ermessensfehlerhaftigkeit, weil dies nicht zum Nachteil des Klägers gereichen darf (vgl. VG Stade, Urteil vom 22.07.2020 - 6 A 1005/19 - juris Rn. 40). Denn der Kläger konnte nicht damit rechnen, dass die Beklagte die Ablehnung seines Antrages allein darauf stützt, dass sie eine Umschuldung vermutete, derentwegen die Tilgungsleistungen in Höhe von 50.000 Euro nicht zu berücksichtigen sein sollen.
Der Zinsanspruch ergibt sich entsprechend den §§ 291, 288 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, wonach der unterlegene Teil, hier die Beklagte, die Kosten trägt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nummer 11 und 711 der Zivilprozessordnung.
Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 124a Absatz 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 124 Absatz 2 Nummer 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.