Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 24.06.2020, Az.: 6 A 990/19

Dürre; Dürre; Dürre 2018; Dürrebeihilfe; Dürrehilfe; Dürrehilfsprogramm 2018; gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte; Dürrehilfsprogramm 2018; Ablehnung und Neubescheidung; Gewährung einer Dürrebeihilfe trotz Überschreitung der 35%-Grenze bei gewerblichen Einkünften, Ermessensreduktion auf Null

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
24.06.2020
Aktenzeichen
6 A 990/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 44992
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2020:0624.6A990.19.00

[Tatbestand]

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms 2018.

Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb in H. mit Milchviehhaltung und Ackerbau. Im Jahr 2018 bewirtschaftete der Kläger 95,68 ha. Zudem betreibt der Kläger gewerblich einen Campingplatz.

Der Kläger stellte am 21.11.2018 schriftlich einen Antrag auf Gewährung einer Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms 2018 bei der Beklagten. Er gab einen Schaden in Höhe von 46.280,17 Euro an. Der Kläger legte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 bis 2016 sowie Jahresabschlüsse für die Wirtschaftsjahre 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017 vor.

Nach den Angaben des Klägers in dem Formblatt "Prosperitätsnachweis" stellt sich sein Einkommen wie folgt dar (in Euro):

201420152016
1. Person2. Person1. Person2. Person1. Person2. Person
Ldw. Einkünfte-7.566-26.171-1.284
Gewerbe5.6942.9934.121
Summe-1.872-23.1782.837
Summe der positiven Einkünfte5.6942.9934.121
Summe gewerbliche Einkünfte5.6942.9934.121
Gesamteinkünfte: ( der letzten 3 Jahre-7.404
Gewerbliche Einkünfte: ( der letzten 3 Jahre4.269

Aus der Verwaltungsakte ist ersichtlich, dass die Beklagte einen Schaden von 38.177,81 Euro ermittelte.

Mit Bescheid vom 19.06.2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und begründete diesen damit, dass die gewerblichen Einkünfte im Referenzzeitraum 2014 bis 2016 einen Anteil von 35 % der Gesamteinkünfte nicht übersteigen dürften (Ziffer 4.2 der Bund-Länder Verwaltungsvereinbarung). Sofern es sich um eine Gesellschaft handele, würden die Einkünfte aller Gesellschafter zusammengefasst und beurteilt. Aus den eingereichten Unterlagen des Antrages sei ersichtlich, dass die gewerblichen Einkünfte 4.269 EUR betrügen. Damit werde der maximale Anteil von 35 % gewerbliche Einkünfte überschritten.

Der Kläger hat am 23.07.2019 Klage erhoben und trägt zur Begründung vor:

Die von der Beklagten ins Verhältnis gesetzten Zahlen entsprächen nicht den Vorgaben in der Ziffer 4.2 der Verwaltungsvereinbarung. Die Beklagte habe Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau aus den Jahren 2014 bis 2016 und damit aus den Jahren der Milchkrise erfasst. Daher verwundere es nicht, dass die landwirtschaftlichen Einnahmen negativ gewesen seien. Die gewerblichen Einkünfte, die insgesamt auch sehr bescheiden gewesen seien, lägen damit natürlich deutlich über 35 % der Gesamteinkünfte.

Unabhängig davon habe die Beklagte auf den Dreijahreszeitraum von 2014 bis 2016 abgestellt, obwohl sich aus Ziffer 4.2, letzter Spiegelstrich der Verwaltungsvereinbarung ergebe, dass auf Einkünfte aus dem Jahr 2018 bzw. auf das Jahr abzustellen sei, aus dem Informationen dazu zuletzt verfügbar seien. Dies seien vorliegend Informationen aus dem Jahr 2017. Dass die Beklagte sich einerseits auf diese Regelung beziehe, andererseits aber auf die Jahre 2014 bis 2016 abstelle, sei widersprüchlich. Durch die abweichende Handlung der Beklagten würden gerade Milchviehbetriebe mit kleinem Gewerbebetrieb als zweitem Standbein praktisch von der Dürrehilfe ausgeschlossen. Denn bekanntermaßen seien die Betriebe durch die Milchkrise in den Jahren 2014 bis 2016 derart wirtschaftlich betroffen gewesen, dass der prozentuale Anteil der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in diesen Jahren unverhältnismäßig hoch ausgefallen sei. Das dürfte den betroffenen Betrieb aber nicht von der dringend benötigten Dürrehilfe ausschließen.

Aus dem beigefügten Einkommensteuerbescheid 2017 ergäben sich Einkünfte des Klägers aus Land- und Fortwirtschaft in Höhe von 71.869 Euro. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien mit 3.505 Euro Verlust negativ. Damit erreichten die gewerblichen Einkünfte nicht 35 % der Gesamteinkünfte und der Kläger wäre nicht von der Billigkeitsleistung auszuschließen.

Die Beklagte habe auch schon früher erkannt, dass es bei Abstellen auf die Jahre 2014 bis 2016 zu unbilligen Ergebnissen kommen könnte. Deshalb sei während der Antragsphase auf der Internetseite der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass das prozentuale Verhältnis nur gelte, wenn die Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder die Gesamteinkünfte 70.000 Euro übersteigen würden. Diese Vorgabe sei später allerdings ohne Angabe von Gründen durch die Beklagte wieder fallengelassen und entsprechende Aussagen im Internet rückgängig gemacht worden. Nach den seinerzeit veröffentlichten Vorgaben allerdings wäre ein gewerbliches Einkommen, das 35 % der Gesamteinkünfte übersteige, unschädlich gewesen. Denn der Schwellenwert von 70.000 Euro sei in den drei betreffenden Jahren der Milcherzeugung nicht erreicht oder überschritten worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms 2018 von 15 873,05 Euro zu bewilligen und Zinsen in Höhe von 6 % ab Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert, dass die Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Betriebszweigen mehr als 35 % betragen würden.

Die Auslegung der Ziffer 4.2, vierter Absatz, dritter Spiegelstrich der Verwaltungsvereinbarung vom 18. April 2019 zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind, sei im Rahmen eines Arbeitsgespräches mit dem Landwirtschaftsministerium am 25.10.2018 entsprechend der Ziffer 4.2, erster Absatz vorgenommen worden, und zwar bezogen auf einen Betrachtungszeitraum von drei Jahren. Um sicherzustellen, dass in Niedersachsen eine Vergleichbarkeit und einheitliche Berechnung des Cash-Flow III (Ziffer 4.2) und Berücksichtigung der Prosperitätsgrenze (Ziffer 6.2) sowie der 35-Prozent-Grenze bezüglich der Gewerblichkeit (Ziffer 4.2) eingehalten werden könne, sei der Zeitraum für die Buchabschlüsse auf die Wirtschaftsjahre 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017 und für die Einkommensbescheide auf die Jahre 2014, 2015 und 2016 festgelegt worden. Dies sei aus dem Grund geschehen, dass die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2017 und 2018 zum Zeitpunkt der Antragstellung im November 2018 in vielen Fällen noch nicht vorgelegen hätten, und um die Vergleichbarkeit in dem Massenverfahren zu gewährleisten. Damit werde ein in sich konsistentes und einheitliches Vorgehen für alle Antragsteller gewährleistet und Ausschläge einzelner Jahre würden ausgeschlossen. Dadurch liege eine belastbare Grundlage hinsichtlich der Beurteilung der Einkommenssituation der Unternehmen vor. Diese Vorgaben seien in dem zu benutzenden Antragsvordruck mit vorgesehen und in dem Merkblatt zum Dürrehilfsprogramm veröffentlicht.

Zu Beginn des Antragsverfahrens sei auf Bund-Länder-Ebene noch ungeklärt gewesen, ob es für die 35-Prozent-Grenze einen Sockelbetrag geben solle. Daher seien potentielle Antragsteller nicht von vornherein ausgeschlossen worden. Der damalige Diskussionsstand sei in den Merkblättern wiedergegeben worden. Mit Erlass vom 14.12.2018 sei die Ausweitung ausgesetzt und mit Erlass vom 29.05.2019 endgültig aufgehoben worden. Nach letzterem solle die Verwaltungsvereinbarung streng angewendet werden und zwar ohne einen Sockelbetrag.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte 001) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat überwiegend Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Die Änderung des schriftlich angekündigten Bescheidungsantrags zum bezifferten Verpflichtungsantrag ist zulässig. Die Beklagte hat sich auf diesen Antrag rügelos eingelassen.

Die Klage ist überwiegend begründet. Die Ablehnung der Bewilligung einer Dürrebeihilfe mit Bescheid der Beklagten vom 19.06.2019 ist rechtswidrig und der Kläger im Sinne des § 113 Absatz 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm eine Dürrebeihilfe in Höhe von 15.873,05 Euro bewilligt.

Die Dürrebeihilfe 2018 ist gesetzlich nicht geregelt, sondern erfolgt auf der Grundlage der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erlassenen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse vom 26.08.2015 - Rahmenrichtlinie (RRL) - (BAnz AT 31.08.2015 B4). Diese Richtlinie ist der Europäischen Kommission als Beihilferegelung notifiziert worden. Auf dieser Rahmenrichtlinie beruhen die Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind, vom 08.10.2018 und vom 18.04.2019 (VV). In diesen Verwaltungsvereinbarungen heißt es, dass die deutsche Rahmenrichtlinie auf die "vorliegende" Vereinbarung jeweils "vollumfänglich" Anwendung finde, es sei denn, dass die Vereinbarung strengere Bestimmungen enthalte. Für die Höhe der Dürrebeihilfe ist Nummer 6 der Verwaltungsvereinbarung vom 18. April 2019 als strengere Vorschrift gegenüber der Rahmenrichtlinie maßgeblich. Nach Nummer 6.2 der Rahmenrichtlinie beträgt die Höhe der Zuwendungen bei widrigen Witterungsverhältnissen, wie hier, höchstens 80 Prozent des Gesamtschadens, in aus naturbedingten Gründen benachteiligten Gebieten im Sinn von Artikel 31 und 32 der Verordnung Nummer 1305/2013 "des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005" höchstens 90 Prozent. Nach Nummer 6.1 der Verwaltungsvereinbarung vom 18.04.2019 beträgt die "Bruttobeihilfeintensität der gewährten Billigkeitsleistung" dagegen nur bis zu 50 Prozent des maßgeblichen Schadensbetrags. Nach dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) vom 23.08.2019 ist die Billigkeitsleistung endgültig auf höchstens 41,57664 Prozent festgelegt worden.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Bewilligung der Dürrebeihilfe in der beantragten Höhe von 15.873,05 Euro. Daran ändert es nichts, dass die Dürrebeihilfe eine freiwillige Leistung ist, über die die jeweilige Bewilligungsstelle nach Antragstellung aufgrund pflichtgemäßen Ermessens und nach Maßgabe der Rahmenrichtlinie und, soweit diese strenger sind, der Verwaltungsvereinbarungen entscheidet. Auch der Umstand, dass die Gewährung der Zuwendung unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel steht (Nummer 1.2 RRL), ändert am Anspruch des Klägers nichts. Denn das Ermessen, das der Beklagten bei ihrer Entscheidung zusteht, ist auf Null reduziert.

Dass die Beklagte im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens für die Prüfung, ob eine Existenzgefährdung vorliegt oder eine solche als ausgeschlossen gilt, den ersten und den letzten Absatz der Nummer 4.2 VV herangezogen hat, ist nicht zu beanstanden. Allerdings ist die konkrete Anwendung durch die Beklagte nicht willkürfrei erfolgt.

Nach Nummer 4.2 erster Absatz VV liegt eine Existenzgefährdung vor, wenn nach Inanspruchnahme anderer Fördermittel die Weiterbewirtschaftung bis zum nächsten Wirtschaftsjahr nicht gewährleistet ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der gemäß Nummer 5.1 und 5.2 VV errechnete Schaden größer ist als der durchschnittliche Cashflow III im vorangegangenen Dreijahreszeitraum. Nach Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV gilt eine Existenzgefährdung wiederum als ausgeschlossen, wenn bei juristischen Personen, Einzelunternehmen und Personengesellschaften die Summe der Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Betriebszweigen mehr als 35 Prozent der gesamten Einkünfte aus 2018 beträgt. Sind nach Satz 2 dieser Regelung die Einkünfte aus 2018 vorläufig nicht feststellbar, könnten die Einkünfte aus dem Jahr, aus dem Informationen dazu zuletzt verfügbar sind, zugrunde gelegt werden.

Dies zugrunde gelegt handelt es sich bei dem Unternehmen des Klägers um eines, das in seiner Existenz gefährdet ist. Eine Existenzgefährdung nach Nummer 4.2, letzter Absatz letzter Spiegelstrich Satz 1 VV als ausgeschlossen anzusehen, ist sachwidrig und willkürlich.

Soweit der Kläger einwendet, dass die Beklagte bei Anwendung der Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV zu Unrecht auf den Referenzzeitraum von 2014 bis 2016 abstellt, dringt er hiermit nicht durch. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Bezug auf die Berechnung der Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften maßgeblich auf die Jahre 2014 bis 2016 als Referenzzeitraum abgestellt hat. Die Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar dargelegt, dass sie diesen Referenzzeitraum allen Anträgen auf Bewilligung einer Dürrebeihilfe zu Grunde gelegt hat. Dass es nach Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV entscheidend auf die Gesamteinkünfte und die Summe der Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften aus 2018 ankommt, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Dort heißt es: Sind die Einkünfte aus 2018 vorläufig nicht feststellbar, können die Einkünfte aus dem Jahr, aus dem Informationen dazu zuletzt verfügbar sind, zugrunde gelegt werden. Es kann dahinstehen, ob diese Formulierung überhaupt vorgibt, dass nur auf ein Jahr abzustellen ist, oder dem Anwender wegen des Wortes "können" die Möglichkeit eröffnet, auch auf einen anderen als den dort genannten Zeitraum abzustellen. Jedenfalls im Zeitpunkt der Antragstellung im November 2018 lagen die Einkommensteuerbescheide für 2018 noch nicht vor. Auch für 2017 lagen die Einkommensteuerbescheide regelmäßig noch nicht vor. Die Beklagte hat plausibel dargelegt, dass sie den Referenzzeitraum 2014 bis 2016 gewählt hat, um eine Vergleichbarkeit im Massenverfahren zu gewährleisten, und um sowohl bei der 35-Prozent-Grenze als auch bei Prosperität und der Berechnung des Cash-Flow III auf einen einheitlichen Referenzzeitraum abzustellen. Das hält das Gericht für sachgerecht.

Die Beklagte hat allerdings nicht berücksichtigt, dass Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich VV eine widerlegbare Vermutung aufstellt und der Kläger hinreichend dargelegt hat, dass er trotz der Überschreitung der 35-Prozent-Grenze in seiner Existenz gefährdet ist.

Dass es sich hier um eine Vermutung handelt, ergibt sich aus dem Zweck von Nummer 4.2 VV. Dieser besteht darin, der Beklagten handhabbare Kriterien zu geben, um festzustellen, ob eine Existenzgefährdung besteht.

Die Parteien der Verwaltungsvereinbarung sind ersichtlich davon ausgegangen, dass eine Existenzgefährdung bei gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften nicht vorliegt, wenn entweder die Landwirtschaft nicht das Hauptstandbein des Betroffenen ist oder der Betroffene die Verluste in der Landwirtschaft durch seine Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften ausgleichen kann. Dies verdeutlichen die Überlegungen zur Einführung eines Sockelbetrages von zunächst 50.000 Euro, später dann 70.000 Euro in Bezug auf die Gesamteinkünfte. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, dass sich Landwirte vermehrt ein zweites Standbein, insbesondere mit Biogasanlagen und Photovoltaikanlagen, geschaffen haben. Dabei sei aufgefallen, dass die 35-Prozent-Grenze bei sehr kleinen landwirtschaftlichen Einkünften problematisch sein könne. Denn schon geringe gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte würden dann zum Ausschluss von der Dürrebeihilfe führen. Daher sei zunächst von Seiten des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorgegeben worden, dass der Anteil der gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte erst ab Gesamteinkünften von 70.000 Euro zu berücksichtigen sei. Bei der Annahme der 70.000 Euro habe sich das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz an dem regelmäßigen Gesamt-Familieneinkommen orientiert. Dabei dürften gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte nicht über 70.000 Euro liegen. Denn sonst sei davon auszugehen, dass die Landwirtschaft lediglich eine Liebhaberei sei, was eine Existenzgefährdung ausschließe (vgl. E-Mail des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 23.11.2018).

Unternehmen mit gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften von mehr als 35 % an den Gesamteinkünften von der Förderung pauschalierend auszuschließen, ist nach diesen Vorüberlegungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. In einem solchen Fall kann insbesondere sachgerecht zur besseren Handhabung davon ausgegangen werden, dass der Betroffene seine Verluste in der Landwirtschaft durch seine gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte so weit ausgleichen kann, dass eine Existenzgefährdung - wie sie Nummer 4.1 und 4.2 Absatz 1 VV fordern - dann nicht vorliegt. Dem ist der Kläger auch nicht grundsätzlich entgegengetreten.

Bei dieser Annahme kann es sich jedoch nur um eine Vermutung handeln, das heißt, dass das Vorliegen beziehungsweise Nichtvorliegen einer Tatsache kraft Rechtsvorschrift als gegeben unterstellt wird. Denn es liegt auf der Hand, dass es auch Fälle gibt, in denen die gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte einen Anteil an den Gesamteinkünften von 35 % übersteigen, der Betroffene aber aufgrund der absoluten Zahlen seiner Gesamteinkünfte und der gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte gleichwohl nicht in der Lage ist, die Verluste bei den landwirtschaftlichen Einkünften durch seine gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte auszugleichen und dass der Ausschluss solcher Fälle willkürlich wäre. Dies ist gerade bei Einkünften unterhalb des Sockelbetrages der Fall, insbesondere bei Verlusten bei den landwirtschaftlichen Einkünften und den Gesamteinkünften einerseits sowie sehr geringen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften andererseits. Mit seinen ohnehin sehr geringen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften kann der Betroffene nichts ausgleichen. Eine Existenzgefährdung ist dann gegeben, weil eine Weiterbewirtschaftung bis zum nächsten Wirtschaftsjahr nach Inanspruchnahme anderer Fördermittel nicht mehr gewährleistet ist (Nummer 4.2 Satz 1 VV).

Dieser Umstand spricht nicht nur für das Vorliegen einer Vermutung, sondern auch gegen die Annahme einer Fiktion. Bei einer Fiktion handelt es sich um die Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht vorhandenen Sachverhalts. Eine Fiktion scheidet aus, wenn etwas als verbindlich anzusehen ist, was auch nur möglicherweise den tatsächlichen Umständen nicht entspricht (Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 292 Rn. 4 und 8). Denn was der Wahrheit entspricht, kann keine Fiktion sein. Dies kann bei Nummer 4.2 letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV aber gerade der Fall sein. Denn bei den von den Vereinbarungsparteien als Regelfall bedachten Fällen (gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte von mehr als 35 % an den Gesamteinkünften) liegt keine Existenzgefährdung vor, weil der Verlust mit den gewerblichen, nichtlandwirtschaftlichen Einkünften ausgeglichen werden kann. Eine Existenzgefährdung nach Nummer 4.1 und 4.2 Satz 1 VV scheidet daher von vornherein aus, weil die Weiterbewirtschaftung bis zum nächsten Wirtschaftsjahr gewährleistet ist. Nummer 4.2 letzter Absatz dritter Spiegelstrich VV würde dann die Wirklichkeit wiederspiegeln. Dann kann sie aber keine Fiktion sein, weil eine Fiktion gerade einen in Wirklichkeit nicht bestehenden Sachverhalt regelt.

Der Umstand, dass das Wort "gilt" im Allgemeinen eine typische Formulierung für eine Fiktion ist und Nummer 4.2 letzter Absatz VV ebenfalls diese Formulierung verwendet, steht der Annahme einer Vermutung nicht entgegen. Denn zum einen ist der Wortlaut - mit Blick auf die oben gemachten Ausführungen - nicht maßgeblich (so auch: LG Mannheim, Urt. v. 10.10.2007 - 8 O 143/06 -, juris Rn. 74). Zum anderen ist es jedenfalls im Verwaltungsrecht so, dass das Wort "gilt" auch im Falle einer Vermutung verwendet wird, wie § 41 Absatz 2 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetztes zeigt. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der Annahme einer Fiktion steht entgegen, dass eine Fiktion nicht widerlegbar ist; dies kann nur bei einer Vermutung der Fall sein. In § 41 Absatz 2 Satz 3 VwVfG heißt es allerdings, dass dies - gemeint ist § 41 Absatz 2 Satz 1 VwVfG - nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der Betroffene kann also die Vermutung des § 41 Absatz 2 Satz 1 VwVfG widerlegen.

Dass die Parteien der Vereinbarung mit der Formulierung "Eine Existenzgefährdung gilt als ausgeschlossen" in Nummer 4.2 letzter Absatz VV etwas anderes haben zum Ausdruck bringen wollen als den Ausschluss von der Förderung (ohne Widerlegbarkeit), bestätigt der abweichende Wortlaut in Nummer 4.3 VV. Dort haben die Vereinbarungsparteien eine andere Formulierung verwendet, nämlich "von einer Förderung ausgeschlossen sind (...)". Mit dieser Gegenwartsform "sind" folgen die VV den Formulierungen der Rahmenrichtlinie. So verwendet Nummer 4.2 der Rahmenrichtlinie die Formulierung "Nicht gefördert werden Unternehmen, bei denen (...)", Nummer 4.3 die Formulierung "Von einer Förderung ausgeschlossen sind Unternehmen (...)" und Nummer 4.4 die Formulierung "Unternehmen in Schwierigkeiten (...) sind von einer Gewährung von Beihilfen (...) ausgeschlossen.

Die Vermutung der Nummer 4.2, letzter Satz dritter Spiegelstrich VV ist widerlegbar. Es ist unerheblich, dass sich die VV nicht ausdrücklich dazu verhält, ob die Verneinung der Existenzgefährdung widerlegbar ist oder nicht. Denn für diesen Fall findet der in § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 292 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelte Grundsatz Anwendung. Darin heißt es: Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Rechtsgedanke ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, auch wenn es sich bei der VV nicht um ein Gesetz im Sinne der Vorschrift handelt.

Etwas anderes als die Annahme einer widerlegbaren Vermutung wäre ermessensfehlerhaft, denn es widerspräche dem Ziel der Verwaltungsvereinbarung, eine Existenzgefährdung durch Dürreschäden zu vermeiden. Es wäre willkürlich, Betroffene von einer Förderung auszuschließen, die in den Referenzzeiträumen mit dem landwirtschaftlichen Betrieb keine oder sehr geringe Einkünfte erzielt haben und die auch nur geringe gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte erzielt haben, gleichwohl aber noch nicht notleidend sind und auch noch nicht Insolvenz anmelden mussten. Ihre gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte würden mehr als 35 % der Gesamteinkünfte betragen, weil der Betroffene im landwirtschaftlichen Bereich und damit insgesamt Verluste gemacht hat. Hätte der Betroffene dagegen bei gleichen geringen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften deutlich höhere landwirtschaftliche Einkünfte erzielt, beispielsweise 25.000 Euro, hätte der Betroffene die 35-Prozent-Grenze nicht überschritten, würde als in der Existenz gefährdet gelten und würde nicht wegen dieser Grenze von der Förderung ausgeschlossen werden. Ein solches Ergebnis wäre offensichtlich willkürlich. Denn gerade die Betroffenen, die durch sehr geringe landwirtschaftliche Einkünfte oder gar Verluste und sehr geringen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften in ihrer Existenz gefährdet sind, sind es, denen die Dürrebeihilfe zugutekommen soll. Für diese Fälle korrigiert die Widerlegbarkeit der Vermutung, dass zur Vereinfachung vermutet wird, dass bei Überschreiten der 35-Prozent-Grenze keine Existenzgefährdung vorliegt.

Der Kläger hat die Vermutung in Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV widerlegt. Er hat in seinem Antrag hinreichend dargelegt, dass er in seiner Existenz gefährdet ist, obwohl er die 35-Prozent-Grenze überschreitet. Rein rechnerisch betragen die gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte des Klägers mehr als 35 % der Gesamteinkünfte. Denn der Kläger hat im Referenzzeitraum 2014 bis 2016 durchschnittlich "Gesamteinkünfte" von "-7.404 Euro" erzielt, also Verluste gemacht. Diesen stehen durchschnittliche gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte von lediglich 4.269 Euro gegenüber.

Jedenfalls bei Verlusten und gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften in Höhe von lediglich 4.269 Euro ist die Vermutung der Nummer 4.2 letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV widerlegt (vgl. VG Stade, Urteil vom 19.02.2020 - 6 A 982/19 - juris Rn. 29). Die negativen Gesamteinkünfte beruhen auf den negativen landwirtschaftlichen Einkünften des Klägers, die wiederum von den geringen gewerblichen Einkünften nicht aufgefangen werden können. Einkünfte der Ehefrau sind aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden nicht ersichtlich. Der Kläger hat plausibel ausgeführt, dass die negativen landwirtschaftlichen Einkünfte auf die Milchkrise zurückzuführen sind. Dass die Landwirtschaft nur eine "Liebhaberei" des Klägers ist, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus den Antragsunterlagen und dem Vorbringen des Klägers, dass er seinen landwirtschaftlichen Betrieb als Haupterwerb führt.

Weitere Prüfungspunkte, die die Beklagte im Rahmen der Gewährung der Dürrehilfe berücksichtigt, sind nicht offen. Aus dem Grund, ist dem Kläger die Dürrehilfe zu gewähren und die Beklagte nicht "nur" zur Neubescheidung zu verpflichten.

Der Zinsanspruch ergibt sich entsprechend den §§ 291, 288 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Klage ist aber unbegründet, soweit der Kläger Zinsen in Höhe von mehr als 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragt hat. Denn gemäß § 288 Absatz 1 Satz 2 BGB beträgt der Verzugszinssatz für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Einen höheren Zinsanspruch gemäß § 288 Absatz 3 BGB hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Absatz 1 Satz 2 VwGO, wonach einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden können, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Das ist hier der Fall. Denn der Teil, mit dem der Kläger unterliegt, ist gering.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nummer 11 und 711 der Zivilprozessordnung.

Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 124a Absatz 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 124 Absatz 2 Nummer 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.