Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 10.06.2020, Az.: 6 A 1046/19

Dürre; Dürre 2018; Dürrebeihilfe; Dürrehilfe; Dürrehilfsprogramm 2018; Existenzgefährdung; gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte; Dürrehilfsprogramm 2018

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
10.06.2020
Aktenzeichen
6 A 1046/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 37518
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2020:0610.6A1046.19.00

Amtlicher Leitsatz

Rechstwidrige Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Bewilligung einer Dürrebeihilfe für das Jahr 2018.

[Tatbestand]

Der Kläger begehrt eine Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms für das Jahr 2018.

Der Kläger ist verheiratet und betreibt als Einzelunternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb in H.. Er verfügte im Jahr 2018 über 102,01 ha Ackerland.

Am 08.11.2018 beantragte der Kläger schriftlich eine Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms für das Jahr 2018 und gab einen Schaden in Höhe von 35.112,90 Euro an. Der Kläger legte die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 bis 2016 sowie Jahresabschlüsse für die Wirtschaftsjahre 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017 vor.

Unter der Ziffer 3.2 der Bewilligungscheckliste zur Antragstellung wurde von einem Mitarbeiter der Beklagten der Punkt "Die Fördervoraussetzungen bezüglich Prosperität, gewerbliche Einkünfte und Ertragsdifferenz sind gegeben" mit "Ja" angekreuzt. Handschriftlich findet sich der Zusatz "< 70.000 € Gesamteinkünfte bzw. Gewerbeeinkünfte".

Im Rahmen einer zweiten Prüfung (ab Ziffer 4.5) wurden von einem weiteren Mitarbeiter der Beklagten der Punkt "Das Ergebnis der Erstprüfung wird bestätigt" mit "Nein" und der Punkt "Das Ergebnis der Erstprüfung wurde angepasst" mit "Ja" angekreuzt. Handschriftlich wurde dabei ergänzt "( Ertr. Sd, WG. ( SM". Der Punkt "Zweitprüfung fehlerfrei" wurde mit "Nein" angekreuzt und zur Begründung wurde vermerkt "Gewerblichkeit".

Aus der Verwaltungsakte ist ersichtlich, dass die Beklagte einen Schaden von 33.625,09 Euro ermittelte.

Nach den Angaben des Klägers in dem Formblatt "Prosperitätsnachweis" stellt sich sein Einkommen wie folgt dar (in Euro):

201420152016
1. Person2. Person1. Person2. Person1. Person2. Person
Ldw. Einkünfte3.053-19.135-38.482
Gewerbe2.5594.2773.205
Vermietung19.20419.02819.410
Summe24.8164.170-15.867
Summe der positiven Einkünfte24.81623.30522.615
Summe gewerbliche Einkünfte2.5594.2773.205
Gesamteinkünfte: ( der letzten 3 Jahre4.373
Gewerbliche Einkünfte: ( der letzten 3 Jahre3.347

Mit Bescheid vom 10.07.2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfsprogramms ab. Sie begründete dies damit, dass die Voraussetzungen nicht eingehalten worden seien. Die gewerblichen Einkünfte dürften im Referenzzeitraum 2014 - 2016 einen Anteil von 35 % der Gesamteinkünfte nicht übersteigen. Anhand der eingereichten Unterlagen sei ersichtlich, dass die gewerblichen Einkünfte 3.347 Euro betrügen. Die Gesamteinkünfte seien mit 4.373 Euro festgestellt worden. Daraus gebe sich ein Anteil der Gewerbeeinkünfte an den Gesamteinkünften von 76,54 %. Damit werde der maximale Anteil von 35 % gewerbliche Einkünfte überschritten.

Der Kläger hat am 31.07.2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Beklagte sei aufgrund ihrer handschriftlichen Eintragungen im Verwaltungsvorgang gerade nicht davon ausgegangen, dass die 35 %-Grenze im Falle des Klägers einschlägig sei, da dessen Gesamteinkünfte unter 70.000 Euro jährlich lägen. Es sei von einem Mitarbeiter der Beklagten unter dem Gliederungspunkt 3.2 zum einen angekreuzt, dass die Fördervoraussetzungen bezüglich der gewerblichen Einkünfte gegeben seien, und darüber hinaus handschriftlich auf die Sonderkonstellation hingewiesen worden, dass darauf zu achten sei, dass die Gesamteinkünfte unter 70.000 Euro lägen. Der zuständige Sachbearbeiter sei also davon ausgegangen, dass die 35 %-Grenze für den Kläger nicht einschlägig sei, da dessen Gesamteinkünfte unter 70.000 Euro lägen.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 10.07.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Dürrebeihilfe von 14.598,76 Euro zu bewilligen und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert, dass die Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Betriebszweigen mehr als 35 Prozent betragen würden.

Die Auslegung der Ziffer 4.2, vierter Absatz, dritter Spiegelstrich der Verwaltungsvereinbarung vom 18. April 2019 zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind, sei im Rahmen eines Arbeitsgespräches mit dem Landwirtschaftsministerium am 25.10.2018 entsprechend der Ziffer 4.2, erster Absatz vorgenommen worden, und zwar bezogen auf einen Betrachtungszeitraum von drei Jahren. Um sicherzustellen, dass in Niedersachsen eine Vergleichbarkeit und einheitliche Berechnung des Cash-Flow III (Ziffer 4.2) und Berücksichtigung der Prosperitätsgrenze (Ziffer 6.2) sowie der 35-Prozent-Grenze bezüglich der Gewerblichkeit (Ziffer 4.2) eingehalten werden könne, sei der Zeitraum für die Buchabschlüsse auf die Wirtschaftsjahre 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017 und für die Einkommensbescheide auf die Jahre 2014, 2015 und 2016 festgelegt worden. Dies sei aus dem Grund geschehen, dass die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2017 und 2018 zum Zeitpunkt der Antragstellung im November 2018 in vielen Fällen noch nicht vorgelegen hätten, und um die Vergleichbarkeit in dem Massenverfahren zu gewährleisten. Damit werde ein in sich konsistentes und einheitliches Vorgehen für alle Antragsteller gewährleistet und Ausschläge einzelner Jahre würden ausgeschlossen. Dadurch liege eine belastbare Grundlage hinsichtlich der Beurteilung der Einkommenssituation der Unternehmen vor. Diese Vorgaben seien in dem zu benutzenden Antragsvordruck mit vorgesehen und in dem Merkblatt zum Dürrehilfsprogramm veröffentlicht.

Zu Beginn des Antragsverfahrens sei auf Bund-Länder-Ebene noch ungeklärt gewesen, ob es für die 35-Prozent-Grenze einen Sockelbetrag geben solle. Daher seien potentielle Antragsteller nicht von vornherein ausgeschlossen worden. Der damalige Diskussionsstand sei in den Merkblättern wiedergegeben worden. Mit Erlass vom 14.12.2018 sei die Ausweitung ausgesetzt und mit Erlass vom 29.05.2019 endgültig aufgehoben worden. Nach letzterem solle die Verwaltungsvereinbarung streng angewendet werden und zwar ohne einen Sockelbetrag.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte 001) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat überwiegend Erfolg. Sie ist zulässig und überwiegend begründet.

Die Ablehnung der Gewährung einer Dürrebeihilfe mit Bescheid der Beklagten vom 10.07.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn der Kläger hat jedenfalls einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Dürrebeihilfe (§ 113 Absatz 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Die Dürrebeihilfe 2018 ist gesetzlich nicht geregelt, sondern erfolgt auf der Grundlage der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erlassenen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse vom 26.08.2015 - Rahmenrichtlinie - (BAnz AT 31.08.2015 B4). Diese Richtlinie ist der Europäischen Kommission als Beihilferegelung notifiziert worden. Auf dieser Rahmenrichtlinie beruhen die Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind, vom 08.10.2018 und vom 18.04.2019 (VV). In diesen Verwaltungsvereinbarungen heißt es, dass die deutsche Rahmenrichtlinie auf die "vorliegende" Vereinbarung jeweils "vollumfänglich" Anwendung findet, es sei denn, dass die Vereinbarung strengere Bestimmungen enthält.

Ein gebundener Anspruch auf die Bewilligung der Dürrebeihilfe in konkreter Höhe - wie beantragt - steht dem Kläger danach nicht zu. Die Dürrebeihilfe ist eine freiwillige Leistung. Die jeweilige Bewilligungsstelle entscheidet nach Antragstellung aufgrund pflichtgemäßen Ermessens und nach Maßgabe der Rahmenrichtlinie und, soweit diese strenger sind, der Verwaltungsvereinbarung. Die Gewährung der Zuwendung steht unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel (Nummer 1.2 der Rahmenrichtlinie). Das Ermessen, das der Beklagten dabei zusteht, ist vorliegend auch nicht auf Null reduziert.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass die Beklagte aufgrund der handschriftlichen Angaben eines ihrer Mitarbeiters in der Verwaltungsakte davon ausgegangen sei, dass die 35-Prozent-Grenze in seinem Fall nicht einschlägig sei, weil das Gesamteinkommen unter 70.000 Euro liege, vermag dies nicht zu überzeugen. Ein Rechtsanspruch auf die Bewilligung der Dürrebeihilfe in konkreter Höhe folgt hieraus nicht. Es handelt sich dabei insbesondere nicht um eine Zusicherung der Beklagten im Sinne des § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Die handschriftlichen Angaben unter Punkt 3.2 der Bewilligungscheckliste zur Antragstellung wurden eindeutig im Rahmen einer internen Erstprüfung zur Feststellung der Förderfähigkeit gemacht. Diese sind offenkundig nicht an den Kläger gerichtet gewesen, wie es bei einer Zusicherung der Fall sein müsste.

Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte in Bezug auf die Berechnung der Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften maßgeblich auf die Jahre 2014 bis 2016 als Referenzzeitraum abgestellt hat. Die Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar dargelegt, dass sie diesen Referenzzeitraum allen Anträgen auf Bewilligung einer Dürrebeihilfe zu Grunde gelegt hat. Dass es nach Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV entscheidend auf die Gesamteinkünfte und die Summe der Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften aus 2018 ankommt, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Dort heißt es: Sind die Einkünfte aus 2018 vorläufig nicht feststellbar, können die Einkünfte aus dem Jahr, aus dem Informationen dazu zuletzt verfügbar sind, zugrunde gelegt werden. Es kann dahinstehen, ob diese Formulierung überhaupt vorgibt, dass nur auf ein Jahr abzustellen ist, oder dem Anwender wegen des Wortes "können" die Möglichkeit eröffnet, auch auf einen anderen als den dort genannten Zeitraum abzustellen. Jedenfalls im Zeitpunkt der Antragstellung im November 2018 lagen die Einkommensteuerbescheide für 2018 noch nicht vor. Auch für 2017 lagen die Einkommensteuerbescheide regelmäßig noch nicht vor. Die Beklagte hat plausibel dargelegt, dass sie den Referenzzeitraum 2014 bis 2016 gewählt hat, um eine Vergleichbarkeit im Massenverfahren zu gewährleisten, und um sowohl bei der 35-Prozent-Grenze als auch bei Prosperität und der Berechnung des Cash-Flow III auf einen einheitlichen Referenzzeitraum abzustellen. Das hält das Gericht für sachgerecht.

Allerdings hat die Beklagte hat ihr Ermessen in Bezug auf die 35-Prozent-Grenze nicht fehlerfrei ausgeübt. Denn die konkrete Anwendung durch die Beklagte ist nicht in Gänze fehlerfrei erfolgt.

Die Beklagte hat nicht berücksichtigt, dass die von ihr angewendete Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich VV eine widerlegbare Vermutung aufstellt und nicht geprüft, ob der Kläger hinreichend dargelegt hat, dass er trotz der Überschreitung der 35-Prozent-Grenze in seiner Existenz gefährdet ist.

Nach Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV gilt eine Existenzgefährdung als ausgeschlossen, wenn bei juristischen Personen, Einzelunternehmen und Personengesellschaften die Summe der Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Betriebszweigen mehr als 35 Prozent der gesamten Einkünfte aus 2018 betragen.

Dass es sich hier um eine Vermutung handelt, ergibt sich aus dem Zweck von Nummer 4.2 VV. Dieser besteht darin, der Beklagten handhabbare Kriterien zu geben, um festzustellen, ob eine Existenzgefährdung besteht.

Die Parteien der Verwaltungsvereinbarung sind ersichtlich davon ausgegangen, dass eine Existenzgefährdung bei gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften nicht vorliegt, wenn entweder die Landwirtschaft nicht das Hauptstandbein des Betroffenen ist oder der Betroffene die Verluste in der Landwirtschaft durch seine Einkünfte aus gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften ausgleichen kann. Dies verdeutlichen die Überlegungen zur Einführung eines Sockelbetrages von zunächst 50.000 Euro, später dann 70.000 Euro in Bezug auf die Gesamteinkünfte. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, dass sich Landwirte vermehrt ein zweites Standbein, insbesondere mit Biogasanlagen und Photovoltaikanlagen, geschaffen haben. Dabei sei aufgefallen, dass die 35-Prozent-Grenze bei sehr kleinen landwirtschaftlichen Einkünften problematisch sein könne. Denn schon geringe gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte würden dann zum Ausschluss von der Dürrebeihilfe führen. Daher sei zunächst von Seiten des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorgegeben worden, dass der Anteil der gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte erst ab Gesamteinkünften von 70.000 Euro zu berücksichtigen sei. Bei der Annahme der 70.000 Euro habe sich das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz an dem regelmäßigen Gesamt-Familieneinkommen orientiert. Dabei dürften gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte nicht über 70.000 Euro liegen. Denn sonst sei davon auszugehen, dass die Landwirtschaft lediglich eine Liebhaberei sei, was eine Existenzgefährdung ausschließe (vgl. E-Mail des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 23.11.2018).

Unternehmen mit gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften von mehr als 35 % an den Gesamteinkünften von der Förderung pauschalierend auszuschließen, ist nach diesen Vorüberlegungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. In einem solchen Fall kann insbesondere sachgerecht zur besseren Handhabung davon ausgegangen werden, dass der Betroffene seine Verluste in der Landwirtschaft durch seine gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte so weit ausgleichen kann, dass eine Existenzgefährdung - wie sie Nummer 4.1 und 4.2 Absatz 1 VV fordern - dann nicht vorliegt. Dem ist der Kläger auch nicht grundsätzlich entgegengetreten.

Bei dieser Annahme kann es sich jedoch nur um eine Vermutung handeln, das heißt, dass das Vorliegen beziehungsweise Nichtvorliegen einer Tatsache kraft Rechtsvorschrift als gegeben unterstellt wird. Denn es liegt auf der Hand, dass es auch Fälle gibt, in denen die gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte einen Anteil an den Gesamteinkünften von 35 % übersteigen, der Betroffene aber aufgrund der absoluten Zahlen seiner Gesamteinkünfte und der gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte gleichwohl nicht in der Lage ist, die Verluste bei den landwirtschaftlichen Einkünften durch seine gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte auszugleichen und dass der Ausschluss solcher Fälle willkürlich wäre. Dies ist gerade bei Einkünften unterhalb des Sockelbetrages der Fall, insbesondere bei Verlusten bei den landwirtschaftlichen Einkünften und den Gesamteinkünften einerseits sowie sehr geringen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften andererseits. Mit seinen ohnehin sehr geringen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften kann der Betroffene nichts ausgleichen. Eine Existenzgefährdung ist dann gegeben, weil eine Weiterbewirtschaftung bis zum nächsten Wirtschaftsjahr nach Inanspruchnahme anderer Fördermittel nicht mehr gewährleistet ist (Nummer 4.2 Satz 1 VV).

Dieser Umstand spricht nicht nur für das Vorliegen einer Vermutung, sondern auch gegen die Annahme einer Fiktion. Bei einer Fiktion handelt es sich um die Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht vorhandenen Sachverhalts. Eine Fiktion scheidet aus, wenn etwas als verbindlich anzusehen ist, was auch nur möglicherweise den tatsächlichen Umständen nicht entspricht (Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 292 Rn. 4 und 8). Denn was der Wahrheit entspricht, kann keine Fiktion sein. Dies kann bei Nummer 4.2 letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV aber gerade der Fall sein. Denn bei den von den Vereinbarungsparteien als Regelfall bedachten Fällen (gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte von mehr als 35 % an den Gesamteinkünften) liegt keine Existenzgefährdung vor, weil der Verlust mit den gewerblichen, nichtlandwirtschaftlichen Einkünften ausgeglichen werden kann. Eine Existenzgefährdung nach Nummer 4.1 und 4.2 Satz 1 VV scheidet daher von vornherein aus, weil die Weiterbewirtschaftung bis zum nächsten Wirtschaftsjahr gewährleistet ist. Nummer 4.2 letzter Absatz dritter Spiegelstrich VV würde dann die Wirklichkeit wiederspiegeln. Dann kann sie aber keine Fiktion sein, weil eine Fiktion gerade einen in Wirklichkeit nicht bestehenden Sachverhalt regelt.

Der Umstand, dass das Wort "gilt" im Allgemeinen eine typische Formulierung für eine Fiktion ist und Nummer 4.2 letzter Absatz VV ebenfalls diese Formulierung verwendet, steht der Annahme einer Vermutung nicht entgegen. Denn zum einen ist der Wortlaut - mit Blick auf die oben gemachten Ausführungen - nicht maßgeblich (so auch: LG Mannheim, Urt. v. 10.10.2007 - 8 O 143/06 -, juris Rn. 74). Zum anderen ist es jedenfalls im Verwaltungsrecht so, dass das Wort "gilt" auch im Falle einer Vermutung verwendet wird, wie § 41 Absatz 2 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetztes zeigt. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der Annahme einer Fiktion steht entgegen, dass eine Fiktion nicht widerlegbar ist; dies kann nur bei einer Vermutung der Fall sein. In § 41 Absatz 2 Satz 3 VwVfG heißt es allerdings, dass dies - gemeint ist § 41 Absatz 2 Satz 1 VwVfG - nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der Betroffene kann also die Vermutung des § 41 Absatz 2 Satz 1 VwVfG widerlegen.

Dass die Parteien der Vereinbarung mit der Formulierung "Eine Existenzgefährdung gilt als ausgeschlossen" in Nummer 4.2 letzter Absatz VV etwas anderes haben zum Ausdruck bringen wollen als den Ausschluss von der Förderung (ohne Widerlegbarkeit), bestätigt der abweichende Wortlaut in Nummer 4.3 VV. Dort haben die Vereinbarungsparteien eine andere Formulierung verwendet, nämlich "von einer Förderung ausgeschlossen sind (...)". Mit dieser Gegenwartsform "sind" folgen die VV den Formulierungen der Rahmenrichtlinie. So verwendet Nummer 4.2 der Rahmenrichtlinie die Formulierung "Nicht gefördert werden Unternehmen, bei denen (...)", Nummer 4.3 die Formulierung "Von einer Förderung ausgeschlossen sind Unternehmen (...)" und Nummer 4.4 die Formulierung "Unternehmen in Schwierigkeiten (...) sind von einer Gewährung von Beihilfen (...) ausgeschlossen.

Die Vermutung der Nummer 4.2, letzter Satz dritter Spiegelstrich VV ist widerlegbar. Es ist unerheblich, dass sich die VV nicht ausdrücklich dazu verhält, ob die Verneinung der Existenzgefährdung widerlegbar ist oder nicht. Denn für diesen Fall findet der in § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 292 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelte Grundsatz Anwendung. Darin heißt es: Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Rechtsgedanke ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, auch wenn es sich bei der VV nicht um ein Gesetz im Sinne der Vorschrift handelt.

Etwas anderes als die Annahme einer widerlegbaren Vermutung wäre ermessensfehlerhaft, denn es widerspräche dem Ziel der Verwaltungsvereinbarung, eine Existenzgefährdung durch Dürreschäden zu vermeiden. Es wäre willkürlich, Betroffene von einer Förderung auszuschließen, die in den Referenzzeiträumen mit dem landwirtschaftlichen Betrieb keine oder sehr geringe Einkünfte erzielt haben und die auch nur geringe gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte erzielt haben, gleichwohl aber noch nicht notleidend sind und auch noch nicht Insolvenz anmelden mussten. Ihre gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte würden mehr als 35 % der Gesamteinkünfte betragen, weil der Betroffene im landwirtschaftlichen Bereich und damit insgesamt Verluste gemacht hat. Hätte der Betroffene dagegen bei gleichen geringen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften deutlich höhere landwirtschaftliche Einkünfte erzielt, beispielsweise 25.000 Euro, hätte der Betroffene die 35-Prozent-Grenze nicht überschritten, würde als in der Existenz gefährdet gelten und würde nicht wegen dieser Grenze von der Förderung ausgeschlossen werden. Ein solches Ergebnis wäre offensichtlich willkürlich. Denn gerade die Betroffenen, die durch sehr geringe landwirtschaftliche Einkünfte oder gar Verluste und sehr geringen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünften in ihrer Existenz gefährdet sind, sind es, denen die Dürrebeihilfe zugutekommen soll. Für diese Fälle korrigiert die Widerlegbarkeit der Vermutung, dass zur Vereinfachung vermutet wird, dass bei Überschreiten der 35-Prozent-Grenze keine Existenzgefährdung vorliegt.

Die Beklagte hat ohne sachlichen Grund nicht geprüft, ob der Kläger die Vermutung in Nummer 4.2, letzter Absatz dritter Spiegelstrich Satz 1 VV widerlegt hat.

Rein rechnerisch betragen die durchschnittlichen gewerblichen nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte des Klägers zwar deutlich mehr als 35 % der Gesamteinkünfte. Der Kläger hat im Referenzzeitraum 2014 bis 2016 Gesamteinkünfte von durchschnittlich 4.373 Euro erzielt. Diesen stehen durchschnittliche gewerbliche nichtlandwirtschaftliche Einkünfte von 3.347 Euro gegenüber. Nicht beachtet wird dabei zum einen, dass der Kläger sehr geringe bzw. negative landwirtschaftliche Einnahmen hatte und sich die ebenso niedrigen durchschnittlichen Gesamteinkünfte nur deswegen ergeben, weil die Ehefrau des Klägers noch Mieteinnahmen hatte. Hätte der Kläger aber durchschnittlich mehr landwirtschaftliche Einkünfte erzielt, so wäre ihm die Dürrebeihilfe jedenfalls deswegen nicht versagt worden. Dies steht im Widerspruch zum Zweck der Dürrebeihilfe, landwirtschaftliche Unternehmen zu unterstützen, die niedrigere landwirtschaftliche Einnahmen erzielten. Allein die von der Beklagten vorgenommene Relationsbetrachtung führt hingegen dazu, landwirtschaftliche Unternehmen zu unterstützen, die höhere landwirtschaftliche Einkünfte haben. Dieser Widerspruch hätte sich nicht ergeben, hätte die Beklagte einen Sockelbetrag angewendet. Angesichts der Größe des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers liegt es außerdem auf der Hand, dass er die Existenz seines landwirtschaftlichen Betriebes mit nur durchschnittlichen Gesamteinkünften von 4.373 Euro nicht sichern kann. Dies wird auch dadurch gestützt, dass der Kläger nach den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden nicht einmal Einkommensteuer zu zahlen hatte, weil das Einkommen in den Jahren 2014 bis 2016 unter dem Grundfreibetrag lag.

Nach der Rechtsauffassung des Gerichts ist daher zu prüfen, ob der Kläger mit den Angaben in seinem Antrag hinreichend dargelegt hat, dass er in seiner Existenz gefährdet ist, obwohl er die 35 %-Grenze überschreitet. Dabei ist der aufgezeigte Widerspruch durch sachgerechte Erwägungen aufzulösen.

Weil die Beklagte ihre Entscheidung hierauf nicht gestützt hatte, war durch das Gericht nicht mehr zu prüfen, ob der von der Beklagten ermittelte Schaden zu Recht von dem des Klägers abweicht und ob verwertbares Vermögen zu berücksichtigen ist oder ob eine Existenzgefährdung wegen der Regelung in Nummer 4.2 letzter Absatz zweiter Spiegelstrich VV ausgeschlossen ist, weil das Unternehmen in Schwierigkeiten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Absatz 1 Satz 1 VwGO. Die Kostentragungspflicht des Klägers ergibt sich daraus, dass er die Bewilligung der Dürrebeihilfe in konkreter Höhe beantragt hat, seine Klage aber nur in Bezug auf eine Neubescheidung Erfolg hat. Das Gericht hält es auch deshalb für sachgerecht, dass der Kläger einen Teil der Kosten zu tragen hat, weil allein eine erneute Entscheidung über seinen Antrag noch nicht zwingend die Bewilligung einer Dürrebeihilfe zur Folge hat. Dies hängt von der Prüfung der Beklagten in Bezug auf die oben genannten Punkte ab. Soweit der Kläger obsiegt, also in Bezug auf eine erneute Entscheidung über seinen Antrag, hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nummer 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 124 Absatz 2 Nummer 3 in Verbindung mit § 124a Absatz 1 Satz 1 VwGO, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine der ersten gerichtlichen Entscheidungen zur Dürrebeihilfe 2018 in Bezug auf die 35-Prozent-Regelung.