Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 21.04.2006, Az.: 5 B 106/06

Anordnung der Stallhaltung des gesamten Geflügelbestandes; Sofortiges Haltungsverbot für Geflügel und Anordnung der Abgabe des Geflügels binnen einer gesetzten Frist ; Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen der besonderen drohenden Gefährdung durch die Verbreitung einer Tierseuche; Verordnung zur Aufstallung des Geflügels zum Schutz vor der klassischen Geflügelpest; Bestehen der Möglichkeit zur Errichtung verschlossener Ställe; Übergabe des Geflügels in die Obhut des Landkreises

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
21.04.2006
Aktenzeichen
5 B 106/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 20839
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2006:0421.5B106.06.0A

Verfahrensgegenstand

Tierseuchenrecht
hier: Anträge nach §§ 80 Abs. 5, 123 VwGO

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer -
am 21. April 2006
beschlossen:

Tenor:

Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Insoweit ergeht die Entscheidung gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden insoweit nicht erstattet.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller wendet sich im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowohl gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung des Antragsgegners vom 13.04.2006, den Geflügelbestand in geschlossenen Ställen zu halten, als auch gegen die sofortige Vollziehung der Verfügung vom 20.04.2006, mit dem der Antragsgegner - vorab mündlich am 19.04.2006 - ein sofortiges Haltungsverbot für Geflügel angeordnet und ihm aufgegeben hat, das Geflügel binnen einer gesetzten Frist abzugeben. Außerdem macht der Antragsteller einen Unterlassungs- und Richtigstellungsanspruch geltend.

2

Der Antragsteller hält auf seinem ca. 6.000 qm großen Hofgrundstück u.a. 15 Hühner, 3 Enten und 2 Gänse. Er betreibt einen von ihm so genannten Tiererlebnishof, den er auch Eltern mit Kindern zugänglich macht.

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Am 20.02.2006 bat der Antragsteller um Beratung in Bezug auf die Aufstallpflicht für Geflügel. Am 21.02.2006 um 16.00 Uhr fand auf dem Hof des Antragstellers mit der Mitarbeiterin des Antragsgegners, Frau B., ein Beratungsgespräch statt. Ausweislich der vom Antragsteller unterschriebenen Niederschrift über dieses Gespräch wurden die benannten Tiere innerhalb eines Stallgebäudes frei laufend gehalten. Es wurde danach vereinbart, für die Hühner eine Pferdebox dicht zu gestalten. Das Wassergeflügel sollte danach bis zum 27.02.2006 unter einer Remise untergebracht werden, die vogeldicht gestaltet werden sollte. Der Antragsteller erklärte, den Antragsgegner anzurufen, sobald die Remise fertig sei. Bis zum 27.02.2006 sollte auch das Wassergeflügel im Stall verbleiben. Bei einer Nachprüfung am 21.03.2006 stellte Frau B. fest, dass das Geflügel nicht entsprechend der Vereinbarung vom 21.02.2006 gehalten wurde, sondern - jedenfalls teilweise - frei herumlief. Der Antragsteller verweigerte die Unterschrift unter diese Niederschrift.

4

Mit Verfügung vom 21.03.2006 leitete der Antragsgegner ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Aufstallung des Geflügels zum Schutz vor der klassischen Geflügelpest gegen den Antragsteller ein. Der Antragsteller erklärte dann unter dem 21.03.2006, dass nach seiner Auffassung von der von ihm betriebenen naturnahen Tierhaltung keine Tierseuchengefährdung ausgehe. Auch nach den Feststellungen des Veterinärdienstes des Antragsgegners seien die Tiere gesund. Unter dem 03.04.2006 wies der Antragsteller darauf hin, dass seine Tiere keinen Kontakt zu anderen infizierten Haus- oder Wildtieren hätten und von seinen gesunden Tieren eine Seuchengefährdung nicht ausgehe. Er fragte an, warum seinem Antrag vom 15.02.2006 auf Genehmigung der Freilandhaltung nicht entsprochen worden sei (ein solcher Antrag liegt dem Antragsgegner nicht vor). Der Antragsteller vertrat unter Bezugnahme auf eine Veröffentlichung der NABU-Bundesgeschäftsstelle die Auffassung, dass eine Übertragungsgefahr beim Vogelzug nicht gegeben sei. Unter dem 04.04.2006 erreichte den Antragsgegner die Mitteilung, dass, nachdem die Tiere eine Zeit lang nicht mehr im Freien zu sehen gewesen seien, sie seit Anfang April wieder auf dem Grundstück frei herumliefen. Unter dem 05.04.2006 erläuterte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller die Maßnahmen zur Bekämpfung der Geflügelpest. Er teilte außerdem mit, dass eine Ausnahme vom Aufstallgebot nur erteilt werden könne, wenn das Geflügel objektiv betrachtet nicht aufgestallt werden könne. Bei der Besichtigung der Geflügelhaltung des Antragstellers sei festgestellt worden, dass eine Haltung in einem geschlossenen Stall bzw. für das Wassergeflügel in einer vogeldichten Voliere mit geringem Aufwand möglich wäre, sodass auch ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahme keine Aussicht auf Erfolg habe.

5

Unter dem 13. April 2006 ordnete der Antragsgegner an, dass der Antragsteller seinen gesamten Geflügelbestand ab sofort in geschlossenen Ställen zu halten habe. Ein Entweichen durch Öffnen der Stalltür sowie ein Kontakt mit wild lebenden Vögeln sei zu verhindern. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wurde angeordnet. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.000,00 Euro angedroht. Zur Begründung der Maßnahme bezog sich der Antragsgegner auf die benannten Überprüfungen an Ort und Stelle und die Feststellung, dass das Geflügel des Antragstellers nicht den Vorschriften entsprechend untergebracht war. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung sei notwendig, um eine Ausbreitung der klassischen Geflügelpest zu verhindern und wirtschaftliche Schäden größeren Ausmaßes zu verhüten. Die sich aus der angeordneten Maßnahme ergebende Schutzfunktion stelle ein höheres Rechtsgut für die Allgemeinheit dar gegenüber den privaten wirtschaftlichen Belangen des Antragstellers als Tierhalter. Im Rahmen der Androhung des Zwangsgelds führte der Antragsgegner aus, dass zunächst als milderes Mittel die Androhung des Zwangsgeldes erfolge. Die Androhung einer Ersatzvornahme sei unverhältnismäßig, da es dem Antragsteller mit relativ geringen Mittel möglich sei, die Anordnung zu erfüllen. Im Wege der Ersatzvornahme würden unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen. Außerdem wurde der Antragsteller in dieser Verfügung darauf hingewiesen, dass nach der Nds. Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest vom 26.11.2004 im Falle der Zuwiderhandlung die Geflügelhaltung beschränkt oder verboten werden könne, wenn dies aus Gründen der Seuchenvorbeugung oder Seuchenbekämpfung erforderlich sei.

6

Diese Verfügung wurde in den Briefkasten des Antragstellers eingelegt, nachdem bei einer erneuten Überprüfung am 13.04.2006 erneut frei laufendes Geflügel auf dem Hof gesehen worden war.

7

Unter dem 14.04.2006 erklärte der Antragsteller, er habe Frau B. bereits bei der Besprechung im März und Februar erklärt, dass er aus finanziellen und praktischen Gründen nicht in der Lage sei, für die Geflügelgruppen in einzelnen Volieren eine artgerechte Haltung zu schaffen. Er habe sie ausdrücklich aufgefordert, die Tiere in die Obhut des Landkreises Peine zu übernehmen. Er habe damit die Obhut dem Landkreis Peine übertragen. Da er bereits seit Januar 2005 Leistungen nach SGB II erhalte, sei er nicht in der Lage, auch nur geringe Mittel für die Haltung der Tiere aufzuwenden. Im Übrigen bestehe kein unmittelbarer Handlungsbedarf im Sinne der Bekämpfung der Tierseuche, da seine Tiere nicht erkrankt seien und der Fall in Sachsen an aufgestalltem Geflügel aufgetreten sei.

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Am 19.04.2006 hat der Antragsteller Klage erhoben (5 A 105/06) und gleichzeitig Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

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Er begehrt, das ihm gegenüber angeordnete Haltungsverbot vorläufig einzustellen und den Landkreis Peine zu verpflichten, die ihm übertragene Obhutspflicht an dem Geflügelbestand bis zum 30.04.2006 zu übernehmen bzw. hilfsweise entsprechende Einrichtungen hierzu zu beauftragen.

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Der Antragsteller führt aus, dass er auf Grund seiner wirtschaftlichen Situation nicht dazu in der Lage sei, auch nur in geringem Umfange Maßnahmen zu finanzieren, die eine Tierhaltung entsprechend den Anordnungen des Antragsgegners ermöglichen würden. Er sei weder in der Lage Geldbußen, noch Zwangsgelder zu bezahlen. Die erwähnte Pferdebox sei zur gemeinsamen Unterbringung der drei Arten tierschutzrechtlich nicht zulässig. Im Übrigen verfüge er auch nicht über die notwendigen Mittel, um den aufgestallten Tieren, die sich derzeit vom Gras auf dem Hof ernährten, Futter zu kaufen. Eine Verbringung der Tiere sei ihm weder in einem anderen Stall, noch zur Schlachtung möglich. Er verfüge über kein Transportmittel und habe trotz Nachfragen in der Nachbarschaft keine andere Unterbringungsmöglichkeit gefunden. Auch sei ihm nicht benannt worden, wohin er die Tiere bringen könne.

11

Ergänzend begehrt der Antragsteller, dem Landkreis Peine die in der Peiner Allgemeinen Zeitung vom 20.04.2006 verbreiteten Behauptungen, er könne mit geringen Mitteln die Auflagen erfüllen und handele unverantwortlich, nicht mehr weiter zu verbreiten.

12

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

  1. 1.

    die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung vom 13.04.2006 wiederherzustellen sowie

  2. 2.

    die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung vom 20.04.2006 wiederherzustellen sowie

  3. 3.

    den Antragsgegner im Wege der einstweilige Anordnung zu verpflichten, den Geflügelbestand des Antragstellers in seine Obhut zu nehmen und ordnungsgemäß unterzubringen sowie

  4. 4.

    den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die öffentlich geäußerte Behauptung, er (der Antragsteller) sei mit geringen Mitteln in der Lage, die Auflagen zu erfüllen und handele unverantwortlich, zurückzunehmen.

13

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

14

Er führt aus, dass zum Schutz der Hausgeflügelbestände vor einer Infektion Geflügel in geschlossenen Ställen zu halten sei. Bei der alternativ möglichen Unterbringung in Volieren müsse eine monatliche tierärztliche Untersuchung stattfinden. Der Antragsteller verstoße auch aktuell gegen dieses Gebot, da bei mehreren Besuchen festgestellt worden sei, dass Geflügel auf seinem Grundstück frei herumlaufe. Es bestehe kein Anspruch des Antragstellers darauf, dass der Antragsgegner die Tiere übernehme. Der Landkreis verfüge nicht über entsprechende Haltungseinrichtungen und der Antragsteller könne sich nicht durch die Übergabe der Tiere in die Obhut des Antragsgegners von den Verpflichtungen, die ihn als Tierhalter treffen, freistellen. Auf dem Hofgrundstück des Antragstellers bestehe die Möglichkeit, mit geringen Mitteln vorübergehend eine ordnungsgemäße Aufstallung zu ermöglichen. Beispielsweise befänden sich im Stall zwei alte Türen, mit denen die vorne offene Pferdebox entsprechend hergerichtet werden könne. Außerdem gebe es einen Kaninchenstall für diesen Zweck. Der Antragsteller habe auch die Alternative, die Tiere zu verschenken, zu veräußern oder schlachten zu lassen, nicht umgesetzt. Vielmehr habe er nach der Besprechung vom 21.02.2006 erst bei der Besichtigung am 21.03.2006 seine wirtschaftliche Unfähigkeit eingewandt. Als Halter treffe ihn die Pflicht, die Tiere artgemäß zu versorgen. Er habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er ungeeignet sei, die Tiere weiter zu halten. Deshalb sei die Untersagungsverfügung gerechtfertigt. Von seiner Pflicht als Tierhalter, sich um den Verbleib der Tiere zu kümmern, stelle ihn dies aber nicht frei.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

16

II.

Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügungen vom 13.04. und 20.04.2006 wiederherzustellen, sind zulässig, aber nicht begründet.

17

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag bei einer Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Neben der Feststellung, ob die schriftliche Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des Gesetzes entspricht, ist Gegenstand der Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die Frage, ob ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der Maßnahme bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, gegenüber dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. In diese Abwägung ist die voraussichtliche Rechtmäßigkeit des Bescheides mit einzubeziehen.

18

Die schriftlichen Anordnungen der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO erfüllen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen dieser Vorschrift. Die Ausführungen dazu, weshalb wegen der besonderen drohenden Gefährdung durch die Verbreitung der Tierseuche die sofortige Vollziehung im besonderen öffentlichen Interesse erforderlich ist, genügen den Anforderungen.

19

Auch sind die angefochtenen Bescheide nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes angebrachten summarischen Überprüfung aller Voraussicht nach rechtmäßig.

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Die Verfügung vom 13.04.2006, mit der dem Antragsteller aufgegeben wurde, das Geflügel entsprechend dieser Verordnung zu halten, ist rechtmäßig.

21

Gemäß § 1 Nds. SOG treffen die Verwaltungsbehörden die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Im vorliegenden Fall liegt die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darin, dass die Geflügelhaltung durch den Antragsteller gegen die Verordnung zur Aufstallung des Geflügels zum Schutz vor der klassischen Geflügelpest (vom 15.02.2006, BAnz 2006, Nr. 33, 989 - dem Antragsteller bekannt) verstößt. Nach § 1 dieser Verordnung ist Geflügel bundesweit bis zum Ablauf des 30. April 2006 in geschlossenen Ställen zu halten. Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen im Verwaltungsvorgang, die letztlich vom Antragsteller auch nicht bestritten werden, steht fest, dass auf dem Hofgrundstück des Antragstellers Geflügel frei herumläuft. Es ist letztlich unbeachtlich, in welchem Umfang dies heute tatsächlich noch geschieht, da der Antragsteller selber erklärt, er sei nicht in der Lage, eine dem § 1 der genannten Verordnung entsprechende Haltung sicherzustellen.

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Die Einwendungen des Antragstellers dahingehend, dass nach seiner Auffassung die Aufstallung der Tiere keine geeignete Maßnahme sei, die durch die Vogelgrippe drohende Gefahr einer Tierseuche abzuwenden, findet im vorliegenden Verfahren keine Berücksichtigung. Der Antragsgegner ist an die genannte Verordnung gebunden, im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist die Verordnung nicht zu überprüfen.

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Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung glaubhaft gemacht. Gemäß § 1 Abs. 3 der genannten Verordnung kann die zuständige Behörde im Einzelfall Ausnahmen genehmigen, soweit die Anforderungen nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (geschlossener Stall) wegen der bestehenden Haltungsverhältnisse nicht erfüllt werden können und Belange der Tierseuchenbekämpfung nicht entgegenstehen. Unabhängig von der offenbar strittigen Frage, ob der Antragsteller einen solchen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung gestellt hat, besteht auch kein Anspruch auf diese Genehmigung. Der Antragsgegner hat gegenüber dem Gericht glaubhaft gemacht, dass die örtlichen Verhältnisse auf seinem Hof eine Haltung der Tiere in geschlossenen Ställen möglich machen. Der Antragsgegner hat auf die Möglichkeiten im Einzelnen verwiesen. Auch zur Überzeugung des Gerichts besteht auf einem Hofanwesen die Möglichkeit, jedenfalls provisorisch, verschlossene Ställe zu erstellen.

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Demgegenüber kann der Antragsteller auch nicht geltend machen, wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein, die geschlossene Stallhaltung sicherzustellen. Es kann offen bleiben, ob die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zur Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Anordnung führt. Denn zur Überzeugung des Gerichts befindet sich auf einem Hofgrundstück der vorliegenden Art Material, um ohne weiteren Kostenaufwand für die hier vorliegende geringe Anzahl von Geflügel jedenfalls vorübergehend eine geschlossene Tierhaltung sicherzustellen und auszuschließen, dass den Hof besuchende Kinder beispielsweise durch Öffnen der Stalltür das Geflügel freilassen. Soweit der Antragsteller vorträgt, wirtschaftlich zu diesen Maßnahmen nicht in der Lage zu sein, folgt die erkennende Kammer dem nicht. Aus den Ausführungen des Antragsgegners ergibt sich, mit welch geringen Mitteln dies möglich ist. Selbst wenn dem Antragsteller die Mittel - beispielsweise Maschendraht - nicht zur Verfügung stehen, ist es auch durch die Benutzung von Holzresten etc. möglich, den Stall zu verschließen.

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Soweit der Antragsteller ausführt, zur Versorgung der Tiere mit Futter wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein, steht dieses Argument der polizeirechtlichen Verpflichtung als Halter der Tiere grundsätzlich nicht entgegen. Letztlich kann diese Frage, ob eine wirtschaftliche Unmöglichkeit die Durchsetzung einer polizeirechtlichen Verfügung hindern kann, aber offen bleiben. Denn zur Überzeugung der Kammer ist es möglich, die Tiere jedenfalls für einen vorübergehenden Zeitraum dadurch zu versorgen, dass man ihnen das Gras vom Hof, von dem sie aktuell leben, gemäht oder herausgezupft in den Stall gibt.

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Die Tatsache, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag das Geflügel in die Obhut des Landkreises gegeben hat, steht seiner polizeirechtlichen Verpflichtung nicht entgegen. Er ist Halter der Tiere und damit nach § 7 Nds. SOG verantwortlich. Nach dieser Vorschrift sind Maßnahmen zur Abwendung einer von einem Tier ausgehenden Gefahr gegen diejenige Person zu richten, die die tatsächliche Gewalt innehat. Das ist der Antragsteller. Selbst wenn der Antragsteller das Eigentum an den Tieren aufgeben wollte, entbindet ihn das nicht von der polizeirechtlichen Verpflichtung. Nach § 7 Abs. 3 Nds. SOG können nämlich Maßnahmen zur Abwendung einer Gefahr, die von einer herrenlosen Sache ausgeht, gegen diejenige Person gerichtet werden, die das Eigentum an der Sache aufgegeben hat. Auch dies wäre hier der Antragsteller.

27

Auch die Verfügung vom 20.04.2006, mit der die mündliche Verfügung vom 19.04.2006 ergänzt wird, und die das Gebot der Geflügelhaltung nach § 2 der Nds. Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest vom 26.11.2004 (Nds. GVBl Seite 505, geändert durch VO vom 08.09.2005, Nds. GVBl Seite 288) ausspricht und die Verpflichtung zur Verbringung der Tiere regelt, ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Der Antragsteller verstößt mit seiner Art der Geflügelhaltung gegen die zuvor genannten Vorschriften und ist entgegen der Vereinbarung aus dem Februar 2006 und der Verfügung vom 13.04.2006 und trotz der Einleitung des Bußgeldverfahrens diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Das Verbot der Geflügelhaltung ist daher im Interesse der Seuchenbekämpfung gerechtfertigt. Die sich aus diesem Verbot ergebende Verpflichtung, die Geflügelhaltung ordnungsgemäß zu beenden, besteht für den Antragsteller als Halter der Tiere nach § 7 Nds. SOG. Wie oben bereits im Hinblick auf die Verfügung vom 13.04.2006 ausgeführt, entbindet die Bitte des Antragstellers an den Antragsgegner, die Tiere zu übernehmen, ihn nicht von der Verpflichtung, die ihn polizeirechtlich als Tierhalter auch nach Eigentumsaufgabe trifft.

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Auch ändert die vom Antragsteller geltend gemachte wirtschaftliche Notlage daran nichts. Soweit der Antragsteller geltend macht, nicht einmal über ein Transportmittel zur Verbringung der Tiere zum Schlachten zur verfügen, führt dies nicht dazu, dass die polizeirechtliche Verpflichtung des Antragstellers auf den Antragsgegner übergeht. Für den Fall, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung nicht nachkommt bzw. nicht nachkommen kann, sieht das Nds. SOG die Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs und der Ersatzvornahme vor. Da der Antragsteller polizeipflichtig bleibt, werden diese Maßnahmen zunächst durchgeführt, von ihm dann aber eine Kostenerstattung verlangt. Erst im Rahmen dieses Kostenerstattungsverfahrens bzw. der Vollstreckung im Rahmen dieses Verfahrens spielt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine Rolle.

29

Auch die Androhung der Zwangsmaßnahmen begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Unter zutreffender Benennung der Rechtsgrundlagen hat der Antragsgegner in der Verfügung vom 13.04.2006 ein Zwangsgeld angedroht und in der Verfügung vom 20.04.2006 die Ersatzvornahme. Die Begründung in der Verfügung vom 13.04.2005, zunächst ein Zwangsgeld und nicht Ersatzvornahme bzw. unmittelbaren Zwang anzudrohen, weil die Maßnahme durch den Antragsteller mit geringeren wirtschaftlichen Mitteln durchgeführt werden kann, begegnet im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung keinen Bedenken.

30

Da die angefochtenen Verfügungen aller Voraussicht nach rechtmäßig sind, besteht angesichts der Tatsache, dass die Aufstallung des Geflügels deshalb erforderlich ist, um nicht nur vom Geflügelbestand des Antragstellers die Seuchengefahr abzuwenden, sondern auch, um zu vermeiden, dass von einem infizierten Bestand Gefahren ausgehen, die dazu führen, dass der Antragsgegner zu Lasten zahlreicher anderer Geflügelhalter die in den Verordnungen vorgesehen Maßnahmen ergreifen muss, ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, dem gegenüber das persönliche Interesse des Antragstellers, von der Maßnahme zunächst verschont zu bleiben, zurücktreten muss.

31

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, die Tiere in Obhut zu nehmen und ordnungsgemäß unterzubringen, ist nicht begründet. Nach der oben dargestellten Gesetzeslage ist es die Verpflichtung des Antragstellers als Halter der fraglichen Tiere, für ihre ordnungsgemäße Unterbringung bzw. ihre ordnungsgemäße Verbringung zu sorgen. Angesichts dieser Rechtslage ist keine Anspruchsgrundlage dafür denkbar, dass der Antragsgegner - anders als im Wege der Ersatzvornahme im Rahmen der Vollstreckung der angefochtenen Verfügungen auf Kosten des Antragstellers - die Tiere in Obhut nehmen bzw. verbringen muss.

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Auch der Antrag nach § 123 VwGO, den Antragsgegner zu verpflichten, die in der Peiner Allgemeinen Zeitung vom 20.04.2006 aufgestellten Behauptungen zurückzunehmen, ist nicht begründet. Zum einen wäre der Antragsteller zunächst verpflichtet, den Widerrufsanspruch gegenüber dem Antragsgegner geltend zu machen bevor gerichtliche Hilfe geboten ist. Im Übrigen sind die dortigen Darstellungen hinsichtlich des geringen Aufwandes zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen eine zulässige Wertung der Sachlage, die im Übrigen nach dem o.g. von der erkennenden Kammer bestätigt wird. Zwar stellt die zitierte Ausführung des Pressesprechers des Antragsgegners, das Verhalten des Antragstellers gegenüber der Öffentlichkeit und anderen Tierhaltern sei von einem hohen Maß von Verantwortungslosigkeit geprägt sei, eine recht weit gehende Wertung dar. Angesichts der oben geschilderten besonderen Gefährdung, nämlich der Notwendigkeit, die Verbreitung der Geflügelpest mit den in den genannten Verordnungen aufgeführten Maßnahmen zu verhindern und angesichts der großen bei einer Infizierung der Tiere drohenden Gefahr, erkennt die erkennende Kammer jedenfalls im derzeitigen Stand dieses Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine Rechtsverletzung beim Antragsteller. Im Übrigen ist nicht aufgeklärt, ob die in der Peiner Allgemeinen Zeitung berichteten Äußerungen des Pressesprechers des Antragsgegners auch so gefallen sind.

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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 113 f. ZPO zurückzuweisen, weil dem Antrag die notwendige hinreichende Erfolgsaussicht fehlt, wie sich aus den Gründen dieses Beschlusses ergibt.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Schlingmann-Wendenburg
RiVGin Düfer,
Hachmann die an der Beschlussfassung mitgewirkt hat, ist wegen Abwesenheit an der Unterschrift gehindert Schlingmann-Wendenburg