Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 25.04.2006, Az.: 7 A 265/04

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
25.04.2006
Aktenzeichen
7 A 265/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44238
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2006:0425.7A265.04.0A

Fundstelle

  • ZBR 2006, 318 (amtl. Leitsatz)

In der Verwaltungsrechtssache

der A.,

gegen

die Oberfinanzdirektion Hamburg Service - Center Rostock Beihilfen,

Wallstraße 2, 18055 Rostock, - C. -

Streitgegenstand: Beihilfe

hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer - auf die münd-liche Verhandlung vom 25. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsge-richt Müller-Fritzsche, die Richterin am Verwaltungsgericht Karger, den Richter am Ver-waltungsgericht Dr. Nagler sowie die ehrenamtliche Richterin D. und den ehrenamtlichen Richter E. für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Beklagte wird verpflichtet, die im Heil- und Kostenplan der Frau Dr. F. vom 15. Juli 2003 und im Kosten-voranschlag des Herrn Dr. Dr. G. vom 10. Juli 2003 vorgesehene zahnärztliche Versor-gung der Klägerin mit Implantaten mit der Maßgabe dem Grunde nach als beihilfefähig anzuerkennen, dass lediglich zwei Implantate beihilfefähig sind.

    Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2003 und der Wider-spruchsbescheid vom 3. Mai 2004 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 2/3 und die Klägerin zu 1/3.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der je-weilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Be-trages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläu-biger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit der geplanten zahnärzt-lichen Versorgung des Oberkiefers der Klägerin mit drei Implantaten.

2

Die Klägerin ist als Witwe eines Beamten, die Witwengeld nach dem Beamtenversorgungsgesetz bezieht, beihilfeberechtigt. Mit Schreiben vom 21. Juli 2003 reichte sie bei der Beklagten einen Heil- und Kostenplan ihrer behandelnden Zahnärztin Dr. F. vom 15. Juli 2003 und einen Kostenvoranschlag des Kieferchirurgen Dr. Dr. G. vom 10. Juli 2003 ein. Darin ist die Versorgung des linken Oberkiefers der Klägerin mit drei Implantaten vorgesehen, die anstelle der Zähne 2.2, 2.3 und 2.5 in den Kiefer eingebracht werden sollen. Der Gebissstatus der Klägerin stellt sich entsprechend des Heil- und Kos-tenplans dergestalt dar, dass die Zähne 2.3 bis 2.8 fehlen. Der Zahn 2.2 soll entfernt wer-den, der Zahn 2.1 ist überkront. Die Zähne 1.1 bis 1.6 im rechten Oberkiefer sind mit

3

Brückengliedern (Zähne 1.1, 1.4 und 1.5) bzw. mit Kronen versorgt. Die Zähne 1.7 und 1.8 fehlen.

4

Mit Bescheid vom 25. Juli 2003, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbe-lehrung versehen ist, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Aufwendungen für die geplanten drei Implantate nicht beihilfefähig seien. Eine die Versorgung mit Implantaten nach den Beihilfevorschriften rechtfertigende Indikation liege nicht vor. Insbesondere sei keine Freiendlücke im Sinne der Beihilfevorschriften gegeben, weil angesichts des Um-stands, dass im linken Oberkiefer nur der Zahn 2.1 verbleiben solle, in dieser Kieferhälfte eine Zahnreihe von mindestens 2 Zähnen fehle. Für den Fall, dass der Zahn 2.2 erhalten werde, könne bei Vorlage eines entsprechenden Heil- und Kostenplans die Versorgung mit zwei Implantaten als beihilfefähig anerkannt werden. Mit Schreiben vom 28. August 2003 bat die Zahnärztin der Klägerin um nochmalige Überprüfung der Beihilfefähigkeit der geplanten Versorgung mit Implantaten. Eine herausnehmbare Prothese für den linken Oberkiefer ließe sich nur dann stabil verankern, wenn die im rechten Oberkiefer vorhan-dene Sanierung abgenommen und stattdessen Teleskopkronen gefertigt würden. Nach-dem die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung festhielt, erhob die Klägerin am 26. Februar 2004 Widerspruch. Sie machte geltend, ihr linker Oberkiefer weise eine Freiendlücke im Sinne der Beihilfevorschriften auf. Soweit die Beklagte ausführe, eine Freiendlücke könne nur angenommen werden, wenn die Lücke zum vorderen Mundraum hin von mindestens zwei Zähnen derselben Kieferhälfte begrenzt werde, seien den Beihilfevorschriften ent-sprechende Anforderungen nicht zu entnehmen. Wie ihre behandelnde Zahnärztin ausge-führt habe, sei nur durch die vorgesehene Einbringung von Implantaten eine zahnmedizi-nisch sinnvolle und wirtschaftliche Versorgung des linken Oberkiefers möglich. Vor die-sem Hintergrund müssten auch mehr als zwei Implantate als beihilfefähig anerkannt wer-den. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2004, zugestellt am 12. Mai 2004, als unbegründet zurück. Zur Begründung nahm sie auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2000 (2 B 3/00) Bezug, nach welcher der Begriff der Freiendlücke einen Abbruch der Zahnreihe bezeichne, bei der zum rückwärtigen Mundraum hin kein Zahn mehr vorhanden ist. Unter Berücksichtigung dieser Definition sei davon auszugehen, dass die Freiendlücke in der jeweiligen Kieferhälfte durch eine Zahnreihe begrenzt sein müsse, die mindestens zwei Zähne umfasse.

5

Die Klägerin hat am 9. Juni 2004 Klage erhoben. Zur Begründung ver-tieft sie ihr bisheriges Vorbringen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, die im Heil- und Kostenplan der Frau Dr. F. vom 15. Juli 2003 und im Kos-tenvoranschlag des Herrn Dr. Dr. G. vom 10. Juli 2003 vorgesehene zahnärztliche Ver-sorgung mit drei Implantaten dem Grunde nach als beihilfefähig anzuerkennen, und den

7

Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2003 und den Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2004 insoweit aufzuheben, als sie dem entgegenstehen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuwei-sen.

9

Sie weist darauf hin, der Zahn 2.2 sei entspre-chend einer Rechnung der behandelnden Zahnärztin vom 17. September 2003 am 19. August 2003 entfernt worden, so dass inzwischen im linken Oberkiefer der Klägerin nur noch der Zahn 2.1 vorhanden sei. In einer Entscheidung vom 11. Dezember 2000 (4 S 2017/00) habe der VGH Baden-Württemberg ausgeführt, dass eine Zahnreihe eine Reihe von mindestens zwei Zähnen voraussetze. Unter Berücksichtigung des in der Zahnheil-kunde angewandten Zahnschemas und der darin vorgenommenen Unterteilung des Kie-fers in zwei Hälften sei davon auszugehen, dass die Indikation der Freiendlücke im Sinne der Beihilfevorschriften eine Zahnreihe von mindestens zwei Zähnen in der zur Versor-gung mit Implantaten vorgesehenen Kieferhälfte voraussetze. Diese Anforderung sei bei der Klägerin nicht erfüllt.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbrin-gens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden, denn der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2003 war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass die Klägerin auch noch am 26. Februar 2004 fristgerecht Widerspruch erheben konnte (§§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO).

12

Hinsichtlich der geplanten zahnärztlichen Versorgung des Oberkiefers der Klägerin mit zwei Implantaten ist die Klage auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die im Heil- und Kostenplan der Frau Dr. F. vom 15. Juli 2003 und im Kos-tenvoranschlag des Herrn Dr. Dr. G. vom 10. Juli 2003 vorgesehene zahnärztliche Ver-sorgung mit Implantaten insoweit dem Grunde nach als beihilfefähig anerkannt wird, als sie die Einbringung von zwei Implantaten betrifft. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Hinsichtlich der Beihilfefähigkeit für die Einbringung eines dritten Implantates ist die Klage dagegen unbegründet.

13

Die Beihilfefähigkeit der geplanten zahnärztlichen Behandlung be-stimmt sich auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (BhV). Nach der Rechtsprechung des Bundesver-waltungsgerichts genügen die Beihilfevorschriften als Verwaltungsvorschriften zwar nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, da die wesentlichen Entscheidungen über die Leistungen an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber zu treffen hat. Trotz dieses Defizits sind sie aber für eine - nicht näher bestimmte - Übergangszeit weiter anzuwenden (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 2004 - 2 C 30.03 -, NVwZ 2005, 712 und vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 -, DVBl. 2004, 1420).

14

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV i. V. m. Ziffer 4 Satz 1 der Anlage 2 zu den Beihilfevorschriften sind Aufwendungen für implantologische Leistungen einschließlich aller damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen nur bei Vorliegen einer der folgenden Indikationen beihilfefähig:

15

a) Einzelzahnlücke, wenn beide benachbarten Zähne intakt und nicht überkronungs-bedürftig sind,

16

b) Freiendlücke, wenn mindestens die Zähne acht und sieben fehlen,

17

c) Fixierung einer Totalprothese.

18

Bei der Klägerin ist bezogen auf den linken Oberkiefer die Indikation der Freiendlücke bei Fehlen mindestens der Zähne acht und sieben gegeben. Hinsichtlich der auf den rückwärtigen Mundraum bezogenen Anforderungen an das Vorliegen einer Freiendlücke im Sinne der Beihilfevorschriften hat das Bundesverwaltungsgericht mit der den Beteiligten vorliegenden Entscheidung vom 29. März 2000 (2 B 3/00) das "Fehlen" von Zähnen als das "Nichtvorhandensein" definiert. Die Freiendlücke, die im zahnärztli-chen Sprachgebrauch "eine Zahnlücke mit freiem Ende", also einen Abbruch der Zahnrei-he bezeichne, bei der zum rückwärtigen Mundraum hin kein Zahn mehr vorhanden ist, bestehe - gerade - im Fehlen (mindestens) der Zähne acht und sieben. Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass eine Lücke in der Zahnreihe nur dann eine Freiendlücke im Sinne der genannten Bestimmung sei, "wenn es keine Zähne sieben oder acht gibt, welche die Zahnreihe jenseits der Lücke fortsetzen". Gegenstand der Entschei-dung war die Versorgung mit Implantaten bei einem Kläger, bei dem der Zahn sieben noch vorhanden war (vgl. auch die der Entscheidung des BVerwG vorangehende Ent-scheidung des VGH Baden-Württemberg vom 26.10.1999 - 4 S 1700/98 -, juris). Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Versorgung mit Implantaten wurde im Ergebnis verneint.

19

Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2000 führt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11. Dezember 2000 (4 S 2017/00 - IÖD 2001, 90 ff. -) aus, dass damit über das an-dere - nicht freie - Ende der Freiendlücke, also den Zahnbestand vor Beginn der Freiend-lücke, wenig gesagt sei. Aus dem Wortbestandteil "Lücke" ergebe sich immerhin, dass vor Beginn derselben etwas vorhanden sein müsse, nämlich bei einer Zahnlücke ein Zahnbe-stand gegeben sein müsse. Die Präzisierung des Begriffs der Freiendlücke dahingehend, dass sie nur gegeben ist, wenn mindestens die Zähne "acht und sieben" fehlen, deute außerdem darauf hin, dass der vor Beginn der Freiendlücke vorausgesetzte Zahnbestand auf der betreffenden Kieferhälfte vorhanden sein müsse. Denn Zähne acht und sieben seien im Schema eines Gebisses auf jeder Kieferhälfte vorhanden. Das rechtfertige den Schluss, dass der beihilferechtliche Begriff der Freiendlücke neben dem einerseits freien Ende der Zahnlücke andererseits einen Zahnbestand auf derselben Kieferhälfte voraus-setze. Weiter wird ausgeführt, dass die Frage, ob der Zahnbestand auf der betreffenden Kieferhälfte vor Beginn der Freiendlücke eine "Zahnreihe" sein müsse, wie es die Ent-scheidung des Bundesverwaltungsgerichts nahe lege, oder ob eine solche Zahnreihe auch durch Einbeziehung von Zähnen der anderen Kieferhälfte gebildet sein könnte, im zu entscheidenden Fall offen bleiben könne, denn eine Zahnreihe werde bereits durch zwei Zähne, die nebeneinander stehen gebildet, und in diesem Sinne seien bei der Kläge-rin noch die Zähne 1.1 und 1.2 auf der rechten Oberkieferhälfte vorhanden.

20

Gegenüber dem vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ent-schiedenen Sachverhalt ist bei der Klägerin im hier zu entscheidenden Fall in der betrof-fenen Hälfte des Oberkiefers nur noch ein Zahn, nämlich der Zahn 2.1 vorhanden. Eine in der linken Hälfte des Oberkiefers, in welche die Implantate eingebracht werden sollen, vorhandene Zahnreihe von mindestens zwei nebeneinander stehenden Zähnen fehlt, nachdem der Zahn 2.2 entfernt worden ist. Selbst wenn der beihilferechtliche Begriff der Freiendlücke im Sinne der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, bei der diese Frage allerdings nicht entscheidungserheblich war, das Vorhandensein einer Zahnreihe voraussetzen sollte, die - wie vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ausge-führt - dem Wortsinn nach mindestens zwei nebeneinander stehende Zähne erfordert, ist die Indikation der Freiendlücke bezogen auf den linken Oberkiefer der Klägerin dennoch gegeben. Im Sinne der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2000 ist in der linken Hälfte des Oberkiefers der Klägerin mit dem Zahn 2.1 noch ein Zahnbestand vorhanden. Eine zum rückwärtigen Zahnraum hin abbre-chende Zahnreihe von mindestens zwei nebeneinander stehenden Zähnen ergibt sich unter Einbeziehung des angrenzend an den Zahn 2.1 in der rechten Hälfte des Oberkie-fers vorhandenen Zahnbestandes bzw. festsitzenden Zahnersatzes im Bereich der Zähne 1.1 bis 1.6.

21

Für die von der Beklagten vertretene Auslegung, nach der die Zahnrei-he in der implantologisch zu versorgenden Kieferhälfte vorhanden sein müsse, könnte zwar - wie auch vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hervorgehoben - der Umstand sprechen, dass eine Freiendlücke nach den Beihilfevorschriften im rückwärtigen Bereich das Fehlen mindestens der Zähne acht und sieben voraussetzt und Zähne acht und sieben im zahnmedizinischen Schema eines Gebisses auf jeder Kieferhälfte vorhan-den sind. Diese Auslegung des beihilferechtlichen Begriffs der Freiendlücke unter strikter Orientierung am Gebissschema ist aber keineswegs zwingend. In seiner Entscheidung vom 29. März 2000 nimmt das Bundesverwaltungsgericht auf die Bedeutung des Begriffs der Freiendlücke im zahnärztlichen Sprachgebrauch Bezug. Ausgehend von dieser Sichtweise kann zunächst trotz der nach dem zahnmedizinischen Gebissschema ge-bräuchlichen Unterteilung eines Kiefers in zwei Hälften bzw. Quadranten nicht festgestellt werden, dass unter einer Zahnreihe im zahnärztlichen Sprachgebrauch nur die Zähne einer Kieferhälfte bzw. eines Quadranten verstanden werden. Wie die zahnmedizinisch gebräuchliche Begrifflichkeit der beidseitig verkürzten Zahnreihe verdeutlicht, wird unter einer Zahnreihe vielmehr die Gesamtheit der Zähne eines Kiefers verstanden mit Unter-scheidung in geschlossene und unterbrochene bzw. lückige Zahnreihe (vgl. zum Begriff der Zahnreihe allgemein: Lexikon Zahnwissen zum Stichwort "Zahnreihe", im Internet un-ter www.zahnwissen.de; zur beidseitig verkürzten Zahnreihe: Luthardt, Deutsche Zahn-ärztliche Zeitschrift 2005, 369 f., abgerufen im Internet unter www.dentalmagazin.de; Lehmann/Hellwig, Einführung in die restaurative Zahnheilkunde, 7. Aufl., S. 197). Bei ei-nem Zahnverlust wird grundsätzlich von der Notwendigkeit der vollständigen Rekonstruk-tion der Zahnreihe ausgegangen, um die Stabilität des Gebisses zu sichern. Zahnmedizi-nische Untersuchungen lassen allerdings den Schluss zu, dass die beiden hinteren Ba-ckenzähne (erster und zweiter Molar), also die Zähne sechs und sieben nicht unbedingt notwendig sind. Die wichtigsten Funktionen erfüllen die zentralen zehn Zähne, nämlich die Frontzähne sowie der erste und der zweite kleine Backenzahn (Prämolaren). Jeder zu-sätzliche Zahn verbessert die Gebisssituation und die Lebensqualität des Patienten. Dementsprechend werden fehlende erste Molaren (Zahn sechs) und fehlende zweite Prämolaren (Zahn fünf) in der Regel ersetzt (vgl. nochmals Lexikon Zahnwissen zum Stichwort "Zahnreihe", aaO.; Luthardt, aaO.). In diesem Sinne kann die in den Beihilfevor-schriften erfolgte Präzisierung des Begriffs der Freiendlücke hinsichtlich des Fehlens der Zähne sieben (zweiter Molar) und acht (dritter Molar bzw. Weisheitszahn) auch als beihil-ferechtliche Klarstellung der zahnmedizinisch nicht eindeutig zu beantwortenden Frage angesehen werden, bis zu welcher Reichweite der Erhalt der Zahnreihe zum rückwärtigen Mundraum hin als schutzwürdig anerkannt wird. Ziffer 4 Satz 1 der Anlage 2 der Beihilfe-vorschriften drückt in diesem Sinne aus, dass die Zahnreihe nicht nur im Umfang der zentralen zehn Zähne als unter Verwendung von Implantaten erhaltenswert anzuerken-nen ist, sondern bereits ein Abbruch der Zahnreihe nach dem sechsten Zahn beihilfe-rechtlich die Versorgung mit Implantaten rechtfertigt. Dies zugrunde gelegt ist nicht er-sichtlich, warum die zahnmedizinische Versorgung der Klägerin mit Implantaten, mittels derer der Aufbau einer geschlossenen Zahnreihe vom Zahn 1.6 im rechten Oberkiefer bis zum Zahn 2.4 oder 2.5 im linken Oberkiefer und damit zumindest ein (weitgehender) Auf-bau der zentralen zehn Zähne möglich erscheint, nicht als beihilfefähig anzuerkennen sein sollte. Das Fehlen einer Zahnreihe von mindestens zwei nebeneinander stehenden Zähnen im linken Oberkiefer kann deshalb nicht als ein der Beihilfefähigkeit der Versor-gung mit Implantaten hinsichtlich der Indikation des Vorliegens einer Freiendlücke entge-genstehender Grund angesehen werden (vgl.

22

Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Stand März 2006, § 6 Rn. 3.8.3.2, die ebenfalls das Vorhandensein des Zahnes eins der jeweili-gen Zahnreihe als ausreichend erachten; a. A. wohl Mildenberger, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand Februar 2004, § 6 Anm. 5 Ziffer 11). Ob die beihilferechtli-che Indikation der Freiendlücke auch dann noch als gegeben angesehen werden kann, wenn in der zur Versorgung mit Implantaten vorgesehenen Kieferhälfte gar kein Zahnbe-stand mehr vorhanden ist oder die Zahnreihe bereits in der anderen Kieferhälfte abbricht, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

23

Soweit der von der Klägerin vorgelegte Heil- und Kostenplan bzw. Kos-tenvoranschlag die Einbringung von drei Implantaten vorsieht, ist die geplante Behand-lung allerdings nicht in vollem Umfang beihilfefähig. Nach Ziffer 4 Satz 2 der Anlage 2 zu den Beihilfevorschriften sind Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kiefer, ein-schließlich vorhandener Implantate, nur bei Einzelzahnlücken oder mit besonderer Be-gründung zur Fixierung von Totalprothesen beihilfefähig; Aufwendungen für mehr als vier Implantate pro Kiefer, einschließlich vorhandener Implantate, sind von der Beihilfefähig-keit ausgeschlossen. Da bei der Klägerin weder Einzelzahnlücken zu versorgen sind noch die Fixierung einer Totalprothese vorgesehen ist, greift die aus Ziffer 4 Satz 2, 1. Halbsatz der Anlage 2 zu den Beihilfevorschriften folgende Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf zwei Implantate. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Stellungnahme ihrer behan-delnden Zahnärztin geltend macht, dass nur durch die vorgesehene Versorgung mit drei Implantaten eine zahnmedizinisch sinnvolle und wirtschaftliche Versorgung des linken Oberkiefers möglich sei, führt dies nicht zum Erfolg des Klagebegehrens. Die Beihilfefä-higkeit der Versorgung mit Implantaten ist in den Beihilfevorschriften abschließend gere-gelt. Eine ökonomische Betrachtungsweise ist dabei nicht vorgesehen. Bei ergänzender prothetischer Versorgung mit einer Brücke erscheint es auch bei Versorgung des rechten Oberkiefers mit nur zwei Implantaten möglich, eine bis zum Zahn 2.5 bzw. zumindest bis zum Zahn 2.4 reichende geschlossene Zahnreihe aufzubauen.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

25

Gründe für die von der Beklagten begehrte Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) sind nicht gegeben. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, denn es ist weder von der Beklagten hinreichend dargelegt worden noch sonst ersichtlich, dass die Klärung der zur Entscheidung stehenden Frage für eine Vielzahl von gleichgela-gerten Fällen von entscheidungserheblicher Bedeutung ist.