Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 25.04.2006, Az.: 2 A 180/05

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
25.04.2006
Aktenzeichen
2 A 180/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44235
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2006:0425.2A180.05.0A

Tenor:

  1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine denkmalrechtliche Genehmigung für das Anbringen einer Solaranlage auf dem Dach des Gebäudes C. in D. zu erteilen.

    Der Bescheid der Beklagten vom 20.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15.04.2005 wird aufgehoben.

    Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

    Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung.

2

Er ist Eigentümer des Grundstücks Ei D. Das Grundstück ist mit einem Fachwerkhaus bebaut, das als Kulturdenkmal in die Denkmalliste aufgenommen worden ist. Es handelt sich um ein 1802 errichtetes ehemaliges Wohn- und Wirtschaftsgebäude, das als Fachwerkhaus in 4-Ständerbauweise mit zweigeschossigem Wohnteil errichtet wurde. Bis auf den Westgiebel, der mit Lehmausfachung und Pfannenbehang versehen ist, sind die Gefache mit roten Ziegeln ausgemauert. Der Kläger hat das Gebäude nach dem Erwerb in den 80er Jahren renoviert und dabei u. a. das Dach mit hellroten Ziegeln neu eingedeckt. Ein Antrag des Klägers auf Errichtung einer Solaranlage auf dem Dach wurde mit Bescheid der Beklagten vom 08.10.1991 abgelehnt (vgl. auch den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 23.04.1992).

3

Am 09.06.2004 stellte er einen erneuten Antrag auf Genehmigung des Einbaus einer In-Dach-Solaranlage, die aus sechs Modulen für die Warmwasserbereitung und aus sechs Sonnenkollektoren für die Stromerzeugung bestehen soll. Die Gesamtfläche der Solaranlage beträgt 17,1 qm. Sie soll unterhalb des Dachfirstes in der oberen Hälfte der Südseite des Daches angebracht werden. Nach der dem denkmalrechtlichen Antrag beigefügten Skizze würde die Solaranlage etwa ein Viertel der Fläche der Südseite des Daches einnehmen. Die Module und Kollektoren sollen eine schwarzblaue Farbe aufweisen.

4

Mit Bescheid vom 20.08.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine denkmalrechtliche Genehmigung ab. Zur Begründung verwies sie auf den im Jahre 1991 bestandskräftig abgelehnten Antrag. Die Rechtslage habe sich seitdem nicht geändert. Zudem sei ein anderer Standort für die Solaranlage auf dem Grundstück möglich.

5

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, zu dessen Begründung er u. a. anführte, schon wegen des Kyoto-Protokolls zum Schutz der Atmosphäre vor C02-Immissionen aus dem Jahre 1997 habe sich die Situation seit 1991 grundlegend geändert. Nach einem Erlass des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 04.01.2000 in der Fassung des Erlasses vom 11.06.2003 sei die Vereinbarkeit einer Solar- und Photovoltaikanlage mit dem Denkmalschutz in jedem Einzelfall zu prüfen. Den Belangen des Umweltschutzes sei nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Bei geringfügigen Beeinträchtigungen der denkmalgeschützten Anlage durch eine Solaranlage, die höchstens 10 % der denkmalgeschützten Dachfläche in Anspruch nähme, dürfe eine auf die Lebensdauer der Anlage befristete denkmalschutzrechtliche Genehmigung erteilt werden, wenn sie reversibel montiert und die Denkmalsubstanz nicht zerstört werde. Ein 1991 ins Auge gefasster Alternativstandort sei technisch und denkmalpflegerisch ungeeignet. Das Anbringen von Kollektoren auf einer Fahrradremise an der Eingangspforte führe dazu, dass die Sicht auf die Südseite des denkmalgeschützten Hauses verwehrt würde.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2005, zugestellt am 14.06.2005, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte zur Begründung u. a. an, nach Abwägung mit den ökologischen Belangen sei den Belangen des Denkmalschutzes der Vorrang einzuräumen. Es könne hinsichtlich des Wirkungsgrades für die Kollektoren nicht der bestmögliche Standort ohne Rücksicht auf die Auswirkungen für das Baudenkmal genehmigt werden. Es seien Kompromisse einzugehen, die durch andere Standorte - nicht zwingend in Form einer neu zu errichtenden Fahrradremise - durchaus gefunden werden könnten. Da eine Solaranlage 20 Jahre und länger genutzt werden könne, führe eine auf die Lebensdauer beschränkte Genehmigung zu einer nicht hinnehmbaren langfristigen Beeinträchtigung des Denkmales. In der näheren Umgebung sei mit dem Grundstück F in weiteres Baudenkmal vorhanden, für das die Genehmigung eine Vorbildwirkung haben könnte.

7

Der Kläger hat am 07.07.2005 Klage erhoben. Unter Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren trägt er ergänzend vor, entgegen der Auffassung der Beklagten werde der Denkmalwert des Fachwerkhauses nicht nennenswert beeinträchtigt. So entsprächen die Farbe und das Material der industriell hergestellten Dachziegel nicht dem historischen Zustand. Im 19. Jahrhundert seien die Fachwerkhäuser vielmehr buntscheckig mit roten und schwarzen bis hin zu gelben Ziegeln eingedeckt gewesen. Dieses sei am Schloss von G achzuvollziehen. Die Solaranlage könne als Aufdachmontage ausgeführt werden, was die Einfassung der Anlage in einem Dachziegelfarbton ermögliche. Dadurch könne sie auch jederzeit wieder entfernt werden. First- und walmseitig könne sie "auf Linie" abgeschlossen werden. Durch die dunkelblaue Farbe würden die Module überdies nicht wie ein Fremdkörper wirken. Die farbliche Veränderung einer Teilfläche des Daches beeinträchtige den Gesamteindruck von dem Denkmal im Allgemeinen und in dem Dach im Besonderen nicht wesentlich.

8

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20.08.2004 in der Form des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15.04.2005 aufzuheben und die denkmalrechtliche Genehmigung für das Anbringen einer Solaranlage auf dem Dach des in der Denkmalliste als Einzeldenkmal ausgewiesenen Gebäudes Ei H u erteilen.

9

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

10

Sie bezieht sich auf die Argumentation in dem Widerspruchsbescheid und macht ergänzend geltend, die Beeinträchtigung des Baudenkmales ergebe sich durch die großflächige Unterbrechung der Dachfläche und auffällige Lichtreflektionen, die durch die spiegelnde Oberfläche der Module hervorgerufen würde. Aufgrund von Farbe und Wirkung erweise sich die Solaranlage als Fremdkörper. Niedersächsische Hallenhäuser dieser Form seien historisch mit einer durchgängigen, nicht durch Fenster, Gauben oder gar Solaranlagen unterbrochenen Dachfläche versehen worden. Von ihnen ginge eine ruhige Wirkung im Gesamterscheinungsbild des Hauses aus. Zugeständnisse hinsichtlich modern gefertigter Dachziegel, die dann eine einheitliche Farbe aufwiesen, müssten schon wegen der geringen Lebensdauer von Dachziegeln gemacht werden. Im Übrigen würden nur wenige Ausnahmen, etwa bei Dachflächenfenstern, die zum Dachausbau zwingend bauordnungsrechtlich erforderlich seien, genehmigt. Das sei etwa bei dem Gebäude Idr Fall gewesen.

11

Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten seitens des Berichterstatters im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Denkmalwertes durch den Einbau einer Solaranlage. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 01.03.2006 Bezug genommen.

12

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

13

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage, über die das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig und begründet.

15

Der Kläger hat Anspruch auf eine denkmalrechtliche Genehmigung für das Anbringen einer Solaranlage auf der Südseite des Daches des Wohnhauses Ei D ach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz (NDSchG). Der Bescheid der Beklagten vom 20.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15.05.2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).

16

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 NDSchG bedarf einer Genehmigung, wer ein Kulturdenkmal zerstören, verändern, instandsetzen oder wiederherstellen will. Die Genehmigung ist zu versagen, soweit die Maßnahme gegen das NDSchG verstoßen würde (§ 10 Abs. 3 Satz 1 NDSchG). Das ist hier nicht der Fall. Unstreitig handelt es sich bei dem Fachwerkhaus auf dem Grundstück Ei D m ein Kulturdenkmal (Baudenkmal i. S. des § 3 Abs. 2 NDSchG). Die Aufnahme in das Verzeichnis der Kulturdenkmale hat nur deklaratorische Bedeutung (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 NDSchG). Durch das Anbringen einer Solaranlage wird das Kulturdenkmal i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 NDSchG verändert, was nicht nur nach Auffassung der Beklagten (Untere Denkmalschutzbehörde) im vorliegenden Verfahren der Fall ist, sondern bereits von dem Institut für Denkmalpflege (heute: Landesamt für Denkmalpflege) im vorangegangenen Genehmigungsverfahren mit der Stellungnahme vom 25.01.1991 festgestellt wurde.

17

Durch die Baumaßnahme wird das Kulturdenkmal aber nicht so verändert, dass der Denkmalwert i. S. des § 6 Abs. 2 NDSchG beeinträchtigt wird.

18

Die Regelung des § 6 Abs. 2 NDSchG darf trotz ihres scheinbar engen Wortlauts - auch vor dem Hintergrund des § 7 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 NDSchG - nicht so ausgelegt werden, dass ausschließlich auf eine denkmalfachliche Bewertung abzustellen ist, die weder auf die Interessen des Eigentümers noch auf die Wertigkeit des Baudenkmals Rücksicht nimmt (NdsOVG, Urt. v. 17.05.1995 - 1 L 2303/94 - BRS 57 Nr. 267). Auch sollen praktische Kompromisse durch § 6 Abs. 2 NDSchG nicht verhindert werden. Diese liegen innerhalb des Wertungsrahmens, der durch den Begriff der Beeinträchtigung des Denkmalwertes eröffnet werden. Geboten ist nicht nur eine Prüfung, ob das Baudenkmal durch die Veränderung im Hinblick auf den jeweiligen Schutzgrund überhaupt berührt wird, sondern auch, von welchem Gewicht diese Einwirkung im Verhältnis zur Bedeutung des Denkmals ist und ob sie auf nachvollziehbaren und verständlichen Nutzungswünschen des Eigentümers beruht. Jedenfalls bei einer nur unbedeutenden Schmälerung denkmalschützerischer Belange fordert das öffentliche Interesse i. S. des § 3 Abs. 2 NDSchG nicht, dass die Interessen des Eigentümers ungeachtet ihres Gewichtes im Einzelfall stets zurückgestellt werden (NdsOVG, Urt. v. 17.05.1995, a.a.O.).

19

Die Nutzung der Sonnenenergie durch eine Solaranlage ist nach diesen Grundsätzen nicht nur aus der privaten Sicht des Klägers nachvollziehbar und verständlich; sie liegt auch im öffentlichen Interesse, was bereits das Erneuerbare-Energien-Gesetz belegt.

20

Durch das Anbringen der Solaranlage wird das Baudenkmal zwar durchaus im Hinblick auf die schützenswerten geschichtlichen Interessen i.S.d. § 3 Abs. 2 NDSchG berührt. Das Gericht erachtet die Einwirkung aber - auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - als so gering, dass die anerkennenswerten Belange der Denkmalpflege im vorliegenden Einzelfall aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zurücktreten müssen. Das ergibt sich aus folgendem:

21

Die Solaranlage nimmt mit einer Fläche von 17,1 qm nur etwa ein Viertel der Fläche des Süddaches ein. Von der üblichen roten Dachfarbe würde auf der Südseite noch ein beträchtlicher Teil sichtbar bleiben, so dass bei einem Betrachten von der Straße ein hinreichender Eindruck davon bleibt, wie das historische Dach beschaffen war. Bei modernen Solaranlagen geht der Betrachter im Gegensatz etwa zu Gauben ohnehin nicht davon aus, dass die historische Gestaltung des Gebäudes einmal so gewesen ist. Zudem befindet sich in der näheren Umgebung des Gebäudes nur ein weiteres denkmalgeschütztes Wohnhaus auf dem Grundstück F, dessen Dachfläche durch den Einbau von Fenstern ebenfalls schon unterbrochen ist. Eine Vorbildwirkung für andere historische schützenswerte Gebäude besteht allenfalls insoweit. Von der Straße ist das in Rede stehende Dach im Übrigen nur aus einer größeren Entfernung sichtbar, wobei bereits berücksichtigt worden ist, dass der Kläger die Linde im östlichen Teil des Garten kürzen will (s. Sitzungsprotokoll). Im Übrigen verstellen auch im Winter die Grundstückseinfriedung und die Grenzbepflanzung den Blick auf das Dach, jedenfalls aus geringer Entfernung, was beim Ortstermin deutlich wurde (vgl. auch die am 01.03.2006 aufgenommenen Fotos).

22

Die ruhige Wirkung der nicht durch Einbauten unterbrochenen Ziegelfläche wird außerdem durch eine flache Solaranlage weniger beeinträchtigt als durch andere bauliche Veränderungen wie Gaube oder Satellitenschüsseln, selbst wenn diese eine kleinere Fläche beanspruchen. Spiegelungen, die je nach Sonnenstand nur bei einem bestimmten Blickwinkel wahrnehmbar sind, setzen den Denkmalwert nicht nennenswert herab.

23

Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich nicht um ein seltenes, sondern um ein in Norddeutschland häufiges Hofgebäude handelt - allerdings das einzige in H och vorhandene Haus dieser Art.

24

Ferner hat die Beklagte nach dem Klageantrag und dem Tenor des Urteils Gelegenheit, den denkmalpflegerischen Belangen durch Auflagen nach § 10 Abs. 3 Satz 2 NDSchG gerecht zu werden. Dazu gehören u. a. die von dem Kläger angebotene Aufdachmontage mit einem farblich angepassten Übergang zum Dach, die Begrenzung auf die "Lebensdauer" einer Solaranlage und womöglich auch die bündige Anpassung an die Dachbegrenzung.

25

Der Verweis auf andere Standorte ist hingegen nicht geeignet, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht zu werden. Der Kläger muss sich - auch nach dem vor Ort von dem Berichterstatter gewonnenen Eindruck - nicht auf Konstruktionen verweisen lassen, die bei einer ausreichend großen Kollektoren- bzw. Modulfläche den Garten erheblich verändern und damit die Wirkung auch des Baudenkmals fast genauso wie bei einer Montage der Solaranlage auf dem Dach beeinträchtigen, insbesondere, wenn bei der Errichtung einer -historisch nicht vorhandenen - Fahrradremise der Blick auf das Gebäude von der Straße aus noch wesentlich stärker als durch die Einfriedung und die Bäume beschränkt wird. § 8 Satz 1 NDSchG untersagt die Errichtung von Anlagen, die das Erscheinungsbild des Baudenkmals beeinträchtigen.

26

Die Ablehnung eines Antrags auf Einbau einer Solaranlage im Jahre 1991/1992 steht dem Begehren nicht entgegen, da es sich um einen anderen Bauantrag handelte.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

28

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

29

Der Streitwert ist nach § 52 Abs. 1 GKG auf den Mindestbetrag für eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Denkmaleigenschaft nach dem Streitwertkatalog der Bausenate des Nds. OVG (NdsVBl. 2002, 192) festgesetzt worden. Die Bedeutung der Sache für den Kläger ist damit vergleichbar.