Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 25.04.2006, Az.: 7 A 201/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 25.04.2006
- Aktenzeichen
- 7 A 201/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44237
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2006:0425.7A201.05.0A
Fundstelle
- NdsVBl 2006, 315-316
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das
Urteil vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicher-
heitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abzuwenden,
wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, der bis zu seiner vorzeitigen Zurruhesetzung am 01. Januar 2006 als Forstoberinspektor in der Revierförsterei "F. eingesetzt war, begehrt die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall.
Unter dem 03. November 2004 bat der Kläger bei dem Leiter des Niedersächsischen Forstamtes G. um Genehmigung, als Hundeführer in Nachbarjagden tätig werden zu dürfen. Er wollte dazu in der Zeit vom 06. November 2004 bis 15. Januar 2005 an insgesamt elf Jagden, darunter an zehn Jagden in Revieren des H. teilnehmen. Im Schreiben heißt es:
"Zur Unterstützung der Jagden als Hundeführer in den Revieren des Nachbars I. wurde ich wie jedes Jahr angefordert. Die Termine entnehmen Sie bitte der Anlage. Wenn keine dienstlichen Belange dagegen stehen, bitte ich um Genehmigung."
Der Forstamtsleiter notierte auf dem Schriftstück "einverstanden" und versah es mit dem Datum vom 04.11.04 sowie seiner Unterschrift.
Am 19. November 2004 nahm der Kläger an einer Jagd in der benachbarten Revierförsterei "J. teil. Gegen 15:00 Uhr rutschte er auf einem Kiefernast aus und verdrehte sich sein linkes Knie. Dabei zog er sich einen Riss der Kreuzbänder und des Meniskus zu. Infolge dessen war er vom 23. November 2004 bis 12. September 2005 (zeitweise nur für den Außendienst) arbeitsunfähig. Wegen der erlittenen Verletzungen wurde er zweimal operiert.
Mit Unfallanzeige vom 20. November 2004 beantragte der Kläger die Anerkennung des geschilderten Unfalls als Dienstunfall. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2005 mit der Begründung ab, bei der Teilnahme an der entsprechenden Jagd habe es sich nicht um Dienst gehandelt. Hiergegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 09. Februar 2005 Widerspruch ein: Der Kläger habe nicht zu seinem privaten Vergnügen als Hundeführer die Nachbarjagd unterstützt, vielmehr sei dieses als nachbarschaftliche Hilfe unter den Forstbetrieben zu verstehen. Letztlich sei durch die Genehmigung der Teilnahme an dieser Jagd deutlich geworden, dass auch seitens des Dienstvorgesetzten dieses als Diensttätigkeit angesehen worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: In Nr. 806 der Buch- und Rechnungsanweisung der Niedersächsischen Landesforsten werde die Ausübung der Verwaltungsjagd näher geregelt. Hiernach sei die Ausübung der Verwaltungsjagd für die Forstbeamtinnen und Forstbeamte der Landesforstverwaltung Dienst. Die Ausübung der Jagd in anderen als in Verwaltungsjagdbezirken sei daher generell nicht als Dienst anzusehen, insbesondere sei auch die von dem Kläger angeführte "nachbarschaftliche Unterstützung" anderer Forstbetriebe hier nicht als Dienstaufgabe aufgeführt. Nach Nr. 1.3 des Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 25. Oktober 1999 könne die gelegentliche Teilnahme in angrenzenden Jagdbezirken zur Förderung eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses im begrenzten Umfang als Dienstgang bzw. Dienstreise genehmigt werden. Das von dem Kläger an das Forstamt G. gerichtete Schreiben vom 03. November 2004 stelle keinen derartigen Antrag auf Genehmigung einer Dienstreise dar; insbesondere sei auch der ansonsten vorgesehene landeseinheitliche Vordruck für die Beantragung von Dienstreisen nicht verwendet worden. Zudem seien auch die Voraussetzungen für eine Genehmigung nicht gegeben gewesen. Die Einverständniserklärung des damaligen Leiters des Forstamtes habe somit die Erteilung einer Dienstbefreiung dargestellt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Forstbeamte, die als Revierleiter eingesetzt seien, keiner detaillierten Arbeitszeitregelung unterlägen. Es sei durchaus möglich, an einer Jagd unterstützend teilzunehmen und am gleichen Tag die Dienstgeschäfte fortzuführen. Eine Beantragung von Urlaub sei auch dann nicht erforderlich, wenn innerhalb der sonst üblichen Arbeitszeiten der Dienst nicht ausgeübt werde.
Gegen den am 03. Mai 2005 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 03. Juni 2005 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus: Falls - wie im Widerspruchsbescheid angenommen - er eine außerdienstliche Tätigkeit durchgeführt habe, stelle sich die Frage, weshalb er dann überhaupt eine Einverständniserklärung des Dienstvorgesetzten einzuholen gehabt habe und dies aufgrund betrieblicher Übung in den vergangenen 17 Jahren ebenso gehandhabt worden sei. Im Übrigen wäre es Aufgabe des Dienstherrn gewesen, nicht eine Einverständniserklärung zu erteilen, sondern darauf hinzuweisen, dass es ihm freigestanden hätte, an den in Rede stehenden Jagden teilzunehmen, und er sich aber bewusst sein müsse, dass es sich um ein Privatvergnügen gehandelt habe. Aufgrund der Handhabung in den vergangenen 17 Jahren habe er nicht von der bloßen Erteilung einer Dienstbefreiung ausgehen können. Es sei in der Vergangenheit immer in der gleichen Art und Weise vorgegangen worden. Der landeseinheitliche Vordruck für die Beantragung von Dienstreisen sei dabei niemals verwendet worden. Mindestens sei dabei in den vergangenen Jahren der Anschein erweckt worden, dass er eine dienstliche Tätigkeit durchgeführt habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 28. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den am 19. November 2004 erlittenen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus: Nach den einschlägigen Erlassen sei die Ausübung der Verwaltungsjagd für die Forstbeamtinnen und Forstbeamten der Landesforstverwaltung Dienst. Die Ausübung der Jagd außerhalb der Verwaltungsjagdbezirke sei dagegen kein Dienst. Die Teilnahme des Klägers an der Jagd in dem Nachbarrevier sei auch nicht durch einen genehmigten Dienstgang oder eine genehmigte Dienstreise berechtigt gewesen. Einladungen zu Gemeinschaftsjagden könnten in begrenztem Umfang angenommen werden, weil die gelegentliche Teilnahme an Gemeinschaftsjagden in angrenzenden Jagdbezirken der Förderung eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses zu Jagdausübungsberechtigten diene. Die Teilnahme an zehn Jagden innerhalb von zehn Wochen allein in den Revieren des K. sei aber nicht als Dienstgang oder Dienstreise genehmigungsfähig, weil die Jagdteilnahme des Klägers nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass der am 19. November 2004 bei der Teilnahme an der Jagd in der Revierförsterei des L. erlittene Unfall als Dienstunfall anerkannt wird; der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2005 i. d. Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 u. 5 VwGO).
Ein Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Damit wird außer dem Kausalzusammenhang zwischen Ereignis und Schaden ein bestimmter innerer Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Ausübung des Dienstes verlangt; der Zusammenhang des Unfalls mit dem Beamtendienst muss das entscheidende Kriterium sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.02.1971 - 6 C 36.66 -, BVerwGE 37, 203 [BVerwG 12.02.1971 - BVerwG VI C 36/66]). In der Regel wird dieser Zusammenhang durch das Zusammenwirken der örtlichen und zeitlichen Erfordernisse der Dienstausübung geprägt (BVerwG, Urt. v. 12.02.1971, a.a.O., und Plog/Wiedow, BeamtVG, § 31 Rn. 52). Da der Kläger an feste Dienstzeiten nicht gebunden war, kommt dem Zeitpunkt des Unfallgeschehens insoweit keine entscheidende Bedeutung zu. Der Ort des Unfallgeschehens spricht gegen das Vorliegen einer dienstlichen Tätigkeit. Zwar verrichten Forstbeamte ihren Dienst naturgemäß nicht ausschließlich in einem Dienstgebäude. Ohne besondere Rechtfertigung lässt sich aber nicht feststellen, dass sich ihr Dienst in örtlicher Hinsicht auf die Teilnahme an Jagden außerhalb des Verwaltungsjagdbezirkes des Forstamtes erstreckt, dem die Forstbediensteten angehören. Allerdings ist anerkannt, dass auch ein Verhalten außerhalb des räumlich und zeitlich als Dienst einbezogenen Bereichs Ausübung von Dienst sein kann. Dabei ist einerseits von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, dass die unfallgeschützte Tätigkeit des Beamten im engen natürlichen Zusammenhang mit den eigentlichen Dienstaufgaben oder sonstigen dienstlich notwendigen Verrichtungen oder dem dienstlichen Über- und Unterordnungsverhältnis stehen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.04.1967 - 6 C 96.63 -, Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 32). Andererseits müssen besondere Umstände festgestellt werden, die den Schluss rechtfertigen, dass die betreffende Tätigkeit des Beamten dem dienstlichen Bereich zuzuordnen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.07.1965 - 2 C 39.63 -, BVerwGE 21, 307 [BVerwG 06.07.1965 - BVerwG II C 39.63]). Schließlich muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Dienstgeschäfte auch durch spezielle dienstliche Weisungen übertragen sein können (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., Rn. 52). Insoweit ist hier die Einverständniserklärung des Forstamtsleiters vom 04.11.2004 zu würdigen. Die Erklärung ist jedoch auslegungsbedürftig, weil im Antragsschreiben des Klägers nicht ausdrücklich davon die Rede ist, dass die Teilnahme an den insgesamt elf Jagdveranstaltungen als Dienstausübung gelten solle. Auch ist - jedenfalls nicht ausdrücklich - um die Genehmigung eines Dienstganges oder einer Dienstreise ersucht worden. Erst recht sind die dafür vorgesehenen Vordrucke nicht verwendet worden. Die Einverständniserklärung könnte sich somit in der Bedeutung erschöpfen, dass - die Formulierung im Antragsschreiben des Klägers aufgreifend - einer Teilnahme des Klägers an den vorgesehenen Jagden keine dienstlichen Belange entgegenstehen etwa in dem Sinne, dass der Kläger zu den genannten Zeiten nicht für dringend zu erledigende Dienstgeschäfte zur Verfügung zu stehen hatte. Für diese Auslegung spricht Überwiegendes, weil besondere Umstände, die den Schluss rechtfertigen, dass die Teilnahme des Klägers an insgesamt elf Jagden in Nachbarrevieren im Zeitraum vom 06. November 2004 bis 15. Januar 2005 sämtlich seinem dienstlichen Bereich zuzurechnen sind, nicht festgestellt werden können. Ein unmittelbarer dienstlicher Zweck, dem die Teilnahme von Forstbediensteten an Jagden in Jagdbezirken privater Grundstückseigentümer dienen könnte, ist weder ersichtlich noch vom Kläger benannt. Auch die Berücksichtigung der die Jagdausübung der Forstbeamtinnen und Forstbeamten regelnden Erlasse führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach Ziff. 1.2 des Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 25. Oktober 1999 - 406 F 65142/120 - kann der Einsatz von Forstbeamten als Führer von Jagdhunden an Gemeinschaftsjagden in anderen Verwaltungsjagdbezirken erforderlich sein und ist eine Teilnahme bei Vorliegen einer schriftlichen Anforderung durch das die Jagd ausführende Niedersächsische Forstamt als Dienstgang oder Dienstreise genehmigungsfähig. Die Teilnahme von Forstbeamten an Gemeinschaftsjagden in angrenzenden Jagdbezirken ist in Ziff. 1.3 dieses Erlasses geregelt. Danach dient die "gelegentliche" Teilnahme an Gemeinschaftsjagden in angrenzenden Jagdbezirken der Förderung eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses zu Jagdausübungsberechtigten und kann entsprechenden Einladungen im begrenztem Umfang nachgekommen werden. Die Teilnahme ist danach als Dienstgang oder Dienstreise genehmigungsfähig. Das erkennende Gericht teilt insoweit die von der Beklagten vertretene Auffassung, dass die Beteiligung an insgesamt elf Jagden innerhalb von zehn Wochen den Umfang einer nur gelegentlichen Teilnahme weit und eindeutig überschreitet.
Soweit der Kläger geltend macht, in den vergangenen 17 Jahren seiner dienstlichen Tätigkeit sei stets in der geschilderten Art und Weise verfahren worden, kann er daraus kein für sich günstigeres Ergebnis herleiten. Denn nach den vorstehenden Ausführungen hätte dies lediglich zur Konsequenz, dass auch alle ihm zuvor erlaubten Teilnahmen an Jagden nicht als Dienstverrichtung anzusehen waren.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO; §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.