Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.02.2014, Az.: 7 B 31/14
Vorliegen von systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn als klärungsbedürftige Rechtsfrage
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 05.02.2014
- Aktenzeichen
- 7 B 31/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 11857
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2014:0205.7B31.14.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 34a Abs. 2 AsylVfG
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn A.,Staatsangehörigkeit: somalisch,
Antragstellers,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Homann und andere, Lange Straße 1, 38100 Braunschweig, - B. -
gegen
die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Klostermark 70-80, 26135 Oldenburg, - C. -
Antragsgegnerin,
Streitgegenstand: Asylrecht - Hauptsacheverfahren(Abschiebungsanordnung Ungarn)- Eilverfahren
-
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer - am 5. Februar 2014 durch den Einzelrichter
beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.01.2014 verfügte Abschiebungsanordnung nach Ungarn wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG nach § 80 Abs. 5 VwGO zur beurteilende Antrag ist zulässig und begründet.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten, der Klage gegen den Bescheid vom 23.01.2014 als offen anzusehen. Die Frage, ob in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, wird in der Rechtsprechung derzeit noch unterschiedlich beantwortet (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen: VG Leipzig, Beschluss vom 30.12.2013 - A 5 L 1147/13 - und VG München, Beschluss vom 11.10.2013 - M 22 S 13.30995 -, jeweils http://bordermonitoring.eu).
Dabei sind auch die neueren Erkenntnisquellen zu berücksichtigen. Das VG München weist insoweit in dem genannten Beschluss vom 11.10.2013 auf folgendes hin. In Ungarn ist zum 01.07.2013 eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten, bei der wieder die Inhaftierung von Asylbewerbern vorgesehen ist. Daher warnen sowohl der UNHCR als auch der Europäische Flüchtlingsrat sowie das ungarische Helsinki Komitee, dass ein erhebliches Risiko einer umfassenden Inhaftierung von Asylbewerbern bestehe. Weiterhin berichtet das ungarische Helsinki Komitee, dass die Hauptaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Debrecen deutlich überbelegt sei, was zu einer eklatanten Verschlechterung der hygienischen Bedingungen geführt habe (vgl. UNHCR: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts for the purpose of legal harmonisation, 12.04.2013, S. 7 ff; European Council on Refugees and Exiles - ECRE Weekly Bulletin vom 14.06.2013; Hungarian Helsinki Committee: Information note on the main asylum related legal changes in Hungary as of 1 July, 2013; jeweils http://bordermonitoring.eu). Weiterhin weist das VG München in den Beschlüssen vom 20.01.2014 und vom 28.10.2013 (Az. - M 21 S 14.30036 - und M 21 S 13.31076 -, jeweils http://bordermonitoring.eu) darauf hin, dass die Working Group on Arbitrary Detention der UN-Kommission für Menschenrechte hinsichtlich eines Ungarnbesuchs vom 23.09. bis zum 02.10.2013 ausgeführt habe, in der Anwendung des seit dem 01.07.2013 geltenden Rechts komme es zu Defiziten, etwa was die Information der Asylbewerber über Rechtsschutz und Beschwerderechte gegen die Inhaftierung angehe. Personen, welche unbefugt in das Land gelangt seien, würden sich in der Lage von Straftätern befinden. Auch fehle es an effektiven Möglichkeiten des Rechtsbeistandes für Flüchtlinge (vgl. Working Group on Arbitrary Detention der UN-Kommission für Menschenrechte, Statement upon the conclusion of its visit to Hungary vom 02.10.2013; http://bordermonitoring.eu). Das VG Hannover weist in seinem Urteil vom 07.11.2013 (Az. 2 A 4696/12 -, [...]), ohne sich dieser Ansicht anzuschließen, auf den Bericht der Flüchtlingsorganisation bordermonitoring.eu vom 02.10.2013 hin, wonach Aussagen über die Haftbedingungen unter der neuen Gesetzeslage zwar noch nicht getroffen werden könnten. Die gut dokumentierten Missstände in der Vergangenheit allerdings Anlass zur Befürchtung gäben, dass auch unter dem neuen Gesetz die Inhaftierungsbedingungen mangelhaft seien bzw. sich sogar noch verschlimmert hätten. Insbesondere sei mit einer Inhaftierung von Dublin II-Rückkehrern zu rechnen, da diese durch das Verlassen von Ungarn bei nicht verhältnismäßiger Auslegung den Haftgrund "Behinderung des Asylverfahrens durch den Asylbewerber" erfüllen würden (Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, S. 10; http://bordermonitoring.eu).
Angesichts dieser Umstände hat das Gericht Veranlassung, vorerst die Überstellung des Antragstellers nicht zuzulassen. Angesichts der ihm nicht ausschließbar drohenden Gefahren ist bei einer Abwägung sein Interesse, bis zu einer Entscheidung über seine Klage nicht nach Ungarn abgeschoben zu werden, höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer umgehenden Rückführung nach Ungarn. Eine abschließende Entscheidung bleibt dem Hauptsachverfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.