Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 26.02.2014, Az.: 5 B 13/14
Selbsteintrittspflicht bzgl. eines Asylverfahrens bei Verfahrensverzögerung; Ermessensentscheidung bzgl. des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 26.02.2014
- Aktenzeichen
- 5 B 13/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 11829
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2014:0226.5B13.14.0A
Rechtsgrundlagen
- § 27a AsylVfG
- § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG
Fundstelle
- InfAuslR 2014, 206-207
In der Verwaltungsrechtssache
des Staatsangehörigkeit: türkisch,
Antragstellers,
Proz.-Bev.:Rechtsanwalt Yesil, Schwanenwall 5, 44135 Dortmund, - 37/13-v12 -
gegen
die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Klostermark 70-80, 26135 Oldenburg, - 5609279-163 -
Antragsgegnerin,
Streitgegenstand: Asylrecht - Eilverfahren"Dublin"- hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer - am 26. Februar 2014 durch den Einzelrichter
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (5 A 12/14) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Januar 2014 wird angeordnet.
- 2.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Finnland bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht durchgeführt werden darf.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung, nach Finnland abgeschoben zu werden.
Der am 5. Juli 1983 in Idil - Türkei - geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und kurdischer Volkszugehörigkeit. Am 4. Februar 2013 stellte er bei der Antragsgegnerin einen Asylantrag. Im Rahmen der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung vom gleichen Tag gab er unter anderem an, bereits 2010 in Finnland einen Asylantrag gestellt zu haben, der abgelehnt worden sei.
Am 25. November 2013 bat die Antragsgegnerin Finnland darum, den Antragsteller zu übernehmen. Die finnischen Behörden antworteten mit Schreiben vom 9. Dezember 2013, erklärten ihre Zuständigkeit sowie die Übernahme.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2014 - dem Antragsteller am 10. Januar 2014 zugestellt - verwarf die Antragsgegnerin den Asylantrag als unzulässig und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Finnland an. Sie führte hierzu im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei nach § 27a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) unzulässig, da Finnland aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Der Antragsteller mache zudem keine Gründe gegen eine Rücküberstellung nach Finnland geltend. Daher werde sein Antrag nicht materiell geprüft. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Finnland als zuständigem Mitgliedstaat fristgerecht durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Finnland beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Am 16. Januar 2014 hat der Antragsteller Klage und den hier gegenständlichen Eilantrag gestellt. Er trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin hätte die lange Zeitdauer zwischen Asylantrag und Übernahmeersuchen in ihre Ermessenserwägungen in Bezug auf den abgelehnten Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-VO) einbeziehen müssen, dies sei nicht geschehen. Es liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung vor, die Situationen des Asylbewerbers nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu verschlimmern. Der Asylantrag sei unter Umständen nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO von der Antragsgegnerin selbst zu prüfen. Der angegriffene Bescheid leide daher an einem Ermessensausfall. Ein Aufnahmegesuch sei nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO spätestens nach 3 Monaten zu stellen, andernfalls werde der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Asylantrag gestellt worden sei. Obwohl Art. 20 Dublin II-VO für Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 16 Abs. 1 c bis e keine Frist nenne, könne sich die Antragsgegnerin für das Wiederaufnahmegesuch nicht beliebig Zeit nehmen. Dass ein solches Gesuch zügig zu stellen sei, folge bereits aus den Erwägungsgründen Nr. 4 und Nr. 15 der Dublin II-VO. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) habe der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befinde, darauf zu achten, dass eine Situation, in der dessen Grundrechte verletzt würden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert werde. Erforderlichenfalls sei der Asylantrag nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst zu prüfen.
Der Antragsteller beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, Maßnahmen zu seiner Abschiebung nach Finnland bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren auszusetzen und der zuständigen Ausländerbehörde unverzüglich mitzuteilen, dass seine Abschiebung nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht durchgeführt werden darf und bei ihm das nationale Asylverfahren durchzuführen ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend im Wesentlichen vor, für ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß § 16 Abs. 1 c bis e Dublin II-VO gebe es keine Frist, innerhalb derer das Ersuchen an den zuständigen Mitgliedstaat gestellt werden müsse. Der Antragsteller habe nachweislich bereits in Finnland einen Asylantrag gestellt und sei deswegen - im Hinblick auf seinen jetzigen Antrag - nicht schutzwürdig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
Entgegen der vom Antragsteller gewählten Formulierung ist sein Antrag bei verständiger Würdigung gemäß § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage anstrebt. Dies folgt aus seinem Begehren, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht nach Finnland abgeschoben zu werden. Dieses Ziel kann er nur mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO erreichen. Ein solcher Antrag ist hier statthaft, da in der Hauptsache eine Anfechtungsklage anhängig ist, der nach § 75 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) keine aufschiebende Wirkung zukommt. Dass der Antrag sich auch auf eine Abschiebung nach "Italien" bezieht, dürfte ein unbeachtliches Versehen darstellen. Weder aus dem Vortrag des Antragstellers noch aus dem sonstigen Vorgang ergibt sich ein Bezug zu diesem Land. In diesem Sinne ist der Antrag zulässig und begründet.
Der Antrag ist zulässig. Die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 AsylVfG in der Fassung vom 28.08.2013, BGBl. I S. 3473, 3474 (n.F.) für Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung ist eingehalten. Der Bescheid vom 7. Januar 2014 ist dem Antragsteller am 10. Januar 2014 zugestellt worden. Sein Antrag ist am 16. Januar 2014 bei Gericht eingegangen.
Der Antrag ist auch begründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage, der - wie hier gemäß § 75 Satz 1 AsylVfG - von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt, anordnen, wenn das private Interesse des Antragstellers, von der belastenden Maßnahme zunächst verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt nicht in Betracht, wenn dem öffentlichen Interesse der Vorrang einzuräumen ist. In diese Abwägung sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache - hier die voraussichtliche Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides - mit einzubeziehen.
Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers anzuordnen. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Januar 2014 ist nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durchzuführenden Prüfung der Rechtslage und summarischen Überprüfung der Sachlage aller Voraussicht nach rechtswidrig.
Bei der Entscheidung, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, ist die Dublin II-VO trotz ihres Außerkrafttretens zum 18. Juli 2013 und des Inkrafttretens der Verordnung (EU) Nr. 604/ 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) zum 19. Juli 2013 im vorliegenden Fall weiterhin maßgebend, da der Antragsteller den Antrag auf internationalen Schutz vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der Dublin III-VO - also dem 20. Dezember 2013 - gestellt hat, Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 2 Dublin III-VO (vgl. VG Hamburg, B. v. 12.11.2013 - 17 AE 4415/13 - [...] Rn. 6).
Die in der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob die Dreimonatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO auch bei Wiederaufnahmeverfahren greift (dafür z.B.: VG Düsseldorf, B. v. 07.08.2012 - 22 L 1158/12.A -, [...] Rn. 24 ff.; ablehnend: VG Berlin, B. v. 07.10.2013 - 33 L 403.13 A - [...] Rn. 8 f.) braucht hier nicht entschieden zu werden. Unabhängig von dieser Frage ist der angegriffene Bescheid in Bezug auf die Entscheidung der Antragsgegnerin, ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nicht auszuüben, nach derzeitigem Sachstand ermessensfehlerhaft.
Nach § 39 Abs. 1 Satz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) soll die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Dabei ist die Sollvorschrift des § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG - wie Sollvorschriften allgemein - für den Regelfall als zwingende Vorschrift anzusehen, lediglich in Ausnahmefällen kann von der Darlegung der Gesichtspunkte für die Ausübung des Ermessens abgesehen werden (Nds. OVG, U. v. 04.12.1982 - 9 A 34/81 - NJW 1984, 1138, 1139). Bei Ermessensentscheidungen sind auch die für die Abwägung maßgeblichen Erwägungen sowie die Gründe, die dazu geführt haben, dass bestimmten Gesichtspunkten der Vorrang gegeben wurde, anzugeben. Die Begründung muss substanziiert, schlüssig und nachvollziehbar sein. In jedem Fall muss aus der Begründung ersichtlich sein, dass die Behörde Ermessen ausgeübt und dabei die Interessen der Betroffenen berücksichtigt und abgewogen hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 39 Rn. 25f.). Bei Ermessensverwaltungsakten stellt das Fehlen einer dem § 39 VwVfG entsprechenden Begründung regelmäßig auch ein Indiz für eine fehlerhafte Ermessensausübung dar, ohne dass insoweit das Gericht noch weitere Nachforschungen anstellen müsste (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 114 Rn. 48).
Dies zugrunde gelegt, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin das ihr von § 3 Abs. 2 Dublin II-VO eingeräumte Ermessen bezüglich der Frage, ob sie den Antrag selbst prüft und dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat wird, fehlerhaft ausgeübt hat. Im Rahmen der Prüfung des Selbsteintrittsrechtes hätte sie den Zeitraum von fast 10 Monaten zwischen der Stellung des Antrages am 4. Februar 2013 und ihrer Anfrage bei den finnischen Behörden am 25. November 2013 berücksichtigen müssen. Das Verwaltungsgericht Göttingen hat zu dieser Problematik ausgeführt:
"Das Selbsteintrittsrecht der Beklagten hat sich jedoch deshalb zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet, weil das Bundesamt das Verfahren ohne ersichtlichen Grund unangemessen lange verzögert hat und dadurch das Grundrecht des Klägers aus Art. 18 der europäischen Grundrechtscharte vom 12.12.2007 (ABl. Nr. C 303 S. 1) verletzt hat. [...]
Obwohl Art. 20 Dublin-II-Verordnung keine Frist für die Stellung des Rückübernahmegesuches enthält, kann die Entscheidung des jeweiligen Mitgliedsstaates darüber, ob dieses Gesuch gestellt wird oder ob der Mitgliedsstaat das Asylverfahren in Anwendung von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung selbst führt, nicht beliebig hinausgezögert werden. Das folgt bereits aus dem 4. und dem 15. Erwägungsgrund der Verordnung. Der 4. Erwägungsgrund verweist darauf, dass insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates ermöglicht werden soll, um den effektiven Zugang zu dem Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Der 15. Erwägungsgrund stellt klar, dass die Verordnung im Einklang mit den Grundrechten und Grundzügen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt werden, im Einklang steht, und dass sie insbesondere darauf abzielt, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 verankerten Rechts auf Asyl zu gewähren. [...]
Die Dublin-II-Verordnung bezweckt danach nicht nur, Asylsuchende daran zu hindern, gleichzeitig oder nacheinander Asylanträge in verschiedenen Ländern der EU zu stellen, sondern beinhaltet auch die Begründung von Vertrauensschutz für die Asylsuchenden im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens zur Prüfung der Zuständigkeit des für die Bearbeitung zuständigen Mitgliedsstaates."
(VG Göttingen, U. v. 25.07.2013 - 2 A 652/12 - Rn 27ff. m.w.N.)
Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht im Hinblick auf die gebotene Beschleunigung des Verfahrens zur Prüfung des zuständigen Mitgliedstaates an. Inwieweit sich das Ermessen der Antragsgegnerin aufgrund der langen Verfahrensdauer bereits auf eine Selbsteintrittspflicht reduziert hat, braucht für das Eilverfahren nicht entschieden zu werden. Selbst wenn man bei einem Zeitraum von fast 10 Monaten (noch) nicht davon ausgehen sollte, dass sich der Ermessensspielraum, welcher der Antragsgegnerin nach der Dublin II-VO grundsätzlich zusteht - wie in dem zitierten Fall vom Verwaltungsgericht Göttingen angenommen - bereits auf eine Selbsteintrittspflicht reduziert hätte, dürfte der angegriffene Bescheid ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sein. Es wäre notwendig gewesen, dass die Antragsgegnerin in dem Bescheid erkennen lässt, dass sie sich über die ungewöhnlich lange Verfahrensdauer bewusst gewesen ist und warum sie trotz dieser Dauer nicht von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht hat. Dies ist nicht geschehen. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Januar 2014 erfüllt daher die Anforderungen für eine ausreichende Ermessensausübung und -darlegung nicht. Die Antragsgegnerin führt in dem Bescheid im Hinblick auf ihr Selbsteintrittsrecht lediglich aus, dass humanitäre Gründe, die einen Selbsteintritt veranlassen könnten, nicht ersichtlich seien und der Antragsteller zudem keine Gründe gegen eine Rücküberstellung nach Finnland geltend gemacht habe. Zu der Frage, ob sie den langen Zeitraum bis zu der Anfrage an die finnischen Behörden bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt hat, enthält der Bescheid keine Ausführungen. Auch der Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin enthält keine Unterlagen, aus denen Gründe für die Verzögerung ersichtlich werden. Solche Gründe trägt sie auch im gerichtlichen Eilverfahren nicht vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil im Falle des Antragstellers die Abschiebung nach Finnland angeordnet worden ist. Auch wenn im Hinblick auf diesen Mitgliedstaat nicht bekannt ist, dass dort bei der Bearbeitung von Asylanträgen systematische Mängel auftreten, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylbewerbern begründen, dürfte der angegriffene Bescheid ermessensfehlerhaft sein. Die hier zitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts Göttingen, denen das Gericht in der aufgezeigten Weise folgt, stellen darauf ab, dass sich aus der Dublin II-VO die Verpflichtung ergibt, den zuständigen Mitgliedstaat möglichst schnell zu bestimmen, um eine unnötig lange Verfahrensdauer zu verhindern. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob dem Asylsuchenden die Abschiebung in einen solchen Mitgliedstaat droht, in dem die Bearbeitung von Asylanträgen systematische Mängel aufweist. Die für den Asylsuchenden maßgebliche Rechtsverletzung besteht für ihn schon in der unangemessen langen Verfahrensdauer selbst. Dies macht auch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Göttingen deutlich, der eine Abschiebungsanordnung nach Belgien zugrunde gelegen hat (VG Göttingen, B. v. 11.10.2013 - 2 B 806/13 -, [...]). Das Verwaltungsgericht Göttingen weist in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass ihm keine Erkenntnismittel vorlägen, die den Schluss rechtfertigten, Belgien hielte die Rechte von Asylbewerber nicht ein. In der gleichen Entscheidung setzt sich das Gericht mit der Frage einer unzumutbare langen Verzögerung mit der Folge einer Selbsteintrittspflicht auseinander (VG Göttingen, B. v. 11.10.2013, a.a.O., [...] Rn. 9 f.).
Ob der Antrag vom 4. Februar 2013 überhaupt nach § 20 Dublin II-VO zu behandeln ist oder ob sich eine Zuständigkeit der Antragstellerin aufgrund des zwischenzeitlichen Aufenthaltes des Antragstellers in der Türkei ergibt, braucht im Eilverfahren nicht entschieden zu werden. Die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides ist aus den aufgezeigten Gründen auch dann anzunehmen, wenn § 20 Dublin II-VO greift.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfg.