Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.10.2000, Az.: 8 T 944/00

Zeitliche Möglichkeiten der Gewährung von Beratungshilfe im Zusammenhang mit der Kündigung eines Mietvertrages; Anforderungen an die Aufhebung eines Berechtigungsscheins

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
19.10.2000
Aktenzeichen
8 T 944/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 30987
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2000:1019.8T944.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
AG Oldenburg - 19.10.2000 - AZ: 3 II 737/99

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts hat
durch
die unterzeichnenden Richter
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Oldenburg vom 7. August 2000 und vom 11. April 2000 aufgehoben.

Zu Gunsten der Beschwerdeführer wird entsprechend ihrem Antrag vom 13. September 1999 eine Vergütung einschließlich der entstandenen Auslagen in Höhe von 146,74 DM festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet

Gründe

1

Im März und April 1999 gewährten die Beschwerdeführer dem Betroffenen im Zusammenhang mit der Überprüfung der Kündigung eines Mietvertrages Beratungshilfe. Am 25. 3. 1999 unterzeichnete der Betroffene einen Antrag auf Erteilung eines Berechtigungsscheines, den er am selben Tag erhielt. Den nachfolgenden Antrag der Verfahrensbevollmächtigten vom 13. 9.1999 auf Festsetzung einer Vergütung und Erstattung der Auslagen wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 2. 8. 1999 zurück und hob zugleich, den Bewilligungsbescheid vom 25. 3.1999 auf. Zur Begründung führte es aus, die Beratungshilfe sei vor Antragstellung erfolgt, was bei Ausstellung des Berechtigungsscheines nicht bekannt gewesen sei.

2

Die Verfahrensbevollmächtigten legten dagegen Erinnerung ein, mit der sie insbesondere auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 25. 3.1999 verwiesen, dessen Rücknahme sie für grundsätzlich unzulässig halten. Der Amtsrichter wies das Rechtsmittel mit Beschluss vom 7. 8. 2000 zurück.

3

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde ist zulässig und begründet.

4

Die Aufhebung des Berechtigungsscheins kann mit der Beschwerde gemäß § 19 FGG angefochten werden. Bei dem aufhebenden Beschluss handelt es sich um die Änderung einer Verfügung gemäß § 18 FGG, denn die Bewilligung der Beratungshilfe ist eine gerichtliche Verfugung im Sinne des § 16 FGG (Kalthoener/Büttner/Sachs, Prozesskostenhilfe u. Beratungshilfe, 2. Aufl., RNr. 985).

5

Es gilt auch nicht etwa der beschränkte Rechtsmittelzug des § 6 Abs. 2 BerHG. Soweit zum Teil eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Aufhebung des Bewilligungsbescheides befürwortet wird, kann dem nicht gefolgt werden. Es fehlt schon an der Vergleichbarkeit der Fälle, denn es macht einen erheblichen Unterschied, ob ein Antrag erstmals abgelehnt (diesen Fall regelt § 6 Abs. 2 BerHG) oder eine bereits erteilte Bewilligung, die einen Vertrauenstatbestand schafft, aufgehoben wird.

6

Die Rücknahme des Berechtigungsscheins kann im vorliegenden Fall keinen Bestand haben. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob eine solche Entscheidung überhaupt zulässig ist (Dies wird z.B. von Schoreit/Dehn, BerHG, PKHG, 3. Aufl., Anm. 6 zu § 6 unter Hinweis darauf abgelehnt, dass eine ursprünglich in § 6 Abs. 4 des Regierungsentwurfs vorgesehene Aufhebungsmöglichkeit nicht in das verabschiedete Gesetz aufgenommen wurde).

7

Die Kammer ist nach eingehender Beratung zu der Auffassung gelangt, dass sich die Argumentation des Amtsgerichts, der Antrag auf Gewährung von Beratungshilfe müsse vom Ratsuchenden in jedem Fall bereits vor der anwaltlichen Tätigkeit unterzeichnet sein, nicht halten lässt.

8

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist der Gesetzestext. § 4 Abs. 2 Satz 3 BerHG bestimmt, dass ein Bürger, der sich zunächst unmittelbar an einen Rechtsanwalt wendet, auch nachträglich um Gewährung von Beratungshilfe nachsuchen kann. Der Wortlaut ist eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Er lässt gerade nicht die Interpretation zu, am Anfang jeder Beratung müsse die Antragsunterzeichnung stehen.

9

Die immer wieder zitierten Ausführungen von Kreppel (Rpfleger 1986,86), denen sich offenbar auch das Amtsgericht und das Landgericht Hannover (Rpfleger 1999, 293 und 1999, 345) angeschlossen haben, vermögen nicht zu überzeugen. Es wird damit argumentiert, im Interesse eindeutiger Rechtsbeziehungen müsse zwischen dem Rechtsuchenden und dem Anwalt von vornherein geklärt werden, auf welcher Grundlage die Beratung erfolgen soll. Dies mag in der Tat wünschenswert erscheinen, schließt aber doch nicht aus, dass eine solche Klarstellung später erfolgt In der alltäglichen Praxis wird sich häufig auch erst in den nachfolgenden Beratungsgesprächen ergeben, dass der Ratsuchende aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht in der Lage ist, einen Rechtsanwalt zu bezahlen und deshalb Beratungshilfe in Anspruch nehmen muss. Es kann nicht erwartet oder gar zur Pflicht erhoben werden, dass der Rechtsanwalt schon im Rahmen des ersten Kontaktgesprächs die finanziellen Vertragsgrundlagen erörtert und bis dahin jede Beratung zurückstellt. Und auch dem ratsuchenden Bürger wird es in erster Linie um die Lösung seiner Probleme gehen. Er wird in der Regel kaum Anlass sehen, vor allen anderen Fragen seine wirtschaftlichen Verhältnisse offen zu legen. Die Notwendigkeit einer vorherigen Unterzeichnung des Antrages lässt sich danach so nicht begründen. Ein solches Procedere ginge nach Ansicht der Kammer auch an der alltäglichen Praxis vorbei.

10

Auch der weitere Gesichtspunkt, die vorherige Unterzeichnung sei notwendig, um auf diese Weise den Zeitpunkt festzulegen, für den der Rechtspfleger die Voraussetzungen der § 1 BerHG zu prüfen hat, ist nicht stichhaltig. Da das im Formular eingesetzte Datum jeder Manipulation zugänglich ist, ohne dass dies stets auffallen müsste, scheidet eine verlässliche Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen ohnehin aus. Mit Recht wird deshalb darauf hingewiesen, dass es sich insoweit um ein formalistisches Argument handele (Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe u. Beratungshilfe, RNr. 978).

11

Kreppel (a.a.O.) kann sich für seine Auffassung auch nicht auf § 7 BerHG berufen. Die dort geforderte Versicherung bezieht sich erkennbar nur auf eine unter Umständen andernorts erfolgte Beratung und soll das Vergütungsrisiko des Rechtsanwalts minimieren (Greißinger, Beratungshilfegesetz, Anm. 7 zu § 7).

12

Soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Vergütungsantrages richtet, ist sie gemäß §§ 128, 133 BRAGO zulässig. Sie ist auch begründet, denn der Beschwerdeführer hat auf Grund des bindenden Berechtigungsscheines vom 25. 3.1999 einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§128 Abs. 5,133 BRAGO.

Rolfes
Meyer
Daum