Landgericht Oldenburg
Urt. v. 20.04.2000, Az.: 10 O 3565/99
Vertrag zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt; Unwiderrufliches Schenkungsangebot an den Ersatzbegünstigten ; Möglichkeit des Widerrufs des Schenkungsangebots an die Ersatzbegünstigten durch den Erblasser sowie die spätere Erbin; Vertrag zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt als eine Schenkung unter Lebenden
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 20.04.2000
- Aktenzeichen
- 10 O 3565/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 31829
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2000:0420.10O3565.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 276 BGB
- § 516 BGB
- § 518 Abs. 2 BGB
Fundstellen
- WM 2001, 2047-2049 (Volltext mit red. LS)
- WM 2000, 2047-2049 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 2000, 426
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz
In dem Rechtsstreit
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 17.03.2000
durch
die Richterin am Landgericht Brauer als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Zahlung von 30.156,77 DM, die die Beklagte angeblich zu Unrecht an die Streitverkündeten ausgezahlt habe.
Die Klägerin ist die alleinige testamentarische Erbin des am 06.04.1999 verstorbenen .... Er hinterließ auf insgesamt vier bei der Beklagten geführten Sparkonten einen Bargeldbetrag von 29.856,77 DM sowie einen Geschäftsanteil über 300,00 DM. Diese Beträge zahlte die Beklagte aufgrund eines vom Erblasser mit ihr am 29.03.1993 geschlossenen Vertrages zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt an die Streitverkündeten, die Enkel des Erblasser und einzigen noch lebenden Verwandten desselben im September 1999 aus, die die Begünstigten des vorstehend genannten Vertrages waren.
Die Klägerin behauptet, diese Auszahlung an die Enkel des Erblassers sei zu Unrecht erfolgt, da der Beklagten bereits bekannt gewesen sei, daß sie testamentarische Alleinerbin geworden sei und der Erblasser seine Enkel enterbt gehabt habe. Der Erblasser habe nämlich bereits zu Lebzeiten am 19.04.1994 seinem Enkel ... 15.226,86 DM und seinem Enkel .... 15.204,67 DM zukommen lassen. In seinem Testament vom 14.08.1995 habe der Erblasser daher verfügt, daß sie Alleinerbin werde und seine Enkel nichts mehr erben sollten und deren etwaige Pflichtteilsansprüche durch die Zahlungen vom 19.04.1994 abgegolten seien. Die Auszahlung an die Streitverkündeten sei insbesondere deshalb zu Unrecht erfolgt, weil der Vertrag zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt vom 29.03.1993 unwirksam sei, denn der vorangegangene gleichgelagerte Vertrag aus dem Jahre 1989 habe noch bestanden. Dieser sei weder aufgehoben noch gekündigt worden. Auch die Erstbegünstigte, die Ehefrau des Erblassers, habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Vertrages zugunsten Dritter im Jahre 1993 noch gelebt, sie sei nämlich erst am 04.01.1995 verstorben. Da auch der erste Vertrag ohne Widerrufsvorbehalt abgeschlossen worden sei, habe er weiterhin Bestand gehabt und der zweite Vertrag aus 1993 sei unwirksam gewesen. Dieser zweite Vertrag habe auch nicht stillschweigend mit dem Tode der Ehefrau des Erblassers 1995 Wirksamkeit erlangen können. Zudem habe der Erblasser mit seinem eindeutigen Testament seine vormaligen Zuwendungen durch Vertrag zugunsten Dritter an seine Enkel widerrufen, wozu er zu Lebzeiten auch berechtigt gewesen sei. Da die Vermögenswerte aus dem Nachlaß identisch seien mit denjenigen aus dem Vertrag zugunsten Dritter, stehe die Auszahlung an die Enkel im Widerspruch zum eindeutigen Willen des Erblassers. Der Widerruf sei den Begünstigten, den Enkeln, auch spätestens mit der Begünstigungserklärung zugegangen, so daß eine wirksame Schenkung an die Enkel nach dem Tode des Erblassers nicht habe zustande kommen können. Auch sie selbst habe eine Schenkung an die Enkel aufgrund des Vertrages aus 1993 widerrufen. Da die Beklagte gleichwohl an die Streitverkündeten ausgezahlt habe, habe sie ihre Pflichten aus dem Bankvertrag verletzt und sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 30.156,77 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, zu Recht die auf den bei ihr geführten Sparkonten vorhandenen Gelder aufgrund des Vertrages zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt vom 29.03.1993 an die Streitverkündeten ausgezahlt zu haben. Der am 05.01.1989 mit dem Erblasser geschlossene Vertrag zugunsten Dritter ohne Widerufsvorbehalt sei mit dem Vertrag vom 29.03.1993 ausdrücklich aufgehoben worden, nachdem der Ersatzbegünstigte, der Sohn der Eheleute ... vorverstorben sei. Gleichzeitig mit dem Abschluß des neuen Vertrages am 29.03.1993 seien auch zwei weitere Sparkonten eröffnet worden. Der Erblasser habe ausdrücklich in den Verträgen auf einen Widerruf verzichtet gehabt, so daß ein solcher auch wirksam weder durch den Erblasser noch den Erben habe erfolgen können. Zwar sei der Vertrag vom 29.03.1993 zunächst schwebend unwirksam gewesen, da noch die Erstbegünstigte aus dem vorangegangen Vertrag von 1989 gelebt habe; spätesten jedoch mit deren Tode am 04.01.1995 sei der Vertrag aus 1989 jedoch entsprechend den vereinbarten Vertragsbedingungen gegenstandslos geworden, so daß der zweite Vertrag, in dem die Streitverkündeten als Ersatzbegünstigte benannt sind Wirksamkeit erlangt habe. Die durch den Erblasser mit Testament vom 14.08.1995 verfügte Enterbung der Enkel sei in diesem Zusammenhang bedeutungslos, denn die fraglichen Sparguthaben fielen gemäß den vereinbarten Vertragsbedingungen ausdrücklich nicht in den Nachlaß sondern es handele sich um Schenkungen unter Lebenden auf den Todesfall. Da der Erblasser ausdrücklich auf einen Widerruf dieser Schenkung verzichtet habe, seien sowohl er als auch die Erbin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge daran gebunden gewesen. Ein Widerruf auch testamentarischer Art habe nicht mehr erfolgen können. Zwar sei der Rechtserwerb durch die Streitverkündeten bis zur Annahme der Schenkung zunächst noch rechtsgrundlos gewesen, da die Klägerin als Erbin jedoch durch den Widerrufsverzicht gebunden gewesen sei, habe diese ein Wirksamwerden der Einigung durch Annahme der Schenkung durch die Streitverkündeten nicht mehr verhindern können. Die Auszahlung an die Streitverkündeten stehe auch nicht im eindeutigen Widerspruch zum Willen des Erblassers, denn dieser hätte zu Lebzeiten jederzeit über die Kontenguthaben verfügen können und so den Vertrag zum vereinbarten Zeitpunkt des Rechtsüberganges gegenstandslos machen können.
Die Streitverkündeten sind auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten und haben unter Bezugnahme auf deren Ausführungen ebenfalls beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu, pVV des Bankvertrages i.V.m. § 276 BGB.
Eine schuldhafte Pflichtverletzung auf Seiten der Klägerin ist nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat zu Recht aufgrund des Vertrages zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt vom 29.03.1993 die noch vorhandenen Sparguthaben an die als Ersatzbegünstigte in diesem Vertrag genannten Streitverkündeten ausgezahlt.
Dieser Vertrag war auch nicht etwa wegen des vorangegangenen gleichgelagerten Vertrages zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt vom 05.01.1989 nichtig oder endgültig unwirksam. Der Vertrag zugunsten Dritter vom 05.01.1989 war in Bezug auf den dort als Ersatzbegünstigten benannten Sohn der Eheleute Münkenwarf mit dessen Tode vor Abschluß des zweiten Vertrages am 29.03.1993 gegenstandslos geworden, Ziffer 4. des Vertrages vom 05.01.1989. Im übrigen hatte das in diesem Vertrag gemachte unwiderrufliche Schenkungsangebot hinsichtlich der genannten Konten an die Erstbegünstigte, die Ehefrau des Erblassers, weiterhin zunächst Bestand. Mit dem dann am 29.03.1993 abgeschlossenen zweiten Vertrag zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt, der zwei zusätzlich Sparkonten betrifft und neben der Erstbegünstigten nunmehr die Streitverkündeten als Ersatzbegünstigte benennt, hat der Erblasser sein unwiderrufliches Schenkungsangebot an die Erstbegünstigte wiederholt und erweitert und lediglich in Bezug auf den zu diesem Zeitpunkt bereits gegenstandslos gewordenen Ersatzbegünstigten ein neues unwiderrufliches Schenkungsangebot an die Streitverkündeten abgegeben. Zwar konnte der Erblasser sein ursprüngliches Schenkungsangebot an seine Ehefrau nicht widerrufen, jedoch hatte dieses zweite unwiderrufliche Schenkungsangebot aus dem zweiten Vertrag, das die Ehefrau als Erstbegünstigte auch bereits durch ihre Unterzeichnung angenommen hatte zumindest in Bezug auf die dort weiter neu benannten zwei Konten Bestand und ist bereits in Bezug auf diese Konten zum 29.03.1993 wirksam geworden, und zwar mit der Bestimmung der Streitverkündeten zu den Ersatzbegünstigten in Bezug auf die neu benannten Konten. Im übrigen hatte das unwiderrufliche Schenkungsangebot aus dem Vertrag vom 05.01.1989 zugunsten der Erstbegünstigten weiterhin Bestand. Dies führt aber nicht dazu, daß hier der gesamte zweite Vertrag vom 29.03.1993 als nichtig oder endgültig unwirksam anzusehen ist. Vielmehr ist vorliegend, da durch die zweite Verfügung die Erstbegünstigte auch in keiner Weise beeinträchtigt wurde davon auszugehen, daß in Bezug auf die bereits im ersten Vertrag bezeichneten Konten allenfalls der zweite Vertrag zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt vom 29.03.1993 schwebend unwirksam war. Spätestens jedoch mit dem Versterben der Erstbegünstigten am 04.01.1995 ist der erste Vertrag zugunsten Dritter gegenstandslos geworden. Damit ist zu diesem Zeitpunkt der zweite Vertrag, der allenfalls in Bezug auf die bereits im Erstvertrag bezeichneten Konten schwebend unwirksam war, nunmehr wirksam geworden, so daß das unwiderrufliche Schenkungsangebot nunmehr zugunsten der Ersatzbegünstigten, der Streitverkündeten, bestand.
Ein Widerruf diese Schenkungsangebots an die Ersatzbegünstigten war daher weder durch den Erblasser noch durch die spätere Erbin, die Klägerin, möglich. Der Erbe kann nämlich Erklärungen des Erblasser grundsätzlich nur unter denselben Voraussetzungen widerrufen wie der Erblasser. Konnte der Erblasser, etwa infolge Widerrufsverzicht, nicht mehr widerrufen, so kann dies auch der Erbe nicht (vgl BGH WM 1976, 1130). Gerade dieser Fall ist vorliegend gegeben, es bestand ein unwiderrufliches Schenkungsangebot an die Ersatzbegünstigten, ein Widerruf war daher weder dem Erblasser noch dem späteren Erben möglich. Auch die testamentarische Verfügung des Erblasser vom 14.08.1995 besagt nichts anderes. Hiermit sind die Streitverkündeten allenfalls enterbt worden, das Schenkungsangebot ist damit nicht zu widerrufen gewesen, denn die Guthaben auf den Konten sind gar nicht erst in den Nachlaß gefallen (Ziffer 2 des Vertrages vom 29.03.1993), da es sich bei dem hier abgeschlossenen Vertrag zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt nach ständiger Rechtsprechung um eine Schenkung unter Lebenden handelt (vgl BGH a.a.O., OLG Celle WM 1996, 851 [OLG Celle 20.12.1995 - 3 U 275/94]). Soweit Ziffer 5. des Vertrages die Formulierung enthält, "für den Fall des Rechtsübergangs durch Tod verzichtet der Kunde auf das Recht zum Widerruf..." handelt es sich nicht um eine Bedingung im Rechtsinne, sondern nur um eine Zeitbestimmung und dahingehende Klarstellung, daß der Kunde und Erblasser für die Zeit davor frei über die Kontenguthaben verfügen kann. Die Zuwendung erfolgt also erst zum Zeitpunkt des Todes, der Verzicht des Kunden/Erblasser auf das Recht zum Widerruf des Schenkungsangebots hingegen erfolgt sofort bei Vertragsschluß (vgl. OLG Celle a.a.O.). Ein Widerruf war damit für den Erblasser und die Erbin ausgeschlossen. Es kommt somit auch gar nicht darauf an, wann die Beklagte den Begünstigten das Schenkungsangebot und ihre Auszahlungsbereitschaft übermittelt hat und ob den Begünstigten vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugegangen ist, denn ein solcher konnte - wie ausgeführt - nicht wirksam erfolgen.
Mit der dann erfolgten Auszahlung der Gelder an die Ersatzbegünstigten ist die Schenkung nach §§ 516, 518 Abs. 2 BGB wirksam vollzogen und macht den Erwerb durch die Ersatzbegünstigten bereicherungsfest.
Wie ausgeführt hat die Beklagte daher zu Recht die vorhandenen Sparguthaben an die im Vertrag zugunsten Dritter ohne Widerrufsvorbehalt vom 29.03.1993 bezeichneten Ersatzbegünstigten ausgezahlt. Eine Pflichtverletzung des mit dem Erblasser geschlossenen und im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbin übergegangenen Bankvertrages kann daher nicht festgestellt werden.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.