Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.02.2000, Az.: 8 T 802/99

Gleichbehandlung der Vergütung bei mittellosen und vermögenden Betreuten; Vermögen des Betreuten als Bemessungskriterium

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
04.02.2000
Aktenzeichen
8 T 802/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 31578
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2000:0204.8T802.99.0A

Fundstellen

  • BtPrax 2001, 88
  • FamRZ 2000, 1310 (red. Leitsatz)
  • Rpfleger 2000, 216

In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts
durch
die unterzeichnenden Richter
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Betreuers wird der Beschluss des Amtsgerichts ... vom 8. Juli 1999 aufgehoben.

Das Verfahren wir zur erneuten Entscheidung über den Vergütungsantrag des Beschwerdeführers vom 2. Juli 1999 an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

1

Mit Schreiben vom 2. Juli 1999 beantragte der Betreuer für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 1999 Ersatz seiner Auslagen und eine Vergütung für 8,8 Stunden Zeitaufwand a 75 DM. Die Betroffene ist in der Lage, die Betreuungskosten aus ihrem Vermögen aufzubringen.

2

Das Amtsgericht kürzte in der angefochtenen Entscheidung den Stundensatz auf 60 DM und wies zur Begründung daraufhin, nach der Neuregelung des Vergütungsrechts durch das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Betreuungsrechtsänderungsgesetz (BtÄndG) sei eine unterschiedliche Festsetzung der Höhe der Vergütung bei mittellosen und vermögenden Betreuten nicht mehr gerechtfertigt.

3

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Vormundschaftsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu beurteilenden Rechtsfrage zugelassene sofortige Beschwerde, die damit trotz des nicht erreichten Beschwerdewertes gemäß § 56 g Abs. 5 FGG sachlich zu bescheiden ist.

4

Das Rechtsmittel ist begründet, weil im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kammer schon der Gesetzeswortlaut eine Heranziehung der nach der § 1 BVormVG maßgeblichen Stundensätze als verbindliche Obergrenze der zu zahlenden Vergütung verbietet. § 1836 a BGB bestimmt nämlich eindeutig, dass das BVormVG nur für mittellose Betreute gilt. Die Höhe der von vermögenden Betroffenen geschuldeten Vergütung richtet sich demgegenüber ausschließlich nach den in § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB normierten Kriterien (LG Dortmund, FamRZ 1999, 106; Zimmermann, FamRZ 1999, 630).

5

Die vom LG Frankenthal (BtPrax 1999, 202), dem OLG Zweibrücken (BtPrax 1999, 1633), dem LG Frankfurt/M (nicht veröffentliche Entscheidung v. 16. 7. 1999 zu 2/28 T 86/99) und zum Teil auch in der Literatur (z.B. Karmasin, FamRZ 1999, 343) vertretene abweichende Ansicht, die sich auf die Gesetzgebungsgeschichte beruft, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen.

6

Zwar heißt es im Regierungsentwurf des BtÄndG (BT-Drucksache 13/7158, S. 26), dass mit der Neufassung der §§ 1835 ff BGB "die Vormundschaft über bemittelte und mittellose Mündel künftig grundsätzlich nach den gleichen Kriterien vergütet werden". Der darauf beruhende Vorschlag des Bundesrates (BT-Drucksache 13/7158 S. 45, 46), die Stundensätze des BVormVG auch für vermögende Betreute anzuordnen, ist jedoch nicht angenommen und damit nicht Gesetz geworden. Die Gesetzesmaterialien sprechen denn auch nur von "einer verläßlichen Orientierungshilfe" und der Erwartung einer Angleichung. In der Gegenäußerung der Bundesregierung zu dem o.a. Vorschlag des Bundesrates wird den Vormundschaftsgerichten insoweit ausdrücklich ein Beurteilungsspielraum zugestanden (BT-Drucksache 13/7158 S. 55 ff). Mit diesen Verlautbarungen lassen sich jene gerichtlichen Entscheidungen, die künftig eine Differenzierung in der Festsetzung der Vergütung nicht mehr für zulässig erachten, sondern eine Angleichung an die Stundensätze des BVormVG als zwingend geboten ansehen, erkennbar nicht rechtfertigen. Orientierungshilfen und Beurteilungsspielräume machen keinen Sinn, wo das Gesetz bereits eine eindeutige Handhabung vorschreibt.

7

Wenn im Gesetzgebungsverfahren eine Gleichbehandlung der Vergütung bei mittellosen und vermögenden Betreuten diskutiert wurde, ging es um Erwartungen und Empfehlungen des Gesetzgebers an die gerichtliche Praxis. In der vorerwähnten Gegenäußerung der Bundesregierung münden sie in die Formulierung ein, eine abweichende Festsetzung der Vergütung werde sich wohl auf Ausnahmefalle beschränken. Damit läßt die Entstehungsgeschichte des BtÄndG allenfalls den Schluss zu, dass die Stundensätze des BVormVG bei der Festsetzung der Vergütung gegen vermögende Betroffene als möglicher Anhaltspunkt nicht außer Betracht gelassen werden sollen (Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Auflage, Anm. 158-164 vor §§ 65 ff FGG; Jürgens-Kröger-Marschner-Winterstein, Das neue Betreuungsrecht, 4. Auflage, Randziffer 275; Gregersen-Deinert, Die Vergütung des Betreuers, Seite 82).

8

Auszugehen ist deshalb in jedem Einzelfall nach wie vor von den Bemessungskriterien des § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB; eine vergleichende Orientierung an den Stundensätzen des BVormVG entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Die Kammer hält es jedoch nicht für vertretbar, regelmäßig und ohne nähere Prüfung der Umstände eine weitgehende oder gar vollständige Angleichung der Vergütung vorzunehmen.

9

Das LG Frankenthal und ihm folgend das OLG Zweibrücken (a.a.O.) verweisen darauf, dass das Vermögen des Betreuten im Gegensatz zu § 1836 BGB a.F. nach der Neufassung des Gesetzes keine Rolle mehr spiele. Dem Umfang der Betreuungstätigkeit werde durch den vergüteten Zeitaufwand Rechnung getragen; die Schwierigkeiten des zu übertragenden Falles berücksichtige das Gericht bereits bei der Auswahl des Betreuers. Einzig entscheidendes Kriterium für die Höhe der Vergütung seien damit die nutzbaren Fähigkeiten des Betreuers. Es sei unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen gleich zu gewichten und könne unterschiedliche Vergütungen nicht mehr rechtfertigen.

10

Mit überzeugenden Gründen hat Bestelmeyer (FamRZ 1999, 1633) dargelegt, dass diese Argumentation zu kurz greift, weil der Gesetzgeber das Vermögen des Betreuten nur scheinbar als Bemessungskriterium ausgeklammert hat. Denn es kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass gerade Vermögensverwaltungen Inhalt und Umfang der zugehörigen betreuungsrechtlichen Arbeit maßgeblich beeinflussen und die Tätigkeit des Betreuers in diesen Fällen eine ganz andere Qualität besitzt. Sie fordert ein weitaus höheres Maß an Verantwortung und unterscheidet sich insoweit grundlegend von einer Betreuung mittelloser Personen. Es erscheint von daher nicht sachgerecht, allein auf die nutzbaren Fähigkeiten abzustellen und die mit einer Vermögensbetreuung verbundenen Aufgaben schlechthin zu vernachlässigen. Das Vermögen des Betreuten ist vielmehr nach wie vor entsprechend dem bisherigen Recht bei der Festsetzung der Vergütung angemessen zu berücksichtigen.

11

Auch aus § 1836 b BGB läßt sich nichts Entscheidendes gegen die hier vertretene Auffassung herleiten.

12

In den mehrfach angesprochenen Beschlüssen des LG Frankenthal und des OLG Zweibrücken wird ausgeführt, die Möglichkeit einer pauschalen Vergütung bestehe unabhängig davon, ob sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse oder den Betroffenen richte. Da aber § 1836 b BGB auf die Stundensätze des BVormVG verweise, mache der Gesetzgeber damit erneut die notwendige Gleichbehandlung der Vergütungsansprüche deutlich.

13

Unabhängig von der Frage, ob § 1836 b BGB tatsächlich auch bei vermögenden Betreuten gilt (vgl. dazu Zimmermann, FamRZ, 1999, 630 ff), wird übersehen, dass die Pauschalierungsmöglichkeit ein Angebot an die Berufsbetreuer darstellt, dessen. Annahme sich auch bei Inkaufnahme der Stundensätze des BVormVG empfehlen kann, weil es der Vereinfachung dient und in geeigneten Fällen die Mühen einer konkreten Darstellung des tatsächlichen Zeitaufwandes erspart. § 1836 b BGB regelt einen Sonderfall und läßt deshalb keineswegs Rückschlüsse darauf zu, welche Vergütung außerhalb des Pauschalierungsverfahrens festzusetzen ist. Es handelt sich nicht um vergleichbare Sachverhalte. Auch die Gesetzesmaterialien geben insoweit keinen Aufschluss.

14

Entsprechendes gilt für das Argument, § 67 Abs. 3 FGG spreche für eine Gleichbehandlung der Vergütung bei mittellosen und vermögenden Betreuten. Die Norm betrifft ausschließlich den Verfahrenspfleger, der eine ganz andere Rechts- und Aufgabenstellung hat als der Betreuer. Es fehlt also wiederum ganz grundlegend an der Vergleichbarkeit der zur Beurteilung anstehenden Sachlage. Deshalb läßt sich aus § 67 Abs. 3 FGG keine begründbare Aussage zur Höhe der Stundenvergütung eines Betreuers herleiten.

15

Schließlich ist daraufhinzuweisen, dass die hier befürwortete unterschiedliche Bemessung der Vergütung eines Betreuers mittelloser bzw. vermögender Personen keineswegs systemfremd ist und durchaus Parallelen kennt. Denn auch der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt erhält eine geringere Gebühr als jener Prozessbevollmächtigte, der einen gut situierten Mandanten vertritt. Obwohl auch hier die nutzbaren Fähigkeiten des Anwalts, also seine fachliche Qualifikation, in gleicher Weise ins Gewicht fallen, hat der sich der Gesetzgeber bewusst für unterschiedliche Honorare entscheiden.

16

Das Amtsgericht wird nach alldem den Vergütungsantrag des Betreuers nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Gründe neu zu bescheiden haben. Es wird dabei auch zu prüfen sein, ob der Betreuer für den hier interessierenden Abrechnungszeitraum Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen kann, sollte auch nach § 1836 Abs. 2 BGB eine Herabsetzung des bisher gezahlten Stundensatzes in Betracht kommen. Die Kammer hat mehrfach entschieden, dass dies nur nach vorheriger Ankündigung geschehen kann.

17

An einer eigenen abschließenden Beschlussfassung sieht sich die Kammer gehindert, weil die angefochtene Entscheidung nicht in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen ist. Das Amtsgericht hat versäumt, die Betroffene vorher anzuhören bzw. ihr Gelegenheit zu geben, sich zu dem Vergütungsantrag des Betreuers zu äußern. Das aber schreibt § 56 g Abs. 4 FGG nunmehr zwingend vor. Der im Beschluss enthaltene Hinweis auf ein grundsätzlich erklärtes Einverständnis der Betroffenen reicht nicht aus. Es läßt sich den Akten auch nicht entnehmen. Sollte eine Verständigung mit der Betreuten nicht möglich sein, müsste zudem gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 FGG ein Verfahrenspfleger bestellt werden.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 131 KostO, 13 a FGG.

Rolfes
Meyer
Kopka-Paetzke