Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.07.2000, Az.: 8 T 558/00

Zahlung der Vergütung einer Betreuerin aus der Staatskasse; Beurteilung der Mittellosigkeit des Betreuten gemäß § 1836d BGB; Ermittlung des einzusetzenden Vermögens unter Heranziehung des § 89 BSHG; Verwertung von gesamthänderisch gebundenem Vermögen

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
14.07.2000
Aktenzeichen
8 T 558/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 19806
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2000:0714.8T558.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
Amtsgerichts Oldenburg - 15.05.2000

Fundstelle

  • FamRZ 2001, 309-310 (Volltext mit amtl. LS)

Sonstige Beteiligte

betr. Frau ..., 26127 Oldenburg

1. Frau ..., 26125 Oldenburg, als Betreuerin

2. Herr Rechtsanwalt ... 26129 Oldenburg als Ergänzungsbetreuer

3. Bezirksrevisor bei dem Landgericht Oldenburg - ... -

In dem Rechtsstreit
hat die 8. Zivilkammer der Landgerichts
durch
die unterzeichnenden Richter
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Oldenburg vom 3. März 2000 und 15. Mai 2000 dahingehend geändert, dass die jeweils festgesetzte Vergütung der Betreuerin aus der Staatskasse zu zahlen ist.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Die weitere sofortige Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 56 g FGG zulässig und sachlich auch begründet, weil die Betreuerin derzeit einen Anspruch darauf hat, dass die Staatskasse zunächst für die festgesetzte Vergütung eintritt. Frau ... ist als mittellos anzusehen.

2

Die Betroffene lebt zwar von der Sozialhilfe, ist aber in ungeteilter Erbengemeinschaft zu 7/8 Miteigentümerin eines Hausgrundstücks, dessen genauer Verkehrswert nicht bekannt ist, nach übereinstimmender Einschätzung der Beteiligten jedoch deutlich über 100.000,00 DM hinausgeht.

3

Gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB hat sie zur Befriedigung der Vergütungsansprüche der Betreuerin u.a. ihr Vermögen nach Maßgabe des § 88 BSHG einzusetzen. Dazu zählt auch das Hausgrundstück. Da sie das Haus nicht selbst bewohnt (§ 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG) und ein Härtefall im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG erkennbar nicht vorliegt, gehört es nach dem Wortlaut des Gesetzes zum verwertbaren Vermögen. Es besteht im Sozialhilferecht Einigkeit darüber und läßt sich aus § 89 BSHG herleiten, dass dazu auch das augenblicklich nicht frei verfügbare Vermögen zählt. Es gehören alle wirtschaftlichen Werte dazu, die finanziell nutzbar gemacht werden können, mag dies auch mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein.

4

Ließe man diese Ansicht auch für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Betreuten gemäß § 1836 d BGB gelten, könnte sich die Betroffene nicht darauf berufen, dass es sich bei dem Hausgrundstück um gesamthänderisch gebundenes Vermögen handelt, deshalb eine Verwertung wegen der bestehenden Erbengemeinschaft unter Umständen auf Widerstände oder Probleme stoßen wird und sich kurzfristig nicht erreichen läßt.

5

Die Kammer hat mehrfach (zuletzt durch Beschluss vom 02.02.2000 - 8 T 1210/99 -) in diesem Sinne entschieden und ausgeführt, dass Mittellosigkeit nicht schon dann anzunehmen ist, wenn es an frei verfügbarem, sofort einsetzbarem Vermögen fehlt. Sie hält nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage an dieser Auffassung nicht mehr fest, weil sie nicht interessengerecht erscheint.

6

Maßgebend sind dafür folgende Erwägungen:

7

§ 89 BSHG bestimmt, dass in Fällen der vorliegenden Art die Sozialhilfe als Darlehen gewährt werden soll. Zwar fehlt in § 1836 c BGB die Bezugnahme auf diese Norm; das Gesetz nennt in Satz 2 nur § 88 BSHG. Ob sie versehentlich unterblieben ist, läßt sich der Gesetzgebungsgeschichte nicht entnehmen. Der Gesetzgeber hat jedoch für die Ermittlung des einzusetzenden Vermögens erkennbar die einschlägigen Normen des BSHG zum Vorbild genommen, so dass es folgerichtig erscheint, auch § 89 BSHG heranzuziehen und den dort verankerten Grundgedanken entsprechend anzuwenden, weil sich nur so eine interessengerechte und angemessene Lösung für die Beteiligten finden läßt.

8

Die Betreuung psychisch kranker und gebrechlicher Menschen ist eine Angelegenheit der staatlichen Fürsorge, die durch die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts in private Hand übertragen wird. Der Betreuer wird also hoheitlich bestellter Treuhänder der Rechte des Betroffenen. Er ist zudem gemäß § 1898 BGB grundsätzlich verpflichtet, sich dieser Aufgabe zu stellen. Aus dieser Stellung und Aufgabenzuweisung läßt sich zwanglos die primäre Pflicht des Staates herleiten, den Betreuer von finanziellen Aufwendungen freizustellen und, erfolgt die Betreuung berufsmäßig, für eine angemessene Vergütung Sorge zu tragen. Sie wird in der Regel dadurch erfüllt, dass das Gesetz dem Betreuer bei vermögenden Betroffenen einen unmittelbaren Anspruch auf Erstattung der Auslagen und Zahlung einer Vergütung einräumt. Wenn ein solcher Anspruch indessen in absehbarer Zeit nicht realisierbar ist, weil - wie im vorliegenden Fall - die Verwertung des Grundbesitzes erhebliche Zeit in Anspruch nehmen wird und unter Umständen sogar eine Teilungsversteigerung erfordert, erscheint es unzumutbar, damit den Betreuer zu belasten. Dies gilt insbesondere dort, wo der professionelle Betreuer zur Sicherung seiner beruflichen Existenz auf eine zeitgerechte Vergütung seiner Dienstleistungen angewiesen ist.

9

Die Kammer hält es vielmehr für angemessen, dort, wo Vermögen des Betroffenen voraussichtlich in einem vertretbaren Zeitraum nicht verwertbar sein wird oder dies nach Lage der Dinge mit größeren rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden ist, Mittellosigkeit anzunehmen und die Staatskasse auf den Regressanspruch gemäß § 1836 e BGB zu verweisen. Der Staat erfüllt mit einer Vorleistung auch dem Betreuer gegenüber seine zuvor beschriebene Fürsorgepflicht.

10

Die Betreuerin hat nach alldem im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Erstattung ihrer Vergütung aus der Staatskasse.

11

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier diskutierten Rechtsfrage hat das Gericht die weitere sofortige Beschwerde zugelassen.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 131 KostO, 13 a FGG.