Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 26.06.2012, Az.: 7 A 3177/12

Anhörung; Fortsetzungsfeststellungsinteresse; "Meldeauflage" für einen angeblich gewaltbereiten Fußballfan;

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
26.06.2012
Aktenzeichen
7 A 3177/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44427
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine "Meldeauflage" für einen angeblich gewaltbereiten Fußballfan für die Zeit eines Fußballspiels, in dessen Zusammenhang gewalttätige Auseinandersetzungen erwartet werden dürfen, setzt regelmäßig die Anhörung des Betroffenen voraus.

Tatbestand:

Die Polizeiinspektion … regte am 14./15. Februar 2012 bei der Beklagten an, den Kläger im Hinblick auf das Fußballspiel der 3. Bundesliga zwischen … … und dem VfL … am 25.02.2012 um 13:30 Uhr im …-Stadion an der … Straße in … zu verpflichten, sich an diesem Tag um 13:15 Uhr, 14:15 Uhr und 15:30 Uhr auf der zuständigen Polizeidienststelle zu melden. Die Polizeiinspektion … begründete diese Anregung damit, dass der Kläger in der Vergangenheit in Verbindung mit Fußballspielen des VfL … sicherheitsrelevant und strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Er gehöre der „Ultra-Szene“ des VfL … an und werde der „Fan-Kategorie B“ (unter Umständen gewaltbereit) zugeordnet. Ein sicherheitsrelevanter Vorfall unter Beteiligung des Klägers im Zusammenhang mit Fußballspiel habe sich am 10. September 2011 ereignet, als eine Gruppe von VfL …-Fans in Vermummung (Sturmhauben) auf einen fußläufigen Zug der … Fans zugelaufen sei und bengalisches Feuer auf ein Einsatzfahrzeug der Polizei geworfen habe. Unter den 28 VfL-Fans, die seinerzeit in Gewahrsam genommen worden seien, sei auch der Kläger gewesen. U.a. legte die Polizeiinspektion … der Beklagten den Beschluss des Amtsgerichts … vom 10. September 2011 (1 AR 487/11) vor, mit dem dieses die Ingewahrsamnahme des Klägers durch die Polizei … vom heutigen Tage für zulässig erklärte.

Die Beklagte verpflichtete den Kläger durch Bescheid vom 15. Februar 2012 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, sich am Samstag, 25. Februar 2012 um 13:15 Uhr, 14:15 Uhr sowie 15:30 Uhr bei der Polizeistation in … zu melden. Zugleich setzte die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro für jeden nicht beachteten Meldetermin an; dieses Zwangsgeld drohte sie hiermit ausdrücklich an. Die Beklagte stützte die Anordnung auf § 11 Nds. SOG. Sie diene der Abwehr einer Gefahr, die darin bestehe, dass es am Rande von Spielen des VfL … durch gewalttätige Auseinandersetzungen von Hooligans zu einer Verletzung von Rechtsgütern kommen könne, die durch die öffentliche Sicherheit geschützt würden, wie beispielsweise die Gesundheit der an den Auseinandersetzungen Beteiligten oder auch von unbeteiligten Zuschauern und Passanten. Es bestehe hier die konkrete Gefahr, dass es durch den Kläger in absehbarer Zeit zu einem Schaden für die öffentliche Sicherheit kommen könne. Diese Prognose folge aus dem Tatsachenwissen, das sie zum Zeitpunkt ihres Einschreitens habe. Es lägen hier ausreichende Anhaltspunkte für eine vom Kläger ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Hinblick auf das Fußballspiel am 25. Februar 2012 vor.

Noch vor dem Erlass des Bescheides hatte der zuständige Mitarbeiter der Beklagten (wohl am 15. Februar 2012) dem Kläger telefonisch den Sachverhalt mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass eine „Meldeauflage“ für ihn am 25. Februar 2012 erwogen werde.

Die Polizeiinspektion … informierte die Beklagte telefonisch am 24. Februar, dass das Fußballspiel zwischen … … und dem VfL … am 25. Februar nicht stattfinden werde. Der zuständige Mitarbeiter der Beklagten teilte daraufhin dem Kläger am gleichen Tage telefonisch mit, dass sich die „Meldeauflage“ für den 25. Februar 2012 erledigt habe. Zugleich wies er ihn daraufhin, dass für die Nachholung dieses Fußballspiels eine erneute „Meldeauflage“ für den Kläger in Betracht komme (s. „Gesprächsnotiz“ vom 24. Februar 2012, Beiakte A).

Da das Fußballspiel der 3. Bundesliga zwischen … … und dem VfL … im …stadion in Münster auf den 3. April 2012 um 18:30 Uhr verlegt wurde, regte die Polizeiinspektion … mit Schreiben vom 2. März 2012 bei der Beklagten erneut eine „Meldeauflage“ für den Kläger nunmehr für den 3. April 2012 (18:15 Uhr, 19:15 Uhr und 20:30 Uhr) an.

Die Beklagte verpflichtete den Kläger durch am 13. März 2012 bekanntgegebenen Bescheid vom 12. März 2012 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, sich am 3. April 2012 um 18.15 Uhr, 19:15 Uhr und 20:00 Uhr bei der Polizeistation …, … Straße ../.. zu melden. Zugleich setzte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro für jeden nicht beachteten Meldetermin fest; dieses Zwangsgeld drohe sie hiermit ausdrücklich an. Zur Begründung dieser Maßnahme wiederholte die Beklagte die Erwägungen aus ihrem Bescheid vom 15. Februar 2012.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten unter dem 22. März 2012 mit, dass aus ihren Akten nicht hervorgehe, dass der Kläger tatsächlich der Ultra-Scene des VfL … angehöre und der Fan-Kategorie B zuzuordnen sein. Bei dem einzigen erwähnten Vorfall vom 10. September 2011 sei der Kläger rechtswidrig in Gewahrsam genommen worden, was jetzt in einem Strafverfahren geklärt werde. Jedenfalls sei er seinerzeit nicht vermummt gewesen und habe auch keine bengalischen Feuer geworfen. Er sei zwar ein großer Anhänger des VfL … und fahre auch zu Auswärtsspielen mit. Es entbehre jedoch jeder Grundlage, ihn als eventuell gewaltbereit einzuordnen.

Die Beklagte wies durch Schreiben vom 27. März 2012 die Bitte des Prozessbevollmächtigten des Klägers, die „Meldeauflage“ für den 3. April 2012 aufzuheben, zurück. Nach einer Rücksprache mit der Polizeiinspektion … sehe sie keinen Anlass, den Bescheid vom 12. März 2012 zurückzunehmen. Ausweislich einer Gesprächsnotiz vom gleichen Tage habe ein Mitarbeiter der Polizei … telefonisch mitgeteilt, dass der Kläger hinsichtlich der Anklage wegen Landfriedenbruchs vor Gericht nicht ausgesagt habe und auch die Möglichkeit der Anhörung bei der Polizei nicht wahrgenommen habe.

Der Kläger hat am 13. April 2012 Klage erhoben.

Zur Begründung ergänzt er sein bisheriges Vorbringen wie folgt: Aufgrund des Vorfalls vom 10. 2011 sei ein extremer Fan von … … vom Landgericht … zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die - von ihm erfüllte - Meldeauflage sei rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe das gutbürgerliche Umfeld des Klägers nicht überprüft. Sein Vater sei Inhaber eines Autohandels nebst Werkstatt und Tankstelle, seine Mutter leite einen Kindergarten und er selbst mache gerade Abitur am Gymnasium in … . Er sei noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten, spiele im örtlichen Fußballverein und sei auch sonst sozial engagiert. Die Beklagte habe lediglich die Entscheidung der Polizeiinspektion … übernommen. Seinerzeit seien für das Spiel in Münster die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, so dass die Meldeauflage für den Kläger schon unverhältnismäßig gewesen sei. Er wolle verhindern, dass er weiterhin zur „Fan-Kategorie B“ (unter Umständen gewaltbereit) gerechnet werde und noch weitere Maßnahmen zu erwarten habe.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ihren Bescheid vom 12. März 2012 und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen; sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Erledigung tritt ein durch den Wegfall der beabsichtigten Regelungswirkung des Bescheides. Fälle der Erledigung eines Verwaltungsaktes sind in § 43 Abs. 2 VwVfG genannt. Danach bleibt ein Verwaltungsakt u. a. wirksam, solange und soweit er sich nicht durch Zeitablauf erledigt hat. Letzteres ist hier der Fall, da sich die angefochtene Regelung der Beklagten vom 12. März 2012 am 3. April 2012 mit dem letzten Meldetermin für den Kläger (20:00 Uhr) erledigt hat.

Der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 steht auch das besondere Feststellungsinteresse nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zur Seite. Dafür genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Einzelfalles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art. Die typischen Fälle eines solchen „Fortsetzungsfeststellungsinteresses“ sind die Präjudizialität der Klage für Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche, hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr und Aspekte der Rehabilitierung bei einem Verwaltungsakt diskriminierenden Charakters. Zu Recht beruft sich der Kläger hier auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr. Diese wird dadurch belegt, dass die Beklagte daran festhält, dass der Kläger der „Fan-Kategorie B“ (unter Umständen gewaltbereit) und der „Ultra-Szene“ des VfL … zuzurechnen sei. Die Befürchtung des Klägers, die Beklagte könne gegen ihn erneut Meldeauflagen wie durch den Bescheid vom 12. März 2012 verhängen, ist bei einer verständigen Betrachtungsweise und aufgrund der Erklärungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2012 nicht von der Hand zu weisen. Daneben dürfte es auch ein Interesse des Klägers an seiner Rehabilitierung geben, sollte die Beklagte ihn zu Unrecht der „Fan-Kategorie B“ und der „Ultra-Szene“ des VfL … zuordnen.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 ist rechtswidrig gewesen und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Der Bescheid ist schon aus formellen Gründen rechtswidrig. Die Beklagte hat den Kläger vor dessen Erlass entgegen § 28 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG nicht angehört.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakte erlassen wird, der in die Rechte des Beteiligten eingreift. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht, ihn für den 3. April 2012 zur Meldung bei der Polizeistation … zu verpflichten, angehört hat. Das Gericht hat erwogen, ob die Anhörung des Klägers wegen dieser Maßnahme darin zu sehen sein könnte, dass der Kläger sich gegen die vorangegangene weitgehend inhaltsgleiche Verfügung vom 15. Februar 2012 nicht gewehrt hat. Diesem Gedanken ist indes nicht näher zu treten, da der Kläger hierzu keinen Anlass hatte, weil diese Verfügung durch die Verlegung des Spieles VfL … gegen …-… gegenstandslos geworden. Dies ist auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte den Kläger wohl noch vor Erlass der Verfügung vom 15. Februar 2012 in groben Zügen über den maßgeblichen Sachverhalt und die geplante Maßnahme unterrichtet hat. Hierin ist indes keine Anhörung i.S.v. § 28 VwVfG zu sehen. Der Kläger hat nach der übereinstimmenden Schilderung der Beteiligten von diesem Telefongespräch dadurch nicht die Gelegenheit erhalten, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Belange, die gegen eine „Meldeauflage“ am 25. Februar 2012 sprechen könnten, vorzubringen. Dazu wäre indes im Hinblick auf den Termin des Fußballspiels am 25. Februar 2012 noch hinreichend Zeit gewesen.

Ebenso wenig sieht das Gericht in dem weiteren Telefongespräch der Beklagten mit dem Kläger am 24. Februar 2012 dessen Anhörung im Hinblick auf die Verfügung vom 12. März 2012. Dem Kläger ist darin nur unbestimmt in Aussicht gestellt worden, dass bei der Durchführung des fraglichen Fußballspiels eine „Meldeauflage“ gegen ihn wieder in Betracht komme. Weder der genaue Zeitpunkt des Fußballspiels noch die Einzelheiten der „Meldeauflage“ vom 12. März 2012 konnten naturgemäß Gegenstand des Telefongesprächs der Beteiligten am 24. Februar 2012 sein.

Eine Anhörung i.S.v. § 28 Abs. 1 VwVfG ist auch nicht in dem vorprozessualen Schriftwechsel zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers (eingeleitet durch dessen Schreiben vom 22. März 2012) und der Beklagten zu sehen. Zwar ist grundsätzlich die Anhörung vor dem Erlass der fraglichen Entscheidung durchzuführen. Indes kann eine fehlende Anhörung gemäß § 45 Abs. 2 und 1 Nr. 3 VwVfG (bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) nachgeholt werden. Diese Möglichkeit ist hier im Hinblick auf den vorbezeichneten Schriftwechsel im Ergebnis nicht in Betracht zu ziehen. Sie wurde nicht von der Beklagten eingeleitet und eröffnete dem Betroffenen auch nicht wie bei einer ordnungsgemäßen Anhörung die Änderung des fraglichen Verwaltungsakts durch das Einbringen seiner Belange. Die Aktenlage spricht eindeutig dagegen, dass die Beklagte „ergebnisoffen“ in diesem Sinne mit den Einwänden des Prozessbevollmächtigten des Klägers umgegangen ist. Sie hat lediglich bei der Polizeiinspektion … nachgefragt und von dieser die Auskunft erhalten, dass diese an der Einschätzung der Gefahrenlage festhalte. Die Beklagte hat auf dieser Grundlage ihre Verfügung vom 12. März 2012 durch das Schreiben vom 27. März 2012 nur wiederholend verteidigt. Vom Ansatz her ist es zwar nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich auf die polizeilichen Auskünfte verlässt. Die Behörde hat grundsätzlich keinen Grund ohne weiteres an der Korrektheit der schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse der polizeilichen Szene kundigen Beamten zu zweifeln. Durch jahrelange Beobachtung der Hooligan-Szene sowie durch die Sachbearbeitung aller Delikte rund um Fußballspiele verfügen szenekundige Beamte über eine umfassende Personenkenntnis und dürften Problemfans differenziert beurteilen können (s. VG Meiningen, Urteil vom 8. Februar 2011 - 2 K 253/09 ME - zitiert nach juris, m.w.N.). Grundsätzlich genügt für die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Hinblick auf die Frage, ob ihr mit einer Meldeauflage für einen Fußballfan zu begegnen ist, die Zugehörigkeit dieser Person zur Hooligans-Szene. Die Straftaten von Hooligans im weiteren Zusammenhang mit Fußballspielen haben ein typisches Erscheinungsbild und stellen sich als ein Deliktstyp dar, der aus der homogenen Gruppe heraus iniziiert und gesteigert wird, und der schon durch die Gegenwart von Gleichgesinnten befördert wird (VGH München, Beschluss vom 9. Juni 2006 - 24 CS 06.1521 - zitiert nach juris).

Auch unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es indes zu beanstanden, dass die Beklagte hier den Kläger nicht zu der beabsichtigten Meldeauflage angehört hat. Sie hätte ihm Gelegenheit geben müssen, zu dem insoweit maßgeblichen tatsächlichen Vorwurf - den Vorfällen vom 10. September 2011 - Stellung nehmen zu können. Es ist beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass der Kläger dann durch geeignete Nachweise (durch glaubwürdige Zeugen z. B.) hätte belegen können, dass er sich (beispielsweise durch die Mitarbeit in "Fanprojekten") von der gewaltbereiten Fanszene des VfL … abgewendet hätte. Es ist auch denkbar, dass er seine Ortsabwesenheit für den 3. April 2012 auf eine Weise hätte belegen können, dass seine Anwesenheit in … an diesem Tage ausgeschlossen sei (beispielsweise Vorlage von Unterlagen für eine Fernreise). Möglicherweise hätte ggfs. auch sein Arbeitgeber bestätigt, dass er am 3. April 2012 wegen eines "Jobs" auf keinen Fall in Münster hätte sein können. Ob solche oder vergleichbare Umstände der streitgegenständlichen Anordnung hätten entgegenstehen können, braucht hier nicht geklärt zu werden - jedenfalls hätte die Beklagte sie in ihre Ermessenserwägungen aufnehmen müssen. Diesen Überlegungen steht nicht entgegen, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren solche oder ähnliche Tatsachen vorgetragen hat. Abzustellen ist insoweit bei der rechtlichen Überprüfung einer Maßnahme der Gefahrenabwehr ist auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier: Bescheid der Beklagten vom 13. März 2012 - abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Beklagte nicht wissen, welche Belange zugunsten des Klägers gegen eine „Meldeauflage“ streiten. Unerheblich ist mithin, was der Beklagten nach dem 13. März 2012 diesbezüglich bekanntgeworden ist. Auch aufgrund der Pflicht der Beklagten, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, war es wohl geboten, den Kläger zu der „Meldeauflage“ für den 3. April 2012 anzuhören.

Die Voraussetzung für ein ausnahmsweises Absehen von der Anhörung des Klägers sind hier nicht erfüllt. Ernsthaft kommt hier lediglich die Anwendung von § 28 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Betracht. Danach kann von einer Anhörung insbesondere abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Gefahr im Verzug im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die durch den Verwaltungsakt zu treffende Regelung zu spät käme, um ihren Zweck zu erreichen, was in jedem Einzelfall „ex ante“ zu beurteilen ist (BVerwGE, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 3 C 27/82 -, juris zu der gleichlautenden bayerischen Vorschrift). Es ist weder vorgetragen noch im Hinblick auf die Zeit zwischen polizeilicher Anregung der „Meldeauflage“ (7. März 2012) und dem Fußballbeispiel am 3. April 2012 ansatzweise ersichtlich, dass die Voraussetzungen hier erfüllt sein könnten.

Die Anhörung ist auch nicht mit der Kommunikation der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren nachgeholt. Die Anhörung gemäß § 28 VwVfG kann ihren verfahrensrechtlichen Zweck regelmäßig nur dann vollständig erfüllen, wenn sie vor dem Erlass der Entscheidung stattfindet. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie in Niedersachsen gemäß § 8 a Abs. 1 Nds. AGVwGO - ein Widerspruchsverfahren, in dessen Rahmen die unterbliebene Anhörung regelmäßig nachgeholt werden kann, nicht mehr stattfindet. Wenn es das Gesetz dennoch zulässt, die Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachzuholen, so sind an diese Heilung erhebliche Anforderungen gemäß Sinn und Zweck der Anhörung zu stellen. Es reicht somit nicht aus, wenn im Gerichtsverfahren - wie hier - das Gericht den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und sie auf diesem Wege ihre Auffassungen zur streitigen Maßnahme austauschen. Eine Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren setzt ein formelles Verfahren neben dem bzw. außerhalb des gerichtlichen Verfahrens voraus, das ggf. vorübergehend ausgesetzt werden kann. Eine Heilung des Verfahrensmangels kann jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn die Behörde dem Bürger im Klageverfahren eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme zum Erlass des Verwaltungsakts einräumt und danach klar zu erkennen gibt, ob und in welcher inhaltlichen Reichweite sie nach erneuter Prüfung weiter an dem Verwaltungsakt festhält. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 mit der Kommunikation der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren nicht erfüllt (s. zu alledem Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011 - 7 A 1212/09 -, juris).

Schließlich dürfte das Unterlassen der Anhörung auch nicht gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sein. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er u. a. unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dabei lässt das Gericht offen, ob diese Vorschrift bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage überhaupt anwendbar ist. Die Nachholung einer unterlassenen Anhörung ist nur in einem Verwaltungsverfahren möglich, das geeignet ist, zu einer Änderung des betroffenen Verwaltungsaktes zu führen. Dies ist bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht möglich, da sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt hat (s. hierzu VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 -, a.a.O., m.w.N.). Es scheint zudem sehr fraglich, ob die Voraussetzungen von § 46 VwVfG hier erfüllt sind. Zum einen ist erforderlich, dass jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass bei einer Anhörung des Klägers vor dem Bescheid vom 12. März 2012 die Entscheidung (Meldeauflage für den 3. April 2012) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hätte anders ausfallen können. Zum anderen muss es auch offensichtlich sein, dass eine Anhörung des Klägers die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Es muss mithin jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen sein, dass es bei Vermeidung des Fehlers zur selben Entscheidung in der Sache gekommen wäre (s. Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011 - 7 A 1212/09 - juris, sowie VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 -, jeweils juris und m.w.N.). Das scheint vorliegend zweifelhaft. Zwar mag im Hinblick auf die Stellungnahmen der Polizeiinspektion … und das Schreiben der Beklagten vom 27. März 2012 vieles dafür sprechen, dass auch eine Anhörung des Klägers, in der dieser die nunmehr im gerichtlichen Verfahren gegen die Meldeauflage angeführten Gründe hätte vortragen können, die Beklagte nicht zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätte. Gleichwohl ist die Möglichkeit einer anderen Entscheidung im Rechtssinne hier nicht auszuschließen. Bei der streitigen Verfügung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die Anhörung sicherstellen soll, dass der von der beabsichtigten Maßnahme Belastete seine Belange in die Entscheidung einbringen soll (s. Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011, a.a.O. - a.A. wohl VG Meiningen, Urteil vom 8. Februar 2011 - 2 K 453/09 - zitiert nach juris). Zur Vermeidung von Missverständnissen sei klargestellt, dass die Feststellung, der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 sei rechtswidrig, allein auf diesen formellen Erwägungen beruht. Das Gericht hält es ausdrücklich für möglich, dass eine Meldeauflage der hier streitigen Art für den Kläger nach ordnungsgemäßer Anhörung rechtmäßig sein könnte.

Mit der Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 zu Nr. 1 seines Tenors rechtswidrig gewesen ist, wird auch die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,00 Euro für jeden nicht beachteten Meldetermin (Nr. 3 des Tenors) hinfällig. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es rechtlich bedenklich erscheint, dass die Beklagte die Festsetzung des Zwangsgeldes mit dessen Androhung und der Verfügung selbst verbindet. Ein Zwangsgeld ist regelmäßig erst dann festzusetzen, wenn der Betroffene die Verfügung gegen ihn nicht beachtet. Im Falle mehrerer „Meldeauflagen“ über eine Zeit von wenigen Stunden dürfte es in der Regel kaum zulässig sein, ein solches Zwangsgeld festzusetzen und beizutreiben, weil die „Meldeauflage“ sich mit dem letzten Meldetermin erledigt hat. Das Zwangsgeld kann dann seinen Zweck, dem Willen des Adressaten zu beugen, nicht mehr erfüllen (s. Rachor, in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, S. 704 m.w.N.).