Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.01.2012, Az.: 14 K 47/10
Ein auf einer Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters beruhender Veräußerungsgewinn und die dadurch ausgelöste Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.01.2012
- Aktenzeichen
- 14 K 47/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 29863
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2012:0119.14K47.10.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: III R 16/12
Rechtsgrundlagen
- § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
- § 148 InSO
- § 159 InsO
Amtlicher Leitsatz
Die durch einen Veräußerungsgewinn ausgelöste Einkommensteuer, die auf einer Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters beruht, stellt eine Masseverbindlichkeit dar.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein im Streitjahr erzielter Veräußerungsgewinn eine Masseverbindlichkeit darstellt.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des W. (Insolvenzschuldner). Das Insolvenzverfahren wurde am 29.12.2006 eröffnet. Zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehörte u.a. ein Hotelgebäude nebst Inventar. Dieses hat der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter mit notariellem Vertrag vom 27.4.2007 veräußert. Den sich hieraus ergebenden Veräußerungsgewinn i.H.v. ... ... EUR berücksichtigte das FA in dem gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter ergangenen Einkommensteuerbescheid 2007 vom 14.9.2009.
Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch wandte sich der Kläger gegen die Behandlung des Veräußerungsgewinns als Masseverbindlichkeit. Zwar sei der Veräußerungsgewinn der Höhe nach unstreitig; vorliegend handele es sich aber um die Aufdeckung stiller Reserven, die ausschließlich bis zum Insolvenzstichtag entstanden seien. Die daraus resultierende Steuerforderung sei keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Insolvenzforderung, die zur Insolvenztabelle anzumelden sei.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 18.1.2010 als unbegründet zurück. Er blieb bei seiner Auffassung, dass die vom Kläger als Insolvenzverwalter durch Veräußerungsgewinne des Insolvenzschuldners realisierte Einkommensteuerschuld nicht zu den Insolvenzforderungen gehöre, und damit als Masseverbindlichkeit nicht zur Insolvenztabelle anzumelden sei. Die Einkommensteuerschuld beruhe im Streitfall auf der Verwertung der Masse durch den Kläger; dieser habe mit der Veräußerung des Grundstücks seiner Verpflichtung zur Versilberung der Insolvenzmasse (§ 148 i.V.m. § 159 Insolvenzordnung - InsO) mit der Folge genügt, dass die damit in Zusammenhang stehende Einkommensteuerschuld grundsätzlich einen Masseanspruch darstelle.
Der Begriff der stillen Reserven stehe nicht eindeutig fest. Er bezeichne die Differenz zwischen dem Buchwert eines Wirtschaftsguts und einem anderen, höheren Wert. Im Streitfall sei davon auszugehen, dass das Grundstück inklusive Inventar bereits bei Insolvenzeröffnung einen seinen Buchwert übersteigenden Verkehrswert gehabt und in diesem Sinne über stille Reserven verfügt habe. Dies sei jedoch nicht ausschlaggebend. Der Insolvenzschuldner habe im Streitfall seinen Gewinn durch Bestandsvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG ermitteln müssen. Ob dieser Gewinn vor oder nach der Insolvenzeröffnung erzielt wurde, hänge davon ab, in welchem Zeitpunkt die einzelnen Geschäftsvorfälle wirksam geworden seien, d.h. zu einer Veränderung des Betriebsvermögens geführt hätten.
Erst zu diesem Zeitpunkt seien auch stille Reserven mit steuerlicher Wirkung realisiert worden. Das Halten von stillen Reserven allein erfülle noch kein Besteuerungsmerkmal. Deshalb könnten die erst in einem auf die Insolvenzeröffnung folgenden Veranlagungszeitraum erzielten Veräußerungsgewinne, mit denen stille Reserven realisiert wurden, nicht die Einkommensteuerschuld des Jahres der Insolvenzeröffnung erhöhen und als vorinsolvenzlich begründet angesehen werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 29.3.1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602).
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger sein bisheriges Begehren weiterverfolgt. Er verweist darauf, dass er das mit einem Hotelgebäude bebaute streitige Grundstück mit allen sonstigen wesentlichen Bestandteilen und Zubehör durch notariellen Vertrag vom 27.4.2007 an W. zu einem Kaufpreis von 1.550.000 EUR veräußert habe. Hierin sei das Inventar mit einem Wert von 73.780 EUR enthalten gewesen. Im Grundbuch des zuständigen Amtsgerichts seien in Abteilung III lfd. Nr. 2-12 für die Sparkasse Grundschulden i.H.v. 4,9 Mio DM, für I. W. Grundschulden i.H.v. 350.000 EUR sowie für den Beklagten Sicherungshypotheken i.H.v. 211.219,81 EUR eingetragen gewesen. Insoweit habe es sich um Absonderungsrechte gehandelt. Unter Berücksichtigung dieser Absonderungsrechte sei zwischen dem Kläger und den Absonderungsberechtigten folgende Aufteilung vereinbart worden:
- Sparkasse | 1.420.000 EUR |
---|
- FA | 30.000 EUR |
---|
- Kläger als Insolvenzverwalter | 100.000 EUR |
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1.550.000 EUR
Der auf den Kläger entfallende Teilkaufpreis i.H.v. 100.000 EUR sei am 27.6.2007 von D. W. bezahlt worden. Der erzielte Veräußerungsgewinn i.H.v. 586.784,32 EUR sei der Gestalt ermittelt worden, dass dem verkauften Anlagevermögen (1.550.000 EUR) die abgegangenen Buchwerte (963.215,68 EUR) gegenübergestellt worden seien (wegen der genauen Ermittlung wird auf Bl. .. FG-Akte verwiesen). Der errechnete Veräußerungsgewinn sei jedoch gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter nur i.H.v. 100.000 EUR bei den Besteuerungsgrundlagen zu berücksichtigen. Insoweit werde der Aufteilung der Einkommensteuerschuld Rechnung getragen. In dem BFH-Urteil vom 29.3.1984 IV R 271/83 sei sinngemäß ausgeführt, dass die bei der Verwertung durch die Aufdeckung stiller Reserven entstehende Einkommensteuer nur insoweit als Masseverbindlichkeit i.S.v. Massekosten zu bewerten sei, als der Erlös in die Insolvenzmasse fließe, die Masse also bereichert werde. Nur die auf den zur Masse gelangten Mehrerlös entfallende Steuerschuld werde zur Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO. Daher habe die Geltendmachung der Teilbeträge aus der Aufteilung der Jahressteuerschuld gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter durch Einkommensteuerbescheid für 2007 (Masseverbindlichkeit) und durch Anmeldung zur Insolvenztabelle (Berechnung für 2007, Insolvenzforderung) zu erfolgen.
Aufteilungsmaßstab sei das Verhältnis des Veräußerungserlöses zum Veräußerungsgewinn nach folgender Formel:
586.784,32 x 100
---------------------- = 37.857,05 EUR
1.550.000
Die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn sei mit 6,45% als Masseverbindlichkeit und mit 93,55% als Insolvenzforderung zu berücksichtigen. Unstreitig sei die Einkommensteuerschuld nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln. Insolvenzrechtliche Bestimmungen könnten nicht dazu führen, dass Besteuerungsgrundlagen und die Steuer selbst nach anderen als einkommensteuerlichen Vorschriften festgesetzt werden. Wenn der Veräußerungswert eines Wirtschaftsguts dessen Buchwert übersteige, sei der sich ergebende Gewinn in dem Bemessungszeitraum zu erfassen, in dem die Realisierung erfolge. Gleichwohl sei unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten nicht der Zeitpunkt der Realisierung der stillen Reserven (Veräußerungszeitpunkt) von Bedeutung im Hinblick auf die Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit.
Soweit stille Reserven im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (wie vorliegend) bereits vorhanden seien, handele es sich um tatsächlich bereits erzielte Gewinne, die jedoch noch nicht realisiert worden seien. Bei späterer Veräußerung des Wirtschaftsguts werde dieser Gewinn zwar realisiert, trage aber zur Vermehrung der Masse nicht bei. Insolvenzrechtlich liege nur eine Reduzierung der Bilanzsumme vor, indem sowohl das bisherige Massevermögen als auch die bisherigen Verbindlichkeiten sinken würden. Das Aufdecken der stillen Reserven nach Insolvenzeröffnung sei steuerlich, aber nicht insolvenzrechtlich von Bedeutung. Die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer könne daher grundsätzlich eine Insolvenzforderung darstellen.
Die Auffassung des Beklagten, dass eine Einkommensteuerforderung überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden könnte, wenn nur ein konkreter Geldzufluss in die Insolvenzmasse zur Masseverbindlichkeit führe, sei unzutreffend. Die Besteuerung von Gewinnen aus der Aufdeckung stiller Reserven, die zu Einkommensteuerforderungen führten, könne zur Insolvenztabelle als Insolvenzforderung angemeldet werden und werde bei Abschluss des Insolvenzverfahrens i.d.R. mit einer Quote bedacht und somit allen anderen Insolvenzforderungen gleichgestellt. Die Besteuerung von Buchgewinnen im Insolvenzverfahren sei schon deshalb vom Grund her nicht gefährdet, weil die nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten ermittelte Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Insolvenzrechtlichen Vorschriften Insolvenzforderung oder auch Masseverbindlichkeit bleibe.
Der BFH habe in seinem Urteil vom 18.5.2010 X R 60/08, BStBl II 2011, 429 [BFH 18.05.2010 - X R 60/08] eine Unterscheidung getroffen in "echte Gewinne", die z.B. aus der Weiterführung eines Betriebs nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter entstehen und Buchgewinne, die z.B. durch Auflösung von Rückstellungen entstehen können (hier als "unechte Gewinne" bezeichnet). Beide "Gewinnarten" könnten zu Masseverbindlichkeiten führen. Ob vorab zu befriedigende Masseverbindlichkeiten entstehen, hänge von weiteren, zu erfüllenden Kriterien ab. Im Streitfall gehe es nicht um die Stornierung eines vermeintlichen Aufwands. Hier habe zu keinem Zeitpunkt ein fiktiver Aufwand zu einer Reduzierung des Gewinns und damit der Einkommensteuerschuld geführt. Für die Einordnung der Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung komme es nicht darauf an, wie der Gewinn entstanden sei, sondern dass der Gewinn nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Nur wenn diese Bedingung erfüllt sei, stelle sich die Frage nach der Zuordnung zu den Masseverbindlichkeiten bzw. Insolvenzforderungen.
Eine Bereicherung der Insolvenzmasse könne in der Verminderung der sie treffenden Verpflichtungen gesehen werden. Ein tatsächlicher Wertzufluss durch die Gewinnfeststellung einer Personengesellschaft sei nicht erforderlich. Im vorliegenden Rechtsstreit liege eine Bereicherung der Insolvenzmasse durch eine Gewinnfeststellung bei einer Personengesellschaft unstreitig nicht vor. Hier könnte die Bereicherung der Insolvenzmasse durch die Veräußerung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Vermögensgegenstandes entstehen. Ein Absonderungsrecht werde u.a. durch Grundpfandrechte begründet, § 49 InsO. Vorliegend habe sich eine Gläubigerin zur Absicherung ihrer Forderung eine Grundschuld eintragen lassen. Dadurch habe sie ein Recht auf eine vorzugsweise Befriedigung ihrer Forderung durch den Verwertungserlös des mit einem Absonderungsrecht belasteten Vermögensgegenstands erlangt. Diese abgesonderte Befriedigung stelle eine Bereicherung der Masse durch den Wegfall der Insolvenzforderung dar. Eine aus der Verwertung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Vermögensgegenstands resultierende Einkommensteuer richte sich gegen die Masse (Frotscher, 6. Aufl., S. 127).
Fraglich sei, inwieweit diese Einkommensteuerschuld eine Masseverbindlichkeit oder eine Insolvenzforderung darstelle. Ausschlaggebend hierfür sei die Zuordnung des veräußerten Vermögensgegenstands und des daraus resultierenden Einkommensteueranspruchs zu der entsprechenden insolvenzrechtlichen Vermögensmasse. Zivilrechtlich bestehe eine unanfechtbare Verknüpfung des mit einem Absonderungsrecht belasteten Vermögensgegenstands zu der dadurch abgesicherten Forderung. Folglich sei der Vermögensgegenstand und damit die aus der Verwertung resultierende Einkommensteuer auf die Insolvenzforderung bezogen und somit der vorinsolvenzrechtlichen Vermögensmasse zuzuordnen.
Im Streitfall sei die Veräußerung des mit einem Absonderungsrecht behafteten Vermögensgegenstands durch den Kläger als Insolvenzverwalter erfolgt. Ein Teil des Veräußerungserlöses sei an die absonderungsberechtigte Gläubigerin ausgekehrt worden. Der Verwertungserlös habe nicht zur vollständigen Befriedigung der Insolvenzforderung ausgereicht. Auch der Kläger als Insolvenzverwalter habe einen geringen Anteil vom Verwertungserlös als "Aufwandsentschädigung" erhalten. Nur der auf diesen Anteil entfallende Einkommensteueranspruch stelle eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO dar (BFH-Urteil v. 29.3.1984 IV R 271/83). Die Auskehrung an die absonderungsberechtigte Gläubigerin beziehe sich auf eine Insolvenzforderung und sei damit der vorinsolvenzrechtlichen Vermögensmasse zuzuordnen, so dass die auf diesen Vermögensanteil entfallende Einkommensteuer eine Insolvenzforderung gem. § 38 InsO darstelle.
Der Kläger beantragt,
die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2007 auf ./. ... EUR herabzusetzen und die Einkommensteuer auf 0 EUR festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bleibt bei seiner Auffassung, dass die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer in vollem Umfang als Masseverbindlichkeit zu berücksichtigen sei. Eine Steuerforderung stelle eine Insolvenzforderung dar, soweit es sich um einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch handele. Stille Reserven seien erst im Zeitpunkt der Veräußerung realisiert, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden habe. Die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer könne daher grundsätzlich nicht (auch nicht teilweise) eine Insolvenzforderung darstellen. Da hier auch keine Zuordnung zum insolvenzfreien Vermögen möglich sei, müsse zwingend eine Masseverbindlichkeit vorliegen. Weil sich durch die Veräußerung die bisher bilanzierten Verbindlichkeiten reduzieren würden, liege insoweit auch eine "Bereicherung" der Masse vor.
Würde man einen konkreten Geldzufluss in die Insolvenzmasse zur Voraussetzung für den Ansatz der Einkommensteuerforderung als Masseverbindlichkeit machen, könnte die Einkommensteuerforderung überhaupt nicht geltend gemacht werden. Dies würde dazu führen, dass die Besteuerung von Buchgewinnen während des Insolvenzverfahrens ganz allgemein entfiele. Mit Urteil vom 18.5.2010 X R 60/08 habe der BFH einen Gewinnanteil eines insolventen Mitunternehmers als Masseverbindlichkeit auch für den Fall eingeordnet, dass die Insolvenzmasse durch den Gewinnanteil nicht vermehrt werde. Damit habe der BFH der Auffassung des Klägers, dass Einkommensteuer, die aus der Aufdeckung stiller Reserven nach Eröffnung resultiere, als Insolvenzforderung anzusehen sei, da die entsprechende Steuer schon vor Verfahrenseröffnung bei der Legung der Reserven begründet worden sei, eine Absage erteilt. Weiterhin habe der BFH festgestellt, dass es für die Qualifikation der Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit nicht darauf ankomme, ob der Insolvenzmasse die Erträge, die die Entstehung der Einkommensteuer verursacht haben, in Form einer Liquiditätsmehrung zu Gute kommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Einkommensteuer 2007 stellt - soweit sie auf den Gewinn aus der Veräußerung des Hotelgebäudes entfällt - eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar.
1. Nach dieser Vorschrift sind (sonstige) Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.
a) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Einkommensteuer ist vorliegend durch die vom Kläger vorgenommene Verwertung des streitigen Grundstücks begründet worden. Dieser ist mit der Veräußerung des Grundstücks seiner Verpflichtung zur Versilberung der Konkursmasse (§ 159 InsO) mit der Folge nachgekommen, dass die damit in Zusammenhang stehende Einkommensteuerschuld grundsätzlich eine Masse- und keine Insolvenzverbindlichkeit darstellt.
aa) Nach der noch zur Konkursordnung ergangenen Rechtsprechung des BFH stellt die durch die Auflösung stiller Reserven entstandene Steuerforderung eine Masseverbindlichkeit dar, wenn der in den Einkünften enthaltene Veräußerungserlös aus der Verwertung von Vermögensgegenständen zur Masse gelangt ist. Dies gilt auch dann, wenn durch die Veräußerung stille Reserven realisiert worden sind, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind (BFH-Urteil IV R 271/83, a.a.O.; vom 11.11.1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477). An dieser Betrachtungsweise hat sich durch die Neuregelung der Insolvenz durch die InsO nichts geändert (BFH-Urteil X R 60/08, a.a.O.; FG Düsseldorf, Urteil vom 2.2.2011 7 K 3953/10 E, EFG 2011, 1920.)
Zur Begründung seiner Rechtsauffassung führt der BFH an, dass die Frage, ob der Gewinn vor oder nach der Insolvenzeröffnung erzielt worden ist, davon abhänge, in welchem Zeitpunkt die einzelnen Geschäftsvorfälle erfolgswirksam geworden seien, d.h. zu einer Veränderung des Betriebsvermögens geführt hätten. Dieses aus der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte nach kaufmännischen Grundsätzen (§ 5 Abs. 1 EStG) abgeleitete Gewinnrealisierungsprinzip führe dazu, dass die Besteuerung von stillen Reserven, die in betrieblichen Wirtschaftsgütern enthalten seien, erst durch entsprechende Verwertungshandlungen ausgelöst werde. Das Ansammeln und Halten stiller Reserven sei hingegen einkommensteuerrechtlich irrelevant; ihre Erfassung in diesem Stadium der betrieblichen Vermögensbildung widerspräche sowohl dem Realisations- als auch dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Dies sei auch für die insolvenzrechtliche Beurteilung ausschlaggebend. Die mit der Versilberung der Insolvenzmasse in Zusammenhang stehende Einkommensteuerschuld stelle deshalb grundsätzlich eine Masseschuld und keine Insolvenzforderung dar (BFH-Urteil XI R 73/92, a.a.O., S. 479 unter 3.c.). Dem folgt der erkennende Senat.
bb) Nach einer in der Literatur vertretenen Gegenmeinung sind allerdings Steuerschulden aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden, soweit die aufgedeckten stillen Reserven vor Insolvenzeröffnung angesammelt worden sind. Zu den Masseverbindlichkeiten sollen sie insolvenzrechtlich nur insoweit gehören, als sie auf den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung entfallen (Roth, Insolvenz-Steuerrecht, Rn. 4.13 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 139 ff.; Sämisch/Adam, ZInsO 2010, 934, 937).
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen, denn das Halten von stillen Reserven erfüllt noch kein Besteuerungsmerkmal. Deshalb kann der erst in einem auf die Insolvenzeröffnung folgenden Veranlagungszeitraum erzielte Veräußerungsgewinn, mit dem stille Reserven realisiert wurden, nicht die Einkommensteuerschuld des Jahres der Insolvenzeröffnung erhöhen und als vorinsolvenzlich begründet angesehen werden (so BFH-Urteil vom 29.3.1984 IV R 271/83, a.a.O., S. 603 unter 2.b.).
cc) Im Streitfall ist der Veräußerungsgewinn erst durch die Veräußerung des Grundbesitzes - und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - realisiert worden. Erst zu diesem Zeitpunkt ist der Geschäftsvorfall erfolgswirksam geworden und hat zu einer Veränderung des Betriebsvermögens des Insolvenzschuldners geführt, denn dies ist bei gewinnbringenden Geschäften erst der Fall, wenn der Bilanzierende seine eigene Leistung erbracht hat (BFH-Urteil vom 5.5.1976 I R 121/74, BStBl II 1981, 398). Damit beruht die durch den Veräußerungsgewinn ausgelöste Einkommensteuerschuld auf einer Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters. Diese nach der Insolvenzeröffnung entstandene Einkommensteuerschuld stellt daher eine Masseverbindlichkeit dar.
b) Dem steht nicht entgegen, dass der veräußerte Grundbesitz im Streitfall Absonderungsrechten zweier Gläubiger unterlag und deswegen nur ein Kostenbeitrag von 100.000 EUR zur Insolvenzmasse gelangt ist.
aa) Zwar vertritt der BFH im Hinblick auf die Erfordernisse des Insolvenzverfahrens die Auffassung, dass die bei der Verwertung durch die Aufdeckung stiller Reserven entstehende Einkommensteuer nur insoweit als Masseverbindlichkeit zu bewerten sei, als der Erlös in die Insolvenzmasse fließe (BFH-Urteil IV R 271/83, a.a.O.). Demgegenüber kommt es nach der Gegenmeinung nicht darauf an, inwieweit ein Zufluss zur Insolvenzmasse zu verzeichnen sei (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern. 8. Aufl. 2010, Rn. 1493; Onusseit, ZIP 1986, 77, 84). Insoweit wird angeführt, dass die Masse bei der Verwertung eines Vermögensgegenstands keineswegs nur in Höhe des zugeflossenen Mehrerlöses bereichert werde, sondern auch durch den Wegfall der dem Absonderungsberechtigten zustehenden persönlichen Forderung gegen den Schuldner.
bb) Der Senat folgt der zuletzt vertretenen Meinung, denn wirtschaftlich stellt sich auch der Wegfall der Verbindlichkeiten der absonderungsberechtigten Gläubiger als Bereicherung der Masse dar. Unabhängig davon ist es auch zweifelhaft, ob es für die Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten auf die Vorteilhaftigkeit eines Geschäfts für die Insolvenzmasse ankommt (vgl. hierzu FG Düsseldorf, Urteil vom 19.8.2011 11 K 4201/10 E, a.a.O., [...]Ausdruck: Rdn. 57-59). Diese Frage konnte der Senat aber dahingestellt sein lassen, weil jedenfalls der Wegfall einer persönlichen Verbindlichkeit als Vorteil zu beurteilen ist.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision war zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO).