Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 10.10.2002, Az.: 3 A 1738/01

Behandlungsmethode; Beihilfe; Beihilfefähigkeit; Extrakorporale Stoßwellentherapie; Operation; Stoßwellentherapie; Verkalkung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
10.10.2002
Aktenzeichen
3 A 1738/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43626
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT).

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Die 1957 geborene Klägerin ist Finanzbeamtin. Sie leidet seit Jahren unter Beschwerden der rechten Schulter, die auf Verkalkungen zurückzuführen sind. Aufgrund dieser Beschwerden befand sich die Klägerin in entsprechender ärztlicher Behandlung.

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Erstmals mit Schreiben vom 14.05.2001 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Mitteilung, in welcher Höhe Aufwendungen für eine beabsichtigte Stoßwellentherapie beihilfefähig seien. Auf die Anfrage teilte das beklagte Amt mit Schreiben vom 17.5.2001 mit, dass diese Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausgenommen seien. Mit Schreiben vom 27. Mai 2001 wiederholte die Klägerin ihre Anfrage. Sie wies darauf hin, dass trotz regelmäßiger jahrelanger Dauerbehandlung der rechte Arm inzwischen nicht mehr voll belastbar sei. Zudem unterliege sie aufgrund der erforderlichen Medikamenteneinnahme vielen Einschränkungen. Mit weiteren Schreiben vom 25.6.2001 reichte die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Chirurgie D.. M. und einen Bericht des Facharztes für Orthopädie Dr. G. vom 29.5.2001 nach, in dem es nach Darstellung des Untersuchungsergebnisses zur Therapie heißt: „ESWT empfohlen, da seit Jahren therapieresistente Beschwerden bestehen“.

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Auf Veranlassung des beklagten Amtes wurde die Klägerin am 1.8.2001 im Gesundheitsamt Verden untersucht. Im Bericht des Amtsarztes vom gleichen Tage heißt es:

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„Bisher wurde auf konservativem Wege Lege artis versucht, den Verkalkungsherd zu beseitigen. Die Behandlung mit Krankengymnastik und Medikamentengabe brachte jedoch keinen eindeutigen Erfolg. Aus dem Bereich der Schulmedizin bieten sich weitere invasive Behandlungsmethoden wie das sogenannte Needling oder die arthroskopische Entfernung des Kalkdepots. Die Erfolgsaussicht des Needlings ist nach bisheriger Erfahrung jedoch nicht höher anzusetzen als die der ESWT; bei einem operativem Eingriff im Schulterbereich ist außerdem mit einem nicht unerheblichen Nachbehandlungsaufwand zu rechnen.

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Bei der beantragten extrakorporalen Stoßwellentherapie handelt es sich dagegen um eine nicht invasive konservative Behandlungsform, wobei auch hier keine 100 %ige Erfolgsgarantie gegeben werden kann.

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Aus meiner ärztlichen Sicht ist im vorliegenden Fall durchaus in Erwägung zu ziehen, ob trotz der nicht endgültigen Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden (invasive Methoden siehe oben) hier der beantragten Behandlungsmethode der Vorzug gegeben werden sollte, obwohl die Methode dem Grunde nach von Leistungen von Beihilfe ausgeschlossen und der Kostenaufwand nicht unerheblich ist.“

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Mit Schreiben vom 15.8.2001 teilte das beklagte Amt der Klägerin daraufhin mit, dass unter Berücksichtigung des amtsärztlichen Gutachtens die beabsichtigten Aufwendungen nicht als beihilfefähig anerkannt werden können, da nachweislich alle zur Verfügung stehenden wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden noch nicht erfolglos angewandt worden sind.

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Mit Antrag vom 2.10.2001 beantragte die Klägerin die Gewährung von Beihilfe. In den Aufwendungen ist eine Arztrechnung vom 28.9.2001 über 3.402,16 DM enthalten, die die Anwendung der ESWT betrifft. Von diesem Betrag erkannte das beklagte Amt einen Teilbetrag von 255,76 DM als beihilfefähig an und gewährte die Beihilfe; im übrigen würde die Anerkennung unter Hinweis auf die nicht wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode, für die Aufwendungen nicht beihilfefähig sein, abgelehnt.

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Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Sie begründete diesen Widerspruch unter Vorlage eines fachorthopädischen Attestes vom 8.11.2001 des Facharztes der Orthopädie D.. G.. In diesem Attest heißt es, dass eine OP-Indikation zur Kalkdepotentfernung und Acromioplastik an der rechten Schulter bestehen. Weiter heißt es wörtlich: “Eine solche OP wollte die Patientin aus Angst vor diesem Eingriff und der zu erwartenden langen beruflichen Ausfallzeit zunächst nicht durchführen lassen.“

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Unter diesen Voraussetzungen bestehe eine ideale Indikation zu einer extrakorporalen Stoßwellentherapie, die bereits erfolgreich durchgeführt wurde und zur Beschwerdefreiheit geführt hat. Ferner wird in dem Attest auch eine Entscheidung der Kammer vom 29.11.2000 (AZ. 3 A 2202/98) hingewiesen, in der die Kammer die Verpflichtung des beklagten Amtes zur Anerkennung der Beihilfefähigkeit für Aufwendungen anlässlich einer ESWT ausgesprochen hatte.

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Den Widerspruch wies das beklagte Amt mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2001 zurück und führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen, ausnahmsweise die Aufwendungen für eine nicht wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode als beihilfefähig anzusehen, hier nicht gegeben seien. Auch der behandelnde Arzt habe insbesondere auf eventuelle Operationsrisiken nicht hingewiesen.

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Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Die Klägerin verweist nochmals auf eine bei ihr gegebene nicht unberechtigte Furcht vor einem operativen Eingriff. Zudem ist sie der Ansicht, dass im Hinblick auf die nach einer eventuellen Operation eintretenden Ausfallzeiten die ESWT die eindeutig für den Arbeitgeber preisgünstigere Lösung sei, so dass sich unter dem Gesichtspunkt der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung das Ermessen des beklagten Amtes für den Fall, dass die Erfolgsaussichten beider denkbaren Behandlungsmethoden gleich einzuschätzen seien, auf eine Entscheidung zu Gunsten einer Anwendung der ESWT reduziere. Diese Behandlung habe hier auch zum Erfolg geführt. Ergänzend weist die Klägerin auf die bereits im Widerspruchsverfahren angesprochene Entscheidung der Kammer und eine weitere Entscheidung vom gleichen Tage (AZ. 3 A 2024/99) hin und legt ein weiteres fachorthopädisches Attest des Facharztes für Orthopädie D.. G. vom 7.2.2002 vor.

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Die Klägerin beantragt,

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Aufwendungen für die extrakorporale Stoßwellentherapie in Höhe von 3146,40 DM als beihilfefähig anzuerkennen und den Bescheid des Beklagten Amtes vom 11.10.2001 und den Widerspruchsbescheid vom 23.11.2001 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

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Das beklagte Amt beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Es nimmt Bezug auf die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid und hebt klarstellend hervor, dass die extrakorporale Stoßwellentherapie eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode sei. Vor diesem Hintergrund sei die Anerkennung von Aufwendungen für eine derartige Behandlung nach den Hinweisen I zu § 6 Abs. 2 BhV ausgeschlossen. Der Ausnahmefall, in dem auch für eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode Aufwendungen als beihilfefähig anerkannt werden könnten, liege hier nicht vor. Insoweit habe die Klägerin lediglich auf ihre Furcht vor der Operation, auf die im Verhältnis zu einer Operation preisgünstigere Behandlung durch die Anwendung der ESWT und auf höhere Folgekosten verwiesen. Die sei nicht ausreichend, weil damit medizinische Gründe, die gegen die Durchführung einer Operation sprechen würden, nicht dargetan seien.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten; einen weitergehenden Anspruch auf Anerkennung der Behandlung als beihilfefähig hat sie nicht ( vgl. § 113 Abs. 5 VwGO ).

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Rechtliche Grundlage für die angegriffenen Bescheide sind die Hinweise des Nds. Finanzministers zu § 6 Abs. 2 BhV; unter der Ziffer 1.2 ist aufgrund der fehlenden allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung der Behandlungsmethode die Beihilfefähigkeit für die "Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen" ausgeschlossen worden.

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Allerdings steht dieser Ausschluss einer Anerkennung der Beihilfefähigkeit nicht in jedem Fall entgegen. Insoweit hat die Kammer, worauf die Klägerin auch hingewiesen hat, in ihren Urteilen vom 29.11.2000 ( AZ. 3 A 2024/99 und 3 A 2202/98 ) rechtskräftig entschieden, dass Aufwendungen für eine ESWT als beihilfefähig anzuerkennen sind. In den Urteilen heißt es:

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„Zur Beurteilung eines Beihilfeanspruchs bei wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 10. November 1998 (5 L 2829/96) folgendes ausgeführt:

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"Als wissenschaftlich anerkannt sind nur solche Methoden und Heilmittel anzusehen, die von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit - sei es als alleiniges Heilmittel oder als zusätzliche Therapie - als wirksam und geeignet erachtet werden (vgl.: BVerwG, Urt. v. 18.6.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 15.94 -, DÖV 1996, 37 = ZBR 1996, 48 = NJW 1996, 801; OVG Lüneburg, Urt. v. 7.6.1993 - 5 L 4574/92 -, jeweils mit weiteren Nachweisen). .........

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Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden ist grundsätzlich - von Sonderfällen abgesehen - mit der in § 87 NBG ausdrücklich normierten und durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie für den Bereich der Krankenfürsorge durch die Beihilferegelungen konkretisiert wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89, 98; BVerwG, Beschl. v. 28.11.1991 -2 N 1.89-, BVerwGE 89, 207, 209, jeweils mit weiteren Nachweisen), vereinbar. Hinsichtlich der Beihilferegelungen im Einzelnen steht dem Normgeber bzw. Dienstherrn in Bund und Ländern ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung, innerhalb dessen er die Voraussetzungen, den Umfang sowie die Art und Weise dieser speziellen Fürsorge bestimmen kann (BVerwGE 89, 207, 209). Von Verfassungs wegen fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang (vgl. zum Ausschluss der Beihilfefähigkeit von wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethoden: BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 15.94 -, aaO; OVG Lüneburg, Urt. v. 16.6.1993 - 5 L 4574/92 -, jeweils mit weiteren Nachweisen).

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Allerdings kann nach den bereits erwähnten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 1995 und 18. Juni 1998 (- 2 C 15.94 -, DÖV 1996, 37 [BVerwG 29.06.1995 - BVerwG 2 C 15/94]; - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436), denen sich der Senat anschließt, das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV, eine Beihilfe zu "dem Grunde nach" notwendigen Aufwendungen zu leisten, den Dienstherrn in Ausnahmefällen auch dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungsgrundsätzen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z.B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall - z.B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. In derartigen Ausnahmefällen ist einerseits unerheblich, ob die angewandte Behandlungsmethode - wie hier für den Regelfall zu Recht - durch allgemeine Verwaltungsvorschriften als 'wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt' von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen worden ist. Andererseits kommt es auch nicht darauf an, ob die wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode im konkreten Einzelfall zu einem therapeutischen Erfolg geführt hat; eine solche "Erfolgsabhängigkeit" ist dem hier maßgeblichen Beihilferecht fremd."

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Die ESWT ist noch keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode, ihre allgemeine Anerkennung ist jedoch bei entsprechender Erprobung, auch nach den unstreitigen Äußerungen beider Seiten, noch möglich (vgl. Fritze, Versmed 1998, 180). Diesem Erkenntnisstand tragen beispielsweise die Beihilferegelungen des Landes Nordrhein-Westfalen in flexibler Weise Rechnung. Die Verwaltungsvorschriften zu § 4 nwBVO besagen insoweit:

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"9.7 Auf Grund des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 BVO bestimme ich, daß zu Aufwendungen für die extracorporale Stoßwellentherapie bei folgenden orthopädischen Indikationen Beihilfen zu gewähren sind:

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a) Epicondylopathie radial und ulnar,

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b) Periarthritis und Periarthritis calcarea der Schultergelenke,

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c) Pseudarthrose und

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d) Fersensporn plantar und dorsal,

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wenn es sich um eine chronische Erkrankung handelt (Dauer nachweislich mindestens 6 Monate), wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden ohne Erfolg angewendet worden sind und eine Operationsindikation besteht."

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In Anwendung dieser Grundsätze hat die Kammer in jenen Verfahren Ausnahmefälle angenommen und die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen bejaht.

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Davon ausgehend kommt es für die Frage, ob auch hier ausnahmsweise der Aufwand für eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode zu erstatten ist, im Ergebnis allein darauf an, ob in der als Alternative zur Anwendung des ESWT erforderlichen Operation der Klägerin begründete medizinische Gesichtspunkte die Wahrnehmung dieser Behandlungsmethode als letzte Möglichkeit als unzumutbar erscheinen lassen. Dies ist hier allerdings, im Gegensatz zu den entschiedenen Fällen, nicht der Fall. Insoweit verweist die Klägerin auf eine bestehende Angst vor der Operation. Damit macht sie jedoch keinen Ausnahmefall geltend, weil Angst vor einem Eingriff, in welcher Größenordnung auch immer, der Regelfall sein dürfte. Abgesehen davon kann die Anerkennung der Beihilfefähigkeit nicht davon abhängen, ob der - im Grundsatz nicht fassbare - Faktor der Angst stärker oder weniger stark ausgeprägt ist. Dass die Angstgefühle der Klägerin hier ausnahmsweise so stark ausgeprägt wären, dass sie den Operationsverlauf oder -ausgang negativ beeinflussten oder eine Operation gar ausschließen würden, ist nicht vorgetragen und ergibt sich insbesondere auch nicht aus den ärztlichen Stellungnahmen. Soweit in diesem Zusammenhang in den fachorthopädischen Attest vom 7.2.2002 auf die sehr guten nicht operativen Alternativen hingewiesen wird, führte die Anwendung dieses Gesichtspunktes an dieser Stelle zu einem unzulässigen Zirkelschluss.

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Weitere durchgreifende Gesichtspunkte, die gegen eine Operation sprechen, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Insbesondere fehlt es an Gesichtspunkten, die in den entschiedenen Fällen für die Kammer ausschlaggebend von Bedeutung waren. So hat der Kläger in dem Verfahren 3 A 2024/99 nicht auf eine Operation verwiesen werden dürfen, weil - vor dem Hintergrund mehrerer Krebs- und Schilddrüsenoperationen - sein Immunsystem durch das Schilddrüsenleiden und die damit verbundenen Eingriffe erheblich vorbelastet war. Zudem haben in jenem Fall die Erfolgsaussichten der ESWT-Behandlung prognostisch nur 10 % unter denen einer Operationen gelegen, ungeachtet des „normalen“ Operationsrisikos bei einem Patienten mit nicht vorbelastetem Immunsystem. Derart schwerwiegende Gründe gibt es hier nicht. Vielmehr ergibt sich aus dem Gutachten des Amtsarztes, dass die Erfolgsaussicht des Needlings offensichtlich der der ESWT entspricht.

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Dieser Gesichtspunkt ist auch im Hinblick auf die weitere Entscheidung (3 A 2202/98) von Bedeutung, denn in jenem Verfahren hatte eine Operation geringe Erfolgschancen und hätte zudem - bei einem 1983 geborenen und zum damaligen Zeitpunkt somit jugendlichen Sohn des Klägers - eine lange Entlastungszeit des Beins nach sich gezogen. Gerade das Alter des Patienten und die relativ geringe Erfolgsaussicht der Operation waren für die Kammer in jenem Verfahren von Bedeutung. Derartige Gesichtspunkte liegen hier jedoch ebenfalls nicht vor.

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Insbesondere kann sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, sich nach erfolgter Operation als Alleinstehende nicht versorgen zu können. Abgesehen davon, dass dies kein in der Operation liegender medizinischer Grund ist, sieht § 6 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3 BhV vor, dass in derartigen Fällen für Alleinstehende für die ersten sieben Tage nach Ende einer stationären Unterbringung die Aufwendungen für eine Haushaltshilfe beihilfefähig sind, wenn die Hilfe zur Führung des Haushaltes erforderlich ist. Demgemäss kann die Klägerin diesen Gesichtspunkt als gegen eine Operation sprechend nicht ins Feld führen, wenn ihr insoweit ein Beihilfeanspruch zustehen kann. Dessen ungeachtet gilt, dass eine sich an die Operation wohl anschließende Rehabilitationsmaßnahme dazu führen dürfte, dass sich der Zeitraum, in dem die Klägerin allein und unter den Nachwirkungen der Operation ihren Haushalt führen müsste, weiterhin einschränkt.

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Auf Kostenfragen, insbesondere auf Fragen des durch den „nicht unerheblichen Nachbehandlungsaufwand“ (so das Gutachten des Amtsarztes) entstehenden Dienstausfall der Klägerin kommt es hier ebenfalls nicht an. Ob dies im Ergebnis „betriebswirtschaftlich“ sinnvoll ist, mag dahinstehen. Dennoch steht hinter dieser Entscheidung das Einschätzungsermessen des Landes in seiner Eigenschaft einerseits als Dienstherr der Klägerin, andererseits als im Ergebnis Verantwortlicher für die Fassung der maßgeblichen Beihilfevorschriften bzw. der hierzu ergangenen Erlasse.

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Schließlich bleibt auch die Tatsache, dass die ESWT vorliegend erfolgreich angewandt wurde, demgegenüber die vorhergehenden Behandlungsmöglichkeiten nicht, ohne Bedeutung, denn die Erfolgsabhängigkeit ist dem Beihilferecht fremd (OVG Lüneburg, Urteil vom 10.11.1998, 5 L 2829/96; wie oben zitiert ).