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  • ab 01.09.2021 (aktuelle Fassung)

Abschnitt III AV ÜM - Verfahren der Justizvollzugsanstalten und der Staatsanwaltschaften bei Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern im Hinblick auf die Führungsaufsicht nach den §§ 67c, 67d, 68,68f, 72 Abs. 3 Satz 3 StGB, Artikel 316f Abs. 2 Satz 4 EGStGB

Bibliographie

Titel
Übergangsmanagement zwischen den Justizvollzugsanstalten, dem Ambulanten Justizsozialdienst Niedersachsen, den Staatsanwaltschaften und den Anlaufstellen für Straffällige und Haftentlassene der freien Träger der Straffälligenhilfe (AV Übergangsmanagement)
Redaktionelle Abkürzung
AV ÜM,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
33350

1. Verfahren der Justizvollzugsanstalten

1.1 Verfahren bei gesetzlichem Eintritt der Führungsaufsicht nach § 68f StGB

1.1.1 Die Justizvollzugsanstalt nimmt Stellung zur Erforderlichkeit und Ausgestaltung der Führungsaufsicht. In der Stellungnahme soll insbesondere auf

  • die Persönlichkeit,

  • die Lebensverhältnisse der Gefangenen,

  • ihr Verhalten und ihre Entwicklung im Vollzug, ggf. die Zugehörigkeit zu einer besonderen Zielgruppe, die dem politisch oder religiös motivierten Extremismus zuzurechnen ist sowie

  • ihr Bemühen, Verantwortung für ihre Straftaten und deren Folgen zu übernehmen,

eingegangen werden.

Auf die Notwendigkeit der Hinzuziehung einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers ist ggf. hinzuweisen.

Liegen der Vollstreckung Straftaten i. S. des § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NJVollzG zugrunde, so ist auch zu bisherigen verhaltens- und einstellungsändernden Maßnahmen im Vollzug sowie deren Ergebnissen Stellung zu nehmen. Auf die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen nach der Entlassung ist ggf. hinzuweisen.

Sollen entlassungsübergreifende Maßnahmen außerhalb des Vollzugs bereits während der Haft begonnen werden, ist frühzeitig der zuständige Kostenträger zu ermitteln und der AJSD als subsidiärer Kostenträger ab Haftentlassung einzubinden.

1.1.2 Die Justizvollzugsanstalt äußert sich auch dazu, ob und ggf. welche Weisungen erteilt werden sollten und inwieweit diese bereits organisiert sind. Die Justizvollzugsanstalt soll zur Abstimmung bei anzuregenden Weisungen Kontakt mit dem AJSD aufnehmen. Soweit die zuständige Justizsozialarbeiterin oder der zuständige Justizsozialarbeiter noch nicht feststeht, ist die zuständige Bezirksleitung einzubinden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die folgenden Punkte:

  • die Vermittlung der Anbindung an eine Therapeutin oder einen Therapeuten oder eine Nachsorgeeinrichtung oder in eine andere Behandlungsmaßnahme und die Klärung der Übernahme der Kosten,

  • die Vorbereitung einer Substitutionsbehandlung und die Klärung der Möglichkeit der Übernahme der in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten,

  • die Vorbereitung der Umsetzung von Abstinenzkontrollen und die Klärung der Möglichkeit einer Kostenübernahme.

1.1.3 Der soziale Empfangsraum der oder des Gefangenen ist in den vollzuglichen Stellungnahmen so genau wie möglich zu beschreiben. Die Entlassungsanschrift ist mitzuteilen. Wenn möglich, soll neben der reinen Anschrift auch angegeben werden, um welche Art von Unterkunft es sich handelt und bei wem die oder der Gefangene ggf. unterkommt. Die Justizvollzugsanstalt teilt ferner mit, ob und ggf. wo die Gefangenen nach der Entlassung tatsächlich Arbeit finden werden, welche weiteren Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung erforderlich sind und, soweit Erkenntnisse vorliegen, wie viel Zeit diese voraussichtlich in Anspruch nehmen werden. Sofern Miet- und Arbeitsverträge vorliegen, teilt die Justizvollzugsanstalt dies mit und fordert die Gefangenen auf, die Unterlagen dem AJSD beim ersten Kontakt vorzulegen.

Die Justizvollzugsanstalt teilt weiterhin mit, wie viele auf die Entlassung anrechenbare Freistellungstage erworben worden sind.

1.1.4 Die Justizvollzugsanstalt händigt den Gefangenen eine Durchschrift der Stellungnahme aus.

1.1.5 Die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt und eine etwaige Äußerung der Gefangenen sind der Vollstreckungsbehörde zu übersenden. Wird die Strafvollstreckung von einer ersuchten Staatsanwaltschaft betrieben, so werden die Unterlagen dieser Behörde übersandt.

1.1.6 Eine Durchschrift der Stellungnahme wird der Führungsaufsichtsstelle und dem AJSD übersandt. Dabei sind die örtlichen Zuständigkeiten zu beachten (Abschnitt IV. Nrn. 1.1 und 2.1).

1.2 Verfahren bei Antragstellung durch Gefangene oder Sicherungsverwahrte

Beantragen Gefangene oder Sicherungsverwahrte in den Fällen der §§ 67c und 67d StGB die Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung gelten die Regelungen unter Nummer 1.1 sinngemäß. Darüber hinaus ist zu dem Antrag seitens der Justizvollzugsanstalt Stellung zu nehmen und der Antrag mit zu übersenden. Der Umfang der Stellungnahme ist der tatsächlichen Prognosesituation anzupassen.

1.3 Verfahren bei Erledigung der Sicherungsverwahrung (§ 67d Abs. 3 StGB, Artikel 316f Abs. 2 Satz 4 EGStGB)

1.3.1 Die Justizvollzugsanstalt nimmt Stellung zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht für den Fall der Erledigung der Maßregel.

1.3.2 Für das Verfahren gelten die Regelungen unter Nummern 1.1 und 1.2 sinngemäß.

1.4 Verfahren bei bestehenden (ruhenden) Führungsaufsichten

1.4.1 Die Justizvollzugsanstalt nimmt, ggf. nach Aufforderung durch die Vollstreckungsbehörde, zu bestehenden Führungsaufsichten Stellung und dazu, ob diese weiterhin erforderlich sind. Sie nimmt Stellung, ob Weisungen erteilt oder angepasst werden müssen.

1.4.2 Für das Verfahren gelten die Regelungen unter Nummer 1.1 sinngemäß.

1.5 Fristen

Bei zeitigen Freiheitsstrafen gelten die Regelungen unter Abschnitt II. Nummer 1.3.1 sinngemäß. Soweit Führungsaufsicht nach vollständiger Verbüßung einer Freiheitsstrafe eintritt, beziehen sich die Fristen auf den Zeitpunkt des Strafendes bzw. der voraussichtlichen Entlassung.

1.6 Sofern die Vollstreckung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§§ 67c, 67d Abs. 2 und 3, § 67e StGB, Artikel 316f Abs. 2 Satz 4 EGStGB), nimmt die Justizvollzugsanstalt Stellung, wenn ihr ein Antrag der oder des Gefangenen oder Sicherungsverwahrten oder eine Anforderung der Vollstreckungsbehörde oder des Gerichts vorliegt. In den Fällen des § 67c Abs. 1 StGB ist auch ohne Antrag oder Anforderung spätestens zu den in Abschnitt II. Nummer 1.3.1 bezeichneten Zeitpunkten eine Stellungnahme abzugeben. Die Vollzugsgeschäftsstelle notiert hierzu entsprechend Abschnitt II. Nummer 1.3.3 eine Frist.

2. Verfahren der Staatsanwaltschaften

2.1 Die Staatsanwaltschaft leitet

  • den Antrag und die mögliche Stellungnahme der oder des Gefangenen,

  • die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt,

  • eine aktuelle Auskunft aus dem Bundeszentralregister,

  • das Vollstreckungsheft mit dem Vermerk nach § 36 Abs. 2 Satz 4 StVollstrO und

  • ihre Stellungnahme

unverzüglich an die Strafvollstreckungskammer weiter. Die Vollstreckungsbehörde übersendet im Fall der vollständigen Verbüßung einer Freiheitsstrafe ihre Stellungnahme und einen aktuellen Auszug aus dem Bundeszentralregister zeitgleich an die Führungsaufsichtsstelle und den AJSD.

2.2 Die Staatsanwaltschaft regt die Beteiligung der zentralen Fallkonferenz an, sofern die Voraussetzungen des § 68b Abs. 1 Nr. 12 StGB vorliegen. Sie informiert die Strafvollstreckungskammer hierüber.

2.3 Ist neben Freiheitsstrafe auch Jugendstrafe zu vollstrecken, gilt Abschnitt II. Nummer 2.2 sinngemäß.

2.4 Hat das Vollstreckungsgericht die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt, die Unterbringung für erledigt erklärt oder das Entfallen der Maßregel gem. § 68f Abs. 2 StGB angeordnet, so prüft die Staatsanwaltschaft unverzüglich nach Zustellung der Entscheidung, ob sie sofortige Beschwerde nach § 463 Abs. 3 Satz 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 3 StPO einlegen will. Das Ergebnis der Prüfung ist der Justizvollzugsanstalt unverzüglich - falls erforderlich fernmündlich - mitzuteilen.

3. Verfahren der Justizvollzugsanstalten und der Staatsanwaltschaft bei Aufhebung der Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nach § 463 Abs. 1 StPO i. V. m. § 454a Abs. 2 StPO

3.1 Treten nach der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung bis zur Entlassung neue Tatsachen auf oder werden Tatsachen neu bekannt, aufgrund derer eine Aussetzung nicht mehr verantwortet werden kann, so teilt die Justizvollzugsanstalt oder die Staatsanwaltschaft diese Tatsachen unverzüglich - in der Regel fernmündlich vorab - der Strafvollstreckungskammer zur Prüfung gemäß § 454a Abs. 2 StPO mit.

3.2 Hebt die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung vor der Entlassung wieder auf, so unterbleibt die Entlassung aus dem Vollzug.

3.3 Im Übrigen gilt nach einer Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nach § 463 Abs. 1 StPO i. V. m. § 454a Abs. 2 StPO Nummer 2.3 dieses Abschnitts entsprechend.

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Abschnitt VIII Satz 1 der AV vom 21. Juli 2021 (Nds. Rpfl. S. 300)