Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.01.2000, Az.: 7 W 56/99 (L)
Übertragung eines Bauernhofes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge; Vereinbarung eines lebenslangen Nießbrauchrechtes für den Übertragenden; Auslegung einer Vertragsklausel in der der Begünstigte verpflichtet wird für die Hege und Pflege der den HofÜbertragenden aufzukommen; Aufkommen für Rechnungen eines Heilpraktikers, der aufgrund der Hautkrebserkrankung des Nießbrauchsberechtigten konsultiert wurde
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.01.2000
- Aktenzeichen
- 7 W 56/99 (L)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 23428
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:0117.7W56.99L.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 07.06.1999 - AZ: 90 Lw 5/99
Fundstelle
- RdL 2000, 128-129
In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ... als Berufsrichter sowie
die Landwirte ... und ... als ehrenamtliche Richter
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2000
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Hannover vom 7. Juni 1999 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragsteller 8.124,17 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. April 1999 zu zahlen.
Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Antragsgegner, der den Antragstellern zudem deren in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.
Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind die Eltern des Antragsgegners. Durch notariellen Vertrag vom 25. Juni 1973 übertrug die Antragstellerin dem Antragsgegner im Wege vorweggenommener Erbfolge ihren im Grundbuch von ... Blatt 1025 verzeichneten Hof. Im Rahmen dieser Übertragung wurde für die Antragsteller ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht vereinbart.
Durch notariellen Vertrag vom 20. Dezember 1984 hoben die Beteiligten das Nießbrauchsrecht auf und vereinbarten stattdessen ein Altenteilsrecht für die Antragsteller. Hierzu vereinbarten sie u. a.:
"...
2.
Der Erschienene zu 1 ist verpflichtet, Instandhaltungen und Reparaturen, ausschließlich Schönheitsreparaturen, in den den Altenteilern überlassenen Räumen auf seine Kosten in orts- und standesüblicher Weise zu tragen. Er ist ferner verpflichtet, den Altenteilern in alten und kranken Tage Hege und Pflege zu gewähren. Darin eingeschlossen sind etwaige Kranken- oder Pflegekosten, die nicht von der Krankenkasse der Altenteiler gedeckt werden...."
Im Jahr 1994 musste der Antragsteller den Warmwasserboiler ersetzen. Hierfür hatte er Reparaturkosten von 3.713,17 DM zu zahlen. Zusätzlich hat er am 13. Juni 1995 für eine weitere Reparatur 187,14 DM verauslagt.
Aus einem nicht bekannten Rechtsgrund schuldet der Antragsteller dem Antragsgegner einen Betrag von 5.000 DM. Insoweit haben die Antragsteller mit den verauslagten Reparaturbeträgen von 3.900,31 DM die Aufrechnung erklärt.
Die Antragsteller haben behauptet, seit dem 1. Januar 1998 seien insgesamt 9.551,59 DM Kosten für Heilbehandlung und Medikamente entstanden, die ihre Krankenkasse nicht übernommen habe. Dabei habe es sich überwiegend um Honoraransprüche eines Heilpraktikers gehandelt, den die Antragstellerin zu 1 aufgesucht habe, da sie an Hautkrebs leide und nur durch die Behandlung des Heilpraktikers einigermaßen beschwerdefrei leben könne.
Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, ihr Sohn sei aufgrund der Regelung im notariellen Vertrag vom 20. Dezember 1984 gerade zur Übernahme derartiger Kosten verpflichtet, da es sich dabei um Krankenkosten handele, die nicht von ihrer (der Antragsteller) Krankenkasse gezahlt würden.
Der Antragsgegner hat die medizinische Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Heilpraktikers bestritten und die Auffassung vertreten, zur Übernahme von Krankenkosten sei er nur insoweit verpflichtet, als nach den Bestimmungen für die gesetzlichen Krankenkassen auch diese grundsätzlich erstattungspflichtig seien.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Zahlungsantrag zurückgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der notarielle Vertrag vom 20. Dezember 1984 sei nach Treu und Glauben dahin auszulegen, dass der Antragsgegner den Antragstellern Heilbehandlungskosten, die von der Krankenkasse nicht gedeckt werden, nur dann zu ersetzen habe, wenn sie notwendige Behandlungen beträfen, die von einem Arzt, dessen Honorar die Krankenkasse übernehme, nicht geleistet werden könnten. Die Übernahme solcher Kosten sei dem Antragsgegner nur zuzumuten, wenn die Altenteiler sich wegen ihrer Leiden zunächst in ärztlicher Behandlung befunden hätten und die Bemühungen des Arztes um Heilung vergeblich geblieben seien. Entsprechendes sei aber von den Antragstellern nicht vorgetragen worden.
Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Antragsteller, die ihren erstinstanzliche Vortrag wiederholen und vertiefen, jedoch ihren Zahlungsantrag geringfügig nach unten korrigieren. Ergänzend tragen sie vor, dass die Antragstellerin sich in der Behandlung des Heilpraktikers auch deshalb befinde, weil nur dieser eine Linderung einer immer wieder auftretenden Bronchialerkrankung erreicht habe.
Sie verweisen darauf, dass der Antragsgegner - unstreitig - seit Januar 1999 auch das Baraltenteil nicht zahlt (monatlich 300 DM).
Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Entscheidung. Im Hinblick auf die Nichtzahlung des Baraltenteils verweist er darauf, dass er derzeit eine Verrechnung mit der unstreitig bestehenden Schuld des Antragstellers in Höhe von 5.000 DM vornehme. Er bestreitet einige der von den Antragstellern geltend gemachten Rechnungspositionen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Heilpraktikers Hahne.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller hat überwiegend Erfolg.
Den Antragstellern steht aufgrund der Regelung in Ziff. 2 des notariellen Vertrages der Beteiligten vom 20. Dezember 1984 des Notars ... in ... grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Inanspruchnahme des Heilpraktikers ..., der von diesem verordneten Arzneien sowie zusätzlicher Rezeptgebühren und Eigenanteil an Zahnbehandlungskosten zu. Lediglich hinsichtlich der geltend gemachten Beiträge zur Krankenhaussonderfinanzierung sowie bezüglich eines Ladegerätes (Kosten von zusammen 124,95 DM) ist ihr Antrag zu Recht abgewiesen worden.
Zutreffend ist auch das Landwirtschaftsgericht davon ausgegangen, dass die Vereinbarung der Beteiligten, nach der der Antragsgegner seinen Eltern etwaige Kranken- oder Pflegekosten, die nicht von der Krankenkasse der Altenteiler gedeckt werden, zu erstatten hat, über ihren reinen Wortlaut hinaus nach Sinn und Zweck der Regelung und insbesondere unter Berücksichtigung der Interessenlage der vertragsschließenden Parteien auszulegen ist. Grundsätzlich zutreffend ist auch der Ausgangspunkt, dass dem Antragsgegner die Erstattung von Behandlungskosten nach Treu und Glauben nur insoweit zuzumuten ist, als die Altenteiler sich wegen ihrer Leiden zunächst in ärztliche Behandlung begeben und die Bemühungen eines Arztes um die Heilung vergeblich bleiben.
Nach den vom Antragsgegner nicht bestrittenen Erklärungen der Antragsteller bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat haben diese vor Auftreten der Grunderkrankung (mit Ausnahme der Beschwerden der Antragstellerin hinsichtlich ihrer Halswirbelsäule) zunächst ihren Hausarzt aufgesucht, der sich jedoch erfolglos um eine Heilung bemüht hat. Nachdem sie z. B. hinsichtlich der häufiger wiederkehrenden Bronchialerkrankung der Antragstellerin pp. die Feststellung gemacht hatten, dass der Heilpraktiker ... eine erfolgreiche Therapie anwandte, war es folgerichtig, ohne erneute vorherige Konsultation ihres Hausarztes sogleich ihren Heilpraktiker aufzusuchen. Dabei ist es unerheblich, dass der Zeuge ... sich bei der Behandlung beider Antragsteller zum Teil wissenschaftlich nicht anerkannter Methoden bediente. Die Antragsteller haben unbestritten dargetan, dass die Behandlung durch den Heilpraktiker ... zur Linderung oder gar Heilung ihrer Beschwerden geführt hat. Sinn und Zweck der Regelung in dem notariellen Vertrag der Beteiligten vom 20. Dezember 1984 war aber ohne Zweifel, dass die Altenteiler - wie jeder andere - jede vernünftige Heilbehandlung in Anspruch nehmen und von dem Antragsgegner erstattet erhalten sollten, deren Erfolg nicht von vornherein ausgeschlossen oder anderweitig fragwürdig war.
Insoweit ist es auch nicht vorwerfbar, dass z. B. die Antragstellerin den Heilpraktiker ... zum Teil begleitend neben der haus- oder fachärztlichen Behandlung in Anspruch nimmt, ohne dass sicherlich im Ergebnis feststellbar sein wird, welche der beiden Behandlungen ggf. zur Linderung oder Heilung ihrer Beschwerden führt. Ein solches Verhalten ist nicht als mutwillig einzustufen, sondern entspricht durchaus üblicher Handhabung auch derjenigen Krankenversicherten, die die Inanspruchnahme eines Heilpraktikers aus eigener Tasche bezahlen müssen.
Umfasst die Regelung in Ziff. 2 des notariellen Vertrages vom 20. Dezember 1984 bereits ihrem Wortlaut nach alle denkbaren Heilbehandlungskosten, unter die allemal die Kosten für die Inanspruchnahme eines anerkannten Heilpraktikers fallen, so ist auch nach Sinn und Zweck dieser Regelung festzustellen, dass der Antragsgegner durch die Verpflichtung zur Erstattung derartiger Kosten nicht unangemessen benachteiligt wird. Sinn und Zweck einer Altenteilsregelung ist es regelmäßig, den Altenteilern als Gegenleistung für die Aufgabe des Eigentums am Haus- und Grundbesitz die Aufrechterhaltung ihres bisherigen Lebensstandards zu gewährleisten. Hierzu hätte aber ohne Zweifel gehört, dass die Antragsteller aus den Einnahmen des Hofes derartige Heilbehandlungskosten hätten finanzieren können. Dies kann im Übrigen nach den von ihm selbst angegebenen Einnahmen aus der Verpachtung des Hofes auch der Antragsgegner, insbesondere hat er nicht etwa mangelnde Leistungsfähigkeit des Hofes eingewandt.
Neben den Kosten der Inanspruchnahme des Heilpraktikers Hahne sowie Erstattung der von ihm verschriebenen Arzneien können die Kläger auch verlangen die Bezahlung der Rezeptgebühren gemäß ihrer Aufstellung auf S. 4 ihrer Beschwerdebegründung vom 23. Juni 1999 zu Ziff. 1 b, c, d und e sowie den geltend gemachten Eigenanteil und von der Kasse nicht ersetzten Anteil an Zahnbehandlungskosten gemäß Ziff. 1 f. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass es sich um von den Antragstellern etwa mutwillig verursachte Kosten handelt. Bei nicht erstatteten Rezeptgebühren, Zuzahlungen sowie Eigenanteilen an Zahnbehandlungskosten handelt es sich darüber hinaus zweifelsfrei gerade um diejenigen Kosten, die die Beteiligten mit der Regelung in Ziff. 2 des notariellen Vertrages vom 20. Dezember 1984 erfassen wollten.
Zu Recht wendet sich der Antragsgegner hingegen gegen eine Inanspruchnahme für das Krankenhausnotopfer für die Jahre 1997 bis 1999 in Höhe von 60 DM sowie für ein Ladegerät in Höhe von 64,95 DM. Die Inanspruchnahme der Krankenversicherten im Rahmen des Krankenhausnotopfers ist von der Bundesregierung rückgängig gemacht worden. Auf Antrag, den die Antragsteller ggf. stellen müssen, werden bereits gezahlte Beträge zurückerstattet. Die Notwendigkeit des Kaufs eines Ladegerätes und dessen mangelnde Erstattungsfähigkeit haben die Antragsteller nicht dargetan.
Unter Berücksichtigung der unstreitig von dem Antragsgegner den Antragstellern zu erstattenden Aufwendungen für Reparaturen in Höhe von 3.900,31 DM und der andererseits bestehenden Zahlungsverpflichtung des Antragstellers zu 2 gegenüber dem Antragsgegner in Höhe von 5.000 DM ergibt sich ein Zahlungsanspruch der Antragsteller in Höhe von 8.124,17 DM. Der weiter gehende Antrag war zurückzuweisen.
Auf den Betrag von 8.124,17 DM können die Antragsteller auch Zahlung von 4 % Zinsen seit dem 26. April 1999 verlangen, § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 34, 44, 45 LwVG. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den Antragstellern wegen des geringfügigen Unterliegens einen Anteil der Gerichtskosten aufzuerlegen (Rechtsgedanke des § 92 Abs. 2 ZPO). Angesichts der vollständigen Weigerung des Antragsgegners, irgendwelche Zahlungen an seine Eltern zu leisten, erschien es dem Senat auch sachgerecht, dem Antragsgegner die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzugeben.