Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.01.2000, Az.: 20 U 94/99

Duldungspflicht des eine Sache aufgrund verbotener Eigenmacht besitzenden Fremdbesitzers bei Rückholung der Sache durch den Eigenbesizter im Wege erlaubter Eigenmacht; Auswirkungen des Eigentumserwerbs aufgrund eines Zuschlagbeschlusses auf die Besitzverhältnisse

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.01.2000
Aktenzeichen
20 U 94/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 32069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2000:0126.20U94.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 27.07.1999 - AZ: 3 O 87/99

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2000, 234-235

Verfahrensgegenstand

Herausgabe

Amtlicher Leitsatz

Ein Fremdbesitzer, der sich in den Besitz einer Sache durch verbotene Eigenmacht gebracht hat, muß dulden, daß sich der Eigenbesitzer die Sache im Wege erlaubter Eigenmacht wieder zurückholt.

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
...
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2000
durch
die Präsidentin des Oberlandesgerichts ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 27. Juli 1999 abgeändert. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stade vom 9. Juni 1999 und die Beschlüsse vom 10. Juni 1999 und vom 24. Juni 1999 werden aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits in I. und II. Instanz hat der Verfügungskläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer für den Verfügungskläger liegt unter 60.000 DM.

Tatbestand

1

Tatbestand (abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)

2

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren und in dem zwischenzeitlich vor dem Landgericht Stade rechtshängigen Hauptsacheverfahren (4 O 255/99) um die Herausgabe von 6 Stuten und deren inzwischen geborene Fohlen.

3

Der Verfügungskläger war Eigentümer des Hofes in ... ... in ... Am 4. März 1999 erhielt der Verfügungsbeklagte als Meistbietender in dem Zwangsversteigerungsverfahren den Zuschlag. Rechtsmittel des Verfügungsklägers gegen den Zuschlag blieben erfolglos. Aus dem Zuschlagbeschluss betrieb der Verfügungsbeklagte die Räumung der Hofstelle, welche am 17. Juni 1999 erfolgte.

4

Die Parteien streiten darüber, in wessen Eigentum die streitbefangenen Stuten ursprünglich standen und wo sie sich im Zeitpunkt des Zuschlagbeschlusses aufhielten. Der Verfügungskläger behauptet, er habe die Stuten im Herbst 1998 an ... ... verkauft, in dessen Eigentum sie auch noch im Zeitpunkt des Zuschlagbeschlusses gestanden hätten. Die Stuten seien erst ca. am 8. April 1999, also nach dem Zuschlagbeschluss, zu ihm auf den Hof gekommen. Diesen Vortrag hat der Verfügungskläger am 8. Juni 1999 eidesstattlich versichert (Bl. 6 ff.). Die Pferde seien während der Weidesaison bei ihm, während der Wintersaison bei ... untergestellt gewesen.

5

Der Verfügungsbeklagte bestreitet das Eigentum des ... ... an diesen Pferden. Die Stuten seien bereits im Zeitpunkt des Zuschlags am 4. März 1999 entweder in den Stallungen oder auf den direkt an den Hof angrenzenden und ebenfalls mit ersteigerten Weiden gewesen.

6

Nach dem Zuschlag wurden die betreffenden Pferde auf nicht versteigerte Flächen gebracht. Am 7. Juni 1999 befanden sich insgesamt 4 Pferde auf einer vom Verfügungskläger von ... ... gepachteten Weide. 2 weitere Stuten befanden sich in diesem Zeitpunkt auf Wiesen der Flurstücke 10/2, 19 und 129/20 der Flur 2 der Gemarkung ..., die im Eigentum des Verfügungsklägers stehen und nicht mitversteigert wurden.

7

Am 7. Juni 1999 holte der Verfügungsbeklagte die 6 Pferde von diesen Wiesen ab und nahm sie in Besitz. Der Verfügungskläger begehrt nunmehr Herausgabe der Stuten wegen verbotener Eigenmacht.

8

Das Landgericht hat durch einstweilige Verfügung vom 9. Juni 1999 antragsgemäß entschieden und eine Herausgabe an den Verfügungskläger gegen Sicherheitsleistung angeordnet. Durch Beschluss vom 10. Juni 1999 hat das Landgericht auf Beschwerde des Verfügungsklägers statt der Sicherheitsleistung Herausgabe an einen Sequester angeordnet. Durch weiteren Beschluss vom 24. Juni 1999 hat das Landgericht eine andere Person zum Sequester bestimmt, bei der sich die Pferde gegenwärtig befinden. Auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten hat das Landgericht die einstweilige Verfügung durch Urteil vom 27. Juni 1999 aufrecht erhalten. Hiergegen richtet sich die Berufung des Verfügungsbeklagten.

Entscheidungsgründe

9

Die Berufung des Verfügungsbeklagten ist begründet. Dem Verfügungskläger steht im einstweiligen Verfügungsverfahren kein Verfügungsanspruch auf Herausgabe der streitbefangenen Stuten zu, weil er deren Eigenbesitz selbst zuvor durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) widerrechtlich erlangt hat (§ 861 Abs.1 BGB).

10

1.

Durch den Zuschlagbeschluss am 4. März 1999 hat der Verfügungsbeklagte gemäß §§ 90 Abs. 2, 55, 20 Abs. 2 ZVG, §§ 1120, 90a, 9797 BGB Eigentum an den streitbefangenen Stuten erworben, zumal er glaubhaft gemacht hat, dass diese sich im Zeitpunkt des Zuschlags auf den versteigerten Flächen befanden und der vom Verfügungskläger benannte Eigentümer ... keine Rechte nach § 37 Nr. 5 ZVG geltend gemacht hat.

11

Der Senat ist nach den im einstweiligen Verfügungsverfahren möglichen Glaubhaftmachungen durch eidesstattliche Versicherungen überzeugt, dass sich die betreffenden Stuten im Zeitpunkt des Zuschlagbeschlusses auf den vom Verfügungsbeklagten ersteigerten Flächen befanden. Dieses ergibt sich bereits aus der eidesstattlichen Versicherung der Ehefrau des Verfügungsbeklagten vom 16. Juni 1999, worin sie versichert hat, dass sich nach ihren Beobachtungen "alle Pferde am 4. März 1999 entweder in den Stallungen des ... oder auf den Weiden, die direkt an den Hof angrenzen" befanden. Soweit die eidesstattliche Versicherung des Verfügungsklägers vom 8. Juni 1999 dem widerspricht, misst der Senat ihr keinen wesentlichen Beweiswert zu. Dieses ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Verfügungskläger sich nach der eidesstattlichen Versicherung des ... vom 16. Juni 1999 als Eigentümer der Stute ... (Lebensnummer H 31 96124 93), der Stute ... (Lebensnummer H 3 [nicht 4] 1 40100 91) und der Stute ... (Lebensnummer H 31 69386 [nicht 1] 92) ausgegeben hat. Zwar hat der Verfügungskläger behauptet, er habe diese Pferde nur deswegen als in seiner Haltung befindlich gemeldet, um Brandzeichen des ... Zuchtverbandes zu erhalten, weil diese nur erteilt würde, wenn der Pferdehalter seinen Wohnsitz in ... habe. Dieser Vortrag richtet sich allerdings lediglich gegen das vom Verfügungsbeklagten vorgelegte Schreiben des ... Züchterverbandes vom 14. Juni 1999, in welchem die Stuten A, C, D und E der einstweiligen Verfügung als vom Verfügungskläger "aktiv geführt" bezeichnet sind. Die ausdrückliche eidesstattliche Versicherung des Zeugen ..., wonach der Verfügungskläger sich als Eigentümer der betreffenden Pferde ausgegeben hat, kann diese Einlassung nicht widerlegen. Außerdem hat der Verfügungskläger die Stute ... bereits Ende März 1999 einem Hengsthalter in ... zum Decken gebracht, sodass diese nicht erst im April 1999 von ... zu ihm verbracht sein kann. Gegen die eidesstattliche Versicherung des Verfügungsklägers sprechen zudem die substantiierten und glaubhaften eidesstattlichen Versicherungen der Ehefrau des Verfügungsbeklagten, seiner Tochter und der ... vom 10. Dezember 1999. Nach diesen eidesstattlichen Versicherungen ist der Senat im einstweiligen Verfügungsverfahren davon überzeugt, dass sich die betreffenden Stuten auch noch in der Folgezeit auf den ersteigerten Flächen befanden. Die Zeuginnen ... und ... haben dieses ausdrücklich und substantiiert bestätigt. Auch die Zeugin ... hat in dieser Zeit auf der dem Hof unmittelbar gegenüberliegenden und somit mit ersteigerten Weide "mindestens" 5 tragende Stuten beobachtet. Die Zeuginnen ... sind um Umgang mit Pferden geübt und durchaus in der Lage, die streitbefangenen Pferde von anderen Pferden zu unterscheiden und zu identifizieren. Letztlich spricht auch der Umstand, dass ... ... im vorliegenden Verfügungsverfahren keinerlei Ansprüche auf die Tiere erhoben hat, gegen dessen Eigentum und zugleich auch gegen den Umstand, dass die Pferde erst nach dem Zuschlagbeschluss im April 1999 in Pension gegeben worden sind. Ausweislich des Vermerks des Polizeireviers ... vom 30. Juli 1999 ist der Zeuge ... ursprünglich auf Ladung nicht einmal erschienen und hat auf telefonische Nachfrage erklärt, er wolle sich nur über seinen Rechtsanwalt zur Sache äußern. Dem Umstand, dass der Verfügungsbeklagte im Ermittlungsverfahren gegen den Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 8. Juli 1999 vorgetragen hat, im Zeitpunkt des Zuschlagsbeschlusses seien ca. 40 Pferde auf dem ersteigerten Hof gewesen, misst der Senat keine durchgreifende Bedeutung zu. Das vorliegende Verfahren ist nur deswegen auf insgesamt 6 Stuten beschränkt, weil der Verfügungsbeklagte nur diese in seinen Besitz bringen konnte. Dieses steht der Existenz weiterer Pferde auf dem Hof im Zeitpunkt des Zuschlagsbeschlusses nicht entgegen. Zudem ist die lediglich pauschal anwaltlich vorgetragenen Anzahl der Pferde nicht geeignet, die substantiierten eidesstattlichen Versicherung zu widerlegen.

12

2.

Mit dem Eigentumserwerb des Verfügungsbeklagten durch den Zuschlagbeschluss vom 4. März 1999 (vgl. Rosenberg/Gaul/ Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 11. Aufl., S. 944) ist der Verfügungskläger Fremdbesitzer geworden, zumal er die Stuten fortan nicht mehr als ihm gehörend besaß. Zwar steht der Besitzschutz nach §§ 861, 858 BGB auch dem unmittelbaren Fremdbesitzer und selbst gegenüber dem Eigentümer zu. Indem der Verfügungskläger die Pferde allerdings nach dem Zuschlagbeschluss vom Hof entfernt hat, um so den Besitzerwerb des Eigentümers im Wege der Zwangsräumung zu verhindern, hat er die Grenzen seines Besitzrechts überschritten und damit den Tatbestand der unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB erfüllt (Palandt/Thomas BGB § 823 Rn. 8). In dieser bewussten und zielgerichteten und somit schuldhaften unerlaubten Handlung liegt zugleich eine verbotene Eigenmacht gegenüber dem Verfügungsbeklagten als Eigentümer (Staudinger/Bund, BGB 13. Bearbeitung, § 858 Rn. 29). Der Verfügungskläger hat durch das Entfernen der Stuten somit selbst fehlerhaften Besitz i.S.v. § 858 Abs.2 BGB erworben, der seinen Besitzschutz zwar nicht allgemein gegenüber Dritten aber nach § 861 Abs. 2 BGB gegenüber dem Verfügungsbeklagten ausschließt. Damit fehlt es bereits an einem Verfügungsanspruch für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung.

13

Der Schriftsatz des Verfügungsklägers vom 14.01.2000 ist erst am 17.01.2000 eingegangen und kann deswegen nicht mehr berücksichtigt werden. Er gibt dem Senat auch keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§§ 523, 296a, 156 ZPO). Gleiches gilt für den Schriftsatz des Verfügungsklägers vom 25. Januar 2000. Bei sorgfältiger Prozessführung hätte der Verfügungskläger bis zur mündlichen Verhandlung vortragen und die eidesstattliche Versicherung des Zeugen ... beschaffen und vorlegen können.

14

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

15

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.