Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.01.2000, Az.: 2 U 111/99

Entfernung von Werbetafeln auf einem Grundstück; Erteilung von Auskünften über Werbeeinnahmen; Verpachtung von Rechten; Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.01.2000
Aktenzeichen
2 U 111/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 31947
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2000:0119.2U111.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 24.02.1999 - AZ: 6 O 52/98

Fundstellen

  • IPuR 2000, 42
  • OLGReport Gerichtsort 2000, 164-165
  • WuM 2001, 46
  • WuM 2001, 93-94 (Volltext)
  • ZMR 2000, 284-286

Amtlicher Leitsatz

Die Vorschrift des § 571 BGB darf aber nicht dazu führen, dass der Grundstückserwerber an einen Vertrag gebunden ist, der gar nicht mit dem Grundstücksveräußerer, sondern mit einem Dritten abgeschlossen worden ist.

In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Januar 2000
für Recht erkannt:

Tenor:

Das am 24. Februar 1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf die Berufung der Klägerin wie folgt geändert:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück der Klägerin ..., eingetragen im Grundbuch von ... Blatt ... (AG ... ), befindlichen zwei Werbetafeln im Euroformat zu entfernen und

  2. 2.

    gegenüber der Klägerin schriftlich Auskunft zu erteilen über die seit dem 22. Januar 1998 erzielten Einnahmen auf Grund der Anbringung von Werbeplakaten auf den beiden Werbetafeln ... in ...

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und das Verfahren erster Instanz wird - teilweise unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Amtsgerichts Hannover vom 15. Dezember 1997 - auf 1.000 DM festgesetzt, von denen 700 DM auf den Klageantrag zu 1 und 300 DM auf den Antrag zu 2 entfallen.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000 DM nicht.

Entscheidungsgründe

1

Die form und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet.

2

Die Klägerin ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht in den Mietvertrag zwischen der Beklagten und der ... GmbH & Co. KG vom 8. Juli 1985 nach § 571 BGB eingetreten.

3

Zwar bestehen im Ergebnis keine Bedenken, § 571 BGB auf den Vertrag der Parteien anzuwenden, da keine Rechtspacht, sondern Miete vorliegt. Die Voraussetzungen für einen Mietvertragseintritt der Klägerin liegen aber nicht vor.

4

Nach der Rechtsprechung des BGH (MDR 1994, 346) liegt kein Mietvertrag, sondern eine Verpachtung von Rechten vor, wenn es um das Recht geht, Werbung auf Entfernungstafeln anzubringen, die auf einem Golfplatz aufgestellt werden.

5

Hier geht es aber nicht um das bloße Recht zur Anbringung von Werbung auf den von der Beklagten errichteten Werbetafeln. Vielmehr geht es um das Recht zur Inanspruchnahme des Grundstücks für die Aufstellung der Werbetafeln selbst. Diese Inanspruchnahme ist als Grundstücksmiete und nicht als reine Rechtspacht zu qualifizieren, sodass der Vertrag vom 8. Juli 1985 mietrechtlichen Vorschriften unterliegt. Anders als in der zitierten Entscheidung des BGH steht nicht die Inanspruchnahme der Tafeln selbst im Zentrum des Vertrages.

6

Trotz dieser Qualifikation kommt es weder auf die Wirksamkeit des formularmäßigen Kündigungsausschlusses in § 2 des Vertrages noch auf die Frage an, ob der Vertrag als Vertrag mit der Verwalterin der Voreigentümer ... überhaupt der Schriftform des § 566 BGB genügen würde. All dies kann dahinstehen, weil die Pflichten aus dem Vertrag ohnehin nicht auf die Klägerin übergegangen sind.

7

Unstreitig waren Voreigentümer und Verkäufer des Grundstücks ... in ... die Gebrüder ... und nicht die ... GmbH & Co. KG. Der Mietvertrag mit der Beklagten war demgemäß auch nicht zwischen dem Veräußerer und dem Mieter abgeschlossen. Vielmehr hatte die Beklagte einen Mietvertrag mit einem Dritten, der nicht Grundstückseigentümer und Veräußerer der Mietsache war (hierzu Bub/Treier/Heile, Handbuch der Geschäfts und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. II, Rz. 857 ff.). Eine Anwendung des § 571 BGB kommt nicht in Betracht, wenn keine Identität zwischen dem Veräußerer, Vermieter und Eigentümer des Grundstücks besteht (dazu Bub/Treier/Heile, a.a.O., Rz. 861).

8

Hier behauptet die Beklagte zwar auch in der Berufungsinstanz, dass ihrerseits beabsichtigt gewesen sei, den Mietvertrag nur mit den Grundstückseigentümern Gebrüder ... zu schließen, obwohl der unstreitig von der Beklagten selbst ausgefüllte Mietvertrag etwas anderes ausweist. Diese in erster Instanz nicht weiterverfolgte Behauptung bedarf jedoch auch in zweiter Instanz keiner weiteren Aufklärung, weil die Beklagte nicht vorgetragen hat, in welcher Form eine Einigung zwischen ihr und den angeblichen Vermietern Gebrüder ... zu Stande gekommen ist. Allein die Behauptung, sie habe den Vertrag nur mit den Grundstückseigentümern schließen wollen, ohne den dazu erforderlichen Sachvortrag, in welcher Form dies bei den Vertragsverhandlungen zum Ausdruck gekommen und akzeptiert worden ist, reicht nicht aus, um - entgegen dem Wortlaut des Vertrages - von einem Mietvertrag mit den Gebrüdern ... auszugehen. Es fehlt schlüssiger Sachvortrag, sodass eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der von der Beklagten angegebenen Zeugen nicht in Betracht kommt. Eine solche Beweisaufnahme würde eine Ausforschung des von der Beklagten nicht vorgetragenen Sachverhalts darstellen.

9

Zwar hat das Landgericht auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Auffassung vertreten, dass der seinem Wortlaut nach mit der ... GmbH & Co. KG abgeschlossene Vertrag so verstanden werden müsse, als handele es sich um einen Vertrag mit der Hausverwalterin, der ... Vermögensverwaltung GbR. Dies habe zur Folge, dass der Vertrag den Eigentümern Gebrüder ... zuzurechnen sei, mit der Folge, dass er nach § 571 BGB auch auf die Klägerin als Erwerberin übergegangen sei. Diesen Ausführungen, bei denen es zutrifft, dass ein Mietvertrag dann unter § 571 BGB fallen kann, wenn er von dem vom Eigentümer autorisierten Verwalter abgeschlossen worden ist (s. Bub/Treier, Heile, a.a.O., Rz. 861), tragen die Entscheidung des Landgerichts jedoch nicht. Das Ergebnis der Beweisaufnahme rechtfertigt eine solche Würdigung nicht, da die Vernehmung des Zeugen H... entsprechendes nicht hergibt. Der Zeuge hat ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 27. Januar 1999 lediglich die Vermutung geäußert, dass der Vertrag versehentlich namens der ... GmbH & Co. KG abgefasst und unterschrieben worden sei, tatsächlich jedoch von der ... Vermögensverwaltung unterschrieben werden sollte. Hierbei handelte es sich, dies ergibt die protokollierte Aussage des Zeugen in nicht zu übersehender Eindeutigkeit, jedoch nicht um konkrete Wahrnehmungen des Zeugen, sondern vielmehr um bloße Mutmaßungen, mit denen der Zeuge sich zu erklären versucht hat, warum in dem Vertrag nicht die ... Vermögensverwaltung als Vermieterin genannt worden ist. Konkrete Angaben bezüglich des Zustandekommens des Vertrages konnte der Zeuge H... nicht machen. Diese Zeugenaussage ließ deshalb nicht die Annahme zu, dass es sich tatsächlich um einen Mietvertrag gehandelt habe, der von der ... Vermögensverwaltung unterschrieben worden sei. Hierzu reichten die bloßen Mutmaßungen des Zeugen H... nicht aus. Es konnte deshalb auch nicht feststellen, dass es sich um einen Vertrag handelte, der von der Verwalterin des Grundstücks abgeschlossen worden war, sodass der weiter gehende Schluss, die Klägerin sei an diesen Vertrag gebunden, unzutreffend ist. Einer Wiederholung der Beweisaufnahme bedurfte es insoweit nicht, weil das Landgericht seine Schlüsse ersichtlich auf bloße Vermutungen des Zeugen ... gestützt hat.

10

Nicht erschöpfend sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Landgerichts zum Schutzzweck des § 571 BGB. Die Vorschrift soll zwar auch dem Schutz des Mieters dienen, der einen eindeutigen Mietvertrag mit dem Grundstücksvermieter hat. Sie darf aber nicht dazu führen, dass der Grundstückserwerber an einen Vertrag gebunden ist, der gar nicht mit dem Grundstücksveräußerer, sondern mit einem Dritten abgeschlossen worden ist. Bei einem solchen Vertrag, wie er hier vorliegt, fehlt die für § 571 BGB erforderliche Eindeutigkeit; ein besonderes Schutzbedürfnis der Beklagten besteht deshalb nicht. Zu schützen ist vielmehr der Grundstückserwerber, der an einen Mietvertrag gebunden sein soll, der gar nicht mit dem Veräußerer abgeschlossen worden ist. Bei einer solchen Konstellation müssen strenge Anforderungen an die Bezeichnung des Vermieters im Mietvertrag gestellt werden. Handelt es sich nicht einmal um den Verwalter, dessen Vertragsschluss dem veräußernden Eigentümer zugerechnet werden könnte, sondern um einem Dritten, der mit dem Verwalter nichts zu tun hat, spricht zunächst alles dafür, § 571 BGB nicht anzuwenden. Ansonsten könnte der Erwerber an einen Vertrag gebunden sein, aus dem er bei Abschluss des Kaufvertrages nicht entnehmen kann, dass dieser Vertrag seitens der Verkäufers abgeschlossen ist und deshalb auf ihn übergehen könnte.

11

Zwar nimmt die Beklagte in der Berufungserwiderung den Vortrag erster Instanz, der Vertrag sei nur irrtümlich von der ... GmbH & Co. KG unterzeichnet worden, tatsächlich solle es sich um einen Vertrag der ... Vermögensverwaltung GmbH gehandelt haben, nicht ausdrücklich auf, sondern vertritt weiterhin die Auffassung, der Vertrag sei mit den Voreigentümern Gebrüder ... unmittelbar abgeschlossen worden; bei der Bezeichnung der ... GmbH & Co. KG im Vertrag habe es sich nur um eine irrtümliche Falschbezeichnung gehandelt. Selbst wenn man dem Gedanken des Landgerichts nachgehen würde, dass tatsächlich ein Abschluss des Vertrages durch die ... Vermögensverwaltung als Verwalterin des Grundstücks beabsichtigt gewesen sei, findet diese Annahme in dem vorgetragenen Sachverhalt aber keine Stütze. Entsprechendes hat nicht einmal die Beklagte selbst behauptet. Konkreter Sachvortrag dazu, dass die Beklagte mit der ... Vermögensverwaltung GbR einen Mietvertrag abschließen wollte, fehlt. Die Beklagte trägt in der Berufungserwiderung ausdrücklich vor, sie habe mit den Gebrüdern ... selbst kontrahieren wollen. Die Auffassung des Landgerichts, der Vertrag der ... GmbH sei der ... Vermögensverwaltung GbR zuzurechnen, die Klägerin müsse sich an diesen Vertrag halten, weil er von der von der durch die Hauseigentümer autorisierten Hausverwalterin abgeschlossen worden sei, ist deshalb nicht haltbar.

12

Tatsächlicher Vortrag der Beklagten zu einer Einigung zwischen ihr und den Gebrüdern ... persönlich fehlt. Wann und wie eine solche Einigung zu Stande gekommen sein soll, ist nicht erläutert. Der Vortrag der Beklagten besteht nur aus Rechtsausführungen, die die Anwendbarkeit des § 571 BGB rechtfertigen sollen. Die von der Beklagten selbst errichtete Urkunde, die die ... GmbH & Co. KG - die seinerzeitige Nutzerin des Grundstücks - als Vermieterin ausweist, wird durch dieses Vorbringen nicht erschüttert.

13

Auch für eine nachträgliche Genehmigung und Übernahme des Mietvertrages durch die Gebrüder ... als Verkäufer ist nichts vorgetragen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Genehmigung fehlen. Die von der Beklagten in dem Vertrag als Vermieterin bezeichnete ... GmbH & Co. KG, die in der Lage war, der Beklagten den vermieteten Grundstücksteil zu überlassen, ist Vermieterin geblieben. Anhaltspunkte für den Übergang des Mietvertrages auf die Eigentümer sind nicht ersichtlich.

14

Der Klage war deshalb bezüglich des Antrags zu 1 stattzugeben, wobei sich die Anspruchsgrundlage aus § 1004 BGB ergibt und der Beklagten ein Recht zur Fortsetzung ihrer Nutzung nicht zusteht.

15

Auch der Antrag auf Auskunftserteilung ist begründet. Der Klägerin steht im Hinblick auf die fortgesetzte Nutzung des Grundstücks nach Rechtshängigkeit durch die Beklagte ein Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen aus § 987 Abs. 1 BGB zu. Zurückzuweisen war nur der Anspruch für die Zeit vor Eintritt der Rechtshängigkeit, da die Beklagte insoweit als entgeltliche gutgläubige Besitzerin anzusehen ist. Immerhin leitete sie ihr Besitzrecht von einer Gesellschaft der Voreigentümer ab, die sie als überlassungsbefugt ansehen durfte. Zur Vorbereitung des Anspruchs auf Nutzungsherausgabe ist die Klägerin darauf angewiesen, Auskunft über die Nutzungen der Beklagten zu erhalten. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung ergibt sich insoweit aus § 260 BGB.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und das Verfahren erster Instanz wird - teilweise unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Amtsgerichts Hannover vom 15. Dezember 1997 - auf 1.000 DM festgesetzt, von denen 700 DM auf den Klageantrag zu 1 und 300 DM auf den Antrag zu 2 entfallen.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000 DM nicht.

Die Festsetzung der Beschwer ist im Hinblick auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfolgt.

Bei der Festsetzung des Streitwertes - auch für die Vorinstanz - ist der Senat von der Anwendung des 16 Abs. 1 GKG auf die Klage ausgegangen. Das Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung des Mietvertrages, das das Amtsgericht zur Grundlage seiner Streitwertfestsetzung gemacht hat, kann schon deshalb nicht maßgeblich sein, weil es auf das Interesse der Klägerin und nicht das der Beklagten ankommt. Den Wert des Auskunftsanspruchs hat der Senat entsprechend § 3 ZPO auf 300 DM geschätzt, dies entspricht einem Bruchteil von ca. 1/5 des geschätzten Anspruchs der Hauptsache.