Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.06.2005, Az.: 9 A 1738/05
Mitbestimmung der Personalvertretung bei der Begründung und Gestaltung von Beschäftigungsverhältnissen ; Voraussetzungen für die Mitbestimmung der Personalvertretung bei einer Einstellung; Auswahlentscheidung der Dienstelle für die Beschäftigung von Hilfsbedürftigen; Voraussetzungen für die Annahme der Generalklausel des § 64 Abs. 3 S. 1 Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz (NPersVG) auf Hilfsbedürftige; Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei der Einstellung; Erforderlichkeit einer personalvertretungsrechtlichen Beteiligung bei der vorentscheidenden Maßnahme der Schaffung von Gelegenheiten zur zusätzlichen Arbeit; Mitbestimmung bei der Entscheidung über Beschäftigungsangebote für Arbeitssuchende
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.06.2005
- Aktenzeichen
- 9 A 1738/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 27676
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0622.9A1738.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 16 SGB II
- § 16 Abs.3 SGB II
- § 64 Abs. 3 NPersVG
- § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG
- § 16 Abs. 3 AGB II
Fundstellen
- PersV 2005, 385-388
- ZfPR 2006, 47 (amtl. Leitsatz)
- ZfPR online 2006, 9-10 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Beteiligung bei § 16 SGB II
Das Verwaltungsgericht Oldenburg - 9. Kammer - hat
auf die mündliche Anhörung vom 22. Juni 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ...,
den Richter am Verwaltungsgericht ...,
den Richter am Verwaltungsgericht ..., sowie
Herrn ... und Herrn ...als ehrenamtliche Richter
beschlossen:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte bei der Bereitstellung und Benennung von Arbeitsgelegenheiten gemäß § 16 Abs. 3 SGB II Beteiligungsrechte des Antragstellers verletzt hat. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Mitbestimmung der Personalvertretung bei der Begründung und Gestaltung von Beschäftigungsverhältnissen nach § 16 Abs.3 SGB II.
Bei der Stadt Oldenburg sind ungefähr 140 Beschäftigungsmöglichkeiten für Hilfsbedürftige nach § 16 Abs.3 SGB II eingerichtet. Die Möglichkeiten zur Beschäftigung werden von den einzelnen Ämtern der Stadt ermittelt, vom Amt für Personal- und Organisationsmanagement zusammengefasst und der Arbeitsgemeinschaft Oldenburg zur Förderung gemeldet. In den Förderungsanträgen sind Angaben zu den Tätigkeiten, gegebenenfalls auch zum Ort der Tätigkeit und zu den Anforderungen an den Hilfeempfänger enthalten. Geeignete Hilfsbedürftige werden der Stadt durch die Arbeitsverwaltung zugewiesenen, die sich dabei von Kriterien des Arbeitsmarktes leiten lässt. Die Dauer der Beschäftigung kann zwischen 6 und 12 Monaten variieren. In der Regel werden Beschäftigungsmöglichkeiten für 6 Monate angeboten. Die Arbeitssuchenden werden pro Woche zwischen 15 und 30 Stunden eingesetzt.
Der Antragsteller machte gegenüber dem Beteiligten Mitwirkungsrechte beim Einsatz der Hilfeempfänger gemäß § 16 Abs.3 SGB II geltend. Der Beteiligte sah keine Möglichkeit für formale Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung, weil die Arbeit Suchenden nicht als Arbeitnehmer eingestellt, sondern durch Verwaltungsakt einer anderen Behörde zugewiesenen würden. Ein Arbeitsverhältnis, bei dessen Begründung die Personalvertretung zu beteiligen sei, werde nicht begründet. Der Beteiligte war bereit, den Antragsteller regelmäßig über die Entwicklung der so genannten 1-Euro Kräfte zu informieren.
Weil eine Einigung nicht zu erzielen war, hat der Antragsteller am 26. April 2005 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Er ist der Ansicht, bei der Einrichtung von Beschäftigungsmöglichkeiten nach § 16 Abs.3 SGB II sei eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung erforderlich, weil reguläre Arbeitsplätze gefährdet werden könnten. Die Personalvertretung müsse sowohl bei der Bereitstellung der Beschäftigungsmöglichkeiten als auch bei der konkreten Einstellung des Arbeitssuchenden beteiligt werden. Auch wenn kein Arbeitsverhältnis begründet würde, so werde der Hilfsbedürftige doch einem Arbeitnehmer vergleichbar in die Dienststelle eingegliedert. Er unterliege der Weisungsbefugnis der Dienststelle bezüglich Ort, Zeit und Art der Arbeitsleistung und sei einem Arbeitnehmer personalvertretungsrechtlich gleichzustellen. Durch die Eingliederung in den Betriebsablauf ergäben sich Auswirkungen auf die Arbeiter und Angestellten, die personalvertretungsrechtlich begleitet werden müssten. Dabei sei es unerheblich, ob die Eingliederung durch einen Vertrag oder durch einen Verwaltungsakt erfolge.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass der Beteiligte bei der Besetzung und Vereinbarung zur Aufnahme eines Beschäftigten im Rahmen des § 16 III SGB II Beteiligungsrechte des Antragstellers verletzt hat,
sowie festzustellen, dass der Beteiligte bei der Bereitstellung und Benennung geeigneter Einsatzbereiche für Arbeitsgelegenheiten gem. § 16 III SGB II Beteiligungsrechte des Antragstellers verletzt hat,
sowie dem Beteiligten zu untersagen, ohne vorherige Zustimmung des Antragstellers Beschäftigungsgelegenheiten gem. § 16 III SGB II bereitzustellen und gegenüber der Arbeitsagentur zu benennen,
sowie dem Beteiligten zu untersagen, Vereinbarungen zur Aufnahme eines Beschäftigten im Rahmen des § 16 III SGB II abzuschließen, bevor nicht die Zustimmung des Antragstellers vorliegt.
Der Beteiligte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Seiner Ansicht nach ist der Antragsteller als Gesamtpersonalrat nicht zur Antragstellung befugt, weil Beschäftigungsmöglichkeiten für Hilfeempfänger nach § 16 Abs.3 SGB II nur in der Hauptdienststelle, nicht aber in den vom Antragsteller auch vertretenen ausgegliederten Dienststellen geschaffen würden. Abgesehen davon könne der Antrag auch keinen Erfolg haben, weil ein Unterlassungsanspruch dem Personalvertretungsrecht fremd sei. Auch materiell seien die Voraussetzungen für ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht gegeben. Eine Mitbestimmung bei Einstellung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil mit dem Hilfeempfänger kein Vertrag über seine Beschäftigung geschlossen werde. Der Hilfeempfänger werde durch einen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung zugewiesen, auf den der Beteiligte keinen Einfluss habe. Auch bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang Beschäftigungsmöglichkeiten nach § 16 Abs.3 SGB II bereitgestellt würden, könnte der Antragsteller nicht beteiligt werden. Insbesondere ergebe sich sein Beteiligungsrecht nicht aus der Mitwirkung bei der Aufstellung des Stellenplans, weil diese Beschäftigungsmöglichkeiten nicht im Stellenplan ausgewiesen würden. Ein Rückgriff auf die Allzuständigkeit der Personalvertretung sei nicht möglich, weil dem Personalrat eine Mitbestimmung bei der Einstellung wegen des Fehlens der Voraussetzungen nicht zustehe. Es sei anerkannt, dass Hilfeempfänger nach § 19 BSHG ohne Beteiligung der Personalvertretung beschäftigt werden könnten. Dies müsse auch für Beschäftigte nach § 16 Abs.3 SGB II gelten, der im Wesentlichen eine Fortführung der Beschäftigungsmöglichkeiten nach § 19 BSHG sei. Eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung bei der Entscheidung der Dienststelle, ob Möglichkeiten zur Arbeitsbeschaffung bereitzustellen seien, die zu Arbeitsverträgen führten, finde nicht statt.
Wegen in der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Verfahrensakten und auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge.
II.
Der Antrag ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach § 83 NPersVG zulässig und teilweise begründet.
Der Antragsteller ist antragsbefugt, weil er in seinen Rechten verletzt ist. Zwar bestehen neben dem Antragsteller als Gesamtpersonalrat noch die Personalräte bei der allgemeinen Verwaltung, dem Abfallwirtschaftsbetrieb und der Feuerwehr. Die hier zu treffenden Mitbestimmungsentscheidungen fallen jedoch nicht in die Zuständigkeit der (örtlichen) Personalräte. Die Entscheidung über den Einsatz von Hilfsbedürftigen nach § 16 Abs. 3 SGB II wird vom Oberbürgermeister für die gesamte Stadtverwaltung getroffen. Die Leiter der Teildienstellen sind zu diesen Maßnahmen nicht befugt. Wie im Schreiben des Fachdienstes 101 vom 17. März 2005 an den Personalrat des Abfallwirtschaftsbetriebes ausgeführt wird, werden die Beschäftigungsmaßnahmen für Bezieher von Arbeitslosengeld II vom Fachdienst 101 federführend für die gesamte Verwaltung einschließlich Abfallwirtschaftsbetrieb und Berufsfeuerwehr beantragt und bearbeitet. Diese Aufgabe sei nicht den verselbstständigten Dienststellen übertragen. Deshalb seien die dort gebildeten örtlichen Personalräte nicht zuständig. Als Ansprechpartner des Beteiligten kommt somit nur der Antragsteller in Betracht.
Dem Antrag auf Feststellung der Mitbestimmung bei der Aufnahme eines Beschäftigten nach § 16 Abs. 3 SGB II, kann nicht entsprochen werden. Der Antragsteller wollte damit beim Einsatz jedes Beschäftigten mitwirken, der der Stadt von der Arbeitsverwaltung zugewiesen wird. Der Antragsteller kann sich dazu nicht auf § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG berufen, der die Mitbestimmung bei einer Einstellung betrifft.
Einer Mitbestimmung nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG steht allerdings die fehlende Arbeitnehmereigenschaft der Hilfsbedürftigen nicht entgegen. Mit ihnen wird gem. § 16 Abs. 3 SGB II kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründet. Die Hilfsbedürftigen sind somit keine Arbeiter und Angestellten, bei deren Einstellung der Personalrat nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG mitbestimmt. Ob sie unter den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 NPersVG fallen, der mit dem Personenkreis des § 65 Abs. 2 NPersVG nicht zwingend kongruent sein muss, mag offen bleiben, weil es für ein Mitbestimmungsrecht nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG nichts hergibt. Die Begriffbestimmung der Beschäftigten in § 4 NPersVG hat eine andere Funktion als der Mitbestimmungskatalog des § 65 Abs. 2 NPersVG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Aug. 1997, 6 P 7/95, Personalrat 1998, 22; zweifelnd Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, Kommentar, Anm. 35a zu § 64 NPersVG).
Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist zwar in der Regel Voraussetzung für die Mitbestimmung der Personalvertretung nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG bei der Einstellung, weil Arbeiter und Angestellte auf Grund eines Arbeitsvertrages tätig sind. Zwingend notwendig für die Annahme einer Einstellung und daraus folgend für die Mitbestimmung nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG ist ein Arbeitsverhältnis jedoch nicht. Eine Einstellung im Sinne des Personalvertretungsrechts setzt nicht in jedem Fall ein Arbeitsverhältnis mit vollständig ausgestalteten Rechten und Pflichten voraus. Insbesondere bei Beschäftigungsverhältnissen, an deren Entstehung noch Dritte - privatrechtlich oder öffentlichrechtlich - beteiligt sind, reicht ein Mindestbestand an arbeitsvertraglichen Beziehungen zur Begründung der Mitbestimmung aus. Wenn ein Weisungsrecht der Dienstelle und eine Weisungsgebundenheit des Beschäftigten rechtlich abgesichert sind, werden zumindest partielle Arbeitgeberfunktionen mit Schutzpflichten und Arbeitnehmerfunktionen mit Schutzansprüchen begründet, die personalvertretungsrechtlich bedeutsam sind (BVerwG, Beschl. v. 27. Aug. 1997, 6 P 7/95, Personalrat 1998, 22). Die Mitbestimmung der Personalvertretung wird schon dann erforderlich, wenn der Dienstleistende mit der ihm übertragenen Tätigkeit wie ein in dieser Dienststelle beschäftigter Arbeitnehmer Aufgaben wahrnimmt, die der Dienstelle im öffentlichen Interesse obliegen. Entscheidend kommt es für die Begründung des Mitbestimmungserfordernisses darauf an, ob der Beschäftigte in den Betriebsablauf der Dienststelle eingegliedert ist und den Weisungen der Dienststelle hinsichtlich Art, Umfang, Ort und Zeit der Arbeitsleistung unterliegt. Eine Einstellungsentscheidung kann somit nicht nur bei Vertragsverhältnissen oder bei freier Vereinbarung zwischen dem Bewerber und der Dienststelle angenommen werden. Vielmehr kann eine Einstellung auch dann vorliegen, wenn das Beschäftigungsverhältnis von dritter Seite veranlasst worden ist (BVerwG, Beschluss vom 27. August 1997, 6 P 7/95: Der Personalrat 1998, 22).
Die Eingliederung ist allerdings nicht die alleinige Voraussetzung für die Annahme einer Einstellung nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG. Auch wenn der Hilfsbedürftige nach § 16 Abs. 3 SGB II in den Betriebsablauf der Dienststelle eingegliedert ist und an ihrer Aufgabenerfüllung mitwirkt, reicht dies allein für eine Mitbestimmung des Personalrats nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG nicht aus. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Hilfsbedürftigen zum Personenkreis des § 4 NPersVG gehören (a.A. Tröll, 1-Euro-Jobs und die Beteiligung des Personalrats, Der Personalrat 2005, 132, 135; Zwanziger, Rechtliche Rahmenbedingungen für "Ein-Euro-Jobs", AuR 2005 8, 14). Eine Einstellung setzt vielmehr auch die Entscheidungsfreiheit der Dienststelle für oder gegen den Bewerber voraus. Bei Gebundenheit der Dienstelle ist für eine Beteiligung der Personalvertretung kein Raum. Insbesondere bei Beschäftigungsverhältnissen, der Begründung von dritter Seite veranlasst oder durch Verwaltungsakt erfolgt, kann die arbeitgebertypische Auswahlentscheidung so eingeschränkt oder ganz beseitigt sein, dass auch für eine personalvertretungsrechtliche Begleitung bei der Begründung dieses Beschäftigungsverhältnisses kein Raum mehr bleibt. Wenn eine Auswahlentscheidung der Dienstelle durch Gesetz vorausgesetzt oder doch zumindest nicht ausgeschlossen ist, kann eine Mitbestimmung erforderlich werden und sinnvoll sein. So ist etwa für die Aufnahme eines Zivildienstleistenden ein Mitbestimmungsrecht anerkannt worden, wenn der Arbeitgeber eine Auswahlentscheidung treffen kann, welchen zukünftigen Zivildienstleistenden er verwenden will. Wenn die behördliche Zuweisung des Zivildienstleistenden der Auswahlentscheidung der Beschäftigungsstelle folgt, dann kann die Auswahlentscheidung der Mitbestimmung der Personalvertretung unterliegen (BAG Beschl. v. 19. Jun. 2001, 1 ABR 25/00, BAGE 98, 70 [BAG 19.06.2001 - 1 ABR 25/00]).
Im SGB II ist aber eine Auswahlentscheidung der Dienstelle für die Beschäftigung von Hilfsbedürftigen nicht vorgesehen und findet auch bei der Stadt Oldenburg nicht statt. Weil der Dienststellenleiter keine eigene Entscheidung über die Eingliederung des von der Arbeitsverwaltung vorgeschlagenen Bewerbers trifft, kann der Personalrat kein Mitbestimmungsrecht bei einer Einstellung nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG geltend machen (VG Mainz, Beschl. v. 14. Jan. 2005, 5 L 1238/04, Vnb).
Die Beschäftigung der Hilfsbedürftigen nach § 16 Abs. 3 SGB II erfolgt nach einem mehrstufigen Verfahren unter Mitwirkung verschiedener Behörden. Die Dienststelle leitet dieses Verfahren ein, wenn sie bei der Arbeitsverwaltung einen Förderantrag zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung stellt. In dem Antrag wird die Arbeitsgelegenheit nach Art, Ort, zeitlichem Umfang und nach ihrer Dauer bezeichnet. Weiter werden die Arbeitsinhalte und die dazu erforderliche Qualifizierung des Arbeitssuchenden angegeben. Die Arbeitsverwaltung prüft den Antrag und bewilligt ihn, soweit ein Bewerber für diese Tätigkeit geeignet ist und die Beschäftigungsmöglichkeit nach arbeitspolitischen Erwägungen für ihn erforderlich ist. Im Bewilligungsbescheid für die Förderung der Maßnahme wird allerdings ein Arbeitssuchender noch nicht benannt. Ob die Dienststelle den Bescheid mit einem Widerspruch anfechten kann, ist für die Entscheidung des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens ohne Bedeutung, weil eine Einstellungsentscheidung dadurch nicht getroffen würde. Zur Durchführung der bewilligten Maßnahme wird der Stadt ein Hilfsbedürftiger zugewiesen. Auch wenn es in der Praxis vorkommen mag, dass die Dienstelle unter mehreren Hilfsbedürftigen auswählen oder völlig ungeeignete ohne formelles Verfahren ablehnen kann, so ist doch im formell ausgestalteten Verfahren keine Einflussmöglichkeit der Dienststelle auf die Person des Hilfsbedürftigen gegeben, der eine Beschäftigung nach § 16 Abs. 3 SGB II aufnehmen soll. Insoweit unterscheidet sich die Situation von der Einstellung von Zivildienstleistenden, wenn dort die Zuweisungsentscheidung des Bundesamtes für Zivildienst einer Auswahlentscheidung oder Vorabzustimmung der Beschäftigungsstelle folgt. Im Übrigen geht es weder dem Antragsteller noch dem Beteiligten in diesem Beschlussverfahren um die jeweilige Person des zeitweiligen Mitarbeiters, sondern um die Beschäftigungsmaßnahme an sich. Die damit zusammenhängenden Fragen lassen sich in einem Mitbestimmungsverfahren nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG nur sehr unzureichend behandeln.
Dem ersten Antrag des Antragstellers kann somit nicht entsprochen werden. Der zweite Antrag hat aber Erfolg. Er zielt auf eine Beteiligung im Vorfeld des Beschäftigungsverhältnisses. Nicht die Auswahl des Hilfsbedürftigen, sondern die Entscheidung der Dienststelle, Beschäftigungsmöglichkeiten nach § 16 Abs. 3 AGB II anzubieten und die Förderung bei der Arbeitsverwaltung zu beantragen, soll nach Vorstellungen des Antragstellers der Mitbestimmung unterliegen.
Im Katalog der Mitbestimmungsfälle in §§ 65 ff NPersVG ist ein Beteiligungstatbestand dafür jedoch nicht aufgeführt. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Beteiligung nach § 75 Abs. 1 Nr. 8 NPersVG, der das Benehmen bei der Aufstellung der Stellenplanentwürfe betrifft. Abgesehen davon, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten nach § 16 Abs. 3 SGB II nicht in Stellenpläne aufgenommen werden, genügt das Benehmensrecht auch nicht den Vorstellungen des Antragstellers, der volle Mitbestimmung nach dem 2. Abschnitt des 5. Kapitels des NPersVG anstrebt.
Aber auch wenn eine Maßnahme nicht im Katalog der §§ 65 - 67 NPersVG aufgeführt ist, kann dennoch eine Mitbestimmung in Betracht kommen. Nach § 64 Abs. 3 NPersVG handelt es sich bei den §§ 65 - 67 aufgeführten Maßnahmen um eine beispielhafte Aufzählung, die die Mitbestimmung bei Maßnahmen von ähnlichem Gewicht nicht ausschließt. Damit ist § 64 Abs.3 NPersVG eine Auffangregelung für Mitbestimmungsfälle, die in ihrer Bedeutung den in §§ 65 - 67 NPersVG aufgezählten gleichkommen. Sie ermöglicht im Wege der Analogie eine umfassende Mitbestimmung und dient damit der Durchsetzung des Grundsatzes der Gleichberechtigung bei personellen Maßnahmen, wie er in § 64 Abs. 1 NPersVG festgelegt ist.
Der Einsatz von Hilfsbedürftigen nach § 16 Abs. 3 SGB II für die Aufgabenerfüllung der Dienststelle ist eine Maßnahme, die in ihren Auswirkungen einer Einstellung gleichkommt. Die Beschäftigten der Behörde werden durch die Beschäftigung von Hilfsbedürftige nach § 16 Abs. 3 SGB II faktisch wie von einer Einstellung betroffen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26. Januar 2000, 6 P 2.99, BVerwGE 110, 287, 295). Die Hilfsbedürftigen müssen wie Arbeiter und Angestellte beaufsichtigt und angeleitet werden. Außerdem müssen ihre Tätigkeiten mit den sonstigen Tätigkeiten der Dienststelle koordiniert werden. Sie sind in den Betriebsablauf der Dienststelle eingegliedert und unterliegen den Weisungen der Dienststelle bezüglich ihrer Arbeitszeit, ihrer Arbeitsleistung und ihrem Arbeitsort ebenso wie Arbeiter und Angestellte. Sie nehmen ebenfalls Aufgaben der Dienststelle wahr. Auch wegen der engen Zusammenarbeit zwischen den Hilfsbedürftigen und den Arbeitern und Angestellten der Dienststelle ist eine Vergleichbarkeit einer aufgrund eines Arbeitsvertrages aufgenommenen Tätigkeit mit der Beschäftigung, die den Hilfsbedürftigen zugewiesen worden ist, gegeben. Mit der Eingliederung von Arbeitssuchenden nach § 16 Abs. 3 SGB II werden Probleme berührt, die eine personalvertretungsrechtliche Mitwirkung selbst in den engen Gestaltungsmöglichkeiten des § 77 Abs. 2 BPersVG erforderlich erscheinen lassen.
Neben der Gleichwertigkeit der Maßnahme, die bei einer Analogie der Gleichartigkeit der Interessenlage entspräche, ist nach § 64 Abs. 3 Satz 2 NPersVG eine Lücke im Gesetz erforderlich. Nur wenn der Sachverhalt nicht in §§ 65 - 67 und 75 NPersVG geregelt ist, kommt eine Anwendung des § 64 Abs. 3 S. 1 NPersVG in Betracht. Wegen der Sperrwirkung des § 64 Abs. 3 S. 2 NPersVG bleibt für die Generalklausel in § 64 Abs. 3 S 1 NPersVG nur ein sehr enger Raum. Sie kann nur dann zum Zuge kommen, wenn die Katalogtatbestände nach ihrem Sinn und Zweck nicht greifen, vielmehr deren erweiternde Auslegung nach den allgemein anerkannten Methoden geboten ist (Dembowski/Ladwig/ Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, Anm. 35 zu § 64 NPersVG). Die Generalklausel des § 64 Abs.3 NPersVG ist eine Art Analogiegebot zur Lösung von Fällen, die im Gesetz nicht vorhergesehen waren und deshalb in den Katalog nicht als mitbestimmungspflichtige Sachverhalte aufgenommen werden konnten, wegen ihrer Rechtsähnlichkeit jedoch im Wege der Analogie in die Mitbestimmung einzubeziehen sind (Dembowski u.a., a.a.O. Anm. 7 zu § 64 NPersVG).
Trotz der Eingliederung der Arbeitssuchenden in die Aufgabenerfüllung der Dienststelle werden die hier zu lösenden Probleme nicht vom Mitbestimmungstatbestand des § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG erfasst. Der Rückgriff auf die Generalklausel des § 64 Abs. 3 S. 1 NPersVG ist somit nicht versperrt Die Beschäftigung von Arbeitssuchenden hat zwar auch Auswirkungen wie eine Einstellung. Darüber hinaus hat sie aber ganz andere beschäftigungs- und lohnpolitische Dimensionen. Insoweit unterscheiden sich die Konfliktfelder hinreichend sicher von den Problembereichen, die durch personalvertretungsrechtliche Beteiligung bei einer Einstellung nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG geregelt werden sollen. Es geht hier nicht nur um die Eingliederung eines individuell betroffenen Beschäftigten in den Betriebsablauf, sondern um Auswirkungen einer Beschäftigungsmöglichkeit, die dem Personalvertretungsgesetz bislang nicht bekannt war. Die Beschäftigung vom Hilfeempfängern nach § 19 Abs. 2 S. 1 BSHG, die auch im NPersVG nicht behandelt war, kam dem zwar in einigen Auswirkungen nahe, hatte aber andere politische Hintergründe als die durch die große Hartz-Reform geschaffenen Möglichkeiten des § 16 SGB II. Die Entscheidung über Beschäftigung von Arbeitssuchenden ist qualitativ anders als eine Entscheidung über die Einstellung eines Angestellten oder Arbeiters. Nicht die Auswahl einer Person und ihre Eignung, sondern die Entscheidung über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung der Dienststelle durch Beschäftigte außerhalb des regulären Arbeitsmarktes löst den Bedarf an personalvertretungsrechtlicher Mitwirkung aus.
Die Mitbestimmung bei der Einstellung sichert zunächst im Interesse der Bewerber das ordnungsgemäße Verfahren, wenn der Personalrat etwa wegen Verstoßes gegen die Chancengleichheit oder bei unsachlichen Erwägungen der Dienststelle seine Zustimmung versagen kann. Darüber hinaus dient die Mitbestimmung auch der Bewältigung von Konflikten, die sich aus der Zusammenarbeit des Bewerbers mit den übrigen Beschäftigten der Dienststelle ergeben können. Dabei sind nicht nur die Folgen der Eingliederung im etwaigen Verhältnis von Vorgesetzten und Mitarbeiter zu berücksichtigen, sondern auch ihre Auswirkungen auf die berufliche Zukunft, etwa Aufstiegschancen, und die Zusammenarbeit im weiteren Sinn zwischen dem Bewerber und den übrigen Beschäftigten sind Gegenstand der personalvertretungsrechtlichen Entscheidung. Demgegenüber kann die Beschäftigung von Arbeitssuchenden andere und erhebliche Auswirkungen auf die Tätigkeit der Arbeiter und Angestellten in den Dienststellen haben, die bis zur Entziehung von Arbeitsfeldern, erzwungener Untätigkeit, Zuweisung neuer Tätigkeitsbereiche und Umsetzung innerhalb der Dienststelle führen können (BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2000, 6 P 2.99, BVerwGE 110, 287, 294).
Bei der Entscheidung über Beschäftigungsmöglichkeiten nach § 16 Abs. 3 SGB II stehen Personalvertretung und Dienststelle schon wegen der unterschiedlichen Konkurrenzlage vor einer besonderen Entscheidungssituation. Vor einer Einstellung stehen sowohl die Bewerber untereinander als auch die Bewerber im Verhältnis zu den Beschäftigten unter dem gleichen Schutz des Tarif- und Arbeitsrechts. Furcht vor einer Verdrängung und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen oder gar Verlust von Beschäftigungsmöglichkeiten besteht in dieser Situation nicht und ist deshalb vom Personalrat auch nicht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Bei einer Entscheidung zu Beschäftigungsmöglichkeiten nach § 16 Abs. 3 SGB II stehen diese Fragen aber an und bestimmen die Entscheidungsprozesse.
Zur Sicherung der Rechte der Personalvertretung ist eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung schon bei der vorentscheidenden Maßnahme der Schaffung von Gelegenheiten zur zusätzlichen Arbeit erforderlich. Die Mitbestimmung bei der späteren Heranziehung nach dem Bewilligungsbescheid kommt entweder nicht in Betracht oder kann die hier zu bewältigenden Probleme, die nicht in der Person des Beschäftigten angelegt sind, nicht lösen. In Anwendung der Rechtsprechung zu § 19 Abs. 2 S. 1 HS1 2. Alt BSHG ist dem Personalrat eine Mitbestimmung in der Weise zu ermöglichen, dass er seine Zustimmung nur damit verweigern kann, es werde das Merkmal der Zusätzlichkeit aus Gründen verfehlt, welche die Belange der in der Dienstsstelle bereits tätigen Beschäftigten berühren (BVerwG, Beschl. v. 26. Jan. 2000, 6 P 2.99, BVerwGE 110, 287,296) [BVerwG 26.01.2000 - 6 P 2/99]. Weil der Personalrat kein umfassendes Kontroll- und Mitbestimmungsrecht hat, insbesondere nicht die Zweckmäßigkeit der Art der Aufgabenerfüllung der Dienststelle beurteilen darf, kann es ihm im Mitbestimmungsverfahren allein um die Mitbeurteilung der Abgrenzung der Einsatzbereiche und dort anfallenden Arbeiten unter dem Gesichtspunkt des Merkmals "zusätzliche Arbeit" gehen ( BVerwG a.a.O.).
Der Anwendung der Rechtsprechung zu § 19 Abs. 2 S. 1 HS1 2. Alt BSHG steht nicht entgegen, dass diese zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - MBG SH -ergangen ist (zweifelnd Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, Anm. 35a zu § 64 NPersVG). Die "Allzuständigkeit" der Personalvertretung in § 51 MBG SH unterscheidet sich nicht wesentlich von Generalklausel des § 64 Abs. 1 NPersVG. Darauf, ob Hilfsbedürftige nach § 16 Abs. 3 SGB II Beschäftigte gem. § 4 NPersVG sind, kommt es nicht an, weil die Mitbestimmung nicht an den Beschäftigtenbegriff in § 4 NPersVG anknüpft (vergl. BVerwG, Beschl. v. 27. Aug. 1997, 6 P 7/95, PersR 1998, 22).
Der Personalrat hat im Vorfeld der Beschäftigungsmaßnahme schon bei der Bereitstellung solcher Tätigkeitsfelder und insbesondere konkret bei der Beantragung von Förderungsmöglichkeiten, die Voraussetzung für die Zuweisung eines Arbeitslosen sind, im Rahmen des § 64 Abs. 1 mitzubestimmen. Ohne seine Zustimmung darf ein Antrag auf Förderung nicht gestellt werden. Gegebenenfalls muss das Einigungsverfahren durchlaufen werden, das nach § 72 Abs. 4 NPersVG allerdings nicht mit einer verbindlichen Entscheidung, sondern lediglich mit einer Empfehlung an die oberste Dienstbehörde endet.
Verfassungsrecht kann der Mitbestimmung bei der Entscheidung über Beschäftigungsangebote für Arbeitssuchende gem. § 16 Abs. 3 SGB II nicht entgegen gehalten werden. Die Frage, ob ein Mitbestimmungstatbestand vorliegt, ist von der verfassungsrechtlichen Problematik zu trennen, wer im Falle einer Nichteinigung verbindlich entscheidet (BVerwG, Beschl. v. 26. Januar 2000, 6 P 2.99, BVerwGE 110, 287, 293). Weil hier im Falle einer Nichteinigung eine Empfehlung der Einigungsstelle ergeht, bleibt die Verantwortung der Dienststelle über die Beschäftigung von Arbeitssuchenden unberührt.
Dem Anträgen zu 3) und zu 4), die auf Unterlassung gerichtet sind, kann nicht entsprochen werden. Dabei mag offen bleiben, ob der Personalvertretung durch § 63 Abs. 2 NPersVG ein subjektives Recht auf Unterlassung von mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen eingeräumt ist (zustimmend Bieler/Müller-Fritzsche, Niedersächsisches Personalvertretungsrecht, Kommentar, 12. Auflage, § 63, Anm. 10 und 20; jetzt auch Dembowski/Ladwig/Sellmann, Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, Anm. 31 zu § 63 NPersVG). Für einen Unterlassungsantrag fehlt dem Antragsteller aber das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich der Beteiligte aller Voraussicht nach der Entscheidung der Gerichte entsprechend verhalten wird.
Eine Kostenentscheidung ergeht im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht.