Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.06.2005, Az.: 11 B 2413/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.06.2005
- Aktenzeichen
- 11 B 2413/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 43278
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0628.11B2413.05.0A
Amtlicher Leitsatz
Der freiwilligen Ausreise der Angehörigen der Minderheiten aus dem Kosovo (hier: Ashkali) stehen weder tatsächliche noch rechtliche Gründe entgegen. Auch § 25 Abs. 5 AufenthG verlangt hinsichtlich ziestaatsbezogener Gesichtspunkte keine über die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinausgehende Prüfung der Zumutbarkeit. Bei abgelehnten Asylbewerbern besteht insoweit für die Ausländerbehörden die Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesamtes nach § 42 AsylVfG (wie VG Osnabrück, Urteil vom 5. April 2005 - 5 A 595/04 -)
Gründe
Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG, weil sie der Minderheit der Ashkali angehören. Soweit sie nunmehr behaupten Roma zu sein, ist dies nicht glaubhaft. Die Antragsteller zu 1) und 2) haben bei ihren Asylantragstellungen zunächst angegeben, die albanische Volkszugehörigkeit zu besitzen. In einer umfangreichen Erklärung vom 19. Februar 2001 hat der Antragsteller zu 1) dann dargelegt, dass sie tatsächlich der Volksgruppe der Ashkali bzw. Ägypter zugehörig seien, sich aber als Albaner gefühlt hätten. Auch in ihrem Antrag auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen vom 19. Januar 2005 ist ausgeführt, dass sie zu den Ashkali zählten. Dafür spricht zudem der Umstand, dass die Antragsteller die albanische Sprache sprechen und muslimischen Glaubens sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. November 2004, S. 13). Das Schreiben des National-Vereins der Roma im Kosovo vom 18. Mai 2005, welches den Antragstellern eine Roma-Zugehörigkeit bescheinigt, ist daher als anlassbezogene bloße Gefälligkeitsbescheinigung zu bewerten wobei vor allem der zeitliche Zusammenhang mit den seit Anfang Mai 2005 wieder möglichen Rückführungen der Ashkali offensichtlich ist. Nachvollziehbar hat der Antragsgegner auch darauf hingewiesen, dass andere in Deutschland aufhältige Verwandte der Antragstellerin zu 2) sich ebenfalls zur Volksgruppe der Ashkali zählen.
Maßgeblich ist nach § 25 Abs. 5 AufenthG, wie sich aus dem Wortlaut ("Ausreise") und der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420, S. 80) noch deutlicher als aus § 30 Abs. 3 und 4 AuslG ergibt, ob die freiwillige Ausreise der Antragsteller aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Unerheblich ist dagegen, aus welchen Gründen eine Abschiebung des Ausländers scheitert (vgl. auch VG Saarlouis, Urteil vom 2. März 2005 - 10 K 173/04 -juris).
Dass die freiwillige Ausreise der Antragsteller (auch) nicht wegen Nachteilen, die ihnen im Kosovo auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit drohen, unmöglich ist, ist bereits im Urteil des Einzelrichters vom 8. Dezember 2004 - 11 A 661/04 - (S. 5) im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung der Kammer ausgeführt worden. Durch das Inkrafttreten des § 25 Abs. 5 AufenthG zum 1. Januar 2005 haben sich die insoweit zu § 30 Abs. 3 und 4 AuslG entwickelten Maßstäbe nicht geändert.
Insbesondere bedarf es in Bezug auf die Antragsteller zu 1) bis 5) keiner Prüfung, ob der Ausreise zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (früher § 53 AuslG) entgegenstehen. Denn hierüber hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) bereits unanfechtbar entschieden. Hieran sind der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht in ausländerrechtlichen Verfahren nach § 42 Satz 1 AsylVfG gebunden. Eine weitergehende Zumutbarkeitsprüfung findet insoweit nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil vom 11. Mai 2005 - 11 A 2574/03 -S. 8) nicht statt (vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 6. April 2005 - 11 S 2779/04 -juris; OVG Münster, Beschluss vom 14. März 2005 - 18 E 195/05 - InfAuslR 2005, 263).
In der maßgeblichen Gesetzesbegründung (BT-Drs 15/420 a.a.O.) wird zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zumutbarkeit der freiwilligen Ausreise zu prüfen sei. Dies vermag es aber nicht zu rechtfertigen, darüber hinausgehende zielstaatsbezogene Aspekte in die Betrachtung mit einzubeziehen. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes, der § 24 Abs. 2 und § 42 AsylVfG - mit Ausnahme von auf der Einführung des AufenthG basierenden Folgeänderungen - unberührt gelassen hat, die von der Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322 ff.; Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383 ff.) herausgearbeitete grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt und der Ausländerbehörde, wonach ersteres zielstaatsbezogene Aspekte untersucht und letztere inlandsbezogene Gesichtspunkte zu prüfen hat, aufgeben wollte. Nach der erwähnten Gesetzesbegründung umfassen die Fälle rechtlicher Ausreisehindernisse im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG inlandsbezogene Gesichtspunkte. Auch für die Unmöglichkeit der Ausreise aus tatsächlichen Gründen werden keine zielstaatsbezogenen Aspekte, sondern die Reiseunfähigkeit, die Passlosigkeit und unterbrochene Verkehrsverbindungen beispielhaft erwähnt. Spezielle aufenthaltsrechtliche Regelungen für die Fälle, in den zielstaatsbezogene Gesichtspunkte von der maßgeblichen Behörde festgestellt worden sind, finden sich zudem in § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG (vgl. auch VG Osnabrück, Urteil vom 5. April 2005 - 5 A 595/04 -).
Hinsichtlich der Ashkali geht zudem - wie sich aus einer abgestimmten Niederschrift über Gespräche zur Rückführung von Minderheiten in das Kosovo am 25. und 26. April 2005 ergibt - inzwischen auch UNMIK davon aus, dass diese wegen der positiven Entwicklung der Sicherheitslage nicht mehr grundsätzlich als international schutzbedürftig anzusehen sind. Diese sollen daher nunmehr ab sofort in das Kosovo zurückgeführt werden (vgl. Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 3. Mai 2005). Asyl- wie ausländerrechtliche Bedenken bestünden insoweit auch dann nicht, wenn die Antragsteller Roma sein sollten (vgl. Nds. OVG, Beschuss vom 30. April 2004 - 8 LA 102/04 - und Urteil des VG Stade vom 3. Mai 2005 - 2 A 464/04).
In Bezug auf den Antragsteller zu 6) ist es nach der Rechtsprechung der Kammer (Beschluss vom 22. Juni 2005 - 11 B 2465/05) wegen seiner Geburt vor dem 1. Januar 2005 zwar fraglich, ob, wie der Antragsgegner meint, ein Asylantrag nach § 14 a Abs. 2
AsylVfG auf Grund der Anzeige seiner Geburt durch Schreiben des Antragsgegners an das Bundesamt vom 13. Juni 2005 als gestellt gilt. Jedenfalls ist aber im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts festzustellen, dass für die Minderheiten im Kosovo keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG anzunehmen sind (vgl. Beschluss vom 3. Juni 2004 - 8 LA 84/04 -S. 3; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes a.a.O., S. 13 f.). Der Appell von amnesty international an die Innenministerkonferenz, Abschiebungen in das Kosovo einzustellen, vermag diese Einschätzung nicht zu ändern.
Soweit der 4. Senat des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 6. Februar 2004 - 4 ME 494/03 -) davon ausgeht, dass bei Angehörigen der Minderheiten aus dem Kosovo eine Rückkehr aus humanitären Gründen im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht zumutbar sei, kann dies auf die strengeren Regelungen des § 25 AufenthG nicht übertragen werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Juni 2004 a.a.O.S. 4).