Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 28.06.2005, Az.: 1 A 2178/03
Heranziehung zu Beiträgen nach Durchführung beitragspflichtiger Straßenausbaumaßnahmen; Straßenausbaubeitragssatzung; Beitragspflichtigkeit von Baumaßnahmen; Möglichkeit der Abschnittsbildung nach § 6 Abs. 4 Kommunalabgabengesetz Niedersachsen (NKAG)
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.06.2005
- Aktenzeichen
- 1 A 2178/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32675
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0628.1A2178.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 1 NKAG
- § 6 Abs. 4 NKAG
Verfahrensgegenstand
SAB (Gartenstraße)
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Janssen,
den Richter am Verwaltungsgericht Riemann,
die Richterin am Verwaltungsgericht Hoeft sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen Frau Kaufmann und Frau Klatt
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen für die Gartenstraße in Oldenburg.
Über die Gartenstraße fließt der Verkehr von zwei Autobahnabfahrten und aus dem westlichen Umland in das Stadtzentrum von Oldenburg. Sie ist im östlichen Teil zwischen Theaterwall und Roggemannstraße auf der nördlichen Seite einseitig bebaut. Auf der südlichen Seite liegt der Schlossgarten, der als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist. Die Straße bestand aus einer asphaltierten Fahrbahn, die auf dem ursprünglichen Großsteinpflaster aufgebracht worden war. Beidseitig befanden sich kombinierte Rad- und Gehwege.
In den Jahren 1997 bis 2000 führte die Beklagte in der Gartenstraße Bauarbeiten an der Schmutzwasserkanalisation und an Fahrbahn und Nebenanlagen durch.
Weil im Bereich westlich der Roggemannstraße noch Grunderwerb zu tätigen war und Nebenanlagen noch nicht vollständig hergestellt waren, konnte eine Beitragsveranlagung für die gesamte Länge der Gartenstraße bis zum Jahre 2002 nicht erfolgen. Der Rat der Beklagten beschloss deshalb eine Veranlagung der Anlieger zwischen Theaterwall und Roggemannstraße. Bei der Beitragsberechnung wurde die Hälfte der Kosten auf die Anlieger nördlich der Gartenstraße umgelegt. Die Fläche des Schlossgartens blieb dabei außer Ansatz. Die Beitragslast wurde nach den Satzungsbestimmungen für Straßen mit überwiegendem Durchgangsverkehr ermittelt. 30% der Kosten für die Fahrbahn, 40% der Kosten für Entwässerung und Beleuchtung und 50% der Kosten für Radwege und Grünanlagen wurden auf die Anlieger verteilt. Zur Vorbereitung der Beitragsveranlagung ermittelte die Beklagte bei den zahlreich vorhandenen Baudenkmalen das Maß der tatsächlich vorhandenen baulichen Nutzung.
Mit Bescheid vom 4. September 2002 wurden die Kläger als Eigentümer eines Grundstücks an der Gartenstraße für die Erneuerung der Straße zu Straßenausbaubeiträgen von 2.404,20 Euro herangezogen. Die Kläger legten dagegen Widerspruch ein und machten im wesentlichen geltend, dass die Straßenausbaumaßnahmen keine Beitragspflicht zur Folge hätten haben können, weil es sich um Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten gehandelt habe, die für die Anlieger ohne Vorteil geblieben seien. Im Übrigen sei die Beitragslast auch unzutreffend ermittelt worden, weil durch Änderungsverbote an den Baudenkmalen das in Bebauungsplänen festgesetzte Maß der baulichen Nutzung nicht erreicht werden könne. Die Anlieger seien über die Kosten und die vorgesehenen Baumaßnahmen nicht ausreichend informiert worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit ausführlich begründetem Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2003 (zugestellt am 19. Mai 2003) zurück. Dazu wird auf Bl. 5 ff der Gerichtsakte verwiesen.
Am 18. Juni 2003 haben die Kläger Klage erhoben. Sie wiederholen und vertiefen ihre Einwendungen aus dem Widerspruchsverfahren. Anlass und Grund für die Baumaßnahmen seien nicht der schlechte und erneuerungsbedürftige Zustand der Straße, sondern vielmehr Kanalbauarbeiten gewesen. Als Folge davon habe man die Gartenstraße in Stand setzen müssen. Ein beitragsrelevanter Vorteil sei für die Anlieger nicht entstanden. Weder hätten sich die Funktion der Straße noch ihre Ausstattungsmerkmale verändert. Lediglich die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung habe von diesen Maßnahmen profitiert. Sofern die Allgemeinheit durch die verbesserte Verkehrsführung einen Vorteil an diesen Baumaßnahmen gehabt habe, sei dies gleichzeitig ein Nachteil für die Anlieger, weil der Straßenverkehr und die daraus resultierenden Belästigungen zugenommen hätten oder zunehmen werden. Die Beiträge könnten auf der vorhandenen satzungsrechtlichen Grundlage nicht richtig ermittelt werden, weil die Satzung keinen Raum für die Berücksichtigung von Baubeschränkungen bei den zahlreichen Baudenkmalen lasse. Außerdem sei die Beitragsveranlagung formell fehlerhaft. Es fehle schon an dem erforderlichen rechtlichen Gehör, außerdem sei der Beitragsbescheid nicht hinreichend begründet worden.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 4. September 2002 und ihren Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Prozessakte sowie auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger sind verpflichtet, Beiträge in der festgesetzten Höhe für die Erneuerung der Gartenstraße in dem Abschnitt zwischen Theaterwall und Roggemannstraße zu zahlen.
Die Beitragsforderung findet ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 NKAG i.V.m. der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 20. Februar 1989 mit späteren Änderungen, wie sie im Zeitpunkt des Beschlusses über die Abschnittsbildung am 19. Juni 2001 in Kraft war.
Die Beklagte hat an dem abgerechneten Teilstück der Gartenstraße beitragspflichtige Ausbaumaßnahmen nach § 6 Abs. 1 NKAG durchgeführt. Auch wenn die Straße in ihrem neuen Zustand gegenüber dem vorherigen Zustand keine oder nur geringe Veränderungen in ihren einzelnen Teileinrichtungen ausweist, sind die Baumaßnahmen schon unter dem Gesichtspunkt der Erneuerung beitragspflichtig. Dazu kann auf die Begründung im Widerspruchsbescheid Bezug genommen werden.
Die Beitragsveranlagung stützt sich auf eine ausreichende satzungsrechtliche Grundlage. Der Einwand der Kläger, die Satzung lasse bei der Ermittlung der zulässigen Grundstücksnutzung Baubeschränkungen außer Betracht, die sich etwa aus Vorschriften des Denkmalschutzes ergeben, greift nicht durch. Dazu kann auf die ausführliche Begründung des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2003 Bezug genommen werden.
Der Beitragserhebung kann nicht entgegen gehalten werden, dass Beiträge nicht für die gesamte Gartenstraße zwischen Marschweg und Theaterwall, sondern nur für den Abschnitt zwischen Roggemannstraße und Theaterwall erhoben worden sind. Die Beklagte hat rechtmäßig von der Möglichkeit der Abschnittsbildung nach § 6 Abs. 4 NKAG Gebrauch gemacht. Die Gemeinden können danach Beiträge für Abschnitte einer Einrichtung ermitteln, wenn diese selbstständig in Anspruch genommen werden können. Die Gemeinden haben einen weiten Entscheidungsrahmen für die Abschnittsbildung. Nur wenn die Abschnittsbildung zu einer so erheblichen Veränderung der Beitragslast führt, dass ihr die Willkür "auf der Stirn geschrieben steht", kann sie die Rechtmäßigkeit der Beitragsverteilung berühren (OVG Lüneburg, Beschl. v. 18. März 1992, 9 M 899/92, KStZ 1992, 172). Die von der Beklagten vorgenommene Abschnittsbildung ist nach sachgerechten Gesichtspunkten erfolgt. Der Abschnitt zwischen Roggemannstraße und Theaterwall hat eine ausreichend eigenständige Bedeutung, die eine Abrechnung für diesen Teil ermöglicht. Durch die Abschnittsbildung werden insbesondere die Anlieger dieses Abschnitts nicht unverhältnismäßig belastet. Ihnen erwachsen insbesondere aus der einseitigen Bebaubarkeit der Gartenstraße in diesem Abschnitt keine Nachteile. Die Beklagte hat die Aufwendungen für die Erneuerung der Straße nur zur Hälfte bei der Beitragsveranlagung berücksichtigt hat. Ob diese Vergünstigung zwingend geboten war (vgl. dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. § 12 Anm. 43) mag offen bleiben. Die Kläger sind durch die Berechnung der Beklagten auf jeden Fall nicht belastet, sondern erheblich bevorteilt.
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser ausgebauten Straße begründet einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil, der die Beitragsforderung rechtfertigt. Die Ausführungen der Kläger, mit denen sie den Vorteil in Frage stellen, können der Beitragsforderung nicht entgegen gehalten werden. Auch dazu kann auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen werden. Allein die Möglichkeit der Benutzung der erneuerten Straße ist ein Vorteil, der die Beitragserhebung rechtfertigt. Auch die Zunahme des Straßenverkehrs in den Jahren nach der erstmaligen Herstellung stellt die Annahme des Vorteils durch Zugangsmöglichkeit nicht in Frage. Solange das Ansteigen der Straßenbenutzung durch die Allgemeinheit nicht zu einer wesentlichen Veränderung der Funktion der Straße im Verkehrsnetz der Gemeinde führt, sind diese Auswirkungen des Beitrags auf die Beitragsfähigkeit der Maßnahme ohne Einfluss (Driehaus a.a.O.., § 29 Anm. 33).
Der Aufwand ist zutreffend auf die Grundstücke, die einen Vorteil von der Maßnahme haben, verteilt worden. Insbesondere ist auch für die Grundstücke mit Baudenkmalen, zu denen auch das Grundeigentum der Kläger gehört, eine vorteilsgerechte Verteilung gefunden worden. Grundsätzlich können Beschränkungen, die eine etwa durch Bebauungsplan erlaubte Nutzbarkeit des Grundstücks verhindern, der Beitragsveranlagung entgegen gehalten werden, wenn das durch die Baubeschränkung getroffene Nutzungsmaß eine Komponente der satzungsgemäßen Vorteilsregelung ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 17 Anm. 50). Deshalb ist eine Satzungsbestimmung, die auf die Geschossfläche als Nutzungsmaß abstellt, in ihrem Merkmal "zulässig" dahin auszulegen, dass im Einzelfall das Nutzungsmaß zu Grunde zu legen ist, das unter Berücksichtigung öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen auf dem jeweiligen Grundstück verwirklicht werden darf (Driehaus a.a.O.., Anm. 51). Die Beklagte ist dem gerecht geworden, indem sie durch umfangreiche Berechnungen und Nachforschungen das Maß der zulässigen Nutzung unter Berücksichtigung der Einschränkungen des Baudenkmalrechts ermittelt hat. Somit sind diese Grundstücke nicht mit der im Bebauungsplan erlaubten Geschossflächenzahl, sondern mit der im Einzelfall durch Baubeschränkungen zulässigen Geschossflächenzahl in die Rechnung einbezogen worden. Im Übrigen wird dazu auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Auch formell sind die Bescheide nicht zu beanstanden. Zumindest in Verbindung mit dem Widerspruchsbescheid ist eine ausreichende und nachvollziehbare Begründung für die Beitragsforderung gegeben. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hat zum einen nicht stattgefunden, zum anderen wäre sie auch unbeachtlich, weil es sich um gebundene Verwaltung handelt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Riemann,
Hoeft