Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 24.06.2005, Az.: 13 A 772/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 24.06.2005
- Aktenzeichen
- 13 A 772/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43273
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0624.13A772.03.0A
Amtlicher Leitsatz
§ 50 Abs. 2 SGB X greift nur, wenn aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses zwischen Leistungsträger und Empfänger eine Leistung zu Unrecht erbracht wird.
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2002 und deren Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2003 werden insoweit aufgehoben, als mit ihnen vom Kläger eine Erstattung von mehr als 4.776,42 € gefordert wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 88 %, die Beklagte 12 % der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Der Kläger, seine Ehefrau und ihre acht Kinder zogen im Dezember 2001 von Oldenburg in das Gebiet der Beklagten um. Die Beklagte gewährte ihnen ab dem 16. Dezember 2001 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, wobei ab Mai 2002 über die Leistungen für den am 1. Januar 1984 geborenen Sohn M. durch einen gesonderten, an diesen gerichteten Bescheid und über die Leistungen an den Kläger, seine Ehefrau und deren verbliebene sechs Kinder durch Bescheide, die an den Kläger und seine Ehefrau adressiert sind, entschieden wurde. Für Letztere wurde mit Bescheid vom 8. Mai 2002 die Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit ab dem 1. Juni 2002 auf 2.388,21 € - einschließlich eines besonderen Mietzuschusses in Höhe von 623,00 € - festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom 8. Mai 2002, der an den Sohn M. des Klägers gerichtet ist, setzte die Beklagte die diesem zu gewährende Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit ab 1. Juni 2002 auf monatlich 321,57 € fest. Aus dem Bescheid ergibt sich, dass die Leistung im Einverständnis mit Herrn M. H. auf das Konto seines Vaters ausgezahlt bzw. angewiesen wird. Nach den Regelungen in beiden Bescheiden werden von den gewährten Leistungen Zahlungen an den Vermieter und die Energieversorgung Weser-Ems geleistet, so dass sich aus dem an den Kläger und seine Ehefrau gerichteten Bescheid ein Zahlungsbetrag von 1.494,88 € und aus dem an M. H. gerichteten Bescheid ein Auszahlungsbetrag von 213,03 € ergibt.
Durch ein technisches Problem bei der Leistungsabwicklung des Beklagten wurden auf das Konto des Klägers und seines Sohnes nicht die zutreffenden Beträge, sondern 6.271,30 € für den Kläger, seine Ehefrau und die sechs Kinder sowie 856,17 € für den Sohn M. des Klägers auf das Konto des Klägers überwiesen. Beide Beträge wurden am 30. Mai 2002 auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben. Damit betrug der Saldo des Kontos 8.055,00 €. Am gleichen Tag hob der Kläger von diesem Konto 8.000,00 € ab. Im Verlauf des Tages erstattete er bei der Polizeiinspektion Delmenhorst eine Anzeige wegen Fundunterschlagung und teilte mit, ihm seien die Geldbörse, Bargeld und die EC-Karte im Wert von 8000.- € gestohlen/unterschlagen worden. Am Nachmittag dieses Tages teilte ein Sohn des Klägers der Beklagten mit, seinem Vater sei die Brieftasche abhanden gekommen, nachdem er den gesamten Geldbetrag, der auf seinem Konto vorhanden gewesen sei, abgehoben habe.
Mit Schreiben vom 31. Mai 2002 unterrichtete die Beklagte den Kläger darüber, dass ihm versehentlich ein zu hoher Betrag überwiesen worden sei, wies ihn darauf hin, dass der überzahlte Betrag ihm nicht zustehe und er ihn zu erstatten habe, und forderte ihn auf, sich unverzüglich mit seinem Geldinstitut zwecks Rücküberweisung des Betrages in Verbindung zu setzen. Schließlich kündigte ihm die Beklagte an, dass in dem Fall, in dem eine Rücküberweisung nicht möglich sein sollte, er einen Rückforderungsbescheid erhalten werde. Darauf wies der Kläger darauf hin, dass er nach Abhebung des Betrages von 8.000,00 € von seinem Konto sein Portemonnaie verloren habe und nicht mehr im Besitz des Geldbetrages sei. Ergänzend machte der Kläger geltend, er sei mittellos und habe sich zunächst Geldbeträge bei einem Freund geliehen, um den Lebensunterhalt seiner Familie sicher zu stellen.
Eine Hausdurchsuchung von Polizeibeamten der Polizeiinspektion Delmenhorst beim Kläger blieb ohne Ergebnis.
In der Folgezeit stritten die Beteiligten darüber, ob dem Kläger und seiner Familie ein Anspruch auf Gewährung weiterer Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Juni 2002 zustand. In diesem Zusammenhang legte der Kläger Kontoauszüge über sein bei der ...bank bestehendes Konto, auf das die Leistungen des Beklagten geflossen waren, vor. Aus diesem ergibt sich die Barauszahlung in Höhe von 8.000,00 €. Weiter lässt sich aus den Kontoauszügen ersehen, dass der Kläger häufiger am Ende eines Monats sich jeweils im Wesentlichen den Betrag, der sich auf dem Konto befunden hat, hat auszahlen lassen.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2002 gab die Beklagte dem Kläger auf, insgesamt 5.419,15 € an sie zu erstatten. Zur Begründung wird ausgeführt: Der Kläger habe trotz Belehrung über seine Mitwirkungspflichten nicht mitgeteilt, dass er statt der mit Bescheid vom 8. Mai 2002 angekündigten Leistung von 1.494,88 € tatsächlich einen Betrag von 6.271,30 € erhalten habe. Diesen Betrag habe er nach § 50 Abs. 2 SGB zu erstatten. Auf Vertrauen könne er sich nicht berufen. Mit Bescheid vom 8. Mai 2002 sei ihm mitgeteilt worden, welcher Betrag aus Mitteln der Sozialhilfe auf sein Konto überwiesen werde. Da keine Änderungen eingetreten seien und er auch keine weiteren Anträge gestellt habe, hätte es dem Kläger klar sein müssen, dass es zur Überweisung in Höhe von 6.271,30 € nur durch Irrtum gekommen sei. Da er sich darüber aber offenbar keine Gedanken gemacht und Zweifel, die sich ihm hätten aufdrängen müssen, nicht nachgegangen sei, habe er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt und damit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt. Zumindest hätte er sich telefonisch an die Beklagte wenden können, um nachzufragen, ob die erhaltene Zahlung zutreffend sei. Es entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen, von ihm die Erstattung des überzahlten Betrages zu fordern. Dies entspreche der Rechtsprechung zu § 45 Abs. 1 SGB X, wonach von der Rücknahme eines Bewilligungsbescheides nur ausnahmsweise dann abgesehen werden könne, wenn sich dies wegen besonders gewichtiger Gründe rechtfertige. Vor diesem Hintergrund überwiege das öffentliche Interesse an der Vermeidung nicht gerechtfertigter Zahlungen aus Sozialkassen das Interesse des Klägers daran, den ihm irrtümlich angewiesenen Betrag zu behalten. Abschließend wird der Kläger darauf hingewiesen, dass Zweifel an seiner Hilfebedürftigkeit bestünden und er trotz der sich aufdrängenden Zweifel daran, dass der überwiesene Betrag ihm und seinem Sohn zustehe, das gesamte Guthaben abgehoben und verloren habe; darin liege eine schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, die ebenfalls dazu führen, dass er den Betrag zu erstatten habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2003 zurückwies. In den Gründen dieses Bescheides heißt es:
Der Kläger habe zu Unrecht Leistungen ohne Verwaltungsakt erhalten. Es sei offensichtlich gewesen, dass er auf diese Leistungen keinen Anspruch gehabt habe. Daher könne er sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit einem am 27. Februar 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend: Weder im Ausgangsbescheid noch im Widerspruchsbescheid sei berücksichtigt worden, dass er das Geld bei der Bank abgehoben und es später verloren habe. Dies hätte zumindest bei der der Beklagten obliegenden Ermessensentscheidung berücksichtigt werden müssen. Problematisch sei weiter, dass von ihm auch ein Geldbetrag zurückgefordert werde, der nicht für ihn, sondern für seinen Sohn M. gezahlt worden sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass von ihm unrichtigerweise Leistungen zurückgefordert würden, die für seine Familienangehörigen gedacht gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und macht ergänzend geltend: Die Überzahlung sei insgesamt auf das Bankkonto des Klägers erfolgt. Damit lasse sich dieser Zufluss nicht auf die Bedarfsgemeinschaft aufsplitten oder betragsmäßig zuordnen. Nur der Kläger sei erstattungspflichtig. Ihm sei auch die Rechtsgrundlosigkeit der Leistungen und seine Erstattungsverpflichtung von Vornherein bekannt gewesen, so dass er auch nicht damit gehört werden könne, dass die Ermessenserwägungen unvollständig seien.
Mit Schriftsatz vom 1. April 2005 hat die Beklagte ihre Ermessenserwägungen in den angegriffenen Bescheiden wie folgt ergänzt:
Wenn ohne Rechtsgrund erlangte Mittel verbraucht und nicht mehr im Besitz des Betroffenen seien, sei dies - soweit keine weiteren Umstände vorlägen - grundsätzlich nicht geeignet, eine Fallgestaltung anzunehmen, die zum Absehen von der Rückforderung eines zu Unrecht erhaltenen Geldbetrages führe. Atypische Sachverhalte, die die Rückforderung unbillig erschienen ließen, lägen hier nicht vor. Der Kläger habe nicht gutgläubig gehandelt. Die Tatsache, dass er angeblich auf dem Nachhauseweg den Geldbetrag verloren habe, könne nicht dazu führen, dass er besser gestellt werde als derjenige, der zu Unrecht erhaltene Leistungen schlicht verbraucht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig, soweit mit ihnen vom Kläger Erstattung von 4.776,42 € gefordert wird. Soweit mit ihnen ein höherer Betrag als Erstattung verlangt wird, sind sie rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
1. Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind, soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, diese zu erstatten. Der Kläger hat, worüber die Beteiligten nicht streiten, eine Zahlung aus Mitteln der Sozialhilfe in Höhe von 6.271,30 € Ende Mai 2002 erhalten. Nach dem Bescheid vom 8. Mai 2002 über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ab Juni 2002 war nur ein Auszahlungsbetrag in Höhe von 1.494,88 € festgesetzt. Dem Kläger sind damit Leistungen ohne Verwaltungsakt in Höhe von 4.776,42 € zugeflossen, hinsichtlich derer er zur Erstattung verpflichtet ist. Nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X gelten in diesem Zusammenhang weiter die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend. Da Sozialhilfe nicht den Charakter einer Dauerleistung hat, ist hier nur § 45 SGB X entsprechend anzuwenden. Nach § 45 Abs. 2 SGB darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstige auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X bestimmt weiter, dass der Begünstigte sich dann nicht auf Vertrauen berufen kann, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die zuletzt genannte Vorschrift ist hier - entsprechend - anwendbar. Dem Kläger musste im Hinblick auf den ihm zugegangenen Bescheid vom 8. Mai 2002 klar sein, dass der Überweisungsbetrag von 6.271,30 € viel zu hoch war und nur auf einem Irrtum oder einem Versehen beruhen konnte. Das gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass sein Sohn darum gebeten hatte, die ihm zu gewährende Sozialhilfe auf das Konto des Klägers zu überweisen. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass es dem Kläger weiter klar war, dass sein Sohn jedenfalls einen nicht so hohen Anspruch auf Sozialhilfe hatte, er vielmehr nach den bisherigen Erfahrungen ohne Weiteres davon ausgehen musste, dass auch für seinen Sohn nur etwas mehr als 200,00 € an Sozialhilfe gezahlt wurden. In Übereinstimmung mit den angegriffenen Bescheiden ist daher das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger entweder genau wusste, dass die Beträge aus Mitteln der Sozialhilfe ihm nicht zustanden oder es sich ihm aufdrängen musste, dass hier ein Fehler vorliegt. Damit ist ihm (zumindest) grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Kann sich der Kläger somit nicht auf Vertrauen berufen, war von der Beklagten im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB X im Rahmen ihres Ermessens zu entscheiden, ob die nicht durch einen Verwaltungsakt gewährte Leistung vom Kläger zu erstatten ist. Dabei ist im Rahmen der durch § 114 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte unter Abwägung der gegenseitigen Interessen dazu entschieden hat, vom Kläger Erstattung des Betrages zu verlangen. Es kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang die durch § 45 Abs. 1 SGB X bei der Entscheidung über die Rücknahme vorgesehene Ermessensausübung dahin intendiert ist, dass von der Rücknahme allenfalls ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn sich dies wegen besonders gewichtiger Gründe rechtfertigt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. September 1992 - 8 C 69/90 - NJW 1993, 747). Die Beklagte hat - was sich aus dem Bescheid vom 8. Juli 2002 ergibt - erkannt, dass ihr bei der Entscheidung über die Erstattung Ermessen zusteht; die Begründung dieses Bescheides lässt auch erkennen, dass dabei im Rahmen der Abwägung auch das Interesse des Klägers daran, den Geldbetrag zu behalten bzw. nicht erstatten zu müssen, in den Blick genommen worden ist. Zutreffend hat der Kläger allerdings darauf hingewiesen, dass die angegriffenen Bescheide zumindest ihrer Begründung nach nicht eindeutig erkennen lassen, ob sein Vorbringen, er habe den Geldbetrag von 8.000,00 € verloren, berücksichtigt worden ist. Unklar ist insoweit, ob die Ausführungen auf Seite 4 des Bescheides vom 8. Juli 2002 auch zur Begründung der getroffenen Ermessensentscheidung herangezogen werden können. Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 1. April 2005 ihre Ermessenserwägungen im Hinblick auf den vorgetragenen Verlust des Geldbetrages ergänzt. Dies ist nach § 114 Satz 2 VwGO durchaus möglich, da diese Vorschrift die prozessualen Voraussetzungen dafür schafft, dass defizitäre Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden können (BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1999 - 6 B 133/98 -, NJW 1999, S. 2912). Dies kann durch förmliche Ergänzung eines Bescheides, aber auch durch einen Schriftsatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geschehen (Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann u. a. Kommentar zur VwGO, § 114 Rdnr. 12 e). In Anbetracht dieser Ergänzung der Ermessenserwägungen ist die getroffene Ermessensentscheidung durch das Gericht nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die angegriffenen Bescheide, soweit mit ihnen die Erstattung von 7.776,42 € gefordert wird, auch nicht deshalb rechtlich zu beanstanden, weil eine gesamtschuldnerische Haftung von Ehegatten oder Familienangehörigen dann nicht besteht, wenn ihnen rechtswidrig Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden (vgl. dazu nur BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1992 - 5 C 65/88 - FEVS 43, 268). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass dann, wenn rechtswidrig Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden, Empfänger der Hilfe derjenige ist, der sachlich-rechtlich Inhaber der Forderung gegen den Sozialhilfeträger ist; das ist der Hilfesuchende, dem die Leistung selbst zugedacht ist. Diese Überlegungen greifen hier jedoch nicht, weil die Leistung - die Zuwendung des irrtümlich gezahlten Betrages - nicht etwa Familienangehörigen des Klägers "zugedacht" worden ist, sondern dem Kläger irrtümlich und nicht als wirklich oder vermeintlich Sozialhilfeberechtigten zugeflossen ist. Damit ist der Kläger allein zur Erstattung des versehentlich gezahlten Betrages verpflichtet.
2. Anders ist die rechtliche Lage, soweit vom Kläger auch Erstattung des Betrages gefordert wird, der irrtümlich an seinen Sohn M. gezahlt worden ist. Nach der Rechsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 29. Oktober 1986 - 7 RAr 77/85 - BSGE 61, 11) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23. Januar 1990 - 8 C 37/88 - BVerwGE 84, 274) umfasst § 50 Abs. 2 SGB X nur die Fälle, in denen aufgrund des öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses zwischen dem Empfänger und dem Leistungsträger eine Leistung ohne einen Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht wird. Dies hat seinen Grund darin, dass Erstattungsansprüche auf Ausgleich einer ungerechtfertigten Bereicherung gerichtet und daher die Kehrseite des Leistungsanspruch sind. Ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis bezüglich der Gewährung von Sozialhilfe bestand aber nur zwischen dem Sohn M. des Klägers und der Beklagten. Ihm wurden die Leistungen - mit und ohne Rechtsgrund - im Rahmen des sozialhilferechtlichen Schuldverhältnisses, das zwischen ihm und der Beklagten bestand, gezahlt. Insoweit ist zu beachten, dass die Leistung, deren Erstattung nunmehr verlangt wird, nur im Hinblick auf das mit dem Sohn des Klägers bestehende Leistungsverhältnis erbracht wurde und eine Verbindung mit dem Kläger lediglich dadurch gegeben ist, dass der Sohn des Klägers gebeten hatte, die für ihn bestimmten Leistungen auf das Konto seines Vaters zu überweisen. Dadurch, dass Sozialleistungen auf Bitten des Leistungsberechtigten auf das Konto eines Dritten gezahlt werden, kommt aber mit diesem noch kein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis zustande. Dafür genügt nicht schon die Zahlung als solche. Damit findet die Erstattungsforderung betreffend den Betrag von 643,14 € ihre Rechtsgrundlage nicht in § 50 Abs. 2 SGB II (a. A. Wiesner in von Wulffen, Kommentar SGB X, 4. Aufl., § 50 Rn. 4).
Die angegriffenen Bescheide waren daher aufzuheben, soweit vom Kläger mehr als 4.776,42 € gefordert werden.
Das Gericht hat nicht darüber zu entscheiden, ob der Beklagten ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der an den Sohn M. des Klägers zu Unrecht gezahlten Leistung deshalb zusteht, weil der Kläger der Beklagten aus allgemeinen Grundsätzen eines Erstattungsanspruchs auf Ausgleich einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet ist. Dies bedarf keiner näheren Vertiefung, da eine Rechtsgrundlage zur Festsetzung eines derartigen Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt nicht besteht.